Houzzbesuch
Houzzbesuch: Italienische Lässigkeit in Stuttgarter Hanglage
Eine Interior Designerin wohnt mit Vorhängen statt Türen, eigenen Entwürfen – und trägt die Macken ihrer Erdgeschosswohnung mit Humor
Wer Stuttgart kennt, der weiß, dass die beliebteste Wohngegend jene am Hang ist. Verständlich, bei dem Blick über die schwäbische Metropole, die im Talkessel liegt. Als die italienische Interior Designerin Stefania Andorlini auf Wohnungssuche ging, fand sie ein Plätzchen im Parterre einer modernen Stadtvilla am Killesberg. Die Lage war perfekt, 160 Quadratmeter Wohnfläche lockten. Katastrophal war hingegen die Konzeption des Rohbaus – kleinteilige Räume und eine Gebäudeseite, die tief im Erdreich steckte. Eine Herausforderung, der sie sich, gemeinsam mit ihrem Partner, Architekt Bernhard Mende, gerne stellte. Nach der Devise „geht nicht, gibt’s nicht“ gingen sie engagiert ans Werk: Wände wurden eingerissen und Türstürze abgebaut. Entstanden ist eine Wohnung, die zwar immer noch im Erdreich steckt, jetzt aber wie ein Penthouse wirkt – und mit ihren Macken humorvoll umgeht.
Auf einen Blick
Hier wohnen: Interior Designerin Stefania Andorlini und ihr Partner, Architekt Bernhard Mende
Am: Killesberg in Stuttgart
Auf: 160 Quadratmetern
Auf einen Blick
Hier wohnen: Interior Designerin Stefania Andorlini und ihr Partner, Architekt Bernhard Mende
Am: Killesberg in Stuttgart
Auf: 160 Quadratmetern
Die Großzügigkeit der Wohnung, die bis zum Boden verglaste Fensterfront mit Blick über Stuttgart und die ebenerdige Terrasse mit Übergang zum Garten faszinierten Andorlini und Mende. Über den dunklen hinteren Bereich der Wohnung sah Andorlini beim Kauf geflissentlich hinweg, denn sie konnte ihn ja verändern: „Ich kaufte die Wohnung quasi im Rohbau. Wir hatten die tolle Möglichkeit, vieles an ihr um- und mitzugestalten, indoor wie outdoor“, so Andorlini.
Was nach vorne hin offen und luftig ist, steckt auf der Rückseite im Erdreich. Das macht aber nichts: „Mit der Hanglage haben wir gespielt und die hintere Seite der Wohnung bewusst inszeniert. Die hangseitige Wand wurde als lange Achse der Wohnung tiefschwarz gestrichen, so dass sich der Raum zur Gartenseite hin immer mehr ins Helle auflöst“, so Andorlini.
Sessel: Ease, Paola Lenti
Sessel: Ease, Paola Lenti
Alle Türen und deren Stürze ließ die Designerin entfernen, da sie ihr zu niedrig waren. Bis auf den einen, der statisch wichtig war – den setzte sie dann erst recht in Szene. „Wir wussten lange nicht, wie man diesen tragenden Sturz gestalterisch verschönern kann“, so Andorlini. „Bis mir eines Tages um sechs Uhr morgens die Idee kam, aus der Not eine Tugend zu machen und bewusst auf das Dilemma hinzuweisen.“ Und so prangt nun über der Tür eine italienische Songzeile von Enzo Jannacci: „Vengo anch’io. No, tu no“ – „Ich komme auch mit. Nein, du nicht!“ – der Türsturz, der bleiben musste und nicht wegkonnte.
„Bernhard hat den Spruch verzerrt als eine Art Strichcode gestaltet. So ist der Sturz jetzt Kunst – und ich muss immer schmunzeln, weil der Song wahnsinnig witzig ist.“ Der rote Samtvorhang bringt den Spruch und die schwarze Wand zusätzlich in einen theatralischen Kontext. „Die Wirkung dieses Bühnenbildes finde ich jeden Tag aufs Neue spektakulär“, so Andorlini.
„Bernhard hat den Spruch verzerrt als eine Art Strichcode gestaltet. So ist der Sturz jetzt Kunst – und ich muss immer schmunzeln, weil der Song wahnsinnig witzig ist.“ Der rote Samtvorhang bringt den Spruch und die schwarze Wand zusätzlich in einen theatralischen Kontext. „Die Wirkung dieses Bühnenbildes finde ich jeden Tag aufs Neue spektakulär“, so Andorlini.
Herzstück der Wohnung ist der Panorama-Kamin, der zudem als eine Art Raumtrenner fungiert. Gebaut haben ihn die Kaminexperten von Von Au aus Stuttgart, der Stein für die Bank wurde über Karl Körner bezogen. Das Ergebnis ist genauso, wie es sich die Interior Designerin vorgestellt hatte. Die knallig-bunten Sitzkissen wurden von Timeless Furniture (TFM) angefertigt. Sie sind eine Hommage an die Siebziger, eine Zeit, die Andorlini gerne mag. Eine zweite Reminiszenz an die Seventies bilden die dunklen Mahagoni-Lamellen, die hier den Bereich zur Küche optisch abtrennen.
