Houzzbesuch
Auf Achse: Ein Zuhause zum Mitnehmen
Ein Architekt baut sich ein Haus auf Rädern. Jetzt hofft er, dass sein Tiny House in die Serienproduktion geht
Nachdem Leonardo Di Chiara sein Architekturstudium beendet hatte, wollte er seine neu gewonnene Freiheit nutzen und in verschiedenen Großstädten der Welt wohnen und arbeiten. Doch in der Realität ist das mit vielen Umzügen verbunden, heißt also: Sachen einpacken, transportieren, Sachen auspacken – und das immer und immer wieder. Für Di Chiara kam das nicht in Frage. Stattdessen näherte er sich dem Thema auf unkonventionelle und innovative Weise und entwarf den aVOID, ein neun Quadratmeter großes Prototyp-Haus auf Rädern, das so mobil ist wie ein Rollkoffer.
Inspiriert ist das aVOID-Haus von der US-amerikanischen Tiny-House-Bewegung, die in den Siebzigerjahren mit dem Wunsch nach einem unabhängigeren, nachhaltigen und weniger konsumgeleiteten Lebensstil aufkam.
Di Chiara gefiel diese Idee schon immer. Das Bedürfnis, sich der Gesellschaft zu entziehen und sein Glück in der Abgeschiedenheit zu finden, teilt er allerdings nicht. Deshalb hat der Architekt sein Tiny House auch so konzipiert, dass es allein irgendwie unvollständig wirkt. „Das aVOID hat an den Längsseiten keine Fenster, es ist sozusagen ein Reihenhaus und braucht Nachbarn.“
Das Haus auf Rädern ist dafür gemacht, möglichst viele neue Bekanntschaften zu schließen.
Di Chiara gefiel diese Idee schon immer. Das Bedürfnis, sich der Gesellschaft zu entziehen und sein Glück in der Abgeschiedenheit zu finden, teilt er allerdings nicht. Deshalb hat der Architekt sein Tiny House auch so konzipiert, dass es allein irgendwie unvollständig wirkt. „Das aVOID hat an den Längsseiten keine Fenster, es ist sozusagen ein Reihenhaus und braucht Nachbarn.“
Das Haus auf Rädern ist dafür gemacht, möglichst viele neue Bekanntschaften zu schließen.
Innen ist das aVOID, wie sein Name schon sagt, „a void“, also eine Lücke – ein Raum, in dem man sich frei fühlen und die eigene Persönlichkeit entfalten kann. „Für mich ist dieser Innenraum wie ein unbeschriebenes Blatt, und als Architekt sehe ich in unbeschriebenen Blätter meine Inspirationsquelle Nummer eins.“
Zunächst wirkt der Innenraum komplett leer. Doch hinter den vier Wänden sind sämtliche Dinge des täglichen Bedarfs versteckt und lassen sich einfach ausziehen. Mit ihrer warmen Holzoberfläche bilden sie einen wunderbaren Kontrast zu dem kühlen Grau.
Zunächst wirkt der Innenraum komplett leer. Doch hinter den vier Wänden sind sämtliche Dinge des täglichen Bedarfs versteckt und lassen sich einfach ausziehen. Mit ihrer warmen Holzoberfläche bilden sie einen wunderbaren Kontrast zu dem kühlen Grau.
Di Chiara hat verschiedene Kooperationen mit Herstellern ins Leben gerufen, die alle ihren Beitrag zu dem Projekt geleistet haben. Zum Beispiel hat Schüco Fensterrahmen aus Aluminium bereitgestellt, und Häfele brachte sämtliche Beschläge für die mobilen Möbel ein. Beide Unternehmen haben ein großes Interesse an dem Projekt. Sie steuerten kostenlos Material bei, und halfen Di Chiara auch dabei, es an die Erfordernisse des Hauses anzupassen. „Die Arbeit an dem Prototypen war nicht nur für mich interessant, sondern auch für meine Partner-Unternehmen, weil sie genau wie ich Forschungsarbeit betreiben konnten. Viele von ihnen mussten ihre Produkte nämlich eigens an das Haus anpassen.“
Zudem hofft Di Chiara, durch die Kooperationen mit den potenziellen Herstellern ins Gespräch zu kommen, um mit seinem Tiny House in die Massenproduktion zu gehen – am besten mit Produkten, die bereits auf dem Markt sind. Seine Idee: Eine leicht zugängliche und nachhaltige Antwort auf die Bedürfnisse einer wachsenden Gemeinschaft aus hochgradig mobilen und ortsunabhängigen Individuen.
