Kultobjekte: Puppenstuben als Zeitzeugen der Designgeschichte
Diese 10 Miniatureinrichtungen ost- und westdeutscher Puppenstuben zeigen die Wohntrends der Sechzigerjahre
Der Sechzigerjahre-Stil – gibt es ihn überhaupt? Viel ist passiert in diesem Jahrzehnt, und das zeichnet sich im Design wie in den damals hergestellten Spielzeugminiaturen ab. Das Erbe der Fünfziger – klare, elegante und zurückhaltende Form – trifft auf die Vorboten der knallbunten Siebzigerjahre. Zwischen Mauerbau 1961 und Verstaatlichung der Privatbetriebe 1972 in der DDR vollzieht sich gleichzeitig ein Führungswechsel unter den Puppenspielzeugherstellern Ost- und Westdeutschlands. Kamen die führenden Betriebe vor und direkt nach dem Zweiten Weltkrieg noch aus dem Osten, so begannen westdeutsche Konkurrenten im Laufe der Dekade, ihnen den Rang abzulaufen. Doch noch entstanden auf beiden Seiten des Grenzstreifens hochwertige Interieurs im Kleinstmaßstab. Kommen Sie mit auf eine Zeitreise en miniature.
Fotos: Sven Fennema Fotografie
Fotos: Sven Fennema Fotografie
Diese Stube mit Puppenmöbeln zeigt deutlich, wie zu Beginn der Sechzigerjahre immer noch Formen, Farben und Materialien der Fünfziger das Design bestimmten: „Die Formen waren weiterhin leicht, aber nicht mehr so verspielt oder gar extravagant wie vorher, eher einfach und schlicht“, sagt Keusemann. Typisch für die Fünfziger sind in dieser Stube das Blumenfenster und der Linoleumfußboden, der durch bedrucktes Papier imitiert wurde. Auch die pastellfarbenen Sesselbezüge könnten noch in den Fünfzigern produziert worden sein. „Der Sessel mit den Plastiklehnen ist ein beabsichtigter Stilbruch, denn er wurde vom selben Hersteller ein paar Jahre später produziert.“
„Wie fast alle Puppenhausleuchten konnte man auch die Stehlampe an eine Batterie oder einen Trafo anschließen, das An- und Ausschalten der Lampen und die eventuell ebenfalls vorhandene Klingel am Puppenhaus erhöhten den Spielwert ungemein“, so die Sammlerin.
2. Westdeutschland 1963-1964
Puppenmöbel (1963) aus Plastik von der Crailsheimer Spielwarenfabrik, Crailsheim, Baden-Württemberg.
Puppenstube (1964) von Häfner & Krullmann, Leopoldshöhe, Nordrhein-Westfalen.
Fast alle Hersteller von Puppenstuben und -häusern kamen vor dem Zweiten Weltkrieg aus dem Erzgebirge und Thüringen. Auch im geteilten Deutschland habe sich daran erstmal nichts geändert, berichtet Keusemann. Puppenstuben und Möbel waren ein wichtiges Exportprodukt der DDR. Doch die Pfiffigkeit und Innovationskraft der Osthersteller sollte bald eingeschränkt werden.
Schon früh in den Sechzigerjahren stellen die westdeutschen Puppenstubenhersteller auf Plastikmöbel um. Der neue Werkstoff wurde rasant beliebt. „Noch hatten gerade die DDR-Spielzeug-Designer einen guten Ruf und konnten auch viele ihrer Ideen umsetzen. Gegen Ende des Jahrzehnts holten die westdeutschen Anbieter jedoch auf“, so Keusemann.
Puppenmöbel (1963) aus Plastik von der Crailsheimer Spielwarenfabrik, Crailsheim, Baden-Württemberg.
Puppenstube (1964) von Häfner & Krullmann, Leopoldshöhe, Nordrhein-Westfalen.
