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Buchtipp: Zwischen Nutzen und Skulptur – das Zuhause von Finn Juhl
„Finn Juhl and his house“ zeigt, wie einer der berühmtesten skandinavischen Designer wohnte – und lässt uns quasi bei ihm einziehen
Eva Zimmermann
1. Oktober 2014
Journalistin mit Architektur-Diplom und Vorliebe für weniger – und manchmal auch mehr.
Journalistin mit Architektur-Diplom und Vorliebe für weniger – und manchmal auch... Mehr
Zeig mir, wie du wohnst, und ich sage dir, wer du bist. Steile These? Aber was könnte besser über uns, unsere Werte und Wünsche, unsere Vorlieben und unseren Geschmack Auskunft geben als das eigene Haus? Besonders, wenn man Gestalter ist und sich mit eigenen Entwürfen umgibt? Der dänische Designer Finn Juhl (1912-1989) war einer der wichtigsten Vertreter der skandinavischen Moderne, auch wenn die Namen seiner Zeitgenossen Arne Jacobsen und Hans Wegner in unseren Ohren vertrauter klingen. Mit dem Bildband „Finn Juhl and his house“ hat Hatje Cantz sich dem Werk des Entwerfers genähert. Auf 228 Seiten mit insgesamt 183 Abbildungen folgt man dem Protagonisten von seinen Anfängen als Architekturstudent über die Hochphase der skandinavischen Moderne und deren Niedergang bis zur Renaissance seines Werkes in den achtziger Jahren.
Inzwischen ist sein Haus im Kratvænget 15 in Kopenhagen ein Museum, und das hat es Birgit Lyngbye Pedersen zu verdanken. Die Historikerin für Design wurde bei der Suche nach einem passenden Sofa für ihr Fünfziger-Jahre-Haus auf Juhls Entwürfe aufmerksam. Als es zum Verkauf freigegeben wurde, erwarb sie es kurzerhand und schenkte es dem örtlichen Museum Ordrupgaard. An der Entstehung des Buches war sie maßgeblich mit der Auswahl von Bildern und als Verfasserin des Nachwortes beteiligt. Die geistreichen und feinsinnigen Texte schrieb Per H. Hansen, seines Zeichens Professor am Centre for Business History in Kopenhagen. Das Buch ist in englischer Sprache erschienen.
Inzwischen ist sein Haus im Kratvænget 15 in Kopenhagen ein Museum, und das hat es Birgit Lyngbye Pedersen zu verdanken. Die Historikerin für Design wurde bei der Suche nach einem passenden Sofa für ihr Fünfziger-Jahre-Haus auf Juhls Entwürfe aufmerksam. Als es zum Verkauf freigegeben wurde, erwarb sie es kurzerhand und schenkte es dem örtlichen Museum Ordrupgaard. An der Entstehung des Buches war sie maßgeblich mit der Auswahl von Bildern und als Verfasserin des Nachwortes beteiligt. Die geistreichen und feinsinnigen Texte schrieb Per H. Hansen, seines Zeichens Professor am Centre for Business History in Kopenhagen. Das Buch ist in englischer Sprache erschienen.
Wenn man heute Finn Juhls Stühle betrachtet, findet man sie wahrscheinlich höchst elegant und einladend. Das war durchaus nicht immer so. Juhls Pelikan-Stuhl von 1939 wurde damals als Provokation empfunden. Wie viele Gestalter in seinem Umfeld wünschte sich Juhl eine grundsätzliche Abkehr von historistischen Formen, überladen und unzeitgemäß, wie sie waren. Er wollte modern sein, folgte dabei aber nicht rein funktionalen Gesichtspunkten, sondern nahm starke Impulse aus der zeitgenössischen Malerei und Bildhauerei in seine Entwürfe auf. Genau das macht heute den Reiz seiner Möbel aus, Schlichtheit gepaart mit dynamischem Schwung. Und genau das war es, was viele seiner Zeitgenossen überforderte.
Autor Per H. Hansen führt als guter Didakt durch Juhls Leben und Werden. Im ersten Kapitel wird der Designer in seine Zeit eingeordnet, das zweite widmet sich seiner Etablierung als international anerkannter Entwerfer, im dritten Kapitel erfahren wir, wie Juhls Arbeit sich über die Jahre veränderte, das vierte zeigt seine Industriemöbel, im fünften folgen wir Juhls Abstieg und Verschwinden aus dem Auge der Öffentlichkeit und im sechsten Kapitel schließlich erfahren wir, wie sein Werk eine wohlverdiente Renaissance erlebte.
Die Abbildung zeigt den Kaminbereich im Wohnzimmer des von Finn Juhl selbst entworfenen und 1942 gebauten Hauses. Zwar hatte er mit 20 Jahren die Königlich Dänische Kunstakademie ohne Abschluss verlassen, aber als ausgebildeter Architekt wusste er, was er tat. Da er bald darauf von Vilhelm Lauritzens Design Studio angestellt wurde, schoss er seinen Abschluss getrost in den Wind. „Poet“ nannte Juhl das Sofa, das er 1941 entwarf. Der kleine Coffeetable und der „Häuptling“-Stuhl stammen von 1949, der Beistelltisch dahinter aus den sechziger Jahren. Zeitgenössische Kunst beeinflusste seine Arbeit extensiv; Räume wie dieser sind von Juhl bewusst als Gesamtkomposition erdacht, farblich, formell, mit Geist und Esprit.
