Houzzbesuch: Familiengeschichte komprimiert – im Landhaus am Tegernsee
Entrümpelt, modernisiert, inszeniert – stringente Farbkonzepte, Erbstücke und neue Möbel machen dieses bayrische Landhaus zum Paarparadies
Viel zu viel hatte sich über die letzten vier Generationen in dem Landhaus am Tegernsee angesammelt. Nun hatte der Sohn der Familie das 1921 erbaute Schmuckstück geerbt und wollte gemeinsam mit seiner Frau einen Neustart wagen – und gleichzeitig die Vergangenheit des Gebäudes und darin verlebte Familiengeschichte bewahren. Wie es schon die Mutter des Hausherren in den neunziger Jahren getan hatte, kontaktierte das Paar erneut den Münchner Interior-Designer Jan Reuter und beauftragte ihn mit der Neugestaltung.
Keine leichte Aufgabe, denn die Räume waren mit Erinnerungen, Erbstücken und Mobiliar vollgestopft. „Es war völlig übervoll mit Antiquitäten, allerdings nicht nach Stilen geordnet. Da stand die barocke höfische Kommode neben dem bunt bemalten Bauernschrank und dem Tisch aus den zwanziger Jahren”, so Reuter über den Beginn des gemeinsamen Projekts, in dessen Rahmen die historische Substanz des Hauses so weit wie möglich erhalten werden sollte, während die Einbauten der letzten 90 Jahre verschwanden. Ebenfalls wurde die Haustechnik auf einen soliden Stand gebracht – mit Fokus auf den Substanzerhalt und unter Verzicht auf technische Spielereien.
Keine leichte Aufgabe, denn die Räume waren mit Erinnerungen, Erbstücken und Mobiliar vollgestopft. „Es war völlig übervoll mit Antiquitäten, allerdings nicht nach Stilen geordnet. Da stand die barocke höfische Kommode neben dem bunt bemalten Bauernschrank und dem Tisch aus den zwanziger Jahren”, so Reuter über den Beginn des gemeinsamen Projekts, in dessen Rahmen die historische Substanz des Hauses so weit wie möglich erhalten werden sollte, während die Einbauten der letzten 90 Jahre verschwanden. Ebenfalls wurde die Haustechnik auf einen soliden Stand gebracht – mit Fokus auf den Substanzerhalt und unter Verzicht auf technische Spielereien.
Schon die Eingangshalle empfängt den Besucher mit einer reduzierten Möblierung, einem wohldosierter Mix aus Alt und Neu. Ein historisches Filmplakat aus Frankreich, das über dem alpenländischen Bauernstuhl hängt, erinnert an vergangene Sammelleidenschaften: „Die Besitzer haben über Jahre hinweg in Frankreich Original-Filmplakate aus den 1910er bis 1970er Jahren gesammelt“, verrät Jan Reuter über den Hintergrund der „Tragikomödie“.
Dazu eine von Jan Reuter entworfene, schwarz gebeizte Anrichte und ein Kachelofen, der rein theoretisch noch befeuerbar ist – wäre der dazugehörige Kamin nicht von der Heizungsanlage belegt.
Dazu eine von Jan Reuter entworfene, schwarz gebeizte Anrichte und ein Kachelofen, der rein theoretisch noch befeuerbar ist – wäre der dazugehörige Kamin nicht von der Heizungsanlage belegt.
Insgesamt gibt es im Erdgeschoss des Hauses drei Kachelöfen, die miteinander verbunden die Etage beheizten und die bei Bedarf relativ leicht wieder in Betrieb genommen werden könnten. Solche Zurückhaltung war symptomatisch für die Vorgehensweise Reuters bei diesem Projekt: „Alles was aus der Erbauungszeit stammte, haben wir geschützt”, so Reuter über sein Gestaltungsprinzip.