Fast alle Hersteller von Puppenstuben und -häusern kamen vor dem Zweiten Weltkrieg aus dem Erzgebirge und Thüringen. Auch im geteilten Deutschland habe sich daran erstmal nichts geändert, berichtet Keusemann. Puppenstuben und Möbel waren ein wichtiges Exportprodukt der DDR. Doch die Pfiffigkeit und Innovationskraft der Osthersteller sollte bald eingeschränkt werden.
Schon früh in den Sechzigerjahren stellen die westdeutschen Puppenstubenhersteller auf Plastikmöbel um. Der neue Werkstoff wurde rasant beliebt. „Noch hatten gerade die DDR-Spielzeug-Designer einen guten Ruf und konnten auch viele ihrer Ideen umsetzen. Gegen Ende des Jahrzehnts holten die westdeutschen Anbieter jedoch auf“, so Keusemann.
Die Stube „Gerda“ kam als Bausatz, den man im Kinderzimmer je nach Saison auf- und abbauen konnte – denn Spielstuben waren, genau wie Modelleisenbahnen, traditionell Winterspielzeug. Man beachte die Glasbausteine, aus denen in den Sechziger- und Siebzigerjahren viele Treppenhauswände gebaut wurden und die im Kleinen nun auch nicht fehlen durften. Noch stehen die Möbel auf schlanken, abgewinkelten Beinen, ein Designerbe der Fünfzigerjahre. Das Plastiktelefon als technische Neuerung wird ab jetzt immer öfter in Puppenwohnzimmern auftauchen.
„Das barock gerahmte Bild ist auch aus Plastik und zeigt eine Szene aus „Aschenputtel“. Die Uhr rechts an der Wand gehört zur Ausstattung, der Fernseher ist beleuchtbar und das Segelschiff darauf ist fest fixiert“, sagt Keusemann.
3. Ostdeutschland 1964
Puppenhaus des VEB „Vero“, Olbernhau, Erzgebirge, Sachsen.
Puppenmöbel von Herrmann Rülke, Kleinhartmannsdorf, Erzgebirge, Sachsen.
Dieses Wohnzimmer ist Teil eines Puppenhauses, das mit drei aufeinandergestapelten Stuben den ostdeutschen Plattenbau nachahmt. Damals war die Platte hochmodern und jeder wollte darin wohnen, mit Zentralheizung, fließend Wasser und modernem Bad. Große Glasfenster führen auf den Balkon. Nur der Fußboden ahmt immer noch Linoleumbeläge nach, wie sie in den Fünfzigern üblich waren.
Puppenhaus des VEB „Vero“, Olbernhau, Erzgebirge, Sachsen.
Puppenmöbel von Herrmann Rülke, Kleinhartmannsdorf, Erzgebirge, Sachsen.
Dieses Wohnzimmer ist Teil eines Puppenhauses, das mit drei aufeinandergestapelten Stuben den ostdeutschen Plattenbau nachahmt. Damals war die Platte hochmodern und jeder wollte darin wohnen, mit Zentralheizung, fließend Wasser und modernem Bad. Große Glasfenster führen auf den Balkon. Nur der Fußboden ahmt immer noch Linoleumbeläge nach, wie sie in den Fünfzigern üblich waren.
„Das Blumenfenster ist out, übrig geblieben ist ein Zeitungstischchen mit darauf fixierter Vase“, sagt Astrid Keusemann. Dem Schrank fehlen nun die schmalen Füßchen der Fünfziger, dafür ist die Uhr darauf ein Relikt aus jener Zeit.
Durch diese Stühle mit geknickter Lehne zieht nun auch in die Ost-Stube etwas Plastik ein. Auf der Höhe der Zeit sind auch die Puppen in ihren Outfits: „Die Bewohner dieser kleinen Welten brachten erst Leben in die Räume und verwandelten die Stuben in echtes Spielzeug. Sie verkörpern die klassische Kleinfamilie“, so die Sammlerin. Wenige Jahre später stellen Hippies und Kommunen solch tradierte Lebensformen immer mehr infrage.
4. Westdeutschland 1963
Puppenstube und Puppenmöbel von Bodo Hennig, Wildpoldsried, Allgäu, Bayern.
Puppenhersteller Bodo Hennig hatte im Erzgebirge eine Ausbildung zum Spielzeugmacher absolviert, bevor er in den Fünfzigerjahren nach Bayern ging. Für seine Puppenstuben holte er sich Inspirationen aus aktuellen Möbelkatalogen, deren Programm ihn zu besonders detailverliebten Miniaturen anregte. Schon in den Sechzigern erlebte skandinavisches Design ein Hoch, wie diese Stube im nordischen Teakholzstil zeigt.
Puppenstube und Puppenmöbel von Bodo Hennig, Wildpoldsried, Allgäu, Bayern.
Puppenhersteller Bodo Hennig hatte im Erzgebirge eine Ausbildung zum Spielzeugmacher absolviert, bevor er in den Fünfzigerjahren nach Bayern ging. Für seine Puppenstuben holte er sich Inspirationen aus aktuellen Möbelkatalogen, deren Programm ihn zu besonders detailverliebten Miniaturen anregte. Schon in den Sechzigern erlebte skandinavisches Design ein Hoch, wie diese Stube im nordischen Teakholzstil zeigt.
Im Laufe des Jahrzehnts hält der Fernseher Einzug in die Wohnzimmer und Puppenstuben gleichermaßen und bekommt seine bis heute sehr prominente Position. Die Polstermöbel werden zum Gerät hin ausgerichtet und gruppieren sich nicht mehr um den Wohnzimmertisch. Die Radio-TV-Kombination von Hennig kann gleich Zweierlei: „Erstens kann man durch eine Kurbel hinten die enthaltene Spieluhr aufziehen und ein Lied hören, sie funktioniert auch noch heute ganz ausgezeichnet, und zweitens kann ein kleines Lämpchen darin eingeschaltet und ein Dia in den Fernseher eingesteckt werden, das dann das Fernsehbild imitierte – ganz praktisch konnte dieses Gerät also auch als Diabetrachter verwendet werden!“
Selbst Details wie die von Henry Peter Glass entworfenen Hairpin-Legs finden sich bei Hennig. Mehr Midcentury-Chic ist kaum möglich.
5. Ostdeutschland 1966
Puppenhaus und Puppenmöbel des VEB „Vero“, Olbernhau, Erzgebirge, Sachsen.
Puppenhaus und Puppenmöbel des VEB „Vero“, Olbernhau, Erzgebirge, Sachsen.
Während Hennig in Bayern schon modernere Interieurs baut, sieht man in der zweiten Hälfte der Dekade in dieser Stube aus dem Erzgebirge immer noch typisches Fünfzigerjahredesign. Möbelfüße, ein asymmetrischer Schrankaufsatz und das Muster auf dem Couchtisch verweisen auf die Vergangenheit.
Helle Farben lassen die Einrichtung jedoch moderner als im vorherigen Jahrzehnt erscheinen. Beim Bodenbelag handelt es sich übrigens um eine zurechtgeschnittene Teppichfliese aus der Erwachsenenwelt, wie sie viele Kinder damals in ihre Stuben legten.
6. Westdeutschland 1965
Puppenstube und Puppenmöbel von Bodo Hennig, Wilpoldsried, Allgäu, Bayern.
Zwei Dinge sind in dieser Stubeneinrichtung neu: der Ohrensessel und der riesige Wohnzimmerschrank. „Er ist ein früher Repräsentant der späteren wandfüllenden Schrankwände“, sagt Keusemann. Und Schrankwände wiederum sind die Vorläufer unserer heutigen Einbaumöbel.
Puppenstube und Puppenmöbel von Bodo Hennig, Wilpoldsried, Allgäu, Bayern.
