Architektur
Baugemeinschaften, Teil 2: Vorteile des Bauens in Gemeinschaft
Ob geringere Baukosten oder gute Nachbarschaft: Gemeinsam mit anderen zu bauen, hat einige Vorteile; verlangt aber auch Kompromissfähigkeit
Baugemeinschaften finden sich meist in Städten. Eine einfache Erklärung dafür: in der verdichteten Stadt ist Wohnraum knapp und teuer. Für viele sind Baugemeinschaften da eine bezahlbare Alternative. Doch allein monetäre Gründe anzuführen, wäre zu kurz gedacht. Es gibt weit mehr Vorteile, die für das gemeinschaftliche Bauen sprechen. Bauherren, Architekten und Projektsteuerer erklären uns, welche das sind.
Die Abbildungen zeigen verschiedene Baugruppenprojekte aus Deutschland. Mehr Infos beim Klick ins Bild.
Die Abbildungen zeigen verschiedene Baugruppenprojekte aus Deutschland. Mehr Infos beim Klick ins Bild.
Bauherren wie Architekten von Baugruppen geraten geradezu ins Schwärmen, wenn sie von ihren Baugemeinschaftsprojekten erzählen. Trotz aller Schwierigkeiten, die es beim Bauen immer gibt, scheint dieses Modell die Beteiligten zu begeistern. Und das, obwohl auf den ersten Blick klar ist, dass gemeinschaftliches Bauen nicht einfach ist – weder für die Bauherren, noch für die Architekten. Petra Diesing, Inhaberin von Neustadtarchitekten, gibt zu bedenken: „Bei der Arbeit mit Baugruppen muss der Architekt immer ein paar Schritte voraus sein. Entscheidungsgrundlagen müssen gut vorbereitet sein. Große Gruppen brauchen für ihre Entscheidungen einfach länger.“ Dem stimmt auch Martin Wamsler von Wamsler Architekten zu. „Zwei Personen sind immer leichter unter einen Hut zu bringen als eine große Gruppe. Aufgrund der vielfältigen Einzelinteressen ist eine Einigung mit Baugruppen schwieriger. Die Arbeit ist häufig vergleichbar mit einem Puzzle“, so Wamsler. Dennoch lassen sich immer mehr Bauherren auf das gemeinsame Bauen ein.
Vorteil: Geringere Baukosten
Für viele ein entscheidender Vorteil von Baugemeinschaften: die im Vergleich zu Bauträgerprojekten geringeren Kosten. Auf bis zu zwanzig Prozent Einsparungen kommen Baugemeinschaften in diesem Vergleich. Letztendlich gab dies auch für Samuel Wagner den Ausschlag, sich bei der Baugemeinschaft Licht+Luft in Tübingen zu bewerben, für die der Architekt Wamsler entwarf. Er hatte nicht gezielt nach einer Baugruppe gesucht, sondern einfach nur nach Wohnraum für die vierköpfige Familie. „Wir haben in den USA gelebt und von dort aus nach einer bezahlbaren Wohnung in Tübingen gesucht“, so Wagner.
Für viele ein entscheidender Vorteil von Baugemeinschaften: die im Vergleich zu Bauträgerprojekten geringeren Kosten. Auf bis zu zwanzig Prozent Einsparungen kommen Baugemeinschaften in diesem Vergleich. Letztendlich gab dies auch für Samuel Wagner den Ausschlag, sich bei der Baugemeinschaft Licht+Luft in Tübingen zu bewerben, für die der Architekt Wamsler entwarf. Er hatte nicht gezielt nach einer Baugruppe gesucht, sondern einfach nur nach Wohnraum für die vierköpfige Familie. „Wir haben in den USA gelebt und von dort aus nach einer bezahlbaren Wohnung in Tübingen gesucht“, so Wagner.
In der Studentenstadt ein schier unmögliches Unterfangen. Eigentum war die einzige Möglichkeit. Bei einem Bauträger wäre eine Wohnung, wie er sie jetzt besitzt, zwanzig Prozent teurer gewesen. Ein Grund für diese Preisdifferenz ist die Renditeorientierung von Bauträgern. Sie tragen das Risiko für Bau und Verkauf der Wohnungen und sichern sich über höhere Quadratmeterpreise ab. „Bei Baugruppen tragen die Bauherren das finanzielle Risiko selbst, nicht ein Bauträger, der sich hierfür mit erhöhten Kosten absichert“, bestätigt Lucia Landenberger, die für die Baugruppe Licht+Luft die Projektsteuerung übernommen hatte.
