Pflegeleicht & modern: Sichtestrich als Bodenbelag in Wohnräumen
Früher verborgen, heute stolz präsentiert: Sichtestrich ist zum Herzeigen da. Zwei Expertinnen erklären den Bodenbelag
Was ist Sichtestrich?
Estrich ist eigentlich immer da. Man könnte sogar sagen: Gibt es einen Fußbodenaufbau, gibt es auch Estrich. Er befindet sich traditionell unter dem abschließenden Bodenbelag, hat also lange nur hinter den Kulissen gewirkt. Das ändert sich. In immer mehr Projekten, ob Neubauten oder Renovierungen, wird Sichtestrich eingesetzt.
Estrich ist eigentlich immer da. Man könnte sogar sagen: Gibt es einen Fußbodenaufbau, gibt es auch Estrich. Er befindet sich traditionell unter dem abschließenden Bodenbelag, hat also lange nur hinter den Kulissen gewirkt. Das ändert sich. In immer mehr Projekten, ob Neubauten oder Renovierungen, wird Sichtestrich eingesetzt.
Solange ein Belag aus Holz, Dielen, Fliesen oder Linoleum auf ihm lag, musste man sich keine Gedanken darüber machen, wie der Estrichboden aussah. Holt man ihn allerdings ans Tageslicht, bedarf es einer gewissen Sorgfalt und Aufmerksamkeit in der Ausführung. „Man legt das schon in der Ausschreibung fest“, sagt Silvia Schellenberg-Thaut von Atelier ST. „Das nennt sich dann ‚zementgebundener Sichtestrich‘.“ Zementestrich kann nahezu überall eingesetzt werden: Innen wie außen, im Nassbereich wie in diesem Bad von Honey and Spice oder im Wohnzimmer.

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Die Vorteile von Sichtestrich
Die Popularität des sichtbaren Estrichbodens hat viele Gründe:
Die Popularität des sichtbaren Estrichbodens hat viele Gründe:
- Sichtestrich lässt sich in allen Räumen verlegen, egal ob Bad und Dusche, Küche, Flur, Wohn-, Schlaf- oder Esszimmer. Selbst eine Terasse lässt sich aus Sichtestrich gestalten. „Im Außenbereich kommen für die Frostbeständigkeit Zuschläge hinzu“, sagt Schellenberg-Thaut.
- Sichtestrich ist pflegeleicht, zudem robust und nahezu unverwüstlich lange
- Natürlich passt seine Optik perfekt zum modernen Wohn-Ambiente bzw. vermittelt Einfachheit und Reduktion
- Mit Sichtestrich lassen sich vor allem große Flächen gestalterisch zusammenhalten. Für verwinkelte Räume, bei denen das Verlegen von Fliesen, Teppich oder Holzböden kniffelig und unbefriedigend wäre, bietet ein gleichmäßiger Estrichboden eine ideale Alternative.
- Die Gestaltungsmöglichkeiten von Sichtestrich sind vielfältig. Abhängig von der Oberflächenbehandlung wirkt er matt oder glänzend. Das von Natur aus graue Material lässt sich einfärben. So sind Sichtestrichböden von Weiß bis leuchtend bunt in vielen Farben und sogar Mustern möglich.
- Eine Fußbodenheizung lässt sich perfekt unter Sichtestrich verlegen, da Estrich Wärme gut leitet.
So wird Sichtestrichboden verlegt
Aber wie stellt man einen ansehnlichen Sichtestrich grundsätzlich her? „Zunächst“, sagt Anke Lorber von Studio Lot, „müssen Sie sich die Gegebenheiten anschauen. Ist genug Platz für einen normalen Fußbodenaufbau – von etwa 60 Millimetern – oder haben Sie einen fertigen Fußboden, dem man nur noch einige Millimeter Belag hinzufügen kann? Im letzteren Fall kann man kunststoffgebundene Materialien einsetzen, die haptisch und optisch ähnliche Eigenschaften wie Zementestrich haben. Man muss dabei keine Angst vor einer plastikartigen Oberfläche haben, das alles sieht nach wie vor zementös aus.“
Bei einem 60-Millimeter-Estrich wird hingegen der Zement in einer Konsistenz von „flüssigem Rührkuchenteig“ auf den Untergrund aufgebracht und in der Regel fließend verlegt. Das heißt, an den Wänden trennt ein dünner Randstreifen den Belag von der Wand. So geschehen auch bei diesem Mehrfamilienhaus von Blaufisch Architekten.
