Houzzbesuch: Vom Kuhstall zum sportlichen Heim bei Hannover
Was, wenn alle in der Familie sportverrückt sind? Dann wohnt man zwischen Turngeräten, im schick renovierten Kuhstall
Nicola Enderle
18. November 2016
Houzz Deutschland, Redakteurin.
Wie man sich schön einrichtet? Ich finde mit viel Persönlichkeit und eigenem Stil, der kann auch gerne schräg sein. Meinem eigenen bin ich auf der Spur – in unserem Houzz-Magazin helfen wir Ihnen Ihren zu finden, zeigen spannende Projekte und blicken durch Schlüssellöcher. Haben Sie ein schönes Zuhause? Erzählen Sie mir davon!
Houzz Deutschland, Redakteurin.
Wie man sich schön einrichtet? Ich finde mit viel... Mehr
Ein Turnbock im Wohnzimmer, eine Schaukel unterm Dach und gleich daneben ein Hängenetz, das die Galerie überspannt: In diesem Haus in Großburgwedel wohnt eine sportvernarrte Familie – nämlich die von Architekt Thorsten Schirmer, der in seiner Freizeit Extrem-Hindernis-Parcours bewältigt. Aber nicht nur die Bewohner sind ungewöhnlich, das Gebäude ist es auch. Wo heute fröhlich gelebt und geturnt wird, haben in den Zwanzigern noch Kühe gehaust. Den vergammelten Dachstuhl und die verschimmelte Dämmung des denkmalgeschützten Kuhstalls knöpfte sich der Architekt vor. Der Umbau sollte preiswert sein, das Gebäude energieeffizient machen und innen für Großzügigkeit und Flexibilität sorgen. Viel auf einmal? „Alles klar, so machen wir das!“, sagte Schirmer.
Auf einen Blick
Hier wohnen und turnen: Architekt Thorsten Schirmer und seine sportverrückten Familie
In: einem Kuhstall aus den Zwanzigerjahren in Großburgwedel bei Hannover
Auf: 250 Quadratmetern
Experte: Thorsten Schirmer von Rott. Schirmer. Partner
Auf einen Blick
Hier wohnen und turnen: Architekt Thorsten Schirmer und seine sportverrückten Familie
In: einem Kuhstall aus den Zwanzigerjahren in Großburgwedel bei Hannover
Auf: 250 Quadratmetern
Experte: Thorsten Schirmer von Rott. Schirmer. Partner
Ein leerstehender, denkmalgeschützter Kuhstall aus den Zwanzigerjahren, schönes Sichtmauerwerk, ein herrlicher Garten: Das Gebäude in Großburgwedel bei Hannover sollte zum neuen Zuhause von Architekt Thorsten Schirmer und seiner Familie werden. Schirmer kennt den Bau ausgezeichnet, wuchs er doch im Bauernhaus nebenan auf. Obwohl der Kuhstall in den Achtzigern schon einmal umgebaut worden war, befanden sich der Dachstuhl und die Dämmung mittlerweile in desolatem Zustand. „Außerdem war alles holzvertäfelt, und auch technisch wurde nicht richtig renoviert: Da pfiff es so durchs Haus, man konnte die Windrichtung an den Spinnweben erkennen“, erzählt der Architekt.
Also hat Schirmer erstmal den Reset-Knopf gedrückt, zurück zum Rohbau. „Wir wollten anschließend besonders materialgerecht und energiebewusst umbauen. Denn die Sachen, die ich als Architekt mache, sollen noch in vielen Jahren Bestand haben – auch mein eigenes Zuhause“, so der Hannoveraner.
Im Inneren wollte die Familie einen offenen Grundriss. „Jeder Raum hätte das Haus kleiner gemacht, also haben wir gesagt: Was offen geht, lassen wir offen“, so Schirmer.
Nun trifft sich die Familie am häufigsten in der offenen Wohnküche mit Kochinsel, langer Tafel – und Turngeräten (dazu gleich mehr!). „Wir haben Korpusse von Alno genommen und um Glasfronten ergänzt. Die Kücheninsel ist mit Linoleum versehen“, so Schirmer. Und damit niemand vergisst, wer das Gebäude einst bewohnt hat, bastelten Schirmer und seine Frau aus einem Bündel Milchflaschen eine kreative Leuchte überm Esstisch.
Nun trifft sich die Familie am häufigsten in der offenen Wohnküche mit Kochinsel, langer Tafel – und Turngeräten (dazu gleich mehr!). „Wir haben Korpusse von Alno genommen und um Glasfronten ergänzt. Die Kücheninsel ist mit Linoleum versehen“, so Schirmer. Und damit niemand vergisst, wer das Gebäude einst bewohnt hat, bastelten Schirmer und seine Frau aus einem Bündel Milchflaschen eine kreative Leuchte überm Esstisch.
