Architektur
Hier gibt’s Platz & Potenzial! Wie die Provinz um Zuzügler wirbt
Großstädte platzen aus allen Nähten. Und in der Provinz verwaisen Stadtviertel. Wie lässt sich das ändern? Ein Beispiel
Leerstand. Ein Wort, das eine Grenze beschreibt. Die zwischen boomenden Städten und der Provinz. Dörfer, Klein- und Mittelstädte, die nicht im Speckgürtel von attraktiven Großstädten liegen, haben in vielen Landstrichen Deutschlands mit Bevölkerungsschwund zu kämpfen. Dem Leerstand entgegenzuwirken, funktioniert nur mit guten Ideen und viel Kreativität. Beispielsweise durch die Stadt selbst, lokale Initiativen oder Privatpersonen. Ein Beispiel für das Zusammenspiel verschiedener Akteure findet sich in Görlitz. Die Stadt versucht seit einigen Jahren, ihre aufpolierte Innenstadt wiederzubeleben. Die Versuche werden vom Interdisziplinären Zentrum für ökologischen und revitalisierenden Stadtumbau (IZS) begleitet, das gemeinsam mit der Stadt das Realexperiment „Stadt auf Probe – Wohnen und Arbeiten in Görlitz“ durchführt. Welche Ergebnisse deuten sich an? Und was sind die Ansichten der Akteure vor Ort?
In Deutschland gibt es 624 Mittelstädte. Laut einer aktuellen Studie des Bundesinstituts für Bau-, Raum- und Stadtforschung stieg die Bevölkerungszahl in diesen Städten zwischen 2011 und 2017 überwiegend an. Eine Mittelstadt definiert sich über die Einwohnerzahl, welche zwischen zwanzig- und einhunderttausend Bewohnern liegt. Foto: Nikolas Fabian Kammerer
Die Tendenz
Viele Städter streben mittlerweile wieder aufs Land, aus unterschiedlichen Gründen. „Raus aufs Land bezieht sich vor allem auf das Umland von Großstädten. Kleinere Orte sind hier nach wie vor als Wohnstandort gefragt. Daneben gibt es auch Menschen, die sich bewusst für ein Leben auf dem Land entscheiden oder dort zumindest ein Wochenenddomizil haben. Beides ist aber mengenmäßig nicht unbedingt relevant“, so Stefanie Rößler. Dass es auch umgekehrt geht, jemand vom Land in die Mittelstadt zieht, berichtet Hartmut Wilke vom Amt für Stadtentwicklung in Görlitz: „An einem Vorläufer des derzeitigen Projekts hat eine Familie aus dem Umland teilgenommen. Die haben danach ihren Dreiseithof aufgegeben. Neben den wunderbaren Wohnungen in der Innenstadt haben sie vor allem die kurzen Wege überzeugt.“
Die Tendenz
Viele Städter streben mittlerweile wieder aufs Land, aus unterschiedlichen Gründen. „Raus aufs Land bezieht sich vor allem auf das Umland von Großstädten. Kleinere Orte sind hier nach wie vor als Wohnstandort gefragt. Daneben gibt es auch Menschen, die sich bewusst für ein Leben auf dem Land entscheiden oder dort zumindest ein Wochenenddomizil haben. Beides ist aber mengenmäßig nicht unbedingt relevant“, so Stefanie Rößler. Dass es auch umgekehrt geht, jemand vom Land in die Mittelstadt zieht, berichtet Hartmut Wilke vom Amt für Stadtentwicklung in Görlitz: „An einem Vorläufer des derzeitigen Projekts hat eine Familie aus dem Umland teilgenommen. Die haben danach ihren Dreiseithof aufgegeben. Neben den wunderbaren Wohnungen in der Innenstadt haben sie vor allem die kurzen Wege überzeugt.“
Foto: Nikolas Fabian Kammerer
Jörg Amsler berichtet von seiner Erfahrung. Der Berliner Tischlermeister hat in Görlitz ein Mietshaus erworben: „Wir wollten in unsere Altersvorsorge investieren und haben uns in immer weiteren Kreisen um Berlin herum umgesehen, bis wir schließlich ein Haus in Görlitz gefunden haben.“ Nach Görlitz umzuziehen kommt für ihn aber vorerst nicht infrage.