Aber wie stellt man einen ansehnlichen Sichtestrich grundsätzlich her? „Zunächst“, sagt Anke Lorber von Studio Lot, „müssen Sie sich die Gegebenheiten anschauen. Ist genug Platz für einen normalen Fußbodenaufbau – von etwa 60 Millimetern – oder haben Sie einen fertigen Fußboden, dem man nur noch einige Millimeter Belag hinzufügen kann? Im letzteren Fall kann man kunststoffgebundene Materialien einsetzen, die haptisch und optisch ähnliche Eigenschaften wie Zementestrich haben. Man muss dabei keine Angst vor einer plastikartigen Oberfläche haben, das alles sieht nach wie vor zementös aus.“
Bei einem 60-Millimeter-Estrich wird hingegen der Zement in einer Konsistenz von „flüssigem Rührkuchenteig“ auf den Untergrund aufgebracht und in der Regel fließend verlegt. Das heißt, an den Wänden trennt ein dünner Randstreifen den Belag von der Wand. So geschehen auch bei diesem Mehrfamilienhaus von Blaufisch Architekten.
Aushärten
Nachdem durch Rüttelmaschinen das Material gleichmäßig verteilt worden ist und auch Bläschen herausgerüttelt worden sind, muss der Estrich aushärten. Das kann sechs bis acht Wochen dauern. In der DIN sind Zeiträume von 4 bis 28 Tagen festgeschrieben. Die lange Trockenzeit ist vielleicht der einzige Nachteil von Sichtestrich gegenüber anderen Bodenbelägen wie Fertigparkett oder Fliesen. „Es gibt auch Schnellestrich, der nach 48 Stunden bearbeitbar ist und wesentlich schneller als herkömmlicher Zementestrich seine Festigkeit erreicht. Da muss man aber mit 40 bis 50 Prozent höheren Kosten rechnen“, sagt Lorber. Bei diesem Einfamilienhaus in Heide von Jebens Schoof Architekten haben sich die Bauherren Zeit gelassen mit dem Trocknen des Sichtestrichbodens.
Nachdem durch Rüttelmaschinen das Material gleichmäßig verteilt worden ist und auch Bläschen herausgerüttelt worden sind, muss der Estrich aushärten. Das kann sechs bis acht Wochen dauern. In der DIN sind Zeiträume von 4 bis 28 Tagen festgeschrieben. Die lange Trockenzeit ist vielleicht der einzige Nachteil von Sichtestrich gegenüber anderen Bodenbelägen wie Fertigparkett oder Fliesen. „Es gibt auch Schnellestrich, der nach 48 Stunden bearbeitbar ist und wesentlich schneller als herkömmlicher Zementestrich seine Festigkeit erreicht. Da muss man aber mit 40 bis 50 Prozent höheren Kosten rechnen“, sagt Lorber. Bei diesem Einfamilienhaus in Heide von Jebens Schoof Architekten haben sich die Bauherren Zeit gelassen mit dem Trocknen des Sichtestrichbodens.
Dehnfugen
Bei kleinen Flächen kommt ein Fußboden aus Sichtestrich ohne Dehnungsfugen aus. „Bis maximal 40 Quadratmeter können Sie ohne Fugen ausführen“, sagt Silvia Schellenberg-Thaut. Bei größeren Grundflächen braucht man in der Regel Dehnfugen, um zu verhindern, dass sich von selbst Risse im Boden bilden. „Es werden Dehnungsfugen circa 3 bis 4 Zentimeter tief in den Estrich eingesägt und anschliessend mit Silikon aufgefüllt. Man sieht sie dann kaum. Die Fugen werden im Vorfeld eingeplant, überall dort, wo sie keine große Fläche zerschneiden, an Zimmerübergängen zum Beispiel.“
Anke Lorber ergänzt: „Natürlich ist das immer auch eine Geschmacksfrage. Bei einem Projekt in München haben wir die Bildung von unregelmäßigen Haarrissen in Kauf genommen und auf Dehnfugen verzichtet. Es sind dann auch tatsächlich keine aufgetreten.“
Bei kleinen Flächen kommt ein Fußboden aus Sichtestrich ohne Dehnungsfugen aus. „Bis maximal 40 Quadratmeter können Sie ohne Fugen ausführen“, sagt Silvia Schellenberg-Thaut. Bei größeren Grundflächen braucht man in der Regel Dehnfugen, um zu verhindern, dass sich von selbst Risse im Boden bilden. „Es werden Dehnungsfugen circa 3 bis 4 Zentimeter tief in den Estrich eingesägt und anschliessend mit Silikon aufgefüllt. Man sieht sie dann kaum. Die Fugen werden im Vorfeld eingeplant, überall dort, wo sie keine große Fläche zerschneiden, an Zimmerübergängen zum Beispiel.“
Anke Lorber ergänzt: „Natürlich ist das immer auch eine Geschmacksfrage. Bei einem Projekt in München haben wir die Bildung von unregelmäßigen Haarrissen in Kauf genommen und auf Dehnfugen verzichtet. Es sind dann auch tatsächlich keine aufgetreten.“
Estrichboden abschleifen, vorbereiten
Während der Estrich noch feucht ist, wird er mit einem Flügelglätter gleichmäßig geebnet. Unbehandelt ist er offenporig und kann leicht verschmutzen. Es gilt, ihn abzudichten, damit beispielsweise Fettspritzer beim Kochen keine bleibenden Spuren hinterlassen. Dafür gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Silvia Schellenberg-Thaut lässt den Boden vorher allenfalls noch an den Wänden im Falle von Aufwerfungen etwas abschleifen, während Anke Lorber die oberste Deckschicht des Estriches, die Schlacke, mit der Schleifmaschine entfernen lässt. So oder so folgt dann die Oberflächenbehandlung.