Vom Eingangsbereich gelangt man ins Esszimmer (hier vom Wohnzimmer gesehen). Den verchromten Tisch mit seiner dicken Eichenplatte (links), ein stilistischer Verweis an das Baujahr des Hauses, entwarf Jan Reuter: „Wir haben Möbel dazu erfunden, deren Abmessungen zum Haus passen.” So erklärt sich die für die zwanziger Jahre etwas zu massiv ausfallende Tischplatte. Der kleine Spielzeug-Esel ist dagegen tatsächlich antik.
Der Sessel neben dem Durchgang findet sich im Haus gleich viermal, immer farblich abgestimmt auf die Räume: Im Wohnzimmer bekam er einen hellbraunen Bezug mit brauner Keder, im Esszimmer einen hellen mit weißer Keder; der Stoff jeweils von der Pierre-Frey-Marke Boussac. Die Sessel standen vor der Umgestaltung nicht im Haus, sondern gehörten der Bauherrin und waren ursprünglich mit einem Brokat bezogen.
Der Sessel neben dem Durchgang findet sich im Haus gleich viermal, immer farblich abgestimmt auf die Räume: Im Wohnzimmer bekam er einen hellbraunen Bezug mit brauner Keder, im Esszimmer einen hellen mit weißer Keder; der Stoff jeweils von der Pierre-Frey-Marke Boussac. Die Sessel standen vor der Umgestaltung nicht im Haus, sondern gehörten der Bauherrin und waren ursprünglich mit einem Brokat bezogen.
Die Einbauten der Essecke stammen noch aus den fünfziger Jahren, als die Großmutter des Bauherren den runden Esstisch samt gepolsterter Sitzbank von dem Familienfreund und Künstler Paul Mathias Padua aus Rottach-Egern entwerfen ließ. Reuter ließ die Sitzbank neu aufpolstern und mit einem grauen Stoff beziehen.
Vom Esszimmer aus blickt man in den Salon, in dem das klare Gestaltungsprinzip in Naturtönen fortgesetzt wird. Im Hintergrund fällt der Blick auf den Vintage-Lounge-Sessel „Genni“ von Zanotta, neben einer Ottomane, die Reuter bereits in den neunziger Jahren mit der Mutter des jetzigen Hausherren ausgewählt hatte und nun neu polstern ließ. Rechts daneben eine weitere Anrichte von Jan Reuter, die er ergänzend zum Bestand anfertigen ließ. Alle ergänzten Möbel sind aus Lärche, naturbelassen oder schwarz-braun gebeizt und weisen als klassische Schreinerarbeiten die traditionellen Verzapfungen auf. Ihre Zurückhaltung war Reuter ein Anliegen: „Sie bilden eine einheitliche Basis, vor der die unterschiedlichen Möbel aus dem Bestand platziert werden können, ohne dass es zu wild aussieht.“
Die Wandleuchten stammen aus der Barockzeit und gehörten zum Bestand des Hauses. Die Appliquen waren bereits elektrifiziert worden, und Jan Reuter ließ die Schirme lediglich passend zum Vorhang mit dem gleichen Leinenstoff beziehen.
Die Wandleuchten stammen aus der Barockzeit und gehörten zum Bestand des Hauses. Die Appliquen waren bereits elektrifiziert worden, und Jan Reuter ließ die Schirme lediglich passend zum Vorhang mit dem gleichen Leinenstoff beziehen.
Während alle übrigen Wände im Haus weiß gestrichen wurden und farbliche Akzente hauptsächlich durch ausgewählte Stoffe gesetzt werden, überrascht das sogenannte Abendzimmer mit einem dunklen Rot. Hier entspannen die Bewohner nach einem langen Tag auf den beiden nebeneinander platzierten Chaiselongues. Reuter ließ sie mit einem dunkelroten Stoff beziehen, dessen Farbton zugleich als Vorlage für die Wandfarbe diente.
Chaiselongues: Continental, Lambert
Chaiselongues: Continental, Lambert
Vorbild für die Möblierung dieses Raumes war das Luxushotel Schloss Elmau im oberbayrischen Wettersteingebirge, einem der Lieblingsorte der Hausherren.