Zwei Dinge sind in dieser Stubeneinrichtung neu: der Ohrensessel und der riesige Wohnzimmerschrank. „Er ist ein früher Repräsentant der späteren wandfüllenden Schrankwände“, sagt Keusemann. Und Schrankwände wiederum sind die Vorläufer unserer heutigen Einbaumöbel.
„Der Ohrensessel ist neu ins Programm aufgenommen worden, er bleibt noch viele Jahre als Einzelstück erhalten, verändert die Farbe, bekommt weiße Fransen, bleibt aber als Sinnbild für Gemütlichkeit“, so Keusemann. Statt eines Fernsehers bekommt hier das Radio einen Ehrenplatz. Bodenvasen ersetzen das Blumenfenster immer öfter.
Im Bücherregal stehen Klassiker der Sechzigerjahre-Kinderliteratur wie „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ von Michael Ende, das 1960 veröffentlicht wurde.
7. Ostdeutschland 1968
Puppenstube und Puppenmöbel des VEB „Vero“, Olbernhau, Erzgebirge, Sachsen.
In echter Bungalow-Manier ist diese Stube gebaut. Man denke an den Kanzlerbungalow, der zwischen 1963-66 im Westen entstand, und man denke auch an die große Tradition der Datschen-Architektur im Osten. Bezaubernd, dass auch diese Puppenstube große Glasfronten bekam und sich ihr Wohnraum an warmen Sommertagen hinaus auf die Terrasse mit gemütlichen Gartenstühlen erweiterte.
Puppenstube und Puppenmöbel des VEB „Vero“, Olbernhau, Erzgebirge, Sachsen.
In echter Bungalow-Manier ist diese Stube gebaut. Man denke an den Kanzlerbungalow, der zwischen 1963-66 im Westen entstand, und man denke auch an die große Tradition der Datschen-Architektur im Osten. Bezaubernd, dass auch diese Puppenstube große Glasfronten bekam und sich ihr Wohnraum an warmen Sommertagen hinaus auf die Terrasse mit gemütlichen Gartenstühlen erweiterte.
Auffällig ist hier die Wand aus Kork, eine ästhetische Neuerung, die uns in den Siebzigerjahren noch oft begegnen wird. Sammlerin Astrid Keusemann berichtet, es handle sich hierbei um die letzte Stubeneinrichtung aus ostdeutscher Produktion, die ganz in Holz gefertigt wurde. Das geradlinige Design erinnert auch hier immer noch stark an die Fünfziger. Der Fußboden imitiert Terrazzo, wie er in den Sechzigern noch hin und wieder hergestellt wurde. In den Siebzigern verdrängte PVC den Estrich mit Steinzuschlägen dann vollends.
8. Westdeutschland 1969
Puppenstube und Puppenmöbel von „Modella“, Paul Kerkmann, Flüren bei Wesel, Nordrhein-Westfalen.
Hersteller Paul Kerkmann arbeitete schon seit den Fünfzigerjahren ausschließlich mit Kunststoff. „Seine neue Erfindung“, so Keusemann, „waren Verpackungen von Puppenmöbeln, die das passende Zimmer im Pappkarton schon imitierten. Man konnte die sehr preiswerten Möbel ohne Probleme daraus lösen und in das Puppenhaus stellen, man konnte aber auch die verschiedenen Puppenzimmer nebeneinanderstellen und damit spielen.“ Nur der Eckkamin, das Fenster und der Parkettboden bestehen aus bedruckter Pappe.
Puppenstube und Puppenmöbel von „Modella“, Paul Kerkmann, Flüren bei Wesel, Nordrhein-Westfalen.