Während der Estrich noch feucht ist, wird er mit einem Flügelglätter gleichmäßig geebnet. Unbehandelt ist er offenporig und kann leicht verschmutzen. Es gilt, ihn abzudichten, damit beispielsweise Fettspritzer beim Kochen keine bleibenden Spuren hinterlassen. Dafür gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Silvia Schellenberg-Thaut lässt den Boden vorher allenfalls noch an den Wänden im Falle von Aufwerfungen etwas abschleifen, während Anke Lorber die oberste Deckschicht des Estriches, die Schlacke, mit der Schleifmaschine entfernen lässt. So oder so folgt dann die Oberflächenbehandlung.
Oberflächenbehandlung von Sichtestrich
Variante 1: Epoxidharzversiegelung
Schellenberg-Taut hat beim Projekt „Grüner Mäander“ in Leipzig-Holzhausen den Sichtestrich mit Epoxydharz versiegeln lassen. „Eine Versiegelung mit Polyurethan wäre auch möglich gewesen, das sieht aber im Ergebnis speckig aus. Eine seidenmatte Epoxidharzbeschichtung unterstreicht die Eigenschaften des Zementes.“ Die Versiegelung wird mit großen Rollen aufgetragen, wobei sie die Bodendicke überhaupt nicht verändert.
Wichtig: „Sie erhalten beim Sichtestrich keinen homogenen Boden wie bei Kunstharz aus Polyurethan. Zement lebt. Er hat dunkle und helle Bereiche. Es gibt die sogenannte Wolkenbildung, also Stellen, an denen durch die mineralische Zusammensetzung dunklere oder helle Töne dominieren. Das alles muss man wollen, wenn man sich für einen Sichtestrich entscheidet“, sagt Schellenberg-Thaut. Die endgültige Optik hängt auch vom verwendeten Zement, den Zuschlagstoffen und der „Handschrift“ des Handwerkers ab. Böden aus Sichtestrich sind jeweils immer ein Unikat.
Variante 1: Epoxidharzversiegelung
Schellenberg-Taut hat beim Projekt „Grüner Mäander“ in Leipzig-Holzhausen den Sichtestrich mit Epoxydharz versiegeln lassen. „Eine Versiegelung mit Polyurethan wäre auch möglich gewesen, das sieht aber im Ergebnis speckig aus. Eine seidenmatte Epoxidharzbeschichtung unterstreicht die Eigenschaften des Zementes.“ Die Versiegelung wird mit großen Rollen aufgetragen, wobei sie die Bodendicke überhaupt nicht verändert.
Wichtig: „Sie erhalten beim Sichtestrich keinen homogenen Boden wie bei Kunstharz aus Polyurethan. Zement lebt. Er hat dunkle und helle Bereiche. Es gibt die sogenannte Wolkenbildung, also Stellen, an denen durch die mineralische Zusammensetzung dunklere oder helle Töne dominieren. Das alles muss man wollen, wenn man sich für einen Sichtestrich entscheidet“, sagt Schellenberg-Thaut. Die endgültige Optik hängt auch vom verwendeten Zement, den Zuschlagstoffen und der „Handschrift“ des Handwerkers ab. Böden aus Sichtestrich sind jeweils immer ein Unikat.