Die Abbildung zeigt den Kaminbereich im Wohnzimmer des von Finn Juhl selbst entworfenen und 1942 gebauten Hauses. Zwar hatte er mit 20 Jahren die Königlich Dänische Kunstakademie ohne Abschluss verlassen, aber als ausgebildeter Architekt wusste er, was er tat. Da er bald darauf von Vilhelm Lauritzens Design Studio angestellt wurde, schoss er seinen Abschluss getrost in den Wind. „Poet“ nannte Juhl das Sofa, das er 1941 entwarf. Der kleine Coffeetable und der „Häuptling“-Stuhl stammen von 1949, der Beistelltisch dahinter aus den sechziger Jahren. Zeitgenössische Kunst beeinflusste seine Arbeit extensiv; Räume wie dieser sind von Juhl bewusst als Gesamtkomposition erdacht, farblich, formell, mit Geist und Esprit.
Unglaublich schön und eigentlich eine eigene Publikation wert sind die im Buch abgebildeten aquarellierten Entwurfszeichnungen, an denen sich ablesen lässt, wie sinnlich und vollkommen die Raum- und Möbelentwurfe schon in der Gedankenwelt des Finn Juhl existierten, bevor sie physisch Gestalt annahmen. Die erdigen Töne seiner Möbelgeschöpfe sind schon auf dem Papier ein Indiz für den Siegeszug skandinavischen Designs zwischen 1930 und 1960. Sie verbreiten Wärme und Gemütlichkeit und sind dabei grazil und schön.
Das Arbeitszimmer versammelt einen 1953 entworfenen Stuhl mit Fußhocker und den „46er“-Stuhl (benannt nach seinem Entwurfsjahr) an einem Tisch von 1945.
Das Arbeitszimmer versammelt einen 1953 entworfenen Stuhl mit Fußhocker und den „46er“-Stuhl (benannt nach seinem Entwurfsjahr) an einem Tisch von 1945.
Wenn man so will, hatte das Leben Finn Juhls den Spannungsbogen eines klassischen griechischen Theaterstückes, obwohl man es wohl kaum als Komödie und noch weniger als Tragödie bezeichnen kann. Nach den Widerständen des konservativen Vaters gegen ein Studium der Kunstgeschichte findet Juhl die Nische, mit der sich beide anfreunden können: ein Architekturstudium. Hier lernt er sein gestalterisches Handwerk, das ihm den spielerischen Wechsel zum Möbeldesign ermöglicht, steigt auf, wird international bekannt und entwirft ab Mitte der fünfziger Jahre Airline-Terminals und Büros für SAS.
Doch dann, in den Sixties, kommt der Umschwung im dänischen Design: es gibt keine Nachfolger, wirtschaftliche Prämissen dominieren, Moden und die Jagd nach dem ewig Neuen werden wichtiger als Qualität. Die Arbeit Juhls gerät in Vergessenheit… bis in den frühen achtziger Jahren die Möbel endlich nicht mehr schockieren müssen. Juhls finaler Siegeszug beginnt in Museen, wo man auf seine Möbel aufmerksam wird. Sie entsprechen dem immer lauter werdenden Ruf nach Individualität und werden endlich als die Klassiker anerkannt, die sie von Beginn an waren.
Dem Buch gelingt etwas, das Büchern eigentlich schwerfällt. Es lässt uns die schweren Leinenstoffbezüge fühlen, über die geschwungen Armlehnen aus Holz streifen, lässt uns Platz nehmen dort am Kamin, lässt uns das Geräusch von Schuhen auf Holzdielen hören, lässt uns das Leder riechen und gibt uns das Gefühl wohliger Vertrautheit. Genau darin erweist es Juhl die Ehre – ein sinnliches Werk im Andenken an einen Gestalter, der mit all seinen Sinnen entwarf, der mit Sinn und Verstand neue, poetische Wohnformen für uns definierte.
Doch dann, in den Sixties, kommt der Umschwung im dänischen Design: es gibt keine Nachfolger, wirtschaftliche Prämissen dominieren, Moden und die Jagd nach dem ewig Neuen werden wichtiger als Qualität. Die Arbeit Juhls gerät in Vergessenheit… bis in den frühen achtziger Jahren die Möbel endlich nicht mehr schockieren müssen. Juhls finaler Siegeszug beginnt in Museen, wo man auf seine Möbel aufmerksam wird. Sie entsprechen dem immer lauter werdenden Ruf nach Individualität und werden endlich als die Klassiker anerkannt, die sie von Beginn an waren.
Dem Buch gelingt etwas, das Büchern eigentlich schwerfällt. Es lässt uns die schweren Leinenstoffbezüge fühlen, über die geschwungen Armlehnen aus Holz streifen, lässt uns Platz nehmen dort am Kamin, lässt uns das Geräusch von Schuhen auf Holzdielen hören, lässt uns das Leder riechen und gibt uns das Gefühl wohliger Vertrautheit. Genau darin erweist es Juhl die Ehre – ein sinnliches Werk im Andenken an einen Gestalter, der mit all seinen Sinnen entwarf, der mit Sinn und Verstand neue, poetische Wohnformen für uns definierte.
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