Houzzbesuch: Moin, moin! Ein Niedrigenergiehausboot legt in Hamburg an
Nachhaltig wohnen auf dem Wasser – diesen Traum erfüllte sich ein Architekt und gelernter Zimmermann mit viel Enthusiasmus und etwas Glück
Hagelschauer peitschen über die Wasserfläche des Kanals am Hamburger Norderkaiufer. Dunkle Wolken türmen sich auf. Ein Naturschauspiel, das Architekt Daniel Wickersheim fast über der Wasserfläche schwebend betrachtet. Geschützt sitzt er im Inneren seines Hausboots, das er mit aufwendigen Behördengängen, langwieriger Planung, zupackender Handarbeit und viel Leidenschaft verwirklicht hat. Es ist eines von fünf Hausbooten, für die der Bezirk Hamburg-Mitte in einem Wettbewerb 2009 Liegeplätze ausgelobt hatte. Wickersheim hatte damals nicht lange gezögert, seinen Entwurf eingereicht und durfte daraufhin den Antrag für sein Hausboot stellen. Seit 2014 wohnt er nun hier und bereut es keinen Tag.
Wickersheim hatte 2009 an einem Wettbewerb teilgenommen, bei dem Bauherren einen Liegeplatz für ein Hausboot gewinnen konnten – oder vielmehr die Möglichkeit, für einen Liegeplatz einen Antrag zu stellen. Mit seinem Entwurf gewann er einen der fünf ausgeschriebenen Liegeplätze und reichte den Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung ein – quasi den Bauantrag. Nachdem er die Genehmigung für sein Hausboot erhalten hatte, musste er zunächst einen Graben für den Anschluss an das öffentliche Abwassernetz ausheben lassen. „Das müssen die Hausbootbesitzer in Hamburg selbst organisieren und auch die relativ hohen Kosten dafür tragen“, erzählt Wickersheim. Neben der Abwasserleitung hat er gleich noch Strom und Telekommunikationsleitungen in dem Kanal verlegen lassen. Auch eine Gasleitung wäre möglich gewesen, passte aber nicht zum Energiekonzept seines Hausboots. Das Abwasser wird mithilfe einer Pumpe der Firma Jung Pumpen vom Boot in die öffentliche Kanalisation befördert.
Es gibt verschiedene Arten von Hausbooten. Die bekanntesten sind sicher die Schiffe, wie sie in den Kanälen von Amsterdam liegen. Daneben gibt es beispielsweise noch Barackenboote, die als Unterkünfte für Hafenarbeiter dienen und häufig nur aus Baucontainern bestehen, die auf schwimmenden Pontons aufgestellt sind, oder Schuten, die ohne eigenen Antrieb von Schleppkähnen über Hafen- oder Binnengewässer gezogen werden, ursprünglich um Waren zu transportieren.
Unabhängig von der Bauweise ist das Wichtigste bei einem Hausboot der Schwimmkörper. Der kann aus unterschiedlichen Materialien bestehen, etwa Metall, Holz, Kunststoff oder Beton. Vor allem muss er dicht sein, damit das Boot nicht überraschend sinkt. Boote aus Stahl müssen, wenn sie neu sind, nach zehn Jahren zum ersten Mal zur Kontrolle in die Werft. Danach alle fünf Jahre. Eine teure Sicherheitsmaßnahme, da ein Werftbesuch schnell zwischen 3.500 und 10.000 Euro kosten kann.
Unabhängig von der Bauweise ist das Wichtigste bei einem Hausboot der Schwimmkörper. Der kann aus unterschiedlichen Materialien bestehen, etwa Metall, Holz, Kunststoff oder Beton. Vor allem muss er dicht sein, damit das Boot nicht überraschend sinkt. Boote aus Stahl müssen, wenn sie neu sind, nach zehn Jahren zum ersten Mal zur Kontrolle in die Werft. Danach alle fünf Jahre. Eine teure Sicherheitsmaßnahme, da ein Werftbesuch schnell zwischen 3.500 und 10.000 Euro kosten kann.
