Architektur: Ein Souterrain-Neubau flirtet mit der Natur
Zurückhaltend und mutig: Auf einem Grundstück bei Stuttgart baute eine Architektin familiengerecht um einen Garten herum
Das Grundstück in Nürtingen war nicht gerade ein Sahnestückchen: Zwar befindet es sich auf einem Bergrücken, hat aber keine Hanglage. Ein Wall und eine Straße begrenzen es im Süden. Architektin Manuela Fernandez Langenegger musste sich daher bei der Planung eines Familienhauses die Frage stellen, ob sie das Gelände planieren oder den alten Baumbestand erhalten sollte. Sie entschied sich für letzteres – und grub den Neubau samt großem Atrium einfach ein. Heute macht der Blick in die Baumwipfel die fehlende Fernsicht locker wett.
Also beschloss Fernandez Langenegger, das Haus einzugraben. Und einen weitläufigen Hof nach Süden zu öffnen. „Die Größe des Hofs zu bestimmen, war eine Gratwanderung. Er sollte nicht eng und eingezwängt wirken, gleichzeitig mussten wir darauf achten, den Bäumen auf dem Wall nicht zu viel Erde zu nehmen“, sagt sie.
Die Stützmauer des Hofs ist 1,70 Meter hoch. Eine Absturzsicherung am oberen Rand gibt es nicht. „Die Kinder lernen, mit der Gefahr umzugehen. Sie wissen, dass sie auf dem Wall nicht Ballspielen dürfen“, so die Architektin.
Hier und im folgenden Bild zu sehen: die Architektin Manuela Fernandez Langenegger.
Die Stützmauer des Hofs ist 1,70 Meter hoch. Eine Absturzsicherung am oberen Rand gibt es nicht. „Die Kinder lernen, mit der Gefahr umzugehen. Sie wissen, dass sie auf dem Wall nicht Ballspielen dürfen“, so die Architektin.
Hier und im folgenden Bild zu sehen: die Architektin Manuela Fernandez Langenegger.
Eine Treppe aus auskragenden Betonelementen führt vom Wall in den Innenhof. Dank überdachter Terrasse können die Bewohner auch bei Regen im Freien sitzen. Bodentiefe Fenster vermitteln zwischen Garten und Haus.
Von der Straße im Süden ist der eingegrabene Hof weder zu sehen noch zu erahnen. Ein Carport mit Nebenraum für Mülltonnen und Fahrräder schiebt sich vor das Gebäude und grenzt es von der Straße ab. Rechts, wo sich der Überstand zum Nachbargrundstück öffnet, gelangt man über einen Weg zum Hauseingang.
Breite, gepflasterte Stufen führen hinunter zur Haustür. Wer hineingeht, wird überrascht: Während außen die Lärchenholz-Fassade dominiert, prägen grauer Beton und weiß lackierte Einbauten das Erdgeschoss.
Wenn man ins Haus tritt, ist vom Atrium zunächst noch nichts zu sehen. Gegenüber der Eingangstür steht ein weißer Einbaukubus mit mehreren Funktionen: Neben viel Stauraum sind darin die grün gestrichene Gästetoilette und der Hauswirtschaftsraum untergebracht.
Wer sich um 90 Grad dreht, blickt in den grünen Innenhof. „Alle Besucher sind davon überrascht“, sagt Fernandez Langenegger, die das Haus ursprünglich für sich und ihre Familie baute, es jedoch kürzlich verkauft hat.
Wer sich um 90 Grad dreht, blickt in den grünen Innenhof. „Alle Besucher sind davon überrascht“, sagt Fernandez Langenegger, die das Haus ursprünglich für sich und ihre Familie baute, es jedoch kürzlich verkauft hat.
Dieser Baum, der das Gebäude überragt, wurde neu gepflanzt. Sein Stamm und das Wiesengrün fangen beim Betreten des Hauses den Blick ein.
Im Bild rechts: Hinter der Holzfassade verbirgt sich ein Raum für Gartengeräte und eine Sauna.