Jörg Amsler berichtet von seiner Erfahrung. Der Berliner Tischlermeister hat in Görlitz ein Mietshaus erworben: „Wir wollten in unsere Altersvorsorge investieren und haben uns in immer weiteren Kreisen um Berlin herum umgesehen, bis wir schließlich ein Haus in Görlitz gefunden haben.“ Nach Görlitz umzuziehen kommt für ihn aber vorerst nicht infrage.
Auch das ist Görlitz: Grüne Hinterhöfe mit teilweise neu angebauten Balkonen. Foto: Jörg Amsler
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Elektromobilität und Co-Mobilität werden auch jenseits von Großstädten diskutiert, wenngleich in erheblich geringerem Umfang. In Görlitz spielt Ökologie vor allem in Form von Biomärkten und regionalen Lebensmittelangeboten eine Rolle. Foto: Nikolas Fabian Kammerer
Die Erkenntnisse
„Uns hat interessiert, wie Menschen von außerhalb die Stadt wahrnehmen“, beschreibt Wilke das Interesse der Stadt. „Wir haben beispielsweise festgestellt, dass die Einwohner bei ihrer Wohnung einen Stellplatz und einen Freisitz wünschen. Leuten von außerhalb hingegen sind durchgrünte Quartiere und eine zu Fuß erreichbare Nahversorgung wichtig.“ Irgendwie hat Görlitz von all dem etwas: Parkplätze für die zahllosen Autos, Balkone an sanierten Altbauten ebenso wie an den industriell errichteten Bauten der DDR-Zeit, Parkanlagen mit Bäumen, Blumen und Bänken und eine für die Stadtgröße recht vielfältige Einzelhandelsstruktur.
Die Erkenntnisse
„Uns hat interessiert, wie Menschen von außerhalb die Stadt wahrnehmen“, beschreibt Wilke das Interesse der Stadt. „Wir haben beispielsweise festgestellt, dass die Einwohner bei ihrer Wohnung einen Stellplatz und einen Freisitz wünschen. Leuten von außerhalb hingegen sind durchgrünte Quartiere und eine zu Fuß erreichbare Nahversorgung wichtig.“ Irgendwie hat Görlitz von all dem etwas: Parkplätze für die zahllosen Autos, Balkone an sanierten Altbauten ebenso wie an den industriell errichteten Bauten der DDR-Zeit, Parkanlagen mit Bäumen, Blumen und Bänken und eine für die Stadtgröße recht vielfältige Einzelhandelsstruktur.
Foto: Jörg Amsler
Foto: Nikolas Fabian Kammerer
Über den Leerstand täuscht das allerdings kaum hinweg. Die großteils denkmalgeschützte Stadt glänzt teilweise neu renoviert, während nebenan Gebäude verfallen. „Wir hatten unser Haus von einem älteren Ehepaar gekauft, dessen Sohn an der Immobilie nicht interessiert war. Einige Wohnungen waren in gutem Zustand, andere haben wir renoviert“, erzählt Amsler. Der Restaurator hat bei der Renovierung zum Teil selbst Hand angelegt, Böden abgeschliffen, Tapeten abgezogen. Für andere Arbeiten hat er auf die von Maklerin und Vorbesitzern empfohlenen Handwerker zurückgegriffen. Das Ergebnis entspricht eher dem Geschmack, der in Berlin, Leipzig oder Dresden vorherrscht. So hat er denn auch alle Wohnungen an Zugezogene vermietet, an Familien ebenso wie an Studenten-WGs.
