Houzzbesuch
Ein nagelneues Kapitänshaus in traditioneller Form an der Ostsee
Modernes Wohnen und alte Bautechnik: Auf dem Darß wurde ein reetgedecktes Haus nach historischem Vorbild rekonstruiert
Eigentlich sollte das in die Jahre gekommene Kapitänshaus in Born auf dem Darß nur restauriert werden. Doch schnell war klar, dass die baufällige Substanz nicht mehr zu retten war und komplett abgerissen werden musste. Der Bauherr wollte aber keinen modernen Neubau und beauftragte daher Architekt Dr. Michael Flagmeyer mit der Rekonstruktion des Kapitänshauses in regionaler Bauweise – mit vielen Vor- und Rücksprüngen, Ecken und Winkeln. Innen durften die Räume durchaus großzügiger und moderner werden, nur sollte der Bezug zu traditionellen Baustoffen spürbar bleiben. Heute sind Darßer Tür und scharrierter Putz, Reetdach und doppelflügelige Holzfenster geschickt mit Glas und Ziegel zu einem Neubau vereint, der die historische Bauweise des Fischlandes aufleben lässt.
Reetdächer haben im Fischland-Darß-Zingst eine lange Tradition. Heute sind sie allerdings rund 80 Prozent teurer als andere Dacheindeckungen, weiß Flagmeyer zu berichten. Hinzu kommt, dass besondere Brandschutzmaßnahmen getroffen werden müssen. So gibt es einen Mindestabstand beim Grillen, der Abstand zu Nachbarhäusern muss größer sein als bei anderen Dacheindeckungen und der Schornstein sollte ziemlich genau auf dem First sitzen und eine Mindesthöhe haben. Auch die Feuerversicherung ist teurer.
„Der Bauherr hat einen starken Bezug zur Gegend. Er hat sich bewusst für Reet entschieden und auch die Mehrkosten in Kauf genommen“, so der Architekt. „Das Material ist ebenso haltbar wie Ziegel. Aber es muss regelmäßig gewartet werden und gelegentlich müssen einzelne Büschel ausgetauscht werden.“ Doch dafür dämmt die mindestens 30 Zentimeter dicke Schilfrohrschicht sehr gut. Und der Blick aus den Fledermausgauben im Dachgeschoss auf das abgeschnittene Schilf lässt den Raum unterm Dach gleich noch viel gemütlicher wirken.
Flotter Dreier an der Ostsee: So modern können Reetdächer sein!
„Der Bauherr hat einen starken Bezug zur Gegend. Er hat sich bewusst für Reet entschieden und auch die Mehrkosten in Kauf genommen“, so der Architekt. „Das Material ist ebenso haltbar wie Ziegel. Aber es muss regelmäßig gewartet werden und gelegentlich müssen einzelne Büschel ausgetauscht werden.“ Doch dafür dämmt die mindestens 30 Zentimeter dicke Schilfrohrschicht sehr gut. Und der Blick aus den Fledermausgauben im Dachgeschoss auf das abgeschnittene Schilf lässt den Raum unterm Dach gleich noch viel gemütlicher wirken.
Flotter Dreier an der Ostsee: So modern können Reetdächer sein!
Der Putz des Kapitänshauses ist nicht einfach glattgestrichen, sondern scharriert, also in feuchtem Zustand mit einem Besen bearbeitet. So entstehen Linien im Putz, die wie Wellen aussehen. „Das wird allerdings nur von Bauherren gewünscht, die diese alte Putztechnik kennen, die hier in der Gegend Tradition hat“, so Flagmeyer.
Rote Fensterläden rahmen schlichte, doppelflügelige Holzfenster mit ihrem einfachen Fensterkreuz ein. Die neue Haustür hingegen ist in der Tradition Darßer Türen kunstvoll geschnitzt und bunt bemalt; sie zeigt zwei Kraniche beim Hochzeitstanz.
Weitere Inspirationen zum maritimen Stil
Rote Fensterläden rahmen schlichte, doppelflügelige Holzfenster mit ihrem einfachen Fensterkreuz ein. Die neue Haustür hingegen ist in der Tradition Darßer Türen kunstvoll geschnitzt und bunt bemalt; sie zeigt zwei Kraniche beim Hochzeitstanz.
Weitere Inspirationen zum maritimen Stil
Das Erdgeschoss wird als Büro genutzt. Unter dem Boden aus handgeformten Ziegeln liegt eine moderne Fußbodenheizung. Eine 18 Meter lange Blickachse, die großteils als Flur ausgebildet ist, läuft durch das Erdgeschoss. „Wir haben bei der einläufigen Treppe in das Dachgeschoss eine ganz leichte Konstruktion gewählt, um diesen Blick zu erhalten“, so der Architekt. Die Trittstufen aus Buchenholz liegen auf filigranen Stahlwangen.
Der Flur mündet in ein Erkerzimmer, vor dem das Esszimmer liegt. Durch einen Einschnitt in der Decke ist der Raum bis ins Dachgeschoss geöffnet. Zur Absturzsicherung dient türkisfarbenes Glas auf einer leichten Stahlkonstruktion.
