Architektur: Stahltreppen als Rückgrat für zwei Maisonettes in München
Gekanteter Stahl, fein wie ein Scherenschnitt: Als Treppenskulptur windet sich das Material durch drei Stockwerke in einem neuen Dachaufbau
Manche Entwürfe lassen sich nur manuell entwickeln. Durch Ausprobieren, Basteln, Anschauen, Ertasten. Architekt Erich Gassmann baute für die Pensionskasse der Wacker Chemie AG in München zwei Maisonette-Mietswohnungen auf ein Wohnhaus von 1912 – mit einem komplett neuen Dach. Neben den kunstvoll geschwungenen Wänden und dem durch dickwandige Fensterschächte stimmungsvoll einfallenden, fast sakral anmutenden Tageslicht sind es vor allem die Treppen, die den Räumen das gewisse Etwas verleihen. Gassmanns Büro entwickelte sie im Modell. „Ein Student hat sie gebaut, ganz klassisch mit Cutter und Pappen“, sagt er. Jetzt schwingen sie sich lebensgroß durch drei Stockwerke – in gekantetem Stahlblech.
Beide Wohnungen haben etwa einen großen Wohn- und Essbereich. Massives Eichenparkett liegt auf dem Boden. Gassmann Architekten entwarfen die Küche, die Schreinerei Beck kümmerte sich um die Ausführung. Die Fronten sind aus HPL – High Pressure Laminate. „Gerade bei Mietwohnungen muss man darauf achten, dass Einbauten robust sind“, sagt Gassmann
Verkehrswege sind, metaphorisch gesprochen, das Rückgrat eines Hauses. Eindrucksvoll, wenn eine Treppenkonstruktion einem solchen Rückgrat ähnelt. Durch diese Treppe werden zwei Stockwerke verbunden. Gebaut wurde sie von Treppenbau Hammerl in deren Werkstatt in München Freiham und dann fertig angeliefert und montiert. Das Architekturbüro entwickelte die Form mithilfe von Mustern in Originalgröße. Die Konstruktion aus gekantetem Stahl ist mit Eichenbohlentritten ausgestattet, passend zum Bodenbelag.
„Die Rekonstruktion des Daches war eine sehr forschungsintensive Arbeit“, sagt Gassmann. Das Denkmalamt forderte neben den richtigen Proportionen auch Gauben und ein strenges Fensterraster. Im Inneren gestaltete der Architekt die Öffnungen als Lichtschächte, die nicht nur direktes sondern auch diffuses Licht in die Räume lassen, wodurch eine nahezu sakrale Stimmung herrscht. Organisch wie die Treppenform schließen die Wände mit Rundungen an die Decken an.
Die Dachkonstruktion wurde in Tafelbauweise vorgefertigt und vor Ort nur noch montiert. Die neu eingebauten Decken der beiden Maisonette-Wohnungen bestehen aus Massivholz.
„Die Dachhülle wurde ebenfalls vorgefertigt – komplett mit Dämmung, Holzschalung, Lattung, Dachfenstern – und spannt ebenfalls zwischen den drei Schotten. Außerdem hatten wir durch die Vorfertigung eine extrem schnelle Montagezeit: drei Tage für Wände, Decke und Dach“, sagt Gassmann.
„Die Dachhülle wurde ebenfalls vorgefertigt – komplett mit Dämmung, Holzschalung, Lattung, Dachfenstern – und spannt ebenfalls zwischen den drei Schotten. Außerdem hatten wir durch die Vorfertigung eine extrem schnelle Montagezeit: drei Tage für Wände, Decke und Dach“, sagt Gassmann.
Während der Montage war die Treppe noch unlackiert.
Auf dem Schnitt sieht man die Aufteilung des Daches in zwei Maisonette-Wohnungen. Die Treppe in der dreigeschossigen Wohnung ist ebenfalls aus gekantetem Stahl konstruiert, bleibt aber in der Form zurückhaltender. In der Darstellung ist sie rechts zu sehen.
Bevor Pläne für die Treppen der dreigeschossigen Maisonette-Wohnungen zu Papier gebracht wurden, baute man sie en miniature aus Papier, oder besser gesagt: Pappe. Dieses Foto entstand im Büro von Erich Gassmann Architekten.
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In der Realität sieht das gute Stück so aus. Die dreigeschossige Wohnung wurde mit dieser links an Stahlseilen aufgehängten Treppe ausgestattet, die zu einer Galerie hinaufführt.
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Von oben, unter dem First hat man dann eine grandiose Aussicht über München.
Hier wohnen: zwei Mietparteien in zwei Wohnungen
Auf: 190 Quadratmetern in der dreigeschossige Maisonette und 200 Quadratmetern in der zweigeschossigen Maisonette
In: einem Jugendstilhaus von 1912 in München-Schwabing
Experte: Erich Gassmann, Erich Gassmann Architekten
Nichts weiter als ein Notdach hatte nach der Zerstörung des Originals seit den Fünzigerjahren das Haus in der Agnesstraße bedeckt. Erich Gassmann Architekten entwickelten im Auftrag der Pensionskasse Wacker Chemie AG einen komplett neuen Dachaufbau unter denkmalpflegerischen Vorgaben. „Das Notdach hatte natürlich nicht die richtigen Proportionen. Wir haben anhand alter Pläne und Fotos die ursprüngliche Dachform rekonstruiert.“ Gleichzeitig gelingt ein echtes tragwerksplanerisches Kunsstück. Die Lasten des neuen Daches werden über drei konstruktive Schotten abgeleitet:
- über wandartige Träger aus Massivholz
- über einen mit Beton verfüllten Kamin, der so zur Stütze wurde
- über den massiven Treppenhauskern
„Zwischen diese drei Schotten sind die Massivholzdecken gelegt“, erläutert Gassmann. „Sehr tricky, aber das hat große Freiheiten in der Grundrissgestaltung ermöglicht, weitestgehend unabhängig von den darunterliegenden Geschossen.“