Konstruktiver Sonnenschutz: Der Hitze vorgebaut
Direkte Sonneneinstrahlung kann vor allem im Sommer unangenehm werden. Baulicher Sonnenschutz beugt dem von vornherein und dauerhaft vor
Eva Bodenmüller
6. Juni 2023
Houzz Deutschland Contributor. Freie Autorin mit Faible für Architektur und Technik, Garten und Kulinarik
Houzz Deutschland Contributor. Freie Autorin mit Faible für Architektur und Technik,... Mehr
Lichtdurchflutete Räume, große Fenster, ein weiter Ausblick. Klingt erstrebenswert. Doch was passiert, wenn im Sommer durch eben diese großen Panoramafenster zu viel Sonne hereinscheint und die Räume unangenehm warm werden? Am besten vorbeugen, bei Neubauten schon in der Planungsphase. Konstruktiver Sonnenschutz ist das Stichwort. Es geht nicht darum, die Sonne gänzlich auszusperren. Vielmehr helfen kluge Überlegungen, zu jeder Jahreszeit den nahezu perfekten Lichteinfall zu erhalten und die Wärme der Sonne gezielt zu nutzen.
Über die Fassadengestaltung ist Sonnenschutz fürs ganze Jahr möglich, etwa durch Dachüberstände und Auskragungen – wie bei einem Haus, das das Architektur-Atelier Christ entworfen hat.
Jahreszeitliche Sonnenstände in die Bauplanung einbeziehen. Welche Räume sollen vor allem Tageslicht erhalten? Soll die Sonne morgens ins Schlafzimmer und abends ins Wohnzimmer scheinen? Mit Vorüberlegungen wie diesen lässt sich die grundsätzliche Positionierung des Hauses und die Aufteilung der Räume klären. Eine auf der Nordseite gelegene Küche wird auch im Sommer beim Kochen und Backen nicht zusätzlich durch Sonneneinstrahlung aufgeheizt.
Jahreszeitliche Sonnenstände in die Bauplanung einbeziehen. Welche Räume sollen vor allem Tageslicht erhalten? Soll die Sonne morgens ins Schlafzimmer und abends ins Wohnzimmer scheinen? Mit Vorüberlegungen wie diesen lässt sich die grundsätzliche Positionierung des Hauses und die Aufteilung der Räume klären. Eine auf der Nordseite gelegene Küche wird auch im Sommer beim Kochen und Backen nicht zusätzlich durch Sonneneinstrahlung aufgeheizt.
Die Sonneneinstrahlung verändert sich in unseren Breiten im Jahresverlauf. Im Sommer steht die Sonne wesentlich höher am Himmel und hat einen größeren Radius. Das heißt, sie geht morgens im Nordosten auf, steht zur Mittagszeit im Zenit fast senkrecht am Himmel und geht im Nordwesten unter. Im Winter dagegen vollzieht sie einen wesentlich flacheren Bogen von Südosten über Süden nach Südwesten. Diese Erkenntnisse sind hilfreich, um ein Haus das ganze Jahr über optimal mit Sonne und Schatten zu versorgen – was für den Energiehaushalt von Vorteil ist. Wer dies bei der Planung berücksichtigt, kann die Sonneneinstrahlung sommers wie winters optimal nutzen.
Das Haus in Pirna (Foto oben) zeigt das sehr anschaulich. Die zurückgesetzten Fensterfronten werden von der im Winter niedrig stehenden Sonne im gesamten Tagesverlauf erreicht. Im Sommer hingegen halten die vorgezogenen seitlichen Wände und Überdachungen die direkte Sonneneinstrahlung den größten Teil des Tages aus dem Innern des Hauses fern.
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Das Haus in Pirna (Foto oben) zeigt das sehr anschaulich. Die zurückgesetzten Fensterfronten werden von der im Winter niedrig stehenden Sonne im gesamten Tagesverlauf erreicht. Im Sommer hingegen halten die vorgezogenen seitlichen Wände und Überdachungen die direkte Sonneneinstrahlung den größten Teil des Tages aus dem Innern des Hauses fern.
