Houzzbesuch: Ein Haus in Norditalien feiert die Liebe zur Patina
Dieses hundert Jahre alte Haus wurde saniert, ohne historische Wurzeln zu kappen. Aber was hat das mit einem japanischen Buch zu tun?
Laura Molteni
6. Juni 2016
Das Haus von Filippo Saponaro gehört zu einer Reihenhaussiedlung in Norditalien, die 1910 für Angestellte einer nahgelegenen Fabrik erbaut wurde. Der Architekt, der dort mit Frau und Tochter wohnt, hat eine große Leidenschaft für Dinge mit Geschichte – bei der Renovierung seines Hauses ging er daher besonders behutsam vor, viele originale Elemente konnte er erhalten. „Es gibt ein japanisches Buch, von dem ich viel gelernt habe. Es heißt ‚Lob des Schattens‘ und stammt von dem Autor Junichiro Tanizaki“, erzählt Saponaro. „Es handelt unter anderem davon, wie sich im Laufe der Zeit eine wunderschöne Patina über die Dinge legt – ein Gedanke, dem bei uns in der westlichen Welt bei Weitem nicht so viel Wert beigemessen wird, wie in Japan.“ In seinem Haus hat er dieses Prinzip, häufig auch als Wabi Sabi oder die „Schönheit des Unperfekten” bezeichnet, an vielen Stellen behutsam umgesetzt.
Auf einen Blick
Hier wohnt: Architekt Filippo Saponaro, gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter
In: Udine, im Nordosten Italiens
Auf: 110 Quadratmetern
Fotos: Andrea Pertoldeo
„Als wir das Haus zum ersten Mal sahen, war es nack tund grau, befand sich quasi im Rohzustand, aber wir haben gleich diese wunderbare Energie gespürt. Die Aufteilung der Räume war optimal, und der Garten groß genug, um ihn nach unseren Wünschen zu gestalten“, erzählt Saponaro. Nur sechs Monate benötigte Saponaro für die Entkernung und Sanierung des rund hundert Jahre alten Hauses. „Die Firma, die die Umbauarbeiten vorgenommen hat, war uns immer den nötigen Schritt voraus“, erinnert sich der Architekt. „Im April haben wir mit der Arbeit begonnen, und im September konnten wir schon einziehen. Fantastisch!“
Schon im Flur grüßt die Vergangenheit: Der Spiegel, den wir hier auf dem Foto sehen, stammt aus einem ehemaligen Nachtclub, die Kleiderhaken aus den Fifties fanden die Eigentümer auf dem Flohmarkt. Die Hängeleuchte entwarf der Architekt selbst – bei der Fertigung ließ er sich von einem Elektriker helfen.
Der Fußboden im Flur ist aus Beton.
Hier wohnt: Architekt Filippo Saponaro, gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter
In: Udine, im Nordosten Italiens
Auf: 110 Quadratmetern
Fotos: Andrea Pertoldeo
„Als wir das Haus zum ersten Mal sahen, war es nack tund grau, befand sich quasi im Rohzustand, aber wir haben gleich diese wunderbare Energie gespürt. Die Aufteilung der Räume war optimal, und der Garten groß genug, um ihn nach unseren Wünschen zu gestalten“, erzählt Saponaro. Nur sechs Monate benötigte Saponaro für die Entkernung und Sanierung des rund hundert Jahre alten Hauses. „Die Firma, die die Umbauarbeiten vorgenommen hat, war uns immer den nötigen Schritt voraus“, erinnert sich der Architekt. „Im April haben wir mit der Arbeit begonnen, und im September konnten wir schon einziehen. Fantastisch!“
Schon im Flur grüßt die Vergangenheit: Der Spiegel, den wir hier auf dem Foto sehen, stammt aus einem ehemaligen Nachtclub, die Kleiderhaken aus den Fifties fanden die Eigentümer auf dem Flohmarkt. Die Hängeleuchte entwarf der Architekt selbst – bei der Fertigung ließ er sich von einem Elektriker helfen.
Der Fußboden im Flur ist aus Beton.
„Die größte Veränderung, die wir vorgenommen haben, war die Entfernung der tragenden Wand zwischen Küche und Treppe und der Einbau des stabilisierenden Stahlträgers. Auf diese Weise konnten wir aus der vormals zweiläufigen eine einläufige Treppe machen, dank des so gewonnen Platzes die Küche vergrößern und ein zusätzliches Badezimmer im Obergeschoss schaffen.“
Auch wenn sich die Treppe heute nicht mehr an derselben Stelle befindet wie früher, sind das Holz und die anderen verwendeten Materialien original – die Stufen etwa sind über hundert Jahre alt.
„Die Treppenwand haben wir bis auf den Putz abgetragen und anschließend mit Tafelfarbe gestrichen. Hier kann meine Tochter jetzt ihrer Kreativität freien laufen lassen“, so der Architekt. Bis auf den Eingangsbereich besteht der Fußboden im gesamten Erdgeschoss aus hell gebeiztem Lärchenholz. „Mit der Zeit entwickelt das Holz eine rötliche Patina, die uns aber nicht so gut gefällt. Deshalb haben wir es mit Beize behandelt.“
Auch wenn sich die Treppe heute nicht mehr an derselben Stelle befindet wie früher, sind das Holz und die anderen verwendeten Materialien original – die Stufen etwa sind über hundert Jahre alt.