Zudem hofft Di Chiara, durch die Kooperationen mit den potenziellen Herstellern ins Gespräch zu kommen, um mit seinem Tiny House in die Massenproduktion zu gehen – am besten mit Produkten, die bereits auf dem Markt sind. Seine Idee: Eine leicht zugängliche und nachhaltige Antwort auf die Bedürfnisse einer wachsenden Gemeinschaft aus hochgradig mobilen und ortsunabhängigen Individuen.
Bei dem Korpus aus Holz ließ sich der Architekt von anderen Tiny Houses inspirieren. Eine gute Wahl. Denn Holz ist leicht und flexibel, und es lässt sich fortlaufend verändern.
Um dem Innenraum eine warme Atmosphäre zu verleihen, sind sämtliche Möbel aus Okoumé-Sperrholz gefertigt. Die Holzart wird gerne im Bootsbau verwendet. Sie eignet sich gut als Baumaterial und ist sowohl pilz- als auch wasserresistent. Auch für die Verkleidung hat Di Chiara Holz verwendet, vor allem Holzsorten mit niedriger Faserdichte, da sie besonders geräuschdämpfend und wärmedämmend sind.
Um das Haus so energieeffizient wie möglich zu machen, hat Di Chiara auch bioklimatische Aspekte berücksichtigt.
Tischler und Schreiner für Ihre Projekte hier finden
Um dem Innenraum eine warme Atmosphäre zu verleihen, sind sämtliche Möbel aus Okoumé-Sperrholz gefertigt. Die Holzart wird gerne im Bootsbau verwendet. Sie eignet sich gut als Baumaterial und ist sowohl pilz- als auch wasserresistent. Auch für die Verkleidung hat Di Chiara Holz verwendet, vor allem Holzsorten mit niedriger Faserdichte, da sie besonders geräuschdämpfend und wärmedämmend sind.
Um das Haus so energieeffizient wie möglich zu machen, hat Di Chiara auch bioklimatische Aspekte berücksichtigt.
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„Die größte Herausforderung war es, alle Aspekte unter einen Hut zu bringen. Denn jede noch so kleine Entscheidung wirkt sich auf das gesamte Projekt aus. Wenn sich also eine Sache geändert hat, muss auch alles andere neu überdacht werden. Deshalb musste ich alles bis ins letzte Detail planen.“
Bett und Matratze hat der Architekt selbst entworfen und dann maßfertigen lassen. Die Bettkonstruktion besteht aus zwei Teilen: Der Liegefläche, die aus der Wand gezogen wird, und der Nische, die man bei ausgezogener Liegefläche als Arbeits- oder Leseecke nutzen kann.
Die Matratze selbst besteht ebenfalls aus zwei Teilen – so kann das Bett allein oder zu zweit genutzt werden.
Bett und Matratze hat der Architekt selbst entworfen und dann maßfertigen lassen. Die Bettkonstruktion besteht aus zwei Teilen: Der Liegefläche, die aus der Wand gezogen wird, und der Nische, die man bei ausgezogener Liegefläche als Arbeits- oder Leseecke nutzen kann.
Die Matratze selbst besteht ebenfalls aus zwei Teilen – so kann das Bett allein oder zu zweit genutzt werden.
Zwei Klappstühle aus Birkensperrholz sind das Einzige an dem Haus, das Di Chiara nicht selbst entworfen hat. Sie wurden von Malte Grieb für Ambivalenz gestaltet.
Das Badezimmer befindet sich im vorderen Teil des Hauses und ist komplett aus Holz. Alle Elemente sind hinter einer Verkleidung versteckt, Spiegel und Armaturen zum Beispiel hinter der Tür. Das WC ist eine Komposttoilette. Dank Kompostierungs- und Dehydrationssystem wird für die Entsorgung der Fäkalien keinerlei Wasser benötigt. Am Ende hat man sogar fertigen Dünger. Ein Rollo sorgt für die nötige Privatsphäre.