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Bei diesem nach Süden ausgerichtetem Einfamilienhaus in Leipzig, Sachsen, konnte auf einen außen liegenden Sonnenschutz verzichtet werden. Die schräg konstruierte Überdachung spendet genug Schatten.
Sonnenstandsdiagramm zur Positionierung des Hauses. Um die bestmögliche Ausrichtung eines Hauses zu ermitteln, kann für den Baugrund ein Sonnenstandsdiagramm erstellt werden. In diesem Diagramm ist für ein bestimmtes Grundstück abzulesen, wie die Sonne zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten steht. Damit können schon beim Entwurf des Hauses Vorkehrungen für den Sonnenschutz an der Fassade getroffen und die optimale Ausrichtung der Räume bestimmt werden.
Horizontoscop. Schnell und einfach lässt sich mit einem Horizontoscop vor Ort ermitteln, auf welchen Punkt zu welcher Jahreszeit ein Schatten fällt. Dieses vom Institut für Tageslichttechnik entwickelte Hilfsmittel besteht aus einer Plexiglashalbkugel mit einem flachen, durchsichtigen Boden. Sie wird vor Ort mithilfe eines Kompasses eingenordet. Meist wird das Horizontoscop auf den Bauplan oder aber gleich auf das Sonnenstandsdiagramm aufgelegt. Von oben betrachtet, ist dann sofort zu erkennen, wie die Schatten – auch aus der umstehenden Bebauung – fallen.
Sonnenstandsdiagramm zur Positionierung des Hauses. Um die bestmögliche Ausrichtung eines Hauses zu ermitteln, kann für den Baugrund ein Sonnenstandsdiagramm erstellt werden. In diesem Diagramm ist für ein bestimmtes Grundstück abzulesen, wie die Sonne zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten steht. Damit können schon beim Entwurf des Hauses Vorkehrungen für den Sonnenschutz an der Fassade getroffen und die optimale Ausrichtung der Räume bestimmt werden.
Horizontoscop. Schnell und einfach lässt sich mit einem Horizontoscop vor Ort ermitteln, auf welchen Punkt zu welcher Jahreszeit ein Schatten fällt. Dieses vom Institut für Tageslichttechnik entwickelte Hilfsmittel besteht aus einer Plexiglashalbkugel mit einem flachen, durchsichtigen Boden. Sie wird vor Ort mithilfe eines Kompasses eingenordet. Meist wird das Horizontoscop auf den Bauplan oder aber gleich auf das Sonnenstandsdiagramm aufgelegt. Von oben betrachtet, ist dann sofort zu erkennen, wie die Schatten – auch aus der umstehenden Bebauung – fallen.
Möglichkeiten für konstruktiven Sonnenschutz:
► Heruntergezogenes Dach. Der Dachvorsprung wird vielfach als Wetterschutz genutzt. Vorwiegend, um das Mauerwerk vor Regen zu schützen. Doch gerade im Sommer, wenn die Sonne fast senkrecht von oben scheint, verschattet er auch die Fenster und sorgt so dafür, dass sich die Wohnräume nicht allzu sehr aufheizen. Ist den Fenstern noch ein Balkon vorgelagert, wie bei diesem Haus am Tegernsee, kann im Inneren eine schummrig-ruhige Atmosphäre entstehen.
► Heruntergezogenes Dach. Der Dachvorsprung wird vielfach als Wetterschutz genutzt. Vorwiegend, um das Mauerwerk vor Regen zu schützen. Doch gerade im Sommer, wenn die Sonne fast senkrecht von oben scheint, verschattet er auch die Fenster und sorgt so dafür, dass sich die Wohnräume nicht allzu sehr aufheizen. Ist den Fenstern noch ein Balkon vorgelagert, wie bei diesem Haus am Tegernsee, kann im Inneren eine schummrig-ruhige Atmosphäre entstehen.