Die Wärme aus dem offenen Kamin im Esszimmer verbreitet sich dadurch auch im Dachgeschoss.
Die Wärme aus dem offenen Kamin im Esszimmer verbreitet sich dadurch auch im Dachgeschoss.
Eine Glasschiebetür trennt die Küche vom Esszimmer.
Einbauküche: Leicht
Das Wohnzimmer im Obergeschoss schmiegt sich in die Dachschrägen. Rundbogenfenster in den Fledermausgauben und doppelflügelige Fenster wie im Erdgeschoss lassen viel Tageslicht in den Raum. Von hier ist auch der Balkon zugänglich. „Er war beim Vorgängergebäude auch vorhanden, aber vermutlich nicht von Anfang an“, so Flagmeyer. Buchenholzparkett ist fast auf der gesamten Dachgeschossfläche verlegt.
Dem Wohnzimmer gegenüber liegt das Schlafzimmer. Durch die Beleuchtung von unten ist hier besonders gut die alte Putztechnik erkennbar. „Der Putz ist so aufgetragen, dass die halbrunden Schwünge des Auftrags mit der Kelle noch zu sehen sind. Wir mussten die Handwerker überreden, von dem sonst üblichen glatten Putz abzuweichen“, erinnert sich Flagmeyer. „Die Handwerker in der Gegend arbeiten mit hoher Qualität. Wenn wir ihnen erklärt haben, warum wir etwas auf eine bestimmte Weise haben wollen, waren sie sehr interessiert und haben es perfekt so umgesetzt.“
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Auch im großen Badezimmer sind die meisten Wände verputzt. Fliesen bedecken lediglich die Flächen, die besonders mit Wasser in Berührung kommen, etwa Boden oder Duschwand.
Durch ein Band aus kleinen grauen Fliesen ist die Stoßleiste hervorgehoben – ein Wunsch des Bauherrn, wie Flagmeyer verrät. „Wir wollten auch in dem sehr geräumigen und hellen Bad möglichst nah an der Tradition bleiben. Fliesen wurden früher einfach nicht verwendet.“
Neben Schlafzimmer, Bad und Wohnzimmer gibt es außerdem eine Ankleide und einen Abstellraum im Dachgeschoss. Das alles steht auch Feriengästen zur Verfügung. Denn wenn der Hausherr selbst nicht da ist, vermietet er gerne an Urlauber.
Neben Schlafzimmer, Bad und Wohnzimmer gibt es außerdem eine Ankleide und einen Abstellraum im Dachgeschoss. Das alles steht auch Feriengästen zur Verfügung. Denn wenn der Hausherr selbst nicht da ist, vermietet er gerne an Urlauber.
Das neue Haus steht ziemlich genau auf den Umrissen des abgerissenen Gebäudes, hat aber einen vollkommen neuen Grundriss. Auch die um das Haus angehäuften Feldsteine, die als Spritzschutz für die Fassade dienen, stellen eine Neuerung dar. „Feldsteine wurden früher als Abgrenzung der Felder benutzt. Insofern haben sie einen starken Bezug zur Gegend“, erklärt Flagmeyer. Ein Zugeständnis an die aktuelle Lebenswelt ist die Doppelgarage. Sie wurde auf Wunsch des Bauherrn im Erdgeschoss, unter dem Schlafzimmer, eingebaut und ist von außen nur am Garagentor zu erkennen, da auch hier, ebenso wie im ganzen Haus, doppelflügelige Fenster eingebaut wurden. So zeigt sich das Kapitänshaus von außen absolut traditionell und ist im Inneren mit dem einen oder anderen modernen Komfort versehen.
Was ist eigentlich… der nordfriesische Stil?
Wie gefällt Ihnen das neue Kapitänshaus nach historischem Vorbild? Kennen Sie ähnliche Projekte?
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Hier wohnt und arbeitet: der Bauherr
In: Born auf dem Darß an der Ostsee, Mecklenburg-Vorpommern
Auf: 125 Quadratmetern im Erdgeschoss und 99 Quadratmetern im Dachgeschoss
Besonderheit: Rekonstruktion eines alten Kapitänshauses mit regionalen Handwerkstechniken
Experten: Dr. Michael Flagmeyer Architekten
Fotos: Tino Sieland
„Alte Kapitänshäuser sollten den Reichtum ihrer Bewohner zeigen. Erker, Vor- und Rücksprünge sind die wesentlichen Elemente hierfür, abgesehen von der Größe“, erklärt Architekt Dr. Michael Flagmeyer. „Wir mussten uns bei diesem Projekt in die Anwendungsmöglichkeiten der historischen Materialien einarbeiten.“ Auch die kleine Öffnung im obersten Giebel des reetgedeckten Hauses hat Tradition. Eulenloch oder niederdeutsch „Ulenlock“ genannt, bot es Eulen Zugang zum Dachboden, wo das Saatgut lagerte. Hier waren die nachtaktiven Vögel gern gesehene Gäste, hielten sie doch Mäuse fern.