Auch aus diesem Grund hat sich Wickersheim für einen Schwimmkörper aus Stahlbeton entschieden. Die für Hamburg zuständige Schiffsprüfstelle DNV GL (früher Germanischer Lloyd) hat diese Schwimmkörper als wartungsfrei zertifiziert. Stahlbeton korrodiert nicht. Der Schwimmnkörper dient auch als Keller- und Technikraum. Er ist an Dalben befestigt, im Wasser stehenden Pfeilern. Auf dieser Plattform hat Wickersheim seinen Traum eines schwimmenden Zuhauses verwirklicht. Ohne eigenen Schiffsantrieb, wohl aber schwimmfähig und mittels eines Schleppkahns auch reisefähig.
Zur außergewöhnlichen Form seines Hausboots sagt er: „Es sollte weder wie ein Schiff aussehen, noch wie ein Haus an Land. Denn beides trifft nicht zu. Es gibt keinen klassischen, stromlinienförmigen Schiffsrumpf wie bei einer Jacht, aber ein Giebeldach wäre auch nicht richtig.“ Er nennt seinen Entwurf eine Neuinterpretation des Themas „Wohnen auf dem Wasser“. Maritime Anmutung und Materialien gepaart mit heutigen Baustandards und dem Komfort von Wohnen an Land.
Das Holzgerippe gleicht dem alter Schiffskörper. Als gelernter Zimmermann hat Wickersheim selbst beim Bau mit Hand angelegt. Auch die Ausführungspläne für die Zimmerleute stammen von ihm. So weiß er genau, was verbaut wurde. Eine hinterlüftete Holzverschalung hält die Außenhülle aus vorverwittertem Zinkblech. In die Holzbaugefache wurde eine ökologische, 26 Zentimeter dicke Wärmedämmschicht aus Zellulosefasern von Isofloc eingeblasen. Auf der Dämmung ist eine Dampfbremse angebracht, die mit gebogenen Gipskartonplatten zum Innenraum hin verkleidet ist. Fugen und Schraubenlöcher der Gipskartonplatten sind verspachtelt, glattgezogen und zum Abschluss weiß gestrichen.
Zwischen den einzelnen Holzrippen hat Wickersheim großzügige bodentiefe Fenster eingeplant, die meisten auf der Kanalseite. Zum Ufer hin gibt es in den Bädern und Kajüten zusätzlich noch kleine Fenster, die nicht in der Form, wohl aber durch ihre Größe an Bullaugen erinnern.
Hier ist das Gästebad mit Dusche zu sehen. Auch der Fliesenleger musste seine Arbeit der runden Form anpassen. Alle Gauben sind, wie die Außenhülle, mit Zinkblech verkleidet, allerdings in Pigmento-Grün. Die Gauben reichen über die Rundung des Aufbaus hinaus, schweben rund fünfzig Zentimeter über dem Wasser. Und an der Decke ragen sie zwanzig Zentimetern über die sonst vorhandene lichte Höhe von 2,30 Metern hinaus. Damit geben sie dem Raum zusätzliche Weite. „Trotz der geringen Stehhöhe ist das Raumgefühl nicht beengt“, erläutert der Bauherr.
Das liegt auch an der durchdachten Raumaufteilung des 22 Meter langen und sechs Meter breiten Hausboots. „Bei der äußeren Architektur habe ich mich nicht an einer Jacht orientiert“, sagt Wickersheim. „Bei der Raumaufteilung und dem Grundriss hingegen schon. Wie bei einer Jacht gibt es in Bug und Heck jeweils Kajüten mit Terrassen davor, der Mittelteil ist als Gesellschaftsraum offen für Wohnen, Kochen und Essen.“
Flure gibt es keine. Wer über den Steg das Hausboot betritt, steht mitten im Wohnraum. Der ist immer recht aufgeräumt. Nicht nur, weil Wickersheim einen Schlafraum an Hamburgbesucher vermietet, sondern weil genügend Stauraum vorhanden ist.
Im Bild die Gästekajüte mit Blick auf die Terrasse.