Im Bild rechts: Hinter der Holzfassade verbirgt sich ein Raum für Gartengeräte und eine Sauna.
Auf der anderen Seite, gegenüber dem Eingang, ist eine Küchenzeile in den weißen Kubus integriert. „Wir haben zwei weiße Kuben als Sichtbarrieren eingebaut, im Kontrast zum rohen Beton“, erläutert Fernandez Langenegger.
Die Kuben wurden, wie alle Einbauten, nach Plänen der Architektin von den Schreinern Stefan Albiez und Sibylle Lutz aus MDF maßgefertigt und weiß lackiert.
Die Kücheninsel ruht wandseitig auf einem Sockel und scheint ansonsten förmlich zu schweben. „Die Insel ist relativ kurz. Durch den Ausschnitt wirkt sie leichter“, so Fernandez Langenegger.
Die Kücheninsel ruht wandseitig auf einem Sockel und scheint ansonsten förmlich zu schweben. „Die Insel ist relativ kurz. Durch den Ausschnitt wirkt sie leichter“, so Fernandez Langenegger.
Und warum die grünen Akzente? „Grün ist einfach meine Lieblingsfarbe“, so die Architektin. „Zudem erzeugt es einen starken Außenbezug.“
Die Arbeitsflächen der Küche wurden aus Trespa-Fassadenplatten gefertigt. „Ich mag die leicht raue Oberfläche des Materials“, sagt die Architektin.
Die Arbeitsflächen der Küche wurden aus Trespa-Fassadenplatten gefertigt. „Ich mag die leicht raue Oberfläche des Materials“, sagt die Architektin.
Zwischen Fenster und Kücheninsel ließ sie eine lange Bank an die Wand montieren. „Wir haben sie bis an die Insel herangebaut, damit sich die Kinder in der Küche vor dem Essen noch die Hände waschen können. Auf der Bank stehend, kommen selbst kleine Kinder an den Wasserhahn.“
Die Bank gehört zum Essplatz vor der Kücheninsel. Das Sitzfenster ist das einzige im Erdgeschoss mit Blick nach Norden. Der Küchenboden liegt nur zwanzig Zentimeter unterhalb des Erdniveaus, während die hintere Ecke des Wohnzimmers etwa 1,60 Meter in die Erde reicht.
Wie bei der Stützmauer im Hof hat die Architektin auch bei der Treppe auf ein Geländer verzichtet. „Ich selbst bin keine ängstliche Mutter und halte es für wichtiger, offen mit Gefahren umzugehen. Kinder lernen schnell, wie sie sicher laufen können.“
Die Bank gehört zum Essplatz vor der Kücheninsel. Das Sitzfenster ist das einzige im Erdgeschoss mit Blick nach Norden. Der Küchenboden liegt nur zwanzig Zentimeter unterhalb des Erdniveaus, während die hintere Ecke des Wohnzimmers etwa 1,60 Meter in die Erde reicht.
Wie bei der Stützmauer im Hof hat die Architektin auch bei der Treppe auf ein Geländer verzichtet. „Ich selbst bin keine ängstliche Mutter und halte es für wichtiger, offen mit Gefahren umzugehen. Kinder lernen schnell, wie sie sicher laufen können.“
Ein zweiter weißer Kubus trennt den Koch- und Essbereich vom Wohnzimmer. Auch er ist ein Multitalent: Sowohl die Treppen ins Obergeschoss und in den Keller als auch Stauraum und eine Sitznische sind darin untergebracht.
Die Sitznische öffnet sich zum Wohnbereich.
An der Wand des L-förmigen Erdgeschosses steht ein Einbauschrank mit Bücherregal, der bis ans Fenster des Essbereichs reicht. Er ist oben und unten mit LED-Bändern versehen und hebt sich so von der Betonwand ab. Gleichzeitig verdeckt das untere LED-Band die Schächte der zentralen Lüftungsanlage.
