Heimtextil-Neuheiten: Alles gut für den Kreislauf
Wie aus geschredderten Lumpen und Abfällen neue Wohntextilien werden, zeigte die Frankfurter Stoffmesse Heimtextil
Sie verschönern unser Zuhause, sie sind nützlich, sie regen unsere Sinne an: Wohntextilien wie Vorhänge, Teppiche, Decken, Handtücher, Bettzeug. Die Neuheiten der Branche zeigte die weltgrößte Heimtextil-Messe in Frankfurt am Main vom 10. bis 13. Januar 2023.
Der größte Trend: Nachhaltigkeit. Seit vielen Jahren ein Buzzword, das sich nun in immer mehr nachhaltigen Produkten widerspiegelt. Denn die Textilindustrie ist nach wie vor einer der größten Verursacher von Treibhausgasen. Bis 2030 werden die Emissionen auf 2,7 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen, wenn sich nichts ändert. Dazu kommen Tonnen von Textilabfällen, die bisher kaum recycelt werden. Hoher Verbrauch von Ressourcen wie Wasser und Ackerfläche sind weitere Probleme.
Der größte Trend: Nachhaltigkeit. Seit vielen Jahren ein Buzzword, das sich nun in immer mehr nachhaltigen Produkten widerspiegelt. Denn die Textilindustrie ist nach wie vor einer der größten Verursacher von Treibhausgasen. Bis 2030 werden die Emissionen auf 2,7 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen, wenn sich nichts ändert. Dazu kommen Tonnen von Textilabfällen, die bisher kaum recycelt werden. Hoher Verbrauch von Ressourcen wie Wasser und Ackerfläche sind weitere Probleme.
Die belgische Designerin Magoux Magdalena Baeyens schneidet Textilabfälle in Streifen und setzt sie wie ein Flickenteppich zu neuen Materialien zusammen.
Ansatz: Neuer Stoff aus Altem
Ansatz: Neuer Stoff aus Altem
- Abfallstoffe, Ausschussware und Secondhand-Textilien werden zerlegt, geschreddert, wiederaufbereitet und umgewandelt.
- Materialien bleiben in geschlossenen Kreisläufen und werden dank technischer Verfahren immer wieder recycelt. Daraus entstehen wiederum neue Produkte.
- Gebrauchte Textilien, Textilabfälle und -reste werden erneuert durch Überdrucken, Überfärben, Patchwork und Reparieren.
> Hersteller Vespo aus den Niederlanden produziert Textilien aus 100 % recycelter Baumwolle (Abfälle aus der Textilproduktion). „Noch vor Jahren haben wir recyceltes Polyester unserer Baumwolle zugefügt. Doch Mikroplastik ist ein Problem“, erzählt Roy den Hartog von Vespo. „Das haben wir nun gelöst.“ Auch farblich ist alles im Trend. Dazu gleich mehr.
Stichwort Mikroplastik: Die Firma Primaloft präsentierte auf der Messe die erste synthetische Faser, die zu 100 Prozent recyclefähig und biologisch abbaubar ist. Mikroorganismen im Boden oder Gewässern sollen die Fasern um ein Vielfaches schneller abbauen als herkömmliche Kunstfasern. Am Ende bleiben Wasser, Methan, CO2 und Biomasse übrig.
Stichwort Mikroplastik: Die Firma Primaloft präsentierte auf der Messe die erste synthetische Faser, die zu 100 Prozent recyclefähig und biologisch abbaubar ist. Mikroorganismen im Boden oder Gewässern sollen die Fasern um ein Vielfaches schneller abbauen als herkömmliche Kunstfasern. Am Ende bleiben Wasser, Methan, CO2 und Biomasse übrig.
> Der Polsterstoff „Noah“ enthält keine neuen Fasern, wird aus 100 Prozent recyceltem Polyester gewebt. Laut Hersteller Crevin aus Spanien entsteht dabei kein Abfall. Das Material mit Oekotex-Standard ist frei von gesundheits- und umweltschädlichem PFC (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen), wird lokal produziert. Der Stoff in vielen mediterranen Farben fühlt sich weich wie dicht gewebte Wolle an. Foto: Courtesy of Crevin
> Die niederländische Marke Tarkett hat gemeinsam mit dem Design-Duo Rens ein Verfahren entwickelt, um veraltete Teppichböden wiederzubeleben. Dafür werden diese mit einem roten Farbstoff überfärbt. Die ungleichmäßige Färbung, bedingt durch die gealterten Fasern, verleihen dem aufgefrischten Produkt seine farbenfroh-eigentümliche Optik. Foto: Courtesy of Tarkett
Bettwäsche, Laken, Kissen und Co. aus natürlichen Stoffen am Stand von Mi Casa Es Tu Casa
Ansatz: Natur, mehr oder weniger pur
Ansatz: Natur, mehr oder weniger pur
- Die Heimtextil war ein Festival für natürliche Materialien wie Leinen, Wolle, Baumwolle.
- Die Materialien werden entweder in ihrem ursprünglichen Zustand belassen, wirken dadurch roh mit sichtbaren Strukturen oder werden durch mechanische Verfahren veredelt, mit anderen Fasern gemischt oder digital bedruckt.
- Regenerative Naturstoffe, etwa Abfälle aus der Landwirtschaft, dienen als Ausgangsmaterial, um daraus mit technologischen Verfahren innovative, biologisch abbaubare Textilien herzustellen. Der Designer Thomas Vailly demonstrierte live auf der Messe, wie er aus landwirtschaftlichen Abfällen veganes Leder herstellt. Dafür kooperiert Vailly mit dem deutschen Produzenten Fibers365.
> Wer auf Leinenstoffe setzt, kommt an belgischem Leinen nicht vorbei, etwa von Libeco. Eine der Neuheiten: Ein im Stonewash-Verfahren (kennen wir von Jeanshosen) behandeltes Leinen-Woll-Gemisch. Der boucléartige Stoff wird weicher im Griff und robuster. Entweder ungebleicht oder die Farben wirken natürlich verblichen und ausgeblutet. Foto: Courtesy of Libeco
> Leder ist per se ein langlebiges, robustes und natürliches Material tierischen Ursprungs. Problem: die Gerbung mit Chrom. Das wird zwar mittlerweile abgeschieden und verbleibt in einem geschlossenen Kreislauf, kann aber Allergien auslösen, weiß Marc Reinhardt, Junior-Chef von Leder Reinhardt. Das Unternehmen aus dem baden-württembergischen Pfullingen hat zudem das „O’leaf tan“-Verfahren entwickelt: Gegerbt wird mit Olivenbaumblättern (Abfallprodukt bei der Ernte). O’leaf tan-Leder ist zu 100 % nachhaltig verspricht der Hersteller.
> Handgewebte/-geknüpfte Teppiche aus reiner, gewalkter Schurwolle von Paulig aus Franken. Die grobe, natürliche Struktur prägt die Optik und somit das haptische Erlebnis beim Drüberlaufen. Neben natürlichen Farben sind 500 andere möglich.
> Das mit natürlichen Farbstoffen gefärbte Materialien nicht zwingend ökig, sondern durchaus bunt ausschauen können, zeigt das Schweizer Unternehmen Archroma. Gefärbt werden Baumwolle, Leinen und Viskose mit pflanzllichen Abfällen, wie Blättern, Schalen, Rinden und Wurzeln. Nachhaltiger geht’s kaum.
Ansatz: Farben und Muster, die lange modern bleiben. Design, das sich nicht an Moden orientiert, ist von sich aus nachhaltig. Zeitlose und essenzielle Farbpaletten sowie Muster fördern eine lange Haltbarkeit und verlängerte Lebensdauer. Diesen Ansatz verfolgt auch Silkeborg Studio aus Dänemark mit seinen Decken, Kissen und Plaids aus Wolle (Foto).
> In der Trendpalette der Heimtextil finden sich deshalb minimale, klare Farben: strahlendes Weiß, warme Grautöne und Graugrün, klassische Blautöne, komplexe „Fast-Schwarztöne“. Laut Anja Bisgard Gaede vom Trendbüro Spott in Dänemark orientieren sich diese puristisch, klassischen Farben an den Naturelementen Gestein und Wasser. Auch Prints/Muster wie Wellen und unfertige, raue Texturen sind von diesen Elementen inspiriert. Foto: FranklinTill
Am Stand von Symphony Mills. Foto: Messe Frankfurt Exhibition GmbH/Thomas Fedra
> Dazu: moderne, softe, beruhigende Neutraltöne von warmen Beige- und Brauntönen bis hin zu grün-braun und braun-grün als Gegenspieler zur kalten, grauen, technisierten Stadtlandschaft. „Konstruiert um eine neue und blühende Beziehung zur symbiotischen und kollaborativen Natur widerzuspiegeln“, wie es im Heimtextil-Trendreport heißt.
> Dazu: moderne, softe, beruhigende Neutraltöne von warmen Beige- und Brauntönen bis hin zu grün-braun und braun-grün als Gegenspieler zur kalten, grauen, technisierten Stadtlandschaft. „Konstruiert um eine neue und blühende Beziehung zur symbiotischen und kollaborativen Natur widerzuspiegeln“, wie es im Heimtextil-Trendreport heißt.
Wohntextilien von Lasa Home. Foto: Messe Frankfurt Exhibition GmbH/Jean-Luc Valentin
> Passend zum Schwerpunkt der natürlichen Textilien sahen wir eine vielfältige Palette warmer, erdiger Farben sowie softe und gedämpfte organische Töne aus der Pflanzenwelt wie Oliv- und Limettengrün, zartes Rosa, kräftiges Indigo.
> Passend zum Schwerpunkt der natürlichen Textilien sahen wir eine vielfältige Palette warmer, erdiger Farben sowie softe und gedämpfte organische Töne aus der Pflanzenwelt wie Oliv- und Limettengrün, zartes Rosa, kräftiges Indigo.
Fast schon gebetsmühlenartig fordert Caroline Till seit vielen Jahren ein Umdenken. „Wir müssen schon am Beginn der Herstellung daran denken, was mit den Textilien an ihrem Lebensende passiert“, sagt Till. Die Geschäftsführerin und Mitbegründerin des Beratungsunternehmens Franklin-Till Studio in London berät auch die Heimtextil-Messe und sieht in der Kreislaufwirtschaft eine der wichtigsten Maßnahmen für Veränderung. In einem solchen Cradle-to-Cradle-System werden Materialien immer wieder neu in einem Nutzungskreislauf verwendet. Der Verbrauch von Ressourcen und der Ausstoß von Treibhausgasen würden drastisch reduziert.
Problem: Oft steht Wirtschaftlichkeit einem nachhaltigen Ansatz im Weg. Till: „Aber wir haben keine Alternative. Jeder muss verstehen, dass wir so nicht weitermachen können. Ich verstehe, dass dafür Investitionen nötig sind. Marken und Firmen haben die Wahl: den Imageverlust oder endlich etwas zu verändern.“ Immerhin: Die Messe zeigte viele vorbildliche Ansätze. Einige Highlights: