Beseelte Böden: Ein Restaurator belebt antikes Parkett wieder neu
Antike Parkettböden sind stumme Zeugen der Geschichte – Thomas Reiner restauriert sie behutsam und erweckt sie zu neuem alten Leben
Nicola Enderle
17. Januar 2018
Houzz Deutschland, Redakteurin.
Wie man sich schön einrichtet? Ich finde mit viel Persönlichkeit und eigenem Stil, der kann auch gerne schräg sein. Meinem eigenen bin ich auf der Spur – in unserem Houzz-Magazin helfen wir Ihnen Ihren zu finden, zeigen spannende Projekte und blicken durch Schlüssellöcher. Haben Sie ein schönes Zuhause? Erzählen Sie mir davon!
Houzz Deutschland, Redakteurin.
Wie man sich schön einrichtet? Ich finde mit viel... Mehr
Er gilt als einer der renommiertesten Restauratoren für Parkettböden und Möbel in Europa: Thomas Reiner sammelt, rettet und restauriert historisches Gut – und das mit einem Feinsinn, der seinesgleichen sucht. In seinem Portfolio reiht sich ein Superlativ an den nächsten, schon Schloss Ludwigsburg bei Stuttgart, dem Leipziger Hauptbahnhof und dem Wiener Rathauskeller verhalf er mit der Restaurierung historischer Holzböden zu neuem Glanz. Antike Holzobjekte faszinierten ihn schon immer, weil sie voll von erlebter Geschichte sind, der er mit größtem Respekt begegnet. Aus dieser Leidenschaft heraus gründete der gelernte Möbelrestaurator 2007 sein Unternehmen Antique Parquet und erweckt seither prächtige Böden aus Zeiten der großen Kaiser, Fürsten und Könige wieder zu neuem Leben.
Lange Zeit arbeitete Thomas Reiner als Möbelrestaurator im Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart und als Gutachter und Berater in der europäischen Denkmalspflege. Seine Leidenschaft für „beseelte Böden“, wie er historisches Parkett selbst nennt, war schließlich auch der Grund, sich mit seiner Firma Antique Parquet selbstständig zu machen. Das Konzept dahinter ist so einfach wie beeindruckend. „Historische Böden sind für mich erlebbare, begehbare, sichtbare und spürbare Geschichte. Sie zeugen von historischen Handwerkstechniken. Ich will sie erhalten und ihre Schönheit weiterleben lassen“, sagt Reiner. Parkettböden, die bereits Fürsten, Könige und Kaiser betreten haben schützt er so vor dem Zerfall und haucht ihnen in feinsinniger und -fühliger Arbeit neues Leben ein.
Auch aus ressourcenschonender Sicht ist antikes Parkett ein Gut mit Mehrwert. „Altparkett besteht aus Holz, das nicht maschinell schnell getrocknet und verarbeitet wurde. Durch seine jahrelange Lagerung und entsprechenden Bearbeitung hat es sich zu einem der hochwertigsten und werthaltigsten Werkstoffe entwickelt“, sagt Reiner.
Seine Liebe zum Subjet offenbart sich auch anhand der folgenden Betrachtungsweise: „Antike Holzböden sehe ich als historische Flachmöbel an: Möbel auf denen man nicht sitzt, sondern läuft.“
Auch aus ressourcenschonender Sicht ist antikes Parkett ein Gut mit Mehrwert. „Altparkett besteht aus Holz, das nicht maschinell schnell getrocknet und verarbeitet wurde. Durch seine jahrelange Lagerung und entsprechenden Bearbeitung hat es sich zu einem der hochwertigsten und werthaltigsten Werkstoffe entwickelt“, sagt Reiner.
Seine Liebe zum Subjet offenbart sich auch anhand der folgenden Betrachtungsweise: „Antike Holzböden sehe ich als historische Flachmöbel an: Möbel auf denen man nicht sitzt, sondern läuft.“
Wie ein Schatzjäger geht Reiner auf Spurensuche, entdeckt Parkette per Glücksfall oder findet alte, abgenutzte Böden in Palais, Schlössern und Repräsentationsbauten vor – oder überall dort, wo exklusiv gewohnt wurde und wird. Mit Erfolg: „Mittlerweile habe ich sicherlich das größte Portfolio von historischen Tafelparkettböden, die ich in restauriertem Zustand wieder in Umlauf bringe“, sagt Reiner. Sein bislang schönster Fund war ein Parkett aus dem Jahre 1745 mit eingelegten Intarsien aus Eiche, Ahorn, Nussbaum, Mahagoni und Palisander. Gefunden hat er es in einem Privathaus, ursprünglich war es in den Kabinetträumen auf Schloss Hetzendorf in Wien verlegt, dem einstigen Alterssitz von Kaiserin Maria Theresia. „Als im Zweiten Weltkrieg Bomben auf das Schloss fielen und die Russen einmarschierten, wurden die Böden hastig von einem Antiquitätenhändler aus- und dann in seinem eigenen Haus eingebaut. Spätere Besitzer des Hauses konnten dem alten Boden nichts mehr abgewinnen – und so ist er bei mir gelandet. Eines der schönsten Erlebnisse meiner Laufbahn als Restaurator“, erzählt Reiner.