Auch die Dusche ist etwas Besonderes. Di Chiara entwickelte eigens dafür ein „Trolley Tank“-System, das auf dem Recycling-System von Showerloop basiert. Es besteht aus zwei 60-Liter-Wassersäcken – einem für sauberes und einem für Brauchwasser. Diese befinden sich in einem tragbaren Kanister. Beim Duschen leert sich der Frischwassersack, während sich der Abwassersack füllt. Ist dieser voll, nimmt man den Kanister und entleert das Wasser, normalerweise über die städtische Kanalisation. Auf diese Weise kommt man auch mal längere Zeit ohne Anschluss an eine Wasser- und Abwasserversorgung aus.
Tiny Houses in Deutschland? Baumöglichkeiten und Rechtsfragen
Auch die Dusche ist etwas Besonderes. Di Chiara entwickelte eigens dafür ein „Trolley Tank“-System, das auf dem Recycling-System von Showerloop basiert. Es besteht aus zwei 60-Liter-Wassersäcken – einem für sauberes und einem für Brauchwasser. Diese befinden sich in einem tragbaren Kanister. Beim Duschen leert sich der Frischwassersack, während sich der Abwassersack füllt. Ist dieser voll, nimmt man den Kanister und entleert das Wasser, normalerweise über die städtische Kanalisation. Auf diese Weise kommt man auch mal längere Zeit ohne Anschluss an eine Wasser- und Abwasserversorgung aus.
Tiny Houses in Deutschland? Baumöglichkeiten und Rechtsfragen
Sogar der Wasserhahn in der kleinen, aber voll ausgestatteten Küche ist gut versteckt: Das Spülbecken ist mit einer Holzabdeckung versehen, die sich wunderbar als Arbeitsfläche oder Schneidebrett verwenden lässt. Außerdem gibt es eine Induktionskochstelle und einen sehr kleinen Kühlschrank. Di Chiara: „Im Winter kann das Essen auch draußen aufbewahrt werden.“ Regale bieten Platz für Essensvorräte.
Das Fach über der Küche ist ein kleines beheiztes Gewächshaus für Kräuter. Durch ein Fenster in der Dachschräge kommt ausreichend Tageslicht hinein.
Möbel nach Maß: Profis in Ihrer Nähe
Das Fach über der Küche ist ein kleines beheiztes Gewächshaus für Kräuter. Durch ein Fenster in der Dachschräge kommt ausreichend Tageslicht hinein.
Möbel nach Maß: Profis in Ihrer Nähe
Di Chiara beim Entfernen der Verkleidung, hinter der sich das Gewächshaus befindet
Seit Juli 2017 wohnt Di Chiara nun schon in seinem Haus. Er hat gelernt, mit einigen wenigen Dingen auszukommen und nicht mehr anzuschaffen, als er braucht. Und er ist fest entschlossen, das Haus komplett unabhängig zu machen, um in jeder Stadt der Welt autark leben zu können. Für temporäre Aufenthaltsgenehmigungen ist er bereits in Kontakt mit den jeweiligen Behörden.
Seit Juli 2017 wohnt Di Chiara nun schon in seinem Haus. Er hat gelernt, mit einigen wenigen Dingen auszukommen und nicht mehr anzuschaffen, als er braucht. Und er ist fest entschlossen, das Haus komplett unabhängig zu machen, um in jeder Stadt der Welt autark leben zu können. Für temporäre Aufenthaltsgenehmigungen ist er bereits in Kontakt mit den jeweiligen Behörden.
Die Rückseite des Hauses besteht aus einer Glasfront, die sich komplett öffnen lässt und viel Tageslicht ins Haus bringt. Die Dachfenster sind im Winkel von 110 Grad eingebaut – nicht nur, um mehr Tageslicht ins Innere zu lenken, sondern auch, um das Dach in eine bequeme Sitzgelegenheit zu verwandeln. Durch die Dachfenster wird das Haus zudem auf natürliche Weise belüftet.
Di Chiara plant, auch Sonnenkollektoren und Infrarot-Heizstrahler zu installieren.
Di Chiara plant, auch Sonnenkollektoren und Infrarot-Heizstrahler zu installieren.
Di Chiara ist aber nicht der Einzige, der das Haus testet. Jeder, der sich für die kleine Wohneinheit interessiert, kann ihn kontaktieren. Von den Testwohnern bekommt er viel Feedback zu Einrichtung, Handhabe und Funktionsfähigkeit des Projekts.
