Eine besondere Berliner Wohnung mit Atelier-Charme
Zweckentfremdung und Ideenreichtum: Designerin Gosia Warrink lebt inmitten ihrer Arbeiten – von Hummer-Tapeten bis zur Drahtplastik
Eine Vorliebe für Kunst und Design hegte Gosia Warrink schon immer, zur wahren Berufung wurde sie allerdings erst im agilen Berlin. Hier entdeckte die gebürtige Polin ihre Leidenschaft: das Experimentieren mit Mustern und Farben. Wie gut, dass sie diesem Gespür folgte, denn sonst könnte man sich heute nicht an ihren wunderbaren Ideen erfreuen. Raum für ihr Schaffen findet die Gestalterin in ihrer Altbauwohnung in Berlin-Mitte, wo sie lebt und arbeitet. Auch Söhnchen Vincent zeigt bereits künstlerisches Talent … es ist hier ein bisschen wie in einer kleinen Künstler-WG.
Auf einen Blick
Hier wohnt: Gosia Warrink, 41, Designerin (Gosia Gallery) und Gründerin von Amberpress, mit Söhnchen Vincent, 5
In: Berlin-Mitte
Auf: 83 Quadratmeter
Fotos: Julia Schoppe
Auf einen Blick
Hier wohnt: Gosia Warrink, 41, Designerin (Gosia Gallery) und Gründerin von Amberpress, mit Söhnchen Vincent, 5
In: Berlin-Mitte
Auf: 83 Quadratmeter
Fotos: Julia Schoppe
Die von der Decke hängende Strohhalm-Leuchte ist ein Eigenentwurf. Von diesen und anderen genialen Ideen kann man im Arbeitszimmer so einige entdecken. Arbeitsproben, Muster, angefangene Skulpturen und Arbeitsutensilien stapeln sich, überall Bücher. „Ich könnte nicht in einem unterkühlten Büro arbeiten. Ich liebe es, mich austoben zu können, auch wenn es manchmal im kreativen Chaos ausartet, aber das gehört dazu“, erklärt Warrink.
Schreibtischstuhl: Panton Chair, Vitra; schwarze Stehleuchte: Spun Light, Flos
Schreibtischstuhl: Panton Chair, Vitra; schwarze Stehleuchte: Spun Light, Flos
Natürlich braucht kreatives Arbeiten viel Raum. Bei der Besichtigung ihrer heutigen Wohnung war Warrink sofort überzeugt, den richtigen gefunden zu haben. „Die absolut unglaubliche Raumhöhe von über vier Metern, Tafelparkett und die glatt gespachtelten Wände. Hinzu kam die Küche, in die man gleich beim Betreten geradezu reinfällt. Ich empfand es als charmant und dachte: Hier werden wir uns wohlfühlen!“, sagt die Designerin.
Die Küche ist wortwörtlich der zentrale Raum der Wohnung und als Empfangsbereich sehr gut geeignet. „Wie bei allen Partys. Alle versammeln sich in der Küche“, bemerkt Warrink schmunzelnd.
Als sie die Wohnung bezog, war der kleine Vincent gerade 15 Monate alt. Umso wichtiger war seiner Mutter die Überschaubarkeit der Wohnung. In der Küche wird gewohnt, gekocht, gemalt und gebastelt. Gleichzeitig bildet dieser Raum den fließenden Übergang zwischen Atelier und Privaträumen. Überall verteilt und gut dosiert, erwarten den Besucher Blickfänge in Form von Farben, Formen und Strukturen.
Als sie die Wohnung bezog, war der kleine Vincent gerade 15 Monate alt. Umso wichtiger war seiner Mutter die Überschaubarkeit der Wohnung. In der Küche wird gewohnt, gekocht, gemalt und gebastelt. Gleichzeitig bildet dieser Raum den fließenden Übergang zwischen Atelier und Privaträumen. Überall verteilt und gut dosiert, erwarten den Besucher Blickfänge in Form von Farben, Formen und Strukturen.
