Architektur
Architekturikonen: Philip Johnsons „Glass House“
Wenig Privatsphäre, viele Ideen: Philip Johnsons glasklarer Bau von 1949 macht den Eklektizismus des Architekten transparent.
Philip Johnson war einer der bekanntesten Architekten des 20. Jahrhunderts, aber auch einer der umstrittensten: Er bezeichnete sich selbst als „Hure“ und war Verfechter verschiedenster Stilrichtungen in der Architektur, die er regelmäßig wieder verwarf. Auf einem 19 Hektar umfassenden Grundstück ließ er für sich und seinen Partner, den Kunstsammler David Whitney, zehn Pavillons bauen. Die Gebäude entstanden in einem Zeitraum von fünfzig Jahren, die Entwürfe folgten Johnsons eklektischer Grundhaltung. Der bekannteste Bau ist das Glass House, das er in den 1940er Jahren entwarf und baute.
Heute wird es vom National Trust for Historic Preservation (NTHP) verwaltet. Johnson starb 2005, das Grundstück hatte er dem Trust vermacht. Seit 2007 bietet der NTHP Besichtigungen des Geländes und des Glass-House-Pavillons an. Oft werden die gesamten 19 Hektar Grundstücksfläche mit dem „Glass House“ assoziiert; doch in diesem Artikel geht es nur um den Pavillon von 1949, wenn vom „Glass House“ die Rede ist.
Auf einen Blick
Baujahr: 1949
Architekt: Philip Johnson
Ort: New Canaan, Connecticut (USA)
Besichtigung: Einzel-, Privat- und Gruppenführungen sind möglich
Fläche: 160 Quadratmeter
Heute wird es vom National Trust for Historic Preservation (NTHP) verwaltet. Johnson starb 2005, das Grundstück hatte er dem Trust vermacht. Seit 2007 bietet der NTHP Besichtigungen des Geländes und des Glass-House-Pavillons an. Oft werden die gesamten 19 Hektar Grundstücksfläche mit dem „Glass House“ assoziiert; doch in diesem Artikel geht es nur um den Pavillon von 1949, wenn vom „Glass House“ die Rede ist.
Auf einen Blick
Baujahr: 1949
Architekt: Philip Johnson
Ort: New Canaan, Connecticut (USA)
Besichtigung: Einzel-, Privat- und Gruppenführungen sind möglich
Fläche: 160 Quadratmeter
Philip Johnson wurde 1906 geboren. 1930 erwarb er in Harvard einen Abschluss in Philosophie, sein Architektur-Examen an der Harvard Graduate School of Design machte er erst 1943. In der Zeit davor, in der er noch nicht als Architekt praktizierte, war er Gründungsdirektor der Architektur-Abteilung am New Yorker Museum of Modern Art (MoMA), wo er 1932 die einflussreiche „International Exhibition of Modern Architecture“ mitkuratierte. Die Ausstellung stellte der amerikanischen Öffentlichkeit den europäischen Modernismus vor und legte dabei den Schwerpunkt auf die Dominanz der Form gegenüber dem Inhalt (ein weiterer kontroverser Aspekt in Johnsons Leben).
Wie brachte es Johnson fertig, fast 20 Hektar Land zusammenzubekommen (und zwar in einer der teuersten Ecken Neuenglands) und darüber hinaus bei zehn Gebäuden sein eigener Bauherr zu sein? Zum Teil hängt das mit seiner langen, erfolgreichen Karriere zusammen, vor allem aber hat es mit dem Reichtum der Familie zu tun, aus der er stammte. Seine Schwestern hatten vom Vater Land geerbt, er selbst erhielt Aktien des Aluminiumherstellers Alcoa. Der Aufstieg des Unternehmens hatte zur Folge, dass Johnson in den zwanziger Jahren reicher wurde als sein Vater. Dadurch waren seine finanziellen Mittel für lange Zeit mehr als ausreichend.
Einige Jahre nach seinem Abschluss als Architekt in Harvard erwarb er zwei Hektar Land in New Canaan (Connecticut) und begann mit seiner Entwurfsarbeit, die schließlich mit dem Bau des Glass House Gestalt annahm. Zur selben Zeit nahm Ludwig Mies van der Rohe einen Auftrag von Edith Farnsworth an, für die er westlich von Chicago ein Haus bauen sollte. Das Farnsworth House, eine auf Stützen stehende Glasbox, wurde zwar erst 1951 fertiggestellt, aber Johnson kannte den Entwurf und wurde davon beeinflusst. Dennoch traf Johnson in vielerlei Hinsicht andere Entwurfsentscheidungen als Mies. Die beiden Gebäude unterscheiden sich deshalb in gleichem Maße voneinander, wie sie sich ähneln.