► Klassische Veranda. Dem eigentlichen Wohnhaus vorgelagert ist auch die Veranda. Sie wird vor allem in heißen Gegenden, wie in Australien oder den Südstaaten der USA, gerne rings um das Haus gebaut. Der schattige Platz vor den Fenstern dient zusätzlich als Sitzplatz im Freien, mit Chance auf eine kühle Brise. So erfüllt die Veranda gleich zwei Funktionen. Und eine Dritte kommt noch hinzu, die vor allem in regenreichen Gegenden genutzt wird: ein trockener Platz im Freien, auch bei strömendem Regen.
► Moderne Interpretation der Veranda. Veranden finden sich auch in der modernen Architektur – neu interpretiert. Mit seinen Dachvorsprüngen imitiert dieses Haus von F64 Architekten in Kempten die klassische Form. Zusätzlich nutzen die Architekten den Vorsprung, der die Veranda im Erdgeschoss beschattet, für einen Balkon im Obergeschoss.
► Überdachung. Ein weit über die Fensterfront hinausreichendes Dach bietet ebenfalls Sonnenschutz. Von zwei Seiten räumlich gefasst, entsteht so in New South Wales, Australien, eine Art Außenzimmer mit atemberaubendem Panoramablick. Ein luftiger, sommerlicher Wohnraum.
Mehr zum Thema: Jalousien und Co. – 15 Möglichkeiten Wohnräume zu verschatten
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► Auskragungen. Auskragende Bauteile der Fassade können ein reines Gestaltungselement sein. Wer zusätzlich den jahres- und tageszeitlichen Sonnenstand mit einbezieht, erhält gezielten Sonnenschutz. Die Gebäudevorsprünge beschatten den darunterliegenden Teil der Fassade. Im Beispiel kragt ein großer Teil des Obergeschosses über das Erdgeschoss aus. Was spielerisch aussieht, hat einen praktischen Hintergrund – schön zu sehen ist dies an dem Schatten, der auf das Fenster des Erdgeschosses fällt.
► Lamellenfassade. Je weniger Sonne direkt in den Innenraum scheint, umso weniger kann sie diese Räume aufheizen. In lichtintensiven Gegenden ist es oft am besten, Fenster möglichst vollflächig zu verschatten – ohne die Sicht nach draußen gänzlich zu behindern. Mit vorgebauten Lamellen kann dies gut gelingen. Außen angebracht, bieten sie Sicht- und Sonnenschutz und lassen doch Licht ins Innere des Hauses.
► Lamellenfassade. Je weniger Sonne direkt in den Innenraum scheint, umso weniger kann sie diese Räume aufheizen. In lichtintensiven Gegenden ist es oft am besten, Fenster möglichst vollflächig zu verschatten – ohne die Sicht nach draußen gänzlich zu behindern. Mit vorgebauten Lamellen kann dies gut gelingen. Außen angebracht, bieten sie Sicht- und Sonnenschutz und lassen doch Licht ins Innere des Hauses.
Auch bei der Beschattung durch Lamellen ist der Stand der Sonne wichtig, insbesondere bei unbeweglichen Lamellen. Der Winkel der Lamellen zur Fassade sollte so gewählt sein, dass die Fenster auch beschattet werden, wenn die Sonne direkt auf die Fassade trifft.
Dicht gesetzte Holzlamellen, wie an dieser Fassade einer Villa in Melbourne, filtern den Blick nach draußen, aber auch den Lichteinfall. Neben Sichtschutz geben sie dem ganzen Gebäude auch noch seinen besonderen Charakter.