Variante 2: Imprägnierung und Pflegedispersion
Anke Lorber ließ den Estrich bei ihrem Projekt in München abschleifen und imprägnierte ihn im nächsten Schritt. „Die Imprägnierung dringt in die Poren ein und verschließt sie“, erklärt Lorber. Danach wurde eine Pflegedispersion (Ceradur) unverdünnt aufgetragen. Ihr Tipp für die Pflege des Sichtestrichs: „Der Boden wird nur mit Wasser gewischt. Man sollte dem Putzwasser regelmäßig ein paar Kappen Pflegemittel hinzufügen, um die Nutzschicht zu erhalten“, sagt Lorber. „Es gibt eine große Bandbreite an Produkten für die Oberfläche. Auch solche auf ökologischer Basis und ohne Chemie, zum Beispiel Hartwachse oder Hartwachsöle.“
Anke Lorber ließ den Estrich bei ihrem Projekt in München abschleifen und imprägnierte ihn im nächsten Schritt. „Die Imprägnierung dringt in die Poren ein und verschließt sie“, erklärt Lorber. Danach wurde eine Pflegedispersion (Ceradur) unverdünnt aufgetragen. Ihr Tipp für die Pflege des Sichtestrichs: „Der Boden wird nur mit Wasser gewischt. Man sollte dem Putzwasser regelmäßig ein paar Kappen Pflegemittel hinzufügen, um die Nutzschicht zu erhalten“, sagt Lorber. „Es gibt eine große Bandbreite an Produkten für die Oberfläche. Auch solche auf ökologischer Basis und ohne Chemie, zum Beispiel Hartwachse oder Hartwachsöle.“
Sichtestrich und Fußbodenheizung – ja, nein, vielleicht?
Zunächst einmal darf man nicht davon ausgehen, dass ein Estrichboden sonderlich kalt ist. „Estrich nimmt die Raumtemperatur so schnell an wie ein Putz. Putzwände sind auch nicht kalt, wenn man sie anfasst“, so Schellenberg-Thaut. Dennoch bietet sich der Einbau einer Fußbodenheizung hier besonders an, da Heizestrich die Wärme optimal leitet und sie nicht, wie bei einem klassischen Bodenaufbau, eine weitere Bodenbelagsschicht durchdringen muss.
„Die Münchner Wohnung (im Bild) liegt direkt über einem unisolierten Keller. Da war eine Fußbodenheizung ideal. Außerdem ist sie auch eine gute Alternative bei Renovierungen, wenn beispielsweise Fenster vergrößert werden und keine Heizkörper davor erwünscht sind. Wenn die Materialität des Bodenbelags nicht die nötige Wärme ausstrahlt, schafft das die Fußbodenheizung.“ Der Estrich mit eingebauter Fußbodenheizung zieht sich im gezeigten Projekt übrigens durch den gesamten Wohnbereich.
Wir fassen zusammen: Schlicht, lebendig, belastbar und optimal für winklige Bauaufgaben. Was kann man mehr von einem Bodenbelag verlangen?
Haben Sie einen Fußboden aus Sichtestrich verlegt? Teilen Sie Ihre Erfahrungen in den Kommentaren!
Zunächst einmal darf man nicht davon ausgehen, dass ein Estrichboden sonderlich kalt ist. „Estrich nimmt die Raumtemperatur so schnell an wie ein Putz. Putzwände sind auch nicht kalt, wenn man sie anfasst“, so Schellenberg-Thaut. Dennoch bietet sich der Einbau einer Fußbodenheizung hier besonders an, da Heizestrich die Wärme optimal leitet und sie nicht, wie bei einem klassischen Bodenaufbau, eine weitere Bodenbelagsschicht durchdringen muss.
„Die Münchner Wohnung (im Bild) liegt direkt über einem unisolierten Keller. Da war eine Fußbodenheizung ideal. Außerdem ist sie auch eine gute Alternative bei Renovierungen, wenn beispielsweise Fenster vergrößert werden und keine Heizkörper davor erwünscht sind. Wenn die Materialität des Bodenbelags nicht die nötige Wärme ausstrahlt, schafft das die Fußbodenheizung.“ Der Estrich mit eingebauter Fußbodenheizung zieht sich im gezeigten Projekt übrigens durch den gesamten Wohnbereich.
Wir fassen zusammen: Schlicht, lebendig, belastbar und optimal für winklige Bauaufgaben. Was kann man mehr von einem Bodenbelag verlangen?
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