Mehr feurige Raumtrenner: 10 Kamine mit Flammen-Panorama >>>
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Entgegen dem Trend, die Küche präsent im Zentrum der Wohnung zu platzieren, wünschte sich Andorlini eine Küche, die sich in die Ecke drängt. Zusätzlich hat sie den Bereich im Hintergrund mit dem geschickt platzierten, großen Regal „Infinity“ von Antonio Citterio für Flexform wohnlich gestaltet. Dahinter befindet sich nun die „Schmutzküche“ – der Arbeitsbereich, in dem sich Geschirr stapeln lässt und Weinflaschen wohl temperiert gelagert werden. Der Grund: „Unsere Gäste sollen sich wohl fühlen und nur den schönen Teil sehen“, so Andorlini. Auch die an der Stirnseite der Kücheninsel von Varenna Poliform angebrachten Fächer bringen wohnliches Ambiente in die Küchenecke.
Dass hier auch gekocht wird, darauf macht eigentlich nur der Dampfabzug von EMB aufmerksam, der an Drahtseilen hängt. Eigentlich erinnert aber selbst er mehr an eine Lampe als an ein funktionales Element.
Das sichere Gespür für guten Stil ist Andorlini bereits in die italienische Wiege gelegt worden: Aufgewachsen ist sie in Florenz. Den Esstisch von Eero Saarinen und die Drahtstühle von Harry Bertoia übernahm sie etwa von ihrer Mutter. Die Pendelleuchte „Smithfield“ von Jasper Morrison für Flos hat Andorlini passend dazu ausgewählt.
Dass hier auch gekocht wird, darauf macht eigentlich nur der Dampfabzug von EMB aufmerksam, der an Drahtseilen hängt. Eigentlich erinnert aber selbst er mehr an eine Lampe als an ein funktionales Element.
Das sichere Gespür für guten Stil ist Andorlini bereits in die italienische Wiege gelegt worden: Aufgewachsen ist sie in Florenz. Den Esstisch von Eero Saarinen und die Drahtstühle von Harry Bertoia übernahm sie etwa von ihrer Mutter. Die Pendelleuchte „Smithfield“ von Jasper Morrison für Flos hat Andorlini passend dazu ausgewählt.
Aus diesem Blickwinkel heraus sieht man noch einmal, wie der Kamin das Zentrum der Wohnung bildet. Der große Teppich davor ist ein alter iranischer Kaschgai. Er schmückt nicht nur die Sandsteinfliesen aus toskanischem Pietra Serena (ein viel verwendeter Stein in Florenz), er schafft auch für gemütliche Stunden vor dem flackernden Feuer genau das richtige Ambiente, findet Andorlini.
Auf der anderen Seite des Kamins bilden Möbelentwürfe von Andorlini eine gemütliche Sitzgruppe. Das daunengefüllte Sofamodul „Berning“, hier gleich doppelt anwesend, hat sie für TFM gestaltet; den Sessel „Arché“ aus Stahlrohr und Leder für die italienische Firma Frag. Und auch die beinahe schon skulpturale Leuchte „Quin“, aus lackiertem Stahl mit Messingakzent, ist eines ihrer Designs: „Sie bringt eine glamouröse und elegante Stimmung in den Raum“, so die Designerin.
Raumhohe Einbauten, wie der Schrank aus Mahagoni, betonen die Vertikalen in dem sonst sehr weitläufigen Wohn- und Essbereich.
Couchtisch: Isamu Noguchi Coffee Table, Vitra
Raumhohe Einbauten, wie der Schrank aus Mahagoni, betonen die Vertikalen in dem sonst sehr weitläufigen Wohn- und Essbereich.
Couchtisch: Isamu Noguchi Coffee Table, Vitra
Sowieso ist in dieser Wohnung viel Magahoni zu finden. Es passt wunderbar zu den hellgrauen Sandsteinfliesen aus Andorlinis Heimat und lässt immer wieder lässiges Seventies-Flair aufkommen.
Lässig ist auch die Anordnung der Schlafzimmer, der Bäder und der Ankleide: Sie sind lediglich durch einen Vorhang vom offenen Wohnraum abgetrennt.
Lässig ist auch die Anordnung der Schlafzimmer, der Bäder und der Ankleide: Sie sind lediglich durch einen Vorhang vom offenen Wohnraum abgetrennt.
Im Gästebad sorgt ein Wandanstrich in Türkis für heitere Stimmung. Eine raumhohe Glasscheibe vor der bodengleichen Dusche schützt das Bad vor Nässe.
Waschtisch: Jewels, Vitra Bad, Armatur: Bellagio, Zucchetti
Waschtisch: Jewels, Vitra Bad, Armatur: Bellagio, Zucchetti
Das En-Suite-Bad im hinteren Teil der Wohnung trägt ebenfalls die Handschrift der Interior Designerin. Edles, wie etwa die Trennwand aus Marmor und die freistehende Badewanne „Vieques“, ein Entwurf von Patricia Urquiola für Agape, lassen entspannt den Tag ausklingen. Auch dort wurden wieder die hellgrauen Sandsteinfliesen verlegt.
Das Besondere des Bades: hier gibt es keine Türen: Nur ein grauer Vorhang trennt den Raum vom angrenzenden Schlafzimmer ab. Italienische Lässigkeit eben.
Armatur: Bellagio, Zucchetti
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