Houzzbesuch: Wo früher Banker saßen, wohnt jetzt eine Familie
Urgemütliche Backsteinwände und Smart-Home-Technik: Aus einer Verwaltungs-Etage in Essen wurde ein Familienzuhause
Von trister Verwaltungsatmosphäre keine Spur mehr! Kaum zu glauben, dass sich in diesem Haus in der Essener Innenstadt, nahe der Philharmonie, viele Jahre eine Bank befand. Als sie auszog, blieb das Gebäude stehen. Erdgeschoss und erste Etage sind noch immer Gewerbeeinheiten, in den Stockwerken darüber sind Wohnungen entstanden. Im vierten Stock arbeitete früher die Verwaltung, jetzt wohnt hier eine junge Familie. Doch bevor sich die Etage mit ihren vielen kleinen Büroräumen in ein großzügiges Familienloft verwandelte, bedurfte es einiger Umbaumaßnahmen – und vor allem guter Ideen.
VORHER: Nach der Entkernung blieben in dem 200 Quadratmeter großen Raum nur vier Betonstützen stehen. Die Fenster ziehen sich an den Firstseiten entlang. Neben der Eingangstür liegt der Aufzugschacht. Von dort aus gelangte man früher direkt in den Raum, doch den Eigentümern war es lieber, den Aufzug in das Treppenhaus münden zu lassen.
Wer die Wohnung betritt, findet sich zunächst in einem großzügigen Entree mit einer eingebauten Garderobe wieder. Sie ist wie alle Einbaumöbel in der Wohnung ein Entwurf des Planungsbüros, der vom Schreiner maßgefertigt wurde. Vom Eingangsbereich aus geht es in einen kleinen Hauswirtschaftsraum sowie in das Gäste- und Kinderbad.
Mit einer Dusche, einem WC und zwei Waschbecken ist das Bad gut ausgestattet. Die kupferfarbenen Armaturen von Vola sind PVD-beschichtet. Bei diesem vakuumbasierten Beschichtungsverfahren wird ein Metallkörper mit einer weiteren, dünnen metallischen Schicht versehen und so noch besser gegen Gebrauchsspuren geschützt. „Wir haben in der ganzen Wohnung Armaturen von Vola verwendet – in den Bädern beschichtet, in der Küche aus mattem Edelstahl“, erklärt Stiepelmann.
Auf der anderen Seite des Entrees führen zwei Türen zu den beiden Kinderzimmern. Eines wird als Spielzimmer genutzt, im anderen steht das Bett der beiden Kinder. Es wurde nach einem Entwurf der Interior Designerin Meike Hartmann gebaut und auf die Raumsituation zugeschnitten: „Das Bett sollte in der Nische stehen. Die Bauherren hatten eine Skizze mit ihren Vorstellungen angefertigt und uns ihre Gedanken hierzu erklärt.“ Die Ausschnitte sind teilweise mit buntem Acrylglas verkleidet und hinterleuchtet. So lassen sich die beiden Schlafhöhlen mit buntem Licht erfüllen.
Eine Wand mit eingesetztem Industriefenster trennt das Entree vom Wohnraum. „Wir haben gewalzten Stahl mit einfach verglasten Scheiben gewählt. Das wirkt authentischer“, so Stiepelmann. Auf Einzelheiten wie diese legt er großen Wert. Wenn die Bauherren ebenfalls Interesse an Details zeigen, weiß er das zu schätzen.
Von den vier tragenden Pfeilern sind drei in die neuen Wände integriert. Nur einer ist noch sichtbar. Er begrenzt die fast vier Meter lange Kücheninsel, die in der Mitte des Wohnraums liegt. Die Bodengestaltung hebt den Kochbereich hervor: Statt der im übrigen Wohnraum verlegten Eichenplanken ist der Boden hier in Hartbeton-Spachteltechnik gefertigt. Die graue Farbe passt perfekt zu den matten, anthrazitfarbenen Glasfronten der Kücheninsel und -rückwand.
„Die Bauherren wollten einen großzügigen Wohnraum. Hier spielt sich auch der Großteil des Familienlebens ab“, erklärt Hartmann. So schließt sich links vom Küchenbereich eine Sofaecke an. Der Kalfire-Gaskamin sorgt für eine gemütliche Atmosphäre, eine Fußbodenheizung bringt Wärme in den Raum. Kamin und Ofenbank wirken wie aus einem Guss. Über der Bank hängt nicht etwa ein gerahmtes Bild, sondern der Fernsehbildschirm The Frame.