Praktisch: An der Stirnseite der Kücheninsel ist eine Heizung angebracht. „Nasse Handtücher sind nach dem Spülen so sofort wieder trocken“, so Schirmer.
Ohnehin ist ein offener Grundriss besser für die sportverrückte Familie. Schirmer selbst läuft in seiner Freizeit Extrem-Hindernis-Parcours, seine Frau ist Triathletin, die Töchter turnen und sind im Zirkus. „Und zuhause hört unsere Sportlust ja nicht auf“, sagt Schirmer lachend. „Das macht uns jetzt unheimlich Spaß. Aber das Leben ist unterteilt in Phasen. Sind die Kids größer und haben keine Lust mehr, am Barren rumzuturnen oder sich durchs Haus zu seilen, wird eben umgestaltet.“
Ohnehin ist ein offener Grundriss besser für die sportverrückte Familie. Schirmer selbst läuft in seiner Freizeit Extrem-Hindernis-Parcours, seine Frau ist Triathletin, die Töchter turnen und sind im Zirkus. „Und zuhause hört unsere Sportlust ja nicht auf“, sagt Schirmer lachend. „Das macht uns jetzt unheimlich Spaß. Aber das Leben ist unterteilt in Phasen. Sind die Kids größer und haben keine Lust mehr, am Barren rumzuturnen oder sich durchs Haus zu seilen, wird eben umgestaltet.“
Wenn die Kinder irgendwann keine Lust mehr haben auf dem Pauschenpferd rumzuturnen, werden die Beine einfach abgesägt und im Büro des Architekten zur Sitzbank umfunktioniert. „Wir sind ein Familienhaus, da darf und soll rumgetollt werden. Wir haben lieber Remmidemmi, als ein steriles Zuhause.“
Der Boden in der Wohnküche ist ein Estrich, geschliffen und imprägniert. „Eine Fußbodenheizung haben wir aber nicht, dazu hat die Aufbauhöhe gefehlt“, so der Architekt. Dafür heizt ein Ofen im Wohnzimmer das Haus. Dort ist thermisch modifiziertes Lärchenholz verlegt. „Dadurch ist der Parkettboden viel belastbarer und langlebiger. Thermohölzer sind nämlich so robust, dass sie eigentlich auf Terrassen zum Einsatz kommen“, so der Architekt.
Der Boden in der Wohnküche ist ein Estrich, geschliffen und imprägniert. „Eine Fußbodenheizung haben wir aber nicht, dazu hat die Aufbauhöhe gefehlt“, so der Architekt. Dafür heizt ein Ofen im Wohnzimmer das Haus. Dort ist thermisch modifiziertes Lärchenholz verlegt. „Dadurch ist der Parkettboden viel belastbarer und langlebiger. Thermohölzer sind nämlich so robust, dass sie eigentlich auf Terrassen zum Einsatz kommen“, so der Architekt.
Hier entspannt Schirmer gerade im Wohnzimmer. Die freigelegte Decke mit Stahlträgern ist eine sogenannte „Preußische Kappendecke“, die aus aneinandergesetzten, flachen Segmenttonnengewölben besteht. Daran baumelt eine alte Straßenlaterne, die einst über einer Kreuzung hing. „Eine Freundin hielt an, als sie sah, dass sie abmontiert wurde – bei uns passt sie jetzt richtig gut rein. Für Leuchten kann man ein halbes Vermögen ausgeben, dabei kann man mit etwas Kreativität auch für wenig Geld, oder sogar ganz umsonst, sein Zuhause hübsch beleuchten“, sagt Schirmer.
Die schwarzen Steckdosen aus Keramik sind von Berker und bringen nostalgisches Flair in den Raum. „Sie sind im Stil der Dreißigerjahre gehalten und passen daher super zum Erbauungsjahr des Stalls.“
Die schwarzen Steckdosen aus Keramik sind von Berker und bringen nostalgisches Flair in den Raum. „Sie sind im Stil der Dreißigerjahre gehalten und passen daher super zum Erbauungsjahr des Stalls.“
Die Treppe ist vom Schlosser geschweißt, die Treppenstufen sind aus Eiche, die das Paar direkt im Sägewerk besorgt hat. „Früher hat man in Altbauten ja auch nicht die Auswahl zwischen 300 Materialien gehabt. Wir wollten es simpel halten, daher haben wir versucht, so ursprünglich wie möglich zu renovieren.“ Die Wände sind mit Kalkputz versehen, das Backsteinmauerwerk hat Schirmer wieder freilegen lassen. „Im Dachgeschoss haben wir die Wand sogar noch mit Steinen ergänzt, die wir aus einem abgerissenen Haus aus der Nachbarschaft wiederverwerteten“, sagt er.