Ein Teil der Mehrkosten in Bauträgerprojekten liegt auch in der Besteuerung des Wohnraums begründet. Wer eine Wohnung kauft, zahlt anteilig Grunderwerbsteuer für das Grundstück und für die tatsächliche Wohnfläche. „Für die Baugemeinschaft fallen häufig nur Grundsteuern für die Grundstücksfläche und nicht zusätzlich für die Wohnungsfläche an“, erläutert Landenberger.
Vorteil: Mitbestimmung bei Grundriss, Material und Technik
Doch Geld ist nicht alles. Vor allem nicht, wenn es um den Wohnkomfort geht. Bei Licht+Luft war die Baugemeinschaft von der vorgesehenen Haustechnik begeistert und hat weitergehende Vorschläge gemacht. Auch bei einer Hamburger Baugemeinschaft hat die Gruppe die Art der Heizung gewählt und zudem Fenster, Haus- und Wohnungstüren ausgesucht. „Selbst bei der Fassadengestaltung hatten wir Mitspracherecht“, erinnert sich Jens Radder, Sprecher der Baugemeinschaft.
Individuelle Grundrisse nach Wünschen und Bedürfnissen der Bauherren sind eine Herausforderung für Architekten. Petra Diesing berichtet von einem Projekt, bei dem einundzwanzig Wohnungen geplant waren. „Schnell war klar, dass der Platzbedarf der Bauherren ein anderer war. Daher ist es gut, wenn es zu Beginn nur für fünfzig bis sechzig Prozent der Wohneinheiten Interessenten gibt. Dann lässt sich noch an den Grundrissen der einzelnen Wohnungen schieben“, rät Diesing. In dem Baugruppenprojekt sind letztlich nur sechzehn Wohnungen entstanden.
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Doch Geld ist nicht alles. Vor allem nicht, wenn es um den Wohnkomfort geht. Bei Licht+Luft war die Baugemeinschaft von der vorgesehenen Haustechnik begeistert und hat weitergehende Vorschläge gemacht. Auch bei einer Hamburger Baugemeinschaft hat die Gruppe die Art der Heizung gewählt und zudem Fenster, Haus- und Wohnungstüren ausgesucht. „Selbst bei der Fassadengestaltung hatten wir Mitspracherecht“, erinnert sich Jens Radder, Sprecher der Baugemeinschaft.
Individuelle Grundrisse nach Wünschen und Bedürfnissen der Bauherren sind eine Herausforderung für Architekten. Petra Diesing berichtet von einem Projekt, bei dem einundzwanzig Wohnungen geplant waren. „Schnell war klar, dass der Platzbedarf der Bauherren ein anderer war. Daher ist es gut, wenn es zu Beginn nur für fünfzig bis sechzig Prozent der Wohneinheiten Interessenten gibt. Dann lässt sich noch an den Grundrissen der einzelnen Wohnungen schieben“, rät Diesing. In dem Baugruppenprojekt sind letztlich nur sechzehn Wohnungen entstanden.
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Auch über gemeinschaftlich genutzte Räume müssen sich die Bauherren Gedanken machen. Das können nützliche Räume wie eine Waschküche oder ein Fahrradkeller sein, gemeinsame Räume für Hobbys oder für Feste, oder einfach nur das Treppenhaus und die Zugangsbereiche. Diesen Gestaltungsspielraum nutzen Baugemeinschaften ganz unterschiedlich, aber sie nutzen ihn. „Auf dem Gelände der Alten Weberei, wo auch Licht+Luft entstanden ist, waren alle Baugruppen gemeinsam für die Innenhöfe verantwortlich und mussten gemeinsam darüber entscheiden“, so Architekt Martin Wamsler.
Vorteil: Gegenseitige Unterstützung
Sich gegenseitig zu unterstützen ist der große Vorteil bei Baugruppen. „Wir hatten alle sehr wenig, im Grunde keinerlei Bauerfahrung“, erinnert sich Bauherr Wagner. „Zwei Bauherren kannten sich allerdings in juristischen Fragen aus und hatten auch Spaß daran, sich in Spezialthemen einzuarbeiten. Davon hat dann die gesamte Gruppe profitiert.“
Doch auch wenn in einer Baugruppe kein Spezialwissen vorhanden ist, lohnt sich die Zusammenarbeit. Licht+Luft etwa hatte verschiedene Aufgaben verteilt. Es gab zum Beispiel Kassenwarte, die für alle Bauherren Rechnungen prüften und die Ausgaben im Auge behielten. Grundsätzlich ist dies auch Aufgabe von Architekt und Projektsteuerung, doch letztlich bezahlen die Bauherren und sollten hier auch die Kontrolle behalten. „Die neuen Baugemeinschaften sind meist relativ gut organisiert und strukturiert. Das zeigt sich beispielsweise in Arbeitsgruppen für einzelne Baubereiche“, sagt Petra Diesing.