Bereits in den neunziger Jahren ließ die Mutter des heutigen Hausherren ein zweites Bad im Obergeschoss einbauen. Der kleine Raum, der früher mal ein Wandschrank war, wirkt nun dank der schwarzen Fliesen und des silberfarbenen Handheizkörpers schlicht und gleichzeitig luxuriös.
Fliesen: Cevica, über Material & Konzept, München
Fliesen: Cevica, über Material & Konzept, München
Weil bei dem Umbau auf technische Spielereien bewusst verzichtet wurde, gibt es hier keine Mischbatterien, sondern klassische Wasserhähne, bei denen kaltes und warmes Wasser separat voneinander reguliert werden muss.
Einzig in der Küche hielten die Bewohner modernste Technik für sinnvoll, und so sind in der Kochinsel aus gebürstetem Edelstahl ein Induktionsherd und ein Backofen der Firma Miele integriert.
Die matt-schwarzen Küchenmöbel baute ein Schreiner, den Reuter beauftragte. Er verarbeitete für die Schränke Resopal-Schichtstoffplatten, die mit Bucheneinleimern versehen wurden. Über der Arbeitsplatte aus Lärchenholz schützen noch heute handgemachte Fliesen aus den zwanziger Jahren die Wand vor Spuren der Küchenarbeit, während Spüle und Profi-Armatur aus gebürstetem Edelstahl sich auf dem heutigen Stand der Technik befinden. Für Planung und Einbau war hier Millimeterarbeit nötig: der Symmetrie des Raumes und der Anordnung der Möbel entsprechend sollte auch die Armatur mittig vor dem Fenster platziert werden – das Fenster sollte sich jedoch weiterhin öffnen lassen.
Die matt-schwarzen Küchenmöbel baute ein Schreiner, den Reuter beauftragte. Er verarbeitete für die Schränke Resopal-Schichtstoffplatten, die mit Bucheneinleimern versehen wurden. Über der Arbeitsplatte aus Lärchenholz schützen noch heute handgemachte Fliesen aus den zwanziger Jahren die Wand vor Spuren der Küchenarbeit, während Spüle und Profi-Armatur aus gebürstetem Edelstahl sich auf dem heutigen Stand der Technik befinden. Für Planung und Einbau war hier Millimeterarbeit nötig: der Symmetrie des Raumes und der Anordnung der Möbel entsprechend sollte auch die Armatur mittig vor dem Fenster platziert werden – das Fenster sollte sich jedoch weiterhin öffnen lassen.
Schönes Detail: Die Griffe der Küchengeräte verwendete Jan Reuter auch bei den Küchenschränken und -schubladen. „Ich bestelle die gern, damit alle Schränke in einer Küche denselben Griff haben“, so Reuter. Da der Gerätehersteller sie aber nur in einer Länge anbietet, ließ Reuter für die schmaleren Schränke neben dem Herd entsprechend kürzere Griffe aus dem selben Material anfertigen.
Die offenen Regalflächen oberhalb der Arbeitsplatte lockern die schwarzen Fronten der Küche optisch auf und machen den Raum wohnlicher.
Die offenen Regalflächen oberhalb der Arbeitsplatte lockern die schwarzen Fronten der Küche optisch auf und machen den Raum wohnlicher.
Wie in den übrigen Räumen dürfen auch in der Küche Erinnerungsstücke als Reminiszenzen an die Vergangenheit nicht fehlen: Die grüne lange Sitzbank, ebenso wie der kleine Tisch davor, sind Fundstücke aus Frankreich. Sie stehen in einem spannenden Kontrast zu der modernen Einbauküche – und Gäste können von hier aus wunderbar den Bewohnern beim Kochen zuschauen.
Im Obergeschoss befinden sich insgesamt fünf Schlafzimmer, bei deren Farbkonzept Jan Reuter immer auf die gleiche Weise vorging. Er orientierte sich am vorhandenen Mobiliar, Schränken oder Kachelöfen, und entwickelte aufgrund seiner Beobachtungen für jeden Raum ein Farbleitmotiv, dem er bis ins Detail folgte.