Vom Sofa geht der Blick ins Atrium. Dank bodentiefer Fenster und Fenstertüren wirkt er wie ein Teil des Wohnraums.
In diesem und dem nächsten Bild: die Architektin und die Schreiner mit Kind
Vom Sofa geht der Blick ins Atrium. Dank bodentiefer Fenster und Fenstertüren wirkt er wie ein Teil des Wohnraums.
In diesem und dem nächsten Bild: die Architektin und die Schreiner mit Kind
Das Erdgeschoss ist aus Stahlbeton konstruiert. Eine Fußbodenheizung unter dem Sichtestrich wärmt den Raum. „Wir haben den Betonestrich nur mit einem Schutzanstrich versehen, der etwa alle fünf Jahre erneuert werden muss. Die offenporige Struktur konnten wir so erhalten“, erklärt die Architektin.
Im Obergeschoss, das in Holzständerbauweise ausgeführt ist, sind Lärchenholzdielen verlegt. Ein Spielflur mit großen Fenstern erschließt die Räume. Einbauschränke und eine Glasscheibe dienen als Absturzsicherung am Treppenausschnitt.
Die beiden Kinderzimmer liegen auf der Westseite. Das Kinderbad befindet sich im Norden, das Elternschlafzimmer im Osten mit einem Fenster nach Süden und einem angeschlossenen Bad nach Norden.
Die beiden Kinderzimmer liegen auf der Westseite. Das Kinderbad befindet sich im Norden, das Elternschlafzimmer im Osten mit einem Fenster nach Süden und einem angeschlossenen Bad nach Norden.
Kinder- und Elternbad sind mit grünen Mosaikfliesen ausgekleidet. Die Badewanneneinfassung besteht, wie die Küchenarbeitsfläche, aus Trespa-Fassadenplatten, und auf dem Boden ist, wie im gesamten Obergeschoss, Lärchenholz verlegt.
Beide Bäder haben Fenster nach Norden, die hinter der Lärchenholzfassade liegen. So dringt diffuses Licht in die Räume. Nachts wiederum bringen die Lichter im Bad die Fassade zum Leuchten.
Beide Bäder haben Fenster nach Norden, die hinter der Lärchenholzfassade liegen. So dringt diffuses Licht in die Räume. Nachts wiederum bringen die Lichter im Bad die Fassade zum Leuchten.
Die großen Südfenster im Flur des Obergeschosses geben den Blick auf das Artrium und in die Ferne frei. Die äußere Glasschicht der Fenster überdeckt die Rahmen und schützt sie so vor Witterungseinflüssen.
Für den Sonnenschutz an der Südfront arbeitete Fernandez Langenegger mit der Natur zusammen: Der neu gepflanzte Baum im Atrium wird wachsen und mit der Zeit im Sommer ausreichend Schatten spenden.
Entdecken Sie weitere spannende Architekturprojekte
Für den Sonnenschutz an der Südfront arbeitete Fernandez Langenegger mit der Natur zusammen: Der neu gepflanzte Baum im Atrium wird wachsen und mit der Zeit im Sommer ausreichend Schatten spenden.
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Hier wohnt: eine Familie mit zwei Kindern
Auf: 165 Quadratmetern
In: Nürtingen
Architekten: Elanandez
Fotos: Reiner Blunck
Die Ausgangslage für dieses Projekt war nicht einfach. Das Grundstück fällt nach Norden hin ab, nach Süden versperren ein Wall und die Nachbarbebauung die Sicht. Das Gelände in seiner ursprünglichen Form zu nutzen und darauf ein eingeschossiges Haus zu errichten, war keine Option, so Architektin Manuela Fernandez Langenegger vom Büro Elanandez: „Wir hätten wie auf einem Präsentierteller gesessen, von allen Seiten einsehbar.“ Fernandez Langenegger verwarf die Möglichkeit, den Wall einzuebnen. Denn dafür hätten fast alle der großen alten Bäume weichen müssen. „Der Baumbestand macht die Qualität des Grundstücks aus“, sagt die Architektin.