Sich gegenseitig zu unterstützen ist der große Vorteil bei Baugruppen. „Wir hatten alle sehr wenig, im Grunde keinerlei Bauerfahrung“, erinnert sich Bauherr Wagner. „Zwei Bauherren kannten sich allerdings in juristischen Fragen aus und hatten auch Spaß daran, sich in Spezialthemen einzuarbeiten. Davon hat dann die gesamte Gruppe profitiert.“
Doch auch wenn in einer Baugruppe kein Spezialwissen vorhanden ist, lohnt sich die Zusammenarbeit. Licht+Luft etwa hatte verschiedene Aufgaben verteilt. Es gab zum Beispiel Kassenwarte, die für alle Bauherren Rechnungen prüften und die Ausgaben im Auge behielten. Grundsätzlich ist dies auch Aufgabe von Architekt und Projektsteuerung, doch letztlich bezahlen die Bauherren und sollten hier auch die Kontrolle behalten. „Die neuen Baugemeinschaften sind meist relativ gut organisiert und strukturiert. Das zeigt sich beispielsweise in Arbeitsgruppen für einzelne Baubereiche“, sagt Petra Diesing.
Auf Anraten der Projektsteuerin hat die Baugemeinschaft von Samuel Wagner für die Geschäftsführung ein Rotationssystem gewählt. „Frau Landenberger hat das Modell der Geschäftsführung favorisiert. So muss nicht jeder alles machen und die Belastung des Einzelnen wird verteilt“, erläutert Wagner. Stattdessen hat jeder Bauherr für jeweils sechs Monate dieses Amt übernommen und dann zum Beispiel stellvertretend und im Auftrag für die Gruppe Verträge unterschrieben, Baustellenbegehungen durchgeführt oder die Bauabnahme gemacht.
Im Bild: Ein Baugemeinschaftsprojekt in Dresden, bei dem neun Reihenhäuser um einen gemeinsamen Hof gebaut worden sind.
Vorteil: Gewachsene Nachbarschaft
Baugemeinschaften profitieren auch von einer über die Zeit des Bauprozesses gewachsenen Gemeinschaft. In einem Neubau müssen sich alle Nachbarn erst einmal kennenlernen. Bei Baugemeinschaften beginnt dieses Kennenlernen bereits in der Planungs- und Bauphase. „Die späteren Bewohner lernen sich über eine Phase von drei bis vier Jahren intensiv kennen. Sie wissen, wie sie miteinander umgehen müssen“, so Projektmanagerin Lucia Landenberger, die auch selbst mit einer Baugemeinschaft gebaut hat. „Es entstehen lebendige Viertel.“ Das bestätigt auch Samuel Wagner: „Schon beim Einzug bestand ein gutes Nachbarschaftsverhältnis. Anonymität ist erst gar nicht aufgekommen.“ Jens Radder gibt zu bedenken: „Man zieht in ein Haus, wo man weiß, wer dort wohnen wird. Es ist aber hohes Engagement des Einzelnen vonnöten.“
Wie groß die Bereitschaft ist, sich auf die Gemeinschaft einzulassen, klopfen die meisten Baugruppen schon bei der Auswahl ihrer Mitglieder ab; bestimmte Kriterien sollten die künftigen Bauherren erfüllen. Lucia Landenberger hat mit ihrem Erfahrungshintergrund Licht+Luft bei dieser Aufgabe unterstützt. „Wir hatten Glück. Licht+Luft suchte gerade noch eine Familie. Wir passten einfach rein“, erzählt Samuel Wagner. Tatsächlich war die Baugruppe damals schon fast komplett. Es sollte eine gemischte Gruppe werden. Heute wohnen hier Rentner, Alleinerziehende und Familien zusammen.