In diesem Gästezimmer orientiert sich das Farbkonzept an dem prachtvoll bemalten Bauernschrank, den Reuter in der Mitte trennen ließ, um das Bett von beiden Seiten einzurahmen. Türkis- und Orangetöne finden sich nun nicht nur in der türkisfarbenen Matratze mit orangefarbener Keder und den Kissen wieder; sogar die Leuchte von Tobias Grau passt mit dem Kabel dazu.
In diesem Gästezimmer orientiert sich das Farbkonzept an dem prachtvoll bemalten Bauernschrank, den Reuter in der Mitte trennen ließ, um das Bett von beiden Seiten einzurahmen. Türkis- und Orangetöne finden sich nun nicht nur in der türkisfarbenen Matratze mit orangefarbener Keder und den Kissen wieder; sogar die Leuchte von Tobias Grau passt mit dem Kabel dazu.
Vom Bett aus fällt der Blick auf den ebenfalls türkis lackierten Heizkörper. Auf einer ungewöhnlichen Höhe angebracht, bildet er im Ensemble mit Heiligenfigur, rustikaler Holzbank, Eimer und einfacher Lampenfassung mit orangefarbenem Textilkabel ein stimmiges Gesamtkunstwerk, das das Farbkonzept des Raumes konsequent fortführt.
Überhaupt fällt die gelungene Mischung aus antiken Sammlerstücken und modernen Elementen im gesamten Haus auf. Dank Jan Reuters konsequenter Gestaltung wirken alle Räume klar, strukturiert und modern, ohne dabei an Charakter einzubüßen.
„Wir haben hier keine historische Rekonstruktion durchgeführt, die einen vermeintlichen Originalzustand vorgaukelt, sondern eine Zustandswahrung – eine schöne ruhige jetztzeitige Lösung, die nicht im Kontrast zum Bestand stehen sollte“, so Reuter. Und weiter: „Authentizität ist immer eine Lüge, man kann nur zurückbauen. Aber keiner möchte ja ausschließlich mit Holz anfeuern müssen, nur fließend kaltes Wasser oder die Zwanziger-Jahre-Tapeten an seinen Wänden haben. Das, was wir uns vorstellen, wenn wir uns einen authentischen ländlichen Lebensraum vorstellen, hat nichts mit der damaligen Realität zu tun, sondern ist ein Wunschbild.“
Entdecken Sie weitere Projekte im Experten-Profil von Jan Reuter aus München >>>
In unserer Rubrik „Houzzbesuch“ stellen wir spannende Projekte der Houzz-Experten vor, aber auch originelle Wohnungen von Privatleuten. Ihr Projekt oder Ihr Zuhause passt perfekt? Dann schreiben Sie uns – und schicken Sie am besten ein paar Fotos mit!
Entdecken Sie weitere Projekte im Experten-Profil von Jan Reuter aus München >>>
In unserer Rubrik „Houzzbesuch“ stellen wir spannende Projekte der Houzz-Experten vor, aber auch originelle Wohnungen von Privatleuten. Ihr Projekt oder Ihr Zuhause passt perfekt? Dann schreiben Sie uns – und schicken Sie am besten ein paar Fotos mit!
Hier urlaubt: eine Familie
Am: Tegernsee, Bayern
Auf: 160 Quadratmetern Wohnfläche
Experte: Jan Reuter
Fotos: Rainer Hofmann
Im ersten Schritt hieß es, sich einen Überblick zu verschaffen: über zahllose Bilder, historische Drucke, Hunderte von Heiligenfiguren und antike Möbel aus verschiedensten Epochen. Reuter teilte alles in Gruppen ein und entschied anschließend gemeinsam mit den Bauherren, welche Stücke bleiben durften. Darauf aufbauend entwickelte er ein Gestaltungskonzept für das Haus, das sich auf das Wesentliche besinnt.