Houzzbesuch
Houzzbesuch: Wohnen ohne Plastik – und mit viel weniger Müll
Vom Müsli bis zur Zahnbürste: Eine Entrepreneurin lebt vor, wie Zero Waste geht – vorgestellt im Buch „Einfach leben“
Weniger ist mehr: Was einst nur ein gut gemeinter Rat war, ist heute eine ganze Philosophie. Der konsumlüsternen Gesellschaft und ihrem Überfluss durch bewussten Fokus auf das Wesentliche trotzen – das ist der Ansatz dieser neuen Minimalisten wie Milena Glimbovski, die 2014 mit Original Unverpackt Deutschlands ersten plastikfreien Supermarkt gründete. Und nicht nur in ihrem Laden, sondern auch auf jedem Quadratmeter ihrer Altbauwohnung lebt die Berlinerin ganz bewusst ohne Plastik und produziert damit so gut wie keinen Müll.
Auf einen Blick
Hier wohnt: Milena Glimbovski (27), Gründerin von Original Unverpackt
In: Berlin
Auf: 90 Quadratmetern
Fotos aus dem Buch „Einfach leben“, erschienen bei Knesebeck
Auf einen Blick
Hier wohnt: Milena Glimbovski (27), Gründerin von Original Unverpackt
In: Berlin
Auf: 90 Quadratmetern
Fotos aus dem Buch „Einfach leben“, erschienen bei Knesebeck
Den ersten Schritt zum Lebensstil des Einfachen und Reduzierten machte die Wahlberlinerin schon mit 17 Jahren. Als sie damals bei ihren Eltern auszog, war sie schockiert, wie viele Umzugskisten sie packen musste. „Ich war noch so jung und hatte schon so viel Besitz“, erinnert sich Glimbovski. Seither fragt sich die Jungunternehmerin regelmäßig, was sie tatsächlich braucht und von welchen Sachen sie sich lösen kann – mit dem Ergebnis: „Je älter ich wurde, umso kleiner wurde mein Besitz, meine Zufriedenheit aber umso größer.“
Dass Glimbovskis komplettes Hab und Gut in einen kleinen Caddy passen würde, sieht man in ihrer simpel eingerichteten Wohnung sofort. Bei der Einrichtung ist nichts zu viel – und nichts zufällig. Jedes Möbel wurde dem Gebrauchs-Check unterzogen und wird mindestens täglich genutzt. Fehlt tatsächlich mal was, kauft die junge Gründerin gerne Second Hand: „Entweder schaue ich wochenlang bei Kleinanzeigen rein oder suche auf Flohmärkten danach, am liebsten auf solchen am Stadtrand.“ Dort erzielt die Schatzjägerin in der Regel viel bessere Preise.
Das Prinzip, überflüssiges einfach wegzulassen, wollte Milena Glimbovski eines Tages nicht nur bei Möbeln anwenden, sondern auch beim allwöchentlichen Supermarktbesuch. Ihr Ziel, Lebensmittel nur noch ohne Wegwerfverpackungen einzukaufen, war damals kaum umsetzbar. Also gründete sie ihren eigenen plastikfreien Laden Original Unverpackt, der sofort auf großen Andrang stieß und eine Zero Waste-Bewegung auslöste. Müsli, Kaffeebohnen und Seife gibt es zum Abfüllen. Säfte, Wein und Öl kann man in Pfandflaschen mitnehmen.
Ihr Tipp für alle, die ebenfalls plastikfrei leben und weniger Müll produzieren möchten? „Statt all die Bloggerinnen vor Augen zu haben, die angeblich nur ein Glas Müll im Jahr produzieren, obwohl nie ihr weggeworfenes Papier dazugezählt wird, weil es recycelt werden kann, ist es besser erst einmal nur mit dem Reduzieren von Müll anzufangen“, rät Glimbowski.
Auch in Sachen Körperpflege verzichtet sie auf Verpackungen:
Kosmetik und Putzmittel mischt Milena einfach selbst an – oft nur aus wenigen Zutaten, die sie eh in der Küche hat.
Kosmetik und Putzmittel mischt Milena einfach selbst an – oft nur aus wenigen Zutaten, die sie eh in der Küche hat.
Statt Zahnpasta in der Tube kauft sie in ihrem eigenen Laden Zahnputztabletten, die sie in wiederverwertbare Gläser abfüllt. Und geputzt werden die Zähne dann mit einer Zahnbürste aus Bambus. Auch ihr Toilettenpapier wird aus dem schnell nachwachsenden Rohstoff hergestellt, das in ihrem Shop erhältlich ist.
Das Gewohnte zu hinterfragen, sich Alternativen auszudenken und dabei kreativ zu sein, zeichnet die Zero Waste-Bewegung aus. Muss man für Pflanzen tatsächlich spezielles Saatgut kaufen oder lassen sie sich sogar aus Lebensmitteln wie Sonnenblumenkernen züchten? Die junge Berlinerin testete das einfach aus. Ihr Ergebnis schießt nun als junge Sonnenblume in einer alten Milchkanne in die Höhe.
Glimbovski hat neben ihrem Laden auch den Achtsamkeitskalender „Ein guter Plan“ ins Leben gerufen. Der Kalender soll nicht nur dabei helfen, alle Termine im Blick zu behalten, sondern auch, im Alltag bewusster zu leben.
Ihren reduzierten Lebensstil als Trend zu verkaufen, sieht die Unternehmerin allerdings kritisch: „Wenn man merkt, dass diese Lebensphilosophie weh tut, sollte man es sein lassen und einen anderen Weg finden, Nachhaltigkeit zu leben.“
Mit dieser lockeren Art ist die Jungunternehmerin auch beim Ausmisten ihres Kleiderschranks nach dem Capsule Wardrobe-Prinzip rangegangen: „Ich bin alle geplanten Veranstaltungen, Termine und meine Hauptbeschäftigungen der nächsten Saison durchgegangen, habe danach meinen Kleiderschrank zusammengestellt und mir überlegt, welche Klamotten sich zum Beispiel im Winter nach dem Zwiebel-Prinzip gut zu einem warmen Outfit schichten lassen“, sagt Glimbovski. Jetzt besitzt sie insgesamt 37 Kleidungsstücke, Unterwäsche und Sportsachen ausgenommen. Eine Kiste verrückter Fashingsoutfits und ein dicker Skianzug durften aber trotzdem bleiben. „Warum sollte man etwas wegwerfen, dass einem alle paar Jahre doch Freude macht?“, sagt Glimbovski – und bringt damit die Essenz des Minimalismus auf den Punkt: Nur das Überflüssige loslassen, um sich auf wirklich Wichtiges im Leben zu fokussieren – dem Glücklichsein. So einfach.
Einfach Leben, Knesebeck
Noch mehr Einblicke in Milena Glimbovskis Wohnung und andere minimalistische Lebensweisen zwischen Körperpflege, Einrichtung und Kleiderfundus gibt es im Buch „Einfach leben“ (erschienen im Knesebeck Verlag) zu entdecken. Homestorys, Interviews und Labelvorstellungen inspirieren – und hinterfragen, was wirklich im Leben zählt. Außerdem werden Anleitungen und schnelle Rezepte mitgeliefert, um gleich im eigenen Leben etwas Minimalismus auszuprobieren.
Praktische Tipps und erfolgreiche Strategien fürs Aufräumen & Ausmisten
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