„Ich habe wenig Krempel. Dabei könnte ich noch etliche Fächer in der Küche und im Schlafzimmer füllen“, gesteht Wickersheim. Die zurückhaltenden Einbauschränke sind der Rundung des Wohnraums angepasst. So versperren sie nicht die Wohnfläche und geben den Räumen noch mehr maritimen Charakter.
Auch für den Fußboden hat Wickersheim auf Holz gesetzt. Beim Verlegen des Stäbchenparketts hat er selbst mitgeholfen. Außer in den beiden Bädern liegt es im gesamten Wohnraum. Doch nicht nur die Farbe des Eichenbodens erzeugt Gemütlichkeit: Im Winter sorgt eine Fußbodenheizung für angenehme Wärme. Sie ist unter dem Trockenestrich aus Gipsfaserplatten montiert. Gespeist wird sie über einen Pelletofen von Wodtke, der neben dem Esszimmer steht. Er gibt zwanzig Prozent seiner Wärmeleistung direkt an die Raumluft ab. Die restlichen achtzig Prozent gehen in einen Pufferspeicher von Paradigma, über den Warmwasser für den Verbrauch und die Fußbodenheizung produziert wird.
Auch im Schlafzimmer herrscht dank des ausgeklügelten Energiesystems immer ein angenehmes Klima. Im Sommer ist der Ofen komplett aus. Dann gewinnt Wickersheim das Warmwasser über Solarthermie. Solarzellen auf dem Dach produzieren Strom, der einen Akkuspeicher auflädt. So ist abends genügend Energie zum Kochen auf dem Induktionsherd vorhanden, aber auch für Licht oder sonstigen Bedarf.
Warmwasser auch zum Baden oder Duschen gibt es im Sommer über Sonnenenergie, im Winter heizt der Pelletofen das Wasser auf.
Mit diesem System hat der Energieberater Wickersheim sein Hausboot einem Niedrigenergiehaus angeglichen: „Mit dem Akkuspeicher bin ich zwar nicht komplett autark, beziehe dadurch aber nur rund fünfzig Prozent meines Bedarfs aus dem öffentlichen Stromnetz. Der Rest des jährlichen Strombedarfs kommt von der Sonne.“ Bei der Heizenergie hingegen ist Wickersheim gänzlich unabhängig. Über eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung kann er neunzig Prozent der produzierten Wärme nutzen. „Der Wohnkomfort ist wie bei einem Niedrigenergiehaus. Und was den Kohlendioxidausstoß angeht, erfüllt mein Hausboot sogar fast die Anforderungen an ein Passivhaus“, sagt Wickersheim.
So ist Wohnen auf dem Wasser eine echte Alternative – gemütlich und naturnah.
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Hier wohnen: der Architekt Daniel Wickersheim und wechselnde Gäste
Am: Norderkaiufer in Hamburg
Auf: circa 103 Quadratmetern
Material: Stahlbeton, Zinkblech, Gipskarton und ganz viel Holz
Projektzeitraum: 2009 bis Mitte 2014
Fotos: Thomas Drexel
und Daniel Wickersheim
Architekt und Energieberater Daniel Wickersheim hat sich einen Traum erfüllt: den vom Wohnen auf dem Wasser. Nach seiner Zimmermannslehre und einigen Gesellenjahren zog es den gebürtigen Schwarzwälder zum Studium nach Hamburg. Hier ist er vor Anker gegangen, wortwörtlich seit 2014, als er sein eigenes Hausboot bezog. Doch so schnell und reibungslos, wie es klingt, ging es nicht. Wohnen auf dem Wasser ist aus Gründen des Wohnraummangels zwar in vielen Großstädten eine Alternative, es gibt bei den zuständigen Behörden in Deutschland aber bisher kaum Erfahrung in der Genehmigungspraxis. Der Bezirk Hamburg-Mitte hat allerdings eigens einen Genehmigungsleitfaden für Hausboote herausgegeben, in dem alle Anforderungen an Hausboote aufgeführt sind – von der Abwasserbeseitigung bis zur Bergeversicherung.