Vorteil: Gewachsene Nachbarschaft
Baugemeinschaften profitieren auch von einer über die Zeit des Bauprozesses gewachsenen Gemeinschaft. In einem Neubau müssen sich alle Nachbarn erst einmal kennenlernen. Bei Baugemeinschaften beginnt dieses Kennenlernen bereits in der Planungs- und Bauphase. „Die späteren Bewohner lernen sich über eine Phase von drei bis vier Jahren intensiv kennen. Sie wissen, wie sie miteinander umgehen müssen“, so Projektmanagerin Lucia Landenberger, die auch selbst mit einer Baugemeinschaft gebaut hat. „Es entstehen lebendige Viertel.“ Das bestätigt auch Samuel Wagner: „Schon beim Einzug bestand ein gutes Nachbarschaftsverhältnis. Anonymität ist erst gar nicht aufgekommen.“ Jens Radder gibt zu bedenken: „Man zieht in ein Haus, wo man weiß, wer dort wohnen wird. Es ist aber hohes Engagement des Einzelnen vonnöten.“
Wie groß die Bereitschaft ist, sich auf die Gemeinschaft einzulassen, klopfen die meisten Baugruppen schon bei der Auswahl ihrer Mitglieder ab; bestimmte Kriterien sollten die künftigen Bauherren erfüllen. Lucia Landenberger hat mit ihrem Erfahrungshintergrund Licht+Luft bei dieser Aufgabe unterstützt. „Wir hatten Glück. Licht+Luft suchte gerade noch eine Familie. Wir passten einfach rein“, erzählt Samuel Wagner. Tatsächlich war die Baugruppe damals schon fast komplett. Es sollte eine gemischte Gruppe werden. Heute wohnen hier Rentner, Alleinerziehende und Familien zusammen.
Vorteil: Alternatives Wohnen ausprobieren
Das gemeinschaftliche Bauen an sich ist schon eine Alternative zum herkömmlichen Bauen oder Kauf einer Eigentumswohnung. Landenberger sieht es aber geradezu als Aufforderung, Neues, Ungewöhnliches auszuprobieren: „Eine klassische Baugemeinschaft hat einen Investor aufgenommen, um in ihrem Wohnprojekt eine Wohngemeinschaft für acht Demenzkranke zu realisieren.“ Die Beteiligung von Investoren hängt stark vom Projekt ab, hat allerdings auch Einfluss auf das Gemeinschaftsgefüge.
Das gemeinschaftliche Bauen an sich ist schon eine Alternative zum herkömmlichen Bauen oder Kauf einer Eigentumswohnung. Landenberger sieht es aber geradezu als Aufforderung, Neues, Ungewöhnliches auszuprobieren: „Eine klassische Baugemeinschaft hat einen Investor aufgenommen, um in ihrem Wohnprojekt eine Wohngemeinschaft für acht Demenzkranke zu realisieren.“ Die Beteiligung von Investoren hängt stark vom Projekt ab, hat allerdings auch Einfluss auf das Gemeinschaftsgefüge.
Auch für den Tübinger Samuel Wagner war es wichtig, dass kein Investor beteiligt war. „Bauen ist eine sehr emotionale Angelegenheit. Daher muss eine Baugruppe nicht nur finanziell sondern auch emotional zusammenpassen“, so Wagner. Das Modell Baugruppe war ihm zuvor unbekannt, auch die Mitbauherren kannte er anfangs nicht. „Sowohl finanziell als auch emotional hatte ich einige Schwierigkeiten erwartet. Aber weder hat sich die Gruppe zerstritten, noch hat der Bau die Bauherren in den finanziellen Ruin getrieben. Ich würde auf jeden Fall wieder mit einer Baugruppe bauen“, resümiert er – nicht als einziger.
In einer fünfteiligen Reihe gehen wir dem Thema Baugemeinschaften auf den Grund, geben wichtige Informationen und stellen Projekte von Baugemeinschaften vor.
Teil 1: Was verbirgt sich hinter dem Begriff Baugemeinschaft?
Teil 2: Vorteile des Bauens in Gemeinschaft
Teil 3: Wie findet man eine Baugruppe?
Teil 4: Wie organisiert sich eine Baugruppe am besten?
Teil 5: Experimentierfeld und Chance für die Stadt
In einer fünfteiligen Reihe gehen wir dem Thema Baugemeinschaften auf den Grund, geben wichtige Informationen und stellen Projekte von Baugemeinschaften vor.
Teil 1: Was verbirgt sich hinter dem Begriff Baugemeinschaft?
Teil 2: Vorteile des Bauens in Gemeinschaft
Teil 3: Wie findet man eine Baugruppe?
Teil 4: Wie organisiert sich eine Baugruppe am besten?
Teil 5: Experimentierfeld und Chance für die Stadt