Stuhl: Medea, Vittorio Nobili für Fratelli Tagliabue (1955)
Begrüßt wird man beim Betreten der Wohnung von einem aparten Damenporträt namens „Meine Schokoladenseite“ aus gebogenem Stahldraht über der Spüle.
Das gekonnte Spiel mit verschiedenen Kontexten gehört zu Warrinks Talenten. Ausgangspunkt für ihre Entwürfe aus gebogenem Stahldraht sind Zeichnungen; die Umsetzung übernehmen Handwerker mit entsprechender Muskelkraft.
Das gekonnte Spiel mit verschiedenen Kontexten gehört zu Warrinks Talenten. Ausgangspunkt für ihre Entwürfe aus gebogenem Stahldraht sind Zeichnungen; die Umsetzung übernehmen Handwerker mit entsprechender Muskelkraft.
Weiter rechts über dem alten Sofa sieht man zwei Kupferplatten mit Cutout-Motiven.„Normalerweise ist es doch so: Die Modewelt bedient sich an Motiven aus der Tierwelt. Ich habe das ganze mal umgedreht, und Tiere mit typischen Modemustern versehen. So kam die Schildkröte zu ihrem Pepitamuster und die Schlange zum Fischgrat“, erklärt Warrink.
Das Gemälde weiter links ist von Konstanty Kukawski. „Es hing schon im Wohnzimmer meiner Eltern. Der Maler war mit ihnen befreundet und es erinnert mich an meine Heimat und meine Kindheit.“
Das Gemälde weiter links ist von Konstanty Kukawski. „Es hing schon im Wohnzimmer meiner Eltern. Der Maler war mit ihnen befreundet und es erinnert mich an meine Heimat und meine Kindheit.“
Genau gegenüber hängen Warrinks handgemalte Lieblingstapeten. „Sie sind Unikate, nie identisch. Gleichzeitig sind sie nicht begrenzt, wie beispielsweise Leinwände. Mein Traum ist es, so irgendwann einen riesigen Raum zu bespielen. Zum Beispiel mit dem Fischgrat – ich stelle es mir immer auf einer 10 mal 5 Meter großen Wand vor, und davor weiße Möbel. Das wäre großartig. Eben genau das Gegenteil des Üblichen“, schwärmt Warrink.
Nicht nur in Warrinks Design, auch in ihrer Wohnungsgestaltung findet man immer wieder experimentelle Details. „Ich kombiniere gerne Dinge miteinander, die alleine aufgrund der Herkunft und Bestimmung keine Daseinsberechtigung an deren Platz hätten: Meine Suppenvasen beherbergen Pflanzen oder Kosmetika, Gartenstühle aus Metall stehen neben noblen Einzelstücken, und Weihnachtskugeln hängen als Halsketten an Vasen. Ich spiele eben gerne“, sagt sie.
Der Essplatz, an dem bevorzugt auch gemalt und gebastelt wird, besteht aus einem runden Palisander-Tisch aus den Sechzigern und zwei Norman Cherner Stühlen aus Walnuss. Auf den Hochstuhl „Fresco“ von Bloom schwört die junge Mutter regelrecht. Vincent kann hier schlafen, essen und ist zudem noch gut gesichert. Perfekte Voraussetzungen für ein familiäres Zusammensein.
„Letztes Jahr hatten wir, 30 Zentimeter entfernt vom Küchentisch in unserem Blumenkasten, Amsel-Nachbarn mit Nachwuchs. Dreimal hintereinander. Wir konnten live beim Eierlegen, Füttern und Rausfliegen zuschauen. Es war besser als Kino. Ich habe für unsere gefiederten Nachbarn sogar ein Haus gebaut: dazu dienten meine Kupfer-Schnitt-Reste. Dieser Platz ist eben das Herz der Wohnung“, sagt Warrink. Gegenüber hängen drei kleinere Kupfer-Schildkröten, direkt neben einem Werk von Vincent. „Seine Bilder hängen meistens neben meinen“, verrät sie. Sie begann vor drei Jahren mit Kupfer zu arbeiten und brachte sich selbst sämtliche Oxidationstechniken bei. Und zwar ganz ohne aggressive Chemikalien. Die Farbeffekte sind facettenreich und zeigen wie wandelbar dieses Material ist.
Vincent hat ein eigenes Zimmer. „Es ist klein – aber er liebt es. Die Tapete war meine erste Auftragsarbeit. Er wünschte sich einen Astronauten und eine Rakete. Beides in groß“ , erzählt seine Mutter und lacht. „Also bekam er sie vier Meter groß!“
Wenn Vincent im Bett liegt, wirkt es fast, als könne er dem Astronauten die Hand geben. Überhaupt hat die erfinderische Mutter hier vieles mit eigener Hand gestaltet.
Als Pendelleuchten dienen alte Lampenschirme. Die Wandfarbe, im Farbton Milchkaffee, mixte sie auf Basis von Caparol-Pigmenten.
Juniorbett: Leander
Wenn Vincent im Bett liegt, wirkt es fast, als könne er dem Astronauten die Hand geben. Überhaupt hat die erfinderische Mutter hier vieles mit eigener Hand gestaltet.
Als Pendelleuchten dienen alte Lampenschirme. Die Wandfarbe, im Farbton Milchkaffee, mixte sie auf Basis von Caparol-Pigmenten.
Juniorbett: Leander
Das Wannenbad war bereits in renoviertem Zustand, als Warrink die Wohnung bezog. Helle Mosaikfliesen und ein beiger Epoxidharz-Boden lassen den Raum offen und großzügig wirken. Auch hier sorgt ein feines Stahl-Porträt mit dem Titel „Modellhut“ für die entsprechende Raumnote. Die Spiegelung hat in diesem Fall eine fast metaphorische Wirkung. In der großen Schale finden Föhn und andere Utensilien ihren Platz.
Warrinks Schlafzimmer befindet sich am Ende der Wohnung und schließt mit einer intensiven Farbe ab.
Warrinks Schlafzimmer befindet sich am Ende der Wohnung und schließt mit einer intensiven Farbe ab.
„Ich liebe Magenta, es wäre aber für mein Schlafzimmer zu grell. Deshalb entschied ich mich für Signal-Violett. Es passt herrlich zu Schwarzweiß und dem Cognac-Ton meiner Spiegelkommode. Außerdem macht es das Zimmer gemütlich und gibt dennoch Kraft, ohne zu langweilen. Ältere Dinge, die schon gelebt haben, mit moderneren Elementen zu mixen gefällt mir besonders gut. Die Gartenstühle aus den Fünfzigern und die Spiegelkommode aus den Dreißigern gehören zu meinen Lieblingen“ , sagt die Designerin.
Keine Frage. In diesen Räumen finden Formen, Farben und Muster neue Zusammenhänge.
In unserer Rubrik „Houzzbesuch“ stellen wir spannende Projekte der Houzz-Experten vor, aber auch originelle Wohnungen von Privatleuten. Ihr Projekt oder Ihr Zuhause passt perfekt? Dann schreiben Sie uns – und schicken Sie am besten ein paar Fotos mit!
Keine Frage. In diesen Räumen finden Formen, Farben und Muster neue Zusammenhänge.
In unserer Rubrik „Houzzbesuch“ stellen wir spannende Projekte der Houzz-Experten vor, aber auch originelle Wohnungen von Privatleuten. Ihr Projekt oder Ihr Zuhause passt perfekt? Dann schreiben Sie uns – und schicken Sie am besten ein paar Fotos mit!
Warrink liebt Zweckentfremdungen. „Besonders, wenn man etwas auf den zweiten Blick erkennt, was man vorher nicht vermutet hätte“, erklärt sie. Ihre neuesten Tapetenentwürfe, hier an der Wand, sind der Beweis: da wirkt ein Rapport aus Hummern von weitem wie ein barockes Muster, was wie ein Champignon aussieht, ist in Wirklichkeit eine Dame, die im berühmten „Ball Chair“ von Eero Aarnio steckt.
Sofa: Pollock, Minotti