Modernes Mosaik: Anne Dérian fertigt Kunst aus kleinen Stücken
Die Kunst mit den Kacheln – wie eine französische Wahlberlinerin aus Keramikfliesen Meisterwerke für die Wohnung kreiert
Es ist wie im antiken Theater: Nach der Krisis