„Mir war zum Beispiel vorher nicht klar, wie viel Wasser ein Mensch ausdünstet. Wenn man bei geschlossenen Fenstern und Türen im Haus ist, entsteht sehr viel Kondenswasser, das irgendwo hin muss.“ Dieses Problem will er angehen, indem er demnächst ein mechanisches Belüftungssystem installiert, das einen Austausch von Innen- und Außenluft ohne Wärmeverlust ermöglicht.
„Mir war zum Beispiel vorher nicht klar, wie viel Wasser ein Mensch ausdünstet. Wenn man bei geschlossenen Fenstern und Türen im Haus ist, entsteht sehr viel Kondenswasser, das irgendwo hin muss.“ Dieses Problem will er angehen, indem er demnächst ein mechanisches Belüftungssystem installiert, das einen Austausch von Innen- und Außenluft ohne Wärmeverlust ermöglicht.
In der aktuellen Version wurde das aVOID als Mobilheim getestet und angemeldet. Nach europäischem Recht darf es mit einem SUV, einem Geländewagen oder einem Van mit Anhängerkupplung überall hin transportiert werden. Jeder, der Anhänger dieser Größe fahren darf, kann sich auch mit dem Tiny House auf den Weg machen.
In einem ersten Test fuhr Di Chiara mit seinem Haus mehr als 1200 Kilometer weit von Pesaro in Italien, wo es entworfen wurde, bis nach Berlin. „Das Losfahren war das Schwierigste an dem gesamten Projekt, ich wollte es immer wieder aufschieben“, erzählt Di Chiara. „Mein Ziel war der Bauhaus Campus Berlin, aber ich hatte Angst, dass das Haus unterwegs beschädigt wird.“
Allen Befürchtungen zum Trotz kam aVOID unversehrt in Berlin an. Dort nahm Di Chiara an der Tinyhouse University teil, die zu diesem Zeitpunkt auf dem Bauhaus Campus Berlin stattfand. Auf der Webseite heißt es: „TinyU ist ein Kollektiv aus Gestaltern, Bildungsaktivisten und Geflüchteten, das soziale Nachbarschaft auf kreative Weise erforschen will.“ Nun ist der Architekt gespannt auf das Feedback der TinyU-Teilnehmer, um sein Projekt weiterzuentwickeln.
In einem ersten Test fuhr Di Chiara mit seinem Haus mehr als 1200 Kilometer weit von Pesaro in Italien, wo es entworfen wurde, bis nach Berlin. „Das Losfahren war das Schwierigste an dem gesamten Projekt, ich wollte es immer wieder aufschieben“, erzählt Di Chiara. „Mein Ziel war der Bauhaus Campus Berlin, aber ich hatte Angst, dass das Haus unterwegs beschädigt wird.“
Allen Befürchtungen zum Trotz kam aVOID unversehrt in Berlin an. Dort nahm Di Chiara an der Tinyhouse University teil, die zu diesem Zeitpunkt auf dem Bauhaus Campus Berlin stattfand. Auf der Webseite heißt es: „TinyU ist ein Kollektiv aus Gestaltern, Bildungsaktivisten und Geflüchteten, das soziale Nachbarschaft auf kreative Weise erforschen will.“ Nun ist der Architekt gespannt auf das Feedback der TinyU-Teilnehmer, um sein Projekt weiterzuentwickeln.
Hier wohnt: der Architekt Leonardo Di Chiara
In: der ganzen Welt
Auf: etwa 9 Quadratmetern
Baujahr: 2017
Kosten: 45.000 Euro – Di Chiara versucht gerade, die Kosten durch Serienproduktion zu senken.
Zurzeit ist der aVOID noch ein Prototyp und mitten in der Entwicklungsphase. Bei seinen Überlegungen hatte Di Chiara die „flüssige Gesellschaft“ im Kopf. Der Begriff stammt von Zygmunt Bauman, der in seinem Buch „Flüchtige Moderne“ aufzeigt, wie sich moderne Gesellschaften immer schneller verändern. Di Chiaras Tiny House vereint Umweltaspekte, Minimalismus und Nachhaltigkeit.
Für sein Projekt brachte der Architekt unterschiedliche Partner zusammen: Insgesamt 30 Unternehmen, Architekturbüros, Künstler, Schulen und Universitäten haben ihn bei Fragen zum Entwurf und in verschiedenen Testphasen unterstützt. So wurden ihm zum Beispiel sämtliche Materialien, die bei dem Projekt zum Einsatz kamen, von investitionsfreudigen Unternehmen kostenfrei zur Verfügung gestellt.