„Die Treppenwand haben wir bis auf den Putz abgetragen und anschließend mit Tafelfarbe gestrichen. Hier kann meine Tochter jetzt ihrer Kreativität freien laufen lassen“, so der Architekt. Bis auf den Eingangsbereich besteht der Fußboden im gesamten Erdgeschoss aus hell gebeiztem Lärchenholz. „Mit der Zeit entwickelt das Holz eine rötliche Patina, die uns aber nicht so gut gefällt. Deshalb haben wir es mit Beize behandelt.“
Die Kücheneinrichtung ist ein schönes Beispiel für die gelungene Kombination aus Alt und Neu, die überall im Haus zu finden ist. In der altmodisch wirkenden Dunstabzugshaube aus Eisen, entworfen von Saponaro, verbirgt sich ein hochmoderner Motor. Die Grundstruktur der Küchenzeile inklusive Arbeitsplatte besteht aus Beton; die eingebauten Schränke sind aus Holz. Die Küchengeräte aus Edelstahl zitieren einen modernen Industrial-Look, darunter die Klappkochfelder von Nico Moretto für Alpes Inox, die 1998 mit dem italienischen Designpreis Compasso d’Oro ausgezeichnet wurden (links hinten).
Wandfliesen und Stühle hat der Architekt auf Flohmärkten und beim Sperrmüll aufgegabelt.
Wandfliesen und Stühle hat der Architekt auf Flohmärkten und beim Sperrmüll aufgegabelt.
Im Wohnzimmer sind die Spuren der Vergangenheit am deutlichsten zu sehen. „Vor der Renovierung waren alle Wände im Haus weiß gestrichen“, erzählt Saponaro. „Als wir die Farbe entfernten, kamen darunter Reste alter Wandmalereien zum Vorschein – und zwar gleich mehrere Schichten! Was für eine Entdeckung! Jede Schicht brachte andere Motive zum Vorschein, je nachdem, in welcher Zeit sie gemalt wurden. Sie waren überall im Haus zu finden, aber am Ende beschlossen wir, sie nur im Wohnzimmer zu erhalten. Da die Farbe stark bröckelte, mussten wir die Wand zusätzlich versiegeln lassen, damit sie auch in Zukunft noch toll aussieht.“
Die Vintage-Sessel – „Le Bambole“ von B&B Italia, entworfen 1972 von Mario Bellini – gehörten einst Saponaros Großeltern. Die Hängeleuchte hat seine Frau selbst entworfen und gefertigt. Das Messgerät zur Bestimmung der Dicke von Baumstämmen (rechts im Bild), eine sogenannte Messkluppe, fand der Architekt auf dem Flohmarkt.
Die Vintage-Sessel – „Le Bambole“ von B&B Italia, entworfen 1972 von Mario Bellini – gehörten einst Saponaros Großeltern. Die Hängeleuchte hat seine Frau selbst entworfen und gefertigt. Das Messgerät zur Bestimmung der Dicke von Baumstämmen (rechts im Bild), eine sogenannte Messkluppe, fand der Architekt auf dem Flohmarkt.
Auch das Bad im Erdgeschoss ließ der Architekt komplett erneuern – und verlieh ihm doch einen Patina-Look. Die Retro-Armaturen stammen von Azzurra. Die Badewanne bekam an der Außenseite einen dunklen Anstrich in einer eigens angemischten Farbe, die Wände wurden in einem warmen Graugrün von Farrow & Ball gestrichen. Das Rankgitter an der Wand hat Saponaros Frau aus schwarzen Bambusstäben gefertigt. Für den Fußboden wählte das Paar historische Fliesen.
Die Schlafzimmer befinden sich im Obergeschoss. „Glücklicherweise konnten wir in allen Räumen die wunderschönen alten Dielen erhalten. Je nach Zimmer haben wir sie jedoch unterschiedlich aufarbeiten beziehungsweise behandeln lassen. Im unserem Schlafzimmer etwa sind sie weiß lackiert, im Kinderzimmer unserer Tochter haben wir sie ganz natürlich belassen, und im dritten Zimmer entstand mithilfe von weißem Lack ein Schachbrett-Muster“, so Saponaro.
„Da unser Schlafzimmer nach Norden zeigt und nie direktes Sonnenlicht abbekommt, haben wir es komplett in Weiß gestaltet – heller geht es ja nicht. Außerdem erzeugt es eine wunderbare Atmosphäre der Ruhe“, so der Architekt.
Dank der Versetzung der Treppe war im Obergeschoss genügend Platz für ein zusätzliches Bad. Da das Badezimmerfenster die einzige Lichtquelle für den Flur ist, beschloss Saponaro, die Wand zwischen Flur und Bad nicht ganz zu schließen, sondern lediglich teilweise mit Mattglas zu versehen. „Auf diese Weise kommt genügend Licht hindurch, die Privatsphäre im Bad bleibt aber dennoch gewahrt.“
Duschwanne aus Beton: Fima
Duschwanne aus Beton: Fima
In dem kleinen, weinberankten Garten wurde früher Gemüse angebaut. Heute verbringen die Bewohner vor allem im Sommer viel Zeit hier. Vor dem Umbau gab es von der Küche aus keinen direkten Zugang zum Garten – wo heute eine Tür ist, war früher nur ein Fenster. Die neue Tür schafft eine schöne Verbindung zwischen Innen und Außen.
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traumhaft
Wunderbar. Hier steckt Seele drin. Ist mir 1000x lieber als durchgestyltes Wohnen.
So entgeht man halbwegs dem Schicksal, dass plötzlich die ganze Wohnung dem Trend von vorgestern entspricht, der auf einmal out ist. Ich finde die Wohnung sehr gemütlich, aber auch sehr italienisch.