Ein Ziel der Einrichtung besteht darin, Technik mit Ästhetik und Komfort zu verbinden. „Die Wohnung ist ein Smart Home. Verschattung, Heizung, Beleuchtung – das alles lässt sich mit dem Smartphone steuern“, erläutert Stiepelmann.
Hinter dem Sofa, neben der Küchenzeile, führt eine Tür in den Elternbereich.
Die Ziegelwand im Schlafzimmer wurde bei der Entkernung freigelegt. Wie in den übrigen Räumen trägt auch hier das gezielt eingesetzte Licht zur besonderen Atmosphäre bei. „Das Beleuchtungskonzept ist für uns eine Möglichkeit, mehrere Stimmungen zu erzeugen. In jedem Raum gibt es drei bis vier verschiedene Lichtszenarien“, so Stiepelmann. Mit den vierfach unterteilten Lichtschaltern von Basalte, so der Inneneinrichter, lassen sich bis zu 16 verschiedene Szenarien umsetzen.
Lichtplaner in Ihrer Nähe
Lichtplaner in Ihrer Nähe
Vom Elternschlafzimmer geht es durch eine Ankleide ins Elternbad.
Eine Wandscheibe trennt die beiden Waschbecken, Modelle von Glass Design, von Badewanne und Dusche.
Moderne Waschbecken in großer Auswahl
Moderne Waschbecken in großer Auswahl
Die Dusche ist sehr geräumig. Doch das eigentliche Highlight ist die Badewanne. Sie steht vor einem Fenster, das den Blick in den Lesebereich des Wohnraums freigibt. Doch dort endet die Aussicht nicht – vielmehr kann das Auge bis ins Freie weiterwandern. „Von der Wanne aus sieht man die Philharmonie“, schwärmt Hartmann. Der Sichtschutz folgt dem Smart-Home-Konzept: Zwischen Badezimmer und Leseecke ist eine Scheibe aus elektrochromem Glas eingesetzt, das sich durch Veränderung seiner elektrischen Spannung wahlweise transparent oder getönt zeigt.
Die Leseecke befindet sich rechts von der Küche. Sie ist die Verlängerung des Essbereichs.
Auch hier gibt es eine freigelegte Ziegelwand. „Wir haben die Wände beim Umbau so vorgefunden und nur noch sandgestrahlt. Auch die alten Heizungsrohre haben wir erhalten, allerdings haben wir sie oben und unten gekappt. Durch die Bodenstrahler entsteht eine schöne Atmosphäre“, erläutert Stiepelmann.
Hinter der Leseecke führt eine Tür in einen weiteren Raum, der als Arbeits- und Gästezimmer dient.
Hinter der Leseecke führt eine Tür in einen weiteren Raum, der als Arbeits- und Gästezimmer dient.
Der Esstisch vervollständigt den großen, offenen Wohnbereich. Wie fast alle Möbel, die nicht vom Schreiner gefertigt wurden, stammt er von Vitra. „Wir haben quasi den ganzen Vitra-Shop geplündert“, schmunzelt Stiepelmann.
Stöbern Sie in Fotos von Esszimmern im Industrial-Stil
Stöbern Sie in Fotos von Esszimmern im Industrial-Stil
Das Aufwendigste am gesamten Umbau war der frei auskragende Balkon zum Innenhof. Er ist zwei Meter tief und acht Meter lang. „Die Statik musste stimmen. Der Balkon musste waagerecht angebracht werden. Und schließlich kam es noch darauf an, seine Verankerung in das Wärmeverbundsystem des Hauses zu integrieren“, berichtet Stiepelmann.
Noch mehr Houzzbesuche in der Stadt
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Hier wohnt: eine Familie mit zwei kleinen Kindern
In: Essen
Auf: 200 Quadratmetern
Experten: One!Contact-Planungsbüro
Fotos: Jannis Wiebusch
„Als wir die Räume zum ersten Mal sahen, waren hier mehrere Büroräume untergebracht, die jeweils 15 bis 20 Quadratmeter maßen. Wir haben erst einmal den Bestand aufgenommen und dann im Team besprochen, was wir aus dem rechteckigen Grundriss machen können“, erinnert sich Torsten Stiepelmann vom Planungsbüro One!Contact.