Wie die vorhergehende Luftaufnahme und dieser Grundstücksplan zeigen, liegt das Glass House ungefähr in der Mitte der 19 Hektar umfassenden Fläche, die Johnson in den Jahren danach zusammenkaufte. Steinmauern gliedern das Gelände. Sie stammen noch aus der Zeit der Bauernhöfe, die früher in der Gegend angesiedelt waren. Das Glass House durchbricht eine dieser Steinmauern. Es liegt auf einem Vorsprung, der in das abschüssige, auf einen kleinen See zulaufende Land im Westen hineinragt.
Auf einem diagonal verlaufenden Weg kommt man von der Straße zum Glass House. Diese Idee basierte auf Studien des Parthenons in Athen, dessen diagonaler Zugang die dreidimensionale Form des Tempels betont. Man kennt das Glass House vor allem von frontalen Aufnahmen (wie auf dem ersten Foto), doch hier sehen wir es aus dem Winkel, den man bei der Ankunft am Gebäude hat. Die sanft unterbrochene Steinmauer verdeckt es teilweise. Man kann es erst vollständig sehen, wenn man näher kommt.
Beim Anblick des Glass House stellt sich für viele Menschen zuerst die Frage: Wo hat Johnson geschlafen? Die Antwort überrascht die meisten: Im Ziegelbau.
Das Glass House bietet nur sehr wenig Privatsphäre, auch wenn das Grundstück riesig ist. Also baute Johnson zur gleichen Zeit ein zweites, massives Gebäude. (Oberlichter und nach Norden ausgerichtete Wandfenster sorgen für natürliches Licht.) Die beiden Häuser stehen sich gegenüber, dazwischen verläuft ein gut gepflegter Rasen, der den Pavillon-Charakter des Glass House verstärkt. So hinterlässt es ein starkes Statement in der weiten Landschaft.
Das Glass House bietet nur sehr wenig Privatsphäre, auch wenn das Grundstück riesig ist. Also baute Johnson zur gleichen Zeit ein zweites, massives Gebäude. (Oberlichter und nach Norden ausgerichtete Wandfenster sorgen für natürliches Licht.) Die beiden Häuser stehen sich gegenüber, dazwischen verläuft ein gut gepflegter Rasen, der den Pavillon-Charakter des Glass House verstärkt. So hinterlässt es ein starkes Statement in der weiten Landschaft.
Das Glass House wurde mit dreierlei Material gebaut: Glas, (schwarz lackiertem) Stahl und Backstein. Die Fensterscheiben sind groß (etwa 2,40 Meter hoch und 4 bis 5 Meter lang), aber sie reichen nicht ganz von der Decke bis zum Boden. Unten werden kleinere Fenster zu einer modernen Neuinterpretation des Sockels, aber sie lassen sich nicht öffnen; lüften kann man nur über die Türen in der Mitte der langen Pavillonwände.
Die Stahlelemente sind so zusammengesetzt, dass sie den Unterschied zwischen Tragstruktur und Fensterrahmen verwischen. Anders als beim Farnsworth House mit seinem klaren Sinn für Struktur scheint beim Glass House das Dach einfach auf Glaswände und Gerüst aufgesetzt zu sein.
Die Stahlelemente sind so zusammengesetzt, dass sie den Unterschied zwischen Tragstruktur und Fensterrahmen verwischen. Anders als beim Farnsworth House mit seinem klaren Sinn für Struktur scheint beim Glass House das Dach einfach auf Glaswände und Gerüst aufgesetzt zu sein.
Das dritte Material ist Backstein. Es wurde für den Fußboden verwendet, und auch für die Wände des innenliegenden Bades in die zusätzlich ein Kamin integriert wurde (nächstes Bild). Das Fischgrätmuster des Bodenbelags könnte so auch außen zu finden sein, was dem Innenraum eine ungewöhnliche Mehrdeutigkeit verleiht – vor allem, weil von allen Seiten der Rasen daran anschließt.
Für den Backsteinzylinder, der durch das Dach stößt und von allen Seiten sichtbar ist, hat sich Johnson von einem ausgebrannten Haus inspirieren lassen, das er einmal in Polen gesehen hatte. Von dem Gebäude, sagt er, „war nichts übrig geblieben außer den Grundmauern und dem Kamin.“ Dieses ins Glass House eingeschobene Element ist schwer und wuchtig, auch im übertragenen Sinn. Es bildet ein Gegengewicht zu den leichten Wänden und verankert das Haus auf dem Gelände, auch aus verschiedenen Blickrichtungen. (Beachten Sie Poussins Gemälde „Landschaft mit dem Begräbnis des Phokos”, das eine ähnliche Perspektive auf die Landschaft einnimmt.)