Hersteller Paul Kerkmann arbeitete schon seit den Fünfzigerjahren ausschließlich mit Kunststoff. „Seine neue Erfindung“, so Keusemann, „waren Verpackungen von Puppenmöbeln, die das passende Zimmer im Pappkarton schon imitierten. Man konnte die sehr preiswerten Möbel ohne Probleme daraus lösen und in das Puppenhaus stellen, man konnte aber auch die verschiedenen Puppenzimmer nebeneinanderstellen und damit spielen.“ Nur der Eckkamin, das Fenster und der Parkettboden bestehen aus bedruckter Pappe.
Diese Stube sei nie bespielt worden, und der Schaumstoff bröckele, wenn man ihn berühre, sagt Keusemann.
„Interessant an solch original erhaltenen Möbelsets ist, was man zu dieser Zeit als notwendig für ein komplettes Wohnzimmer erachtete: nur ein kleiner Wohnzimmerschrank mit Vitrine, eine Bank für den Fernseher, Sofa und Sessel mit Couchtisch, Kamin und Bild für die Gemütlichkeit - mehr nicht.“
„Interessant an solch original erhaltenen Möbelsets ist, was man zu dieser Zeit als notwendig für ein komplettes Wohnzimmer erachtete: nur ein kleiner Wohnzimmerschrank mit Vitrine, eine Bank für den Fernseher, Sofa und Sessel mit Couchtisch, Kamin und Bild für die Gemütlichkeit - mehr nicht.“
9. Ostdeutschland 1969
Puppenhaus und Puppenmöbel von Herrmann Rülke, Kleinhartmannsdorf, Mittelsachsen.
Puppenhaus und Puppenmöbel von Herrmann Rülke, Kleinhartmannsdorf, Mittelsachsen.
Von staatlichen Spielzeugzeitschriften der DDR wurde Hersteller Herrmann Rülke sehr für seine Stubeneinrichtungen gelobt, in denen er Ende der Sechziger Plastik und Holz kombinierte. Die orangefarbenen Originalsesselbezüge sind Vorboten der grellen Siebziger. Man beachte die veränderte Gestaltung der Drehsessel im Vergleich zu Möbeln von 1966 (in der dritten gezeigten Stube). 1972 sollte der Betrieb, wie alle anderen DDR-Betriebe auch, verstaatlicht werden.
Der Fernseher, von einem anderen Hersteller produziert, steht nicht mehr im Fernsehschrank, sondern auf einem schlanken Kunststofffuß. Eine Bodenvase darf auch hier nicht fehlen.
10. Westdeutschland 1968
Puppenstube und Puppenmöbel von Bodo Hennig, Wilpoldsried, Allgäu, Bayern.
Zwar ein Jahr früher als die vorher gezeigten Stuben entstanden, ist dieses Wohnzimmer von Hennig doch das zukunftsweisende unter allen ausgewählten. Ohne mit der Wimper zu zucken, würde man es in Farbigkeit und Stil sofort den Siebzigerjahren zuordnen. Details wie die Prilblume auf der Kanne im Regal rechts unten machen einfach Spaß. Ein Jahr nach der Herstellung dieser Puppenstube, am 21. Juli 1969 wird die Mondlandung stattfinden, und die Populärkultur nimmt das Ereignis auf vielen Ebenen vorweg. Das Design des Atomic Age mit seiner Raumschiff-Ästhetik ist mit Serien wie Star Trek und Verner Pantons Gestaltung der Spiegel-Kantine ganz in Orange auf einem Höhepunkt angekommen.
Puppenstube und Puppenmöbel von Bodo Hennig, Wilpoldsried, Allgäu, Bayern.
Zwar ein Jahr früher als die vorher gezeigten Stuben entstanden, ist dieses Wohnzimmer von Hennig doch das zukunftsweisende unter allen ausgewählten. Ohne mit der Wimper zu zucken, würde man es in Farbigkeit und Stil sofort den Siebzigerjahren zuordnen. Details wie die Prilblume auf der Kanne im Regal rechts unten machen einfach Spaß. Ein Jahr nach der Herstellung dieser Puppenstube, am 21. Juli 1969 wird die Mondlandung stattfinden, und die Populärkultur nimmt das Ereignis auf vielen Ebenen vorweg. Das Design des Atomic Age mit seiner Raumschiff-Ästhetik ist mit Serien wie Star Trek und Verner Pantons Gestaltung der Spiegel-Kantine ganz in Orange auf einem Höhepunkt angekommen.