Im Zuge der Renovierung musste nicht nur neu gedämmt, sondern auch ein Drittel des Dachstuhls ausgetauscht werden. „Die Dachbalken sind zum Beispiel neu, aber die Konstruktion und auch die ‚alte‘ Optik sind unter Denkmalschutz-Bedingungen ausgeführt worden“, sagt Schirmer. Dort oben befinden sich die Schlafzimmer und das Bad.
Highlight im Obergeschoss ist auf jeden Fall das Hängenetz. Ein Rahmen aus Stahlstangen, die in der Wand verankert wurden, bildet die Befestigungsgrundlage für das Netz, in dem die Kinder sicher abhängen können. „Diese Art von Netz wird sonst in den Alpen als Absicherung vor Geröll oder auf Hubschrauberlandeplätzen verwendet. Da haben auch schon mal ein Haufen Freundinnen meiner Töchter gleichzeitig drauf rumgeturnt“, sagt Schirmer.
Idea to steal: Ein Hängenetz im Haus aufspannen
Highlight im Obergeschoss ist auf jeden Fall das Hängenetz. Ein Rahmen aus Stahlstangen, die in der Wand verankert wurden, bildet die Befestigungsgrundlage für das Netz, in dem die Kinder sicher abhängen können. „Diese Art von Netz wird sonst in den Alpen als Absicherung vor Geröll oder auf Hubschrauberlandeplätzen verwendet. Da haben auch schon mal ein Haufen Freundinnen meiner Töchter gleichzeitig drauf rumgeturnt“, sagt Schirmer.
Idea to steal: Ein Hängenetz im Haus aufspannen
Im Flur bilden ein Ast und ein günstiger Lampenschirm von Ikea diese Stehleuchte der besonderen Art. „Wenn die Kinder sich an dem Seil durch den Raum schwingen, wäre eine teure Leuchte ohnehin gleich kaputt“, sagt Schirmer und lacht. „Gutes Design und gute Architektur bedeuten für mich: Prioritäten setzen. Bei mir folgt die Form der Funktion.“
Momentan teilen sich die beiden Mädchen ein Zimmer, aber auch für die Pubertät ist der Architekt gerüstet. „Wir haben das Zimmer so gestaltet, dass wir jederzeit und binnen weniger Tage eine Wand einziehen können, so dass jede ihr eigenes Reich hat.“
„Momentan habe ich in unserem Schlafzimmer auch Ringe und Seile an der Decke angebracht. Mein Morgensport besteht jetzt darin, vom Bett direkt ins Bad zu schwingen“, sagt der Architekt augenzwinkernd. „Unser Haus ist ein ganz eigener Hindernis-Parcours.“
Ansonsten ist das Schlafzimmer recht simpel eingerichtet, Blickfang ist die Deckenleuchte „Knappa“ von Ikea. Und wer denkt, hier turnt ja gerade keiner rum: Die Katze setzt sicher gleich zum Sprung an.
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Ansonsten ist das Schlafzimmer recht simpel eingerichtet, Blickfang ist die Deckenleuchte „Knappa“ von Ikea. Und wer denkt, hier turnt ja gerade keiner rum: Die Katze setzt sicher gleich zum Sprung an.
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Besonders beachte man das "Treppengeländer" . So filigran, dass es eigendlich unsichtbar ist, bietet es die Sicherheit, die dort benötigt wird und auf die manche heut aus stylischen Gründen verzichten... Gut!
Das Heizsystem leuchtet mir nicht ganz ein, da ja die Wärme einer Ofenheizung so nett nach oben steigt, wenn alles offen ist. Ist`s da unten auch warm oder frieren Sportler evtl weniger?
Und bildet der Fenstersturz des riesigen Wohnzimmerfensters mit den anschließenden Stahlträgern der Decke eigendlich keine Kältebrücke, ist sie gedämmt? Weil man das gar nicht sehen kann, würde mich mal interessieren!
Toll! Wir mögen es, wenn ein Zuhause auch die persönlichen Vorlieben der Bewohner spiegelt und nicht nur die zur Zeit angesagten Einrichtungstrends. Dadurch, dass bei der Umsetzung viele Elemente zweckentfremdet verwendet wurden ( z.B. Terrassenbelag im Wohnbereich) ist der Artikel auch sehr inspirierend!
Super, wenn ein Haus den Bedürfnissen der Bewohner folgt! Sehr gut umgesetzt und weit gedacht. Besonders gut gefällt mir die alte Straßenlaterne. So einzigartige Stücke sind unbezahlbar!