Die Holzplatten, die bereits auf dem vorherigen Bild zu sehen waren, trennen den offenen Wohnbereich von einer Schlafecke ab, die nach Norden ausgerichtet ist. Das Bett weist darauf hin, dass Johnson dort gelegentlich geschlafen hat (tatsächlich verbrachte er seine letzten Tage in diesem Bett und starb dort 2005). Wie man allerdings unschwer erkennen kann, wäre es als dauerhafte Schlafstatt eher ungeeignet: Für Privatsphäre konnte man nur mithilfe der verschiebbaren Sichtschutz-Elemente an den Fenstern sorgen (auf einigen der vorherigen Bilder sind sie zu sehen), und an Schlaf war nach Sonnenaufgang wohl auch kaum noch zu denken. Nicht gerade ideal als Ruheort nach einer der berühmten Partys von Johnson und Whitney.
Wie bereits erwähnt, befindet sich das Haus auf einem Vorsprung oberhalb eines Hangs. Er wird durch ein niedriges Geländer markiert, das mit dem Haus zusammenspielt und es deutlich von der Landschaft absetzt.
Auch wenn die rechtwinkligen, kantigen Ecken des Glass House und der adrette Rasen im Gegensatz zu der umgebenden Landschaft stehen, ist die Beziehung zwischen Haus und Natur wichtig. Hier blicken wir vom Gebäude zu dem kleinen See hinunter, an dessen Ufer Johnson später den Lakeside Pavillon (1962) baute, dahinter liegt der Lincoln Kirstein Tower (1985). Der Turm, mit dem Johnson einem befreundeten Dichter ein Denkmal setzte, ist eine Skulptur, die sich zum Klettern eignet. Angeblich befindet sich an ihrer Spitze eine Inschrift, deren Inhalt man nicht preisgeben darf, wenn man sie einmal gelesen hat. Doch leider erlaubt der National Trust den Besuchern nicht, hinaufzuklettern.
Einige der anderen Bauten illustrieren die eklektische Natur von Johnsons Entwürfen, die nach dem Glass House auf dem Grundstück entstanden. Hier ist die Gemäldegalerie zu sehen, die 1965 fertiggestellt wurde. Johnson ließ sich dazu von einem Kuppelgrab in der antiken griechischen Stadt Mykene anregen.
Das Arbeitszimmer mit Bibliothek ließ Johnson nach Fertigstellung 1980 weiß streichen. Später änderte er die Farbe in einen weichen Braunton. Der einräumige Bau hat ein Fenster, aus dem man nach Westen auf das weiter hinten sichtbare Ghost House (1984) blickt. An ihm wird deutlich, wie sorgfältig Johnson und Whitney ihre Wege planten – und die Ausblicke, die sich überall auf dem Gelände ergaben.
Das letzte Gebäude auf dem Grundstück ist Da Monsta, das von den Arbeiten Frank Stellas angeregt und 1995 fertiggestellt wurde. Das Gebäude war als Eingangspavillon für ein zukünftiges Museum geplant, aber die Anwohner setzten sich dagegen zur Wehr – sie fürchteten den hohen Besucherverkehr, den es hervorgerufen hätte. Jetzt steht das Besucherzentrum in der Stadtmitte von New Canaan, gegenüber vom Bahnhof.
Der Grundriss des Glass House zeigt nur drei Elemente in dem etwa 10 mal 17 Meter umfassenden Rechteck: Die runde Bad-Kamin-Zelle und die Trennwände aus Holz haben wir schon vorgestellt, das dritte ist die Küche und Bar unten links.
Quellen
- Phyllis Lambert: Modern Views. New York: Assouline, 2010.
- Kenneth Frampton und David Larkin: American Masterworks: The Twentieth Century House. New York: Rizzoli, 1995 (deutsche Ausgabe: Villen in Amerika. Meisterwerke der Moderne. Stuttgart: Kohlhammer, 1995).
- Alexander Gorlin: Tomorrow’s Houses: New England Modernism. New York: Rizzoli, 2011.
- National Trust for Historic Preservation: The Glass House. New York: Rizzoli, 2011.
- National Trust for Historic Preservation: Philip Johnson Glass House (Webseite)
The Glass House ist ein Grundstück in New Canaan (Connecticut), das zwischen 1949 und 1995 bebaut wurde. Verwaltet wird das Kulturerbe seit 2007 vom National Trust for Historic Preservation. Auf dem heute rund 20 Hektar umfassenden Gelände stehen 14 Bauten, darunter das Glass House von 1949. Es beherbergt außerdem eine Dauerausstellung mit Gemälden und Skulpturen des 20. Jahrhunderts und wechselnde Sonderausstellungen. The Glass House kann von Mai bis November besichtigt werden, eine Voranmeldung ist notwendig. Weitere Informationen und Tickets gibt es hier oder unter der Telefonnummer +1 866 811 4111.
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