Auf dem Tisch steht eine Sektflasche, die auch als solche beschriftet ist. „Damals hatte man noch keine Bedenken, die Kinder auf Alkohol aufmerksam zu machen. Sie sollten schließlich nachspielen können, was sie zuhause sahen“, sagt Astrid Keusemann.
„Sehr auffallend der Kamin mit seinem vergoldeten Oberteil – natürlich kann er beleuchtet werden und an der Seite sind Steckdosen, um noch mehr Leuchten anzuschließen“, so Keusemann. Die Stereoanlage ist nicht original, sondern stammt vom Hersteller Lundby aus dem Jahr 1987. „Ein großer Stilbruch von mir, denn hier dürfte eigentlich nur ein Schallplattenspieler stehen!“
Wie in der Raumfahrt, so überholt auch bald im Puppenstubenbau der Westen den Osten. Aus den Siebziger- und Achtzigerjahren besitzt Keusemann nur wenige DDR-Stuben. „In dieser Zeit ließ die Qualität der Ostprodukte stark nach.“ Doch die bis dahin produzierten Arbeiten zeugen bis heute von der großen Kunstfertigkeit, dem Einfallsreichtum und der Modernität ostdeutscher Spielzeugmacher, die, wie ihre westdeutschen Kollegen, diese kleine Designzeitreise möglich gemacht haben.
Besitzen auch Sie Puppenstuben aus den Sechzigern oder zumindest lebendige Erinnerungen daran?
Wie in der Raumfahrt, so überholt auch bald im Puppenstubenbau der Westen den Osten. Aus den Siebziger- und Achtzigerjahren besitzt Keusemann nur wenige DDR-Stuben. „In dieser Zeit ließ die Qualität der Ostprodukte stark nach.“ Doch die bis dahin produzierten Arbeiten zeugen bis heute von der großen Kunstfertigkeit, dem Einfallsreichtum und der Modernität ostdeutscher Spielzeugmacher, die, wie ihre westdeutschen Kollegen, diese kleine Designzeitreise möglich gemacht haben.
Besitzen auch Sie Puppenstuben aus den Sechzigern oder zumindest lebendige Erinnerungen daran?
Puppenstube der Albin Schönherr KG, Niederlauterstein, Erzgebirge, Sachsen.
Puppenmöbel der „Wichtelmarke“, Ulrich und Hoffmann KG, Seiffen, Erzgebirge, Sachsen.
Nichts bildet eine bestimmte Epoche besser ab als Miniaturen aus derselben Zeit. Denn sie bleiben oft im Original erhalten, während echte Wohnungen einem ständigen Wandel unterworfen sind. Sammlerin Astrid Keusemann aus Duisburg hat Puppenstuben der verschiedensten Epochen aus Ost- und Westdeutschland gesammelt und weiß: Bis Anfang der Sechzigerjahre sind die Osthersteller führend. Mit ihren günstigeren und innovativeren Produkten sind sie in jedem West-Versandhauskatalog vertreten. Noch! Denn bereits in den Siebzigern geht es mit den ostdeutschen Herstellern bergab – ein Zufall, dass diese Entwicklung mit der Verstaatlichung der Betriebe in der DDR 1972 zusammenfällt? Wohl kaum.
Und die Stuben selbst? Sie versinnbildlichen, östlich wie westlich der Mauer, ein Jahrzehnt, das im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftswunder, Kubakrise, Vietnamkrieg, Friedensbewegung und der Landung auf dem Mond 1969 stand.