Nach dem gleichen Prinzip funktionieren auch Lamellenkonstruktionen aus Stein. Durch ihr Material wirken sie gröber und massiver. Bei diesem Haus in Weinheim beschattet das auskragende Obergeschoss zugleich die großzügige Verglasung im Erdgeschoss. Die Architekten von Wannenmacher + Möller haben hier den Sonnen- und Sichtschutz dazu genutzt, der gesamten Fassade eine einheitliche Form zu gegeben.
Auch durch einzelne, bewegliche Lamellenwände, die Paravents gleichen, lässt sich direkte Sonneneinstrahlung gezielt aus dem Hausinneren fernhalten, wie hier im Beispiel eines Hauses in Augsburg von Andreas Petermann Architekt.
Doch es müssen nicht immer Lamellen sein, auch andere Formen sind möglich. Die Architekten von Make Architecture haben in Melbourne eine verspielte Fassade aus Holzscheiben realisiert. Das einfallende Licht lässt die einzelnen Elemente in verschiedenen Farbtönen leuchten.
► Kleines Vordach. Durch den unterschiedlichen Sonnenstand genügt mancherorts ein geringer Vorbau. Nur knapp einen Meter auskragende horizontale Lamellen werfen im Sommer genügend Schatten auf die Fenster darunter und lassen im Winter doch die Sonne herein.
Diese fest installierten Lamellen gleichen Markisen, sind allerdings nicht verstellbar und fester Bestandteil der Fassade. Ihr Vorteil liegt darin, dass sie wetter- und vor allem sturmfester sind. Zudem sind sie ein architektonisches Gestaltungselement, das die Architekten Geckeler hier geschickt einsetzen.
Diese fest installierten Lamellen gleichen Markisen, sind allerdings nicht verstellbar und fester Bestandteil der Fassade. Ihr Vorteil liegt darin, dass sie wetter- und vor allem sturmfester sind. Zudem sind sie ein architektonisches Gestaltungselement, das die Architekten Geckeler hier geschickt einsetzen.
Denselben Effekt bieten die vor dem oberen Teil der Fenster angebrachten Holzlatten in diesem Beispiel in San Francisco. Sie sind mit ein wenig Abstand zu den Fenstern angebracht und wirken wie ein nur halb herabgelassenes Rollo.
Ob Lamellen, Auskragungen oder Überstände, mit einer guten Planung lässt sich konstruktiv einiges für den Sonnenschutz tun. Und bunte Sonnenschirme können ja zusätzlich für Farbe auf Balkon und Terrasse sorgen.
Haben Sie bereits Erfahrungen mit konstruktiven Sonnenschutzlösungen? Teilen Sie Ihre Erfahrungen gerne in den Kommentaren!
Ob Lamellen, Auskragungen oder Überstände, mit einer guten Planung lässt sich konstruktiv einiges für den Sonnenschutz tun. Und bunte Sonnenschirme können ja zusätzlich für Farbe auf Balkon und Terrasse sorgen.
Haben Sie bereits Erfahrungen mit konstruktiven Sonnenschutzlösungen? Teilen Sie Ihre Erfahrungen gerne in den Kommentaren!
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Lieber Achim Köhler, danke für den Beitrag und die Anregung. Zum Thema Jalousien etc. wird es zeitnah einen extra Artikel derselben Autorin geben. Viele Grüße
Der Dachüberstand ist wohl die älteste Art für einen dauerhaften konstruktiven Sonnenschutz. Die Bemessung nach dem Einfallswinkel ist an jedem Ort leicht zu ermitteln und sehr nachhaltig.
Ich hab eine ältere Art des dauerhaften Sonnenschutzes ;) Super nachhaltig, im Winter lichtdurchlässig, hält auch bei Hitzewellen die Raumtemperatur auf 20 Grad. Der Vorgarten ist ebenfalls temperiert und wird zwischen Mai und Juli blütenbeduftet. Material: 2x Winterlinde, 1x Roßkastanie. Einfach pflanzen, 250 Jahre warten, voila :) Man sieht nur das Wohnhausdach als kleinen roten Streifen, der Rest ist verdeckt.