Seine Schatzkammer ist ein altes Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert in Kitzbühel – hier lagert er seine große Sammlung an originalen und antiken Parkett- und Dielenböden. Auch in seinem Atelier in Wien findet man viele Böden mit unvergleichlichem Flair.
Seine Schatzkammer ist ein altes Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert in Kitzbühel – hier lagert er seine große Sammlung an originalen und antiken Parkett- und Dielenböden. Auch in seinem Atelier in Wien findet man viele Böden mit unvergleichlichem Flair.
An den meisten Projekten arbeitet Reiner eigenhändig mit. Bei größeren Objekten greifen ihm freie Mitarbeiter unter die Arme – die wurden vom Meister persönlich ausgebildet, um die Finesse seiner Arbeit zu verstehen. Denn Wissen und Können spielt beim Restaurieren der antiken Parkette eine ganz entscheidende Rolle.
„Nachdem wir einen Boden gefunden haben oder im Glücksfall selbst ausbauen können, dokumentieren wir den meist sehr jämmerliche Zustand und erforschen die geschichtlichen Hintergründe“, sagt Reiner.
Im Bild: Historisches Parkett – Eiche massiv, Hofburg Innsbruck
„Nachdem wir einen Boden gefunden haben oder im Glücksfall selbst ausbauen können, dokumentieren wir den meist sehr jämmerliche Zustand und erforschen die geschichtlichen Hintergründe“, sagt Reiner.
Im Bild: Historisches Parkett – Eiche massiv, Hofburg Innsbruck
Doch wie schaut man den alten Böden ihren kunsthistorischen Hintergrund ab? „Oftmals sind die Schlösser, Villen oder Repräsentationsbauten bekannt, aus denen diese Böden stammen, und somit kann man auch die geschichtlichen Hintergründe herausfiltern“, sagt Reiner. Ein weiterer Informationsträger ist der technische Aufbau sowie die vorgefundene Oberfläche. „Hier kann man sehr schön den Werdegang, oft aber leider auch den respektlosen Umgang mit den Böden erkennen“, bedauert Reiner. „So gibt es Böden, die noch Spuren von Kriegshandlungen, Bränden, Umbauten oder Zweitverwendungen aufweisen. Wenn es nach mir ginge, würde ich all diese Hinweise erhalten, aber darüber entscheidet der Auftraggeber. Und wenn ein Boden dann wieder hergestellt ist, obliegt es natürlich jedem Kunden selbst, ihn anschließend gut zu behandeln“, sagt Reiner.
Restaurierung bedeutet für Reiner nicht „neu machen“. Denkmalpflegerischen Gesichtspunkten folgend, respektiert er bei seiner Arbeit die natürlich gewachsene Patina des Bodens und arbeitet mit ruhiger Hand an dessen größtmöglicher Erhaltung und Regenerierung. „Die Kenntnis über traditionelle Fertigungsmethoden, aber auch das Wissen über alte Materialien und Werkstoffe sind dabei von entscheidender Bedeutung“, sagt er.
Maschinenarbeit würde für den Restaurator niemals in Frage kommen. Schmuckparkette aus Eiche, Nussbaum oder anderen Massivhölzern, manche davon sogar mit eingelassenen Intarsien, können nur durch sensible Handarbeit wieder hergestellt werden. Statt mit einer Schleifmaschine geht Reiner hier mit Schleifwolle ans Werk, um die Oberfläche der eingelassenen Sternintarsie nicht zu zerstören. Gibt es Risse oder Dellen im Parkett, werden diese in Fleißarbeit mit Weichwachs wieder aufgefüllt.
„In mühevoller Kleinarbeit werden die Böden konservatorisch und technisch restauriert, um sie an Ort und Stelle oder bei Liebhabern aus aller Welt wieder fachgerecht zu verlegen“, sagt Reiner. „Wir bieten den Einbau nach der Restaurierung immer mit an, da bei der Bewahrung historischer Oberflächen die normale Parkettleger-Praxis oftmals schnell an ihre Grenzen stößt.“
Verlegt werden die aufgearbeiteten Parkettböden nicht nur dort, wo Reiner sie gefunden hat. Viele alte Böden finden ihr neues Zuhause auch in Neubauten – und das überall auf der Welt. So zieren Reiners antike Parkettböden mittlerweile Residenzen in Nizza und London. Auch in Paris, Dubai oder New York arbeiten Architekten mit dem historischen Gut. „In vielen Shops in Österreich liegt überarbeitetes Parkett von mir aus, wie etwa in dieser Modeboutique in Wien“, sagt Reiner. „Meiner Meinung nach vertragen nicht nur Altbauten einen historischen Boden, auch Neubauten können durch antikes Parkett geadelt werden. Viele meiner Parkette liegen in Apartments und Lofts.“
Antique Parquet konzentriert sich zwar hauptsächlich auf das fachgerechte Restaurieren antiker Parkettböden – zu den Leistungen in seinem Portfolio zählt Reiner aber auch die Werterhaltung historischer Möbel. Auf Schloss Lichtenstein hat er bereits einige Teile des Inventars behutsam restauriert, genauso wie auf Schloss Köpenick. Auch die historische Substanz der geschnitzen Paramentenschränken aus Eichenholz in der Sakristrei im Münster Obermarchtal wurde unter seinen Händen gepflegt – und neu beseelt.
Sehen Sie noch mehr restauriertes Parkett und Einblicke in die Arbeit von Thomas Reiner – in seinem Profil >>>
MEHR
Ob Parkett oder Dielen: Holzböden richtig reinigen und pflegen
Am Anfang war der Tisch: Wie eine Werkstatt für Altholz-Möbel entstand
Sehen Sie noch mehr restauriertes Parkett und Einblicke in die Arbeit von Thomas Reiner – in seinem Profil >>>
MEHR
Ob Parkett oder Dielen: Holzböden richtig reinigen und pflegen
Am Anfang war der Tisch: Wie eine Werkstatt für Altholz-Möbel entstand
Ähnliche Artikel
Deutschland
Vorher-Nachher: Von wandernden Küchen und mutigen Wänden
Von Aline van Hoorn
Altbau-Charme hat Tücken. Hier wurden sie mit Einfallsreichtum und geschickten Eingriffen in den Grundriss überwunden
Zum Artikel
Deutschland
Hier weit offen, da ganz geschlossen: Ein Haus in Hanglage
Von Aline van Hoorn
Mit Fenstern, die sich über eine ganze Hausseite erstrecken auf der einen, und totaler Abschottung auf der anderen Seite
Zum Artikel
Deutschland
Wie ein kahler Neubau Charakter bekam
Von Aline van Hoorn
Dank eines professionellen Farb- und Materialkonzeptes fanden die Eigentümer ihren eigenen Wohnstil
Zum Artikel
Wohnen am Wasser
Eine Auszeit vom Alltag im Norwegerhaus am Scharmützelsee
Von Aline van Hoorn
Dank einfühlsamer Begleitung durch eine Projektmanagerin entstand der ersehnte Rückzugsort im skandinavischen Stil
Zum Artikel
Born on Houzz
Ein bisschen Manhattan für eine Mietwohnung in Düsseldorf
Von Aline van Hoorn
Wohnen auf Zeit – aber dafür mit Stil! Ausgewählte Design-Klassiker und ein rundes Konzept für ein Feierabend-Paradies
Zum Artikel
Wohnen auf dem Land
Liebevoll aufgefrischt: Gründerzeit-Villa in der Uckermark
Von Aline van Hoorn
Der Traum vom stilvollen Landurlaub – in dieser respektvoll renovierten Villa in Alleinlage kann er wahr werden.
Zum Artikel
Wohnen in der Stadt
Nach Hause kommen und abschalten über den Dächern von Köln
Von Aline van Hoorn
Ein gemeinsamer Neustart mit kräftigen Farbakzenten in einem großen Wohnraum mit offener Küche und Essbereich.
Zum Artikel
Wohnen auf dem Land
Vorher-Nachher: Schiefe Hülle neu belebt
Von Eva Bodenmüller
Eine Mühle von 1818 wird zweihundert Jahre später zum Wohnhaus für eine Familie
Zum Artikel
Altbau
117 qm Wohnen und Arbeiten in einer Münchener Altbauwohnung
Von Aline van Hoorn
Design-Klassiker und Erinnerungen aus früheren Reisen entführen in vergangene Zeiten und ferne Länder
Zum Artikel
Vorher-Nachher
Adrette Maisonette – hier wohnt die Interior Designerin selbst
Von Aline van Hoorn
Berufliches und Privates trennen? Besser nicht! Und wie in diesem Fall die Expertise auch für das eigene Zuhause nutzen
Zum Artikel
Es gibt Sie noch die Praktiker, gepaart mit handwerklichem Wissen, Können und Seele.
Es freut mich sehr, dass diese bisher wenig beachteten und handwerklichen meisterlich ausgeführten Böden inzwischen mehr Akzeptanz finden.