Über den Leerstand täuscht das allerdings kaum hinweg. Die großteils denkmalgeschützte Stadt glänzt teilweise neu renoviert, während nebenan Gebäude verfallen. „Wir hatten unser Haus von einem älteren Ehepaar gekauft, dessen Sohn an der Immobilie nicht interessiert war. Einige Wohnungen waren in gutem Zustand, andere haben wir renoviert“, erzählt Amsler. Der Restaurator hat bei der Renovierung zum Teil selbst Hand angelegt, Böden abgeschliffen, Tapeten abgezogen. Für andere Arbeiten hat er auf die von Maklerin und Vorbesitzern empfohlenen Handwerker zurückgegriffen. Das Ergebnis entspricht eher dem Geschmack, der in Berlin, Leipzig oder Dresden vorherrscht. So hat er denn auch alle Wohnungen an Zugezogene vermietet, an Familien ebenso wie an Studenten-WGs.
Bei vielen Immobilien sind die Besitzverhältnisse schwierig, Erwerb oder Nutzung daher eingeschränkt. Foto: Juliane Wedlich
Die Übertragbarkeit der Erkenntnisse
Aber lassen sich die Erkenntnisse aus Görlitz auf andere Mittelstädte übertragen? „Görlitz hat sicher Glück, dass der kulturhistorische Wert der Stadt auf Landes- und Bundesebene anerkannt ist. So haben wir seit den 1990er-Jahren neben privatem Engagement vielfältige und reichhaltige Förderungen für die Bewahrung und die Revitalisierung der Innenstadt erhalten. Die Stadt musste sich aufgrund der prekären finanziellen Situation des Stadthaushalts häufig nur mit zehn Prozent an den Kosten beteiligen“, erzählt Hartmut Wilke. Also stellt Görlitz doch einen Einzelfall dar? „Der Denkmalwert der Bausubstanz und die Grenzlage in Kombination sind eher einmalig. Strukturwandel und Leerstände gibt es hingegen auch in anderen Mittelstädten“, räumt Rößler ein.
Die Übertragbarkeit der Erkenntnisse
Aber lassen sich die Erkenntnisse aus Görlitz auf andere Mittelstädte übertragen? „Görlitz hat sicher Glück, dass der kulturhistorische Wert der Stadt auf Landes- und Bundesebene anerkannt ist. So haben wir seit den 1990er-Jahren neben privatem Engagement vielfältige und reichhaltige Förderungen für die Bewahrung und die Revitalisierung der Innenstadt erhalten. Die Stadt musste sich aufgrund der prekären finanziellen Situation des Stadthaushalts häufig nur mit zehn Prozent an den Kosten beteiligen“, erzählt Hartmut Wilke. Also stellt Görlitz doch einen Einzelfall dar? „Der Denkmalwert der Bausubstanz und die Grenzlage in Kombination sind eher einmalig. Strukturwandel und Leerstände gibt es hingegen auch in anderen Mittelstädten“, räumt Rößler ein.
Wo früher Lebensmittel gekühlt wurden, findet heute kreatives Leben statt. Der Verein Kühlhaus Görlitz e.V. nutzt das Gelände für verschiedene kreative Projekte und Initiativen. Foto: Juliane Wedlich
Die Erfolgsfaktoren
Zu einer erfolgreichen Wiederbelebung einer Mittelstadt gehört aber mehr als eine schöne Fassade, die vor allem von Touristen bewundert wird. „Städte müssen an ihren spezifischen Qualitäten arbeiten. In Görlitz ist das das baukulturelle Erbe, aber auch die Kreativwirtschaft gehört dazu“, wie Rößler betont. Das mag auch ein Grund sein, warum bislang vor allem Selbstständige aus der Kreativwirtschaft an dem Projekt teilgenommen haben. Doch auch für sie ist die Sicherung ihres Einkommens ein wichtiger Standortfaktor, wie die bisherigen Antworten der Teilnehmer am Experiment zeigen.
Die Erfolgsfaktoren
Zu einer erfolgreichen Wiederbelebung einer Mittelstadt gehört aber mehr als eine schöne Fassade, die vor allem von Touristen bewundert wird. „Städte müssen an ihren spezifischen Qualitäten arbeiten. In Görlitz ist das das baukulturelle Erbe, aber auch die Kreativwirtschaft gehört dazu“, wie Rößler betont. Das mag auch ein Grund sein, warum bislang vor allem Selbstständige aus der Kreativwirtschaft an dem Projekt teilgenommen haben. Doch auch für sie ist die Sicherung ihres Einkommens ein wichtiger Standortfaktor, wie die bisherigen Antworten der Teilnehmer am Experiment zeigen.
„Bin ich hier willkommen?“ ‒ Diese und weitere Fragen stellte der Berliner Druckgrafiker Carsten Borck den Görlitzern und Görlitzerinnen in seiner Ausstellung im ehemaligen Europahaus in Görlitz im Rahmen des Projektes „Stadt auf Probe“.
Die Vernetzung von Neubürgern untereinander und mit Einheimischen stellt hierfür wichtige Weichen. Hier sieht Claudia Muntschick, eine der Mitarbeiterinnen von Kreatives Sachsen, eine große Chance: „Viele Initiativen und Netzwerke arbeiten bisher ehrenamtlich. Wenn es gelingt, in diesen Arbeitskreisen Personalstellen zu schaffen, ergibt sich ein Mehrwert für die gesamte Kommune.“ Wer selbst seine neuen Arbeits- und Wohnräume sucht, renoviert, umgestaltet, passt sie den eigenen Bedürfnissen exakter an. „Häufig wird einfach am Bedarf vorbei saniert, oft aufwendiger und teurer, als es aus Sicht der künftigen Mieter oder Besitzer überhaupt notwendig wäre“, weiß die Architektin Muntschick. Auch Amsler hat in seinem Haus kreativen Raum gelassen. Im Erdgeschoss für eine Druckwerkstatt und unterm Dach mit einer Wohnung, die er Künstlern für Aufenthalte in Görlitz zur Verfügung stellt.
Die Vernetzung von Neubürgern untereinander und mit Einheimischen stellt hierfür wichtige Weichen. Hier sieht Claudia Muntschick, eine der Mitarbeiterinnen von Kreatives Sachsen, eine große Chance: „Viele Initiativen und Netzwerke arbeiten bisher ehrenamtlich. Wenn es gelingt, in diesen Arbeitskreisen Personalstellen zu schaffen, ergibt sich ein Mehrwert für die gesamte Kommune.“ Wer selbst seine neuen Arbeits- und Wohnräume sucht, renoviert, umgestaltet, passt sie den eigenen Bedürfnissen exakter an. „Häufig wird einfach am Bedarf vorbei saniert, oft aufwendiger und teurer, als es aus Sicht der künftigen Mieter oder Besitzer überhaupt notwendig wäre“, weiß die Architektin Muntschick. Auch Amsler hat in seinem Haus kreativen Raum gelassen. Im Erdgeschoss für eine Druckwerkstatt und unterm Dach mit einer Wohnung, die er Künstlern für Aufenthalte in Görlitz zur Verfügung stellt.
Jenseits von Großstädten gibt es mehr Raumangebote. Wie die Räume genutzt werden, liegt aber immer bei denen, die sie nutzen wollen und denen, die sie zur Verfügung stellen. Foto: Juliane Wedlich
Fazit
Keine ganz neue, aber jetzt bestätigte Erkenntnis war für Rößler, dass Mittelstädte für viele Menschen interessant sind: „Als Anker im ländlichen Raum erfüllen diese Städte auch für ihr Umland wichtige Funktionen.“ Nachhaltige Entwicklung funktioniert aber nur, wenn die Städte selbst auch daran interessiert sind und ihren Teil dazu beitragen, alle Akteure zu vernetzen. „Wenn Verwaltungen externe Macher einbinden, entstehen ganz neue Rückkopplungseffekte, die es ermöglichen, Fördermöglichkeiten gezielter zu nutzen“, meint Muntschick. Und Amsler wartet mit zwei konkreten Tipps auf: „Es mag risikoreicher sein, Häuser an Hausprojekte zu verkaufen, statt an Investmentfirmen. Eventuell bringt es weniger Geld ein. Aber es hat definitiv einen positiveren Effekt auf die Stadtentwicklung. Das Leben in den Häusern ist wichtig.“ Und Mitgliedern in Hausprojekten rät er, ihre Projekte in den politischen Gremien vorzustellen und Unterstützung dafür einzuwerben.
Fazit
Keine ganz neue, aber jetzt bestätigte Erkenntnis war für Rößler, dass Mittelstädte für viele Menschen interessant sind: „Als Anker im ländlichen Raum erfüllen diese Städte auch für ihr Umland wichtige Funktionen.“ Nachhaltige Entwicklung funktioniert aber nur, wenn die Städte selbst auch daran interessiert sind und ihren Teil dazu beitragen, alle Akteure zu vernetzen. „Wenn Verwaltungen externe Macher einbinden, entstehen ganz neue Rückkopplungseffekte, die es ermöglichen, Fördermöglichkeiten gezielter zu nutzen“, meint Muntschick. Und Amsler wartet mit zwei konkreten Tipps auf: „Es mag risikoreicher sein, Häuser an Hausprojekte zu verkaufen, statt an Investmentfirmen. Eventuell bringt es weniger Geld ein. Aber es hat definitiv einen positiveren Effekt auf die Stadtentwicklung. Das Leben in den Häusern ist wichtig.“ Und Mitgliedern in Hausprojekten rät er, ihre Projekte in den politischen Gremien vorzustellen und Unterstützung dafür einzuwerben.
Der Charme von Mittelstädten liegt auch in der Nähe zur Natur und der Möglichkeit, einen eigenen Garten zu bewirtschaften. Foto: Nikolas Fabian Kammerer
Es sind allerdings nicht nur die harten Faktoren wie Infrastruktur und Wirtschaftslage, die über die Wohnstandortwahl entscheiden, sondern auch die weichen Faktoren, etwa die Willkommenskultur, wie Rößler von den Teilnehmern des Projekts erfahren hat. Ein wichtiger Punkt, den auch Zukunftsforscher Matthias Horx im Zukunftsreport 2018 schon betonte: „Offenheit nach außen: Auch Dörfer haben immer schon Fremde aufgenommen – und von ihnen profitiert. Fahrendes Volk brachte Waren und Ideen, reisende Knechte und Mägde prägten die Weiler des Mittelalters. Weltoffenheit ist gerade für das Dorf oder die Kleinstadt existenziell: Wenn das lokale Klima von Depression und Abwehrängsten geprägt ist, kommt eine Negativspirale in Gang. Wer möchte schon dorthin, wo das Misstrauen herrscht, die Neidkultur und das Schweigen – das über Nacht in Grölen umschlagen kann?“
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Das Experiment
Stefanie Rößler vom IZS beschreibt die Ausgangsthese so: „Wachsende, dicht bewohnte Großstädte können dazu führen, dass das Interesse am Wohnen in Mittelstädten steigt.“ Doch warum sollten Großstädter in die vermeintliche Provinz ziehen? Reichen Lärm, Umweltbelastung und überhöhte Miet- und Immobilienpreise wirklich aus, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Möglichkeiten der Großstadt gegen Ruhe und eventuell niedrigere Mieten einzutauschen? Die Stadt Görlitz und das IZS wollen genau dies von den Probebewohnern, den Görlitzern auf Zeit, wissen. Aufgefordert zur Teilnahme waren vor allem Selbstständige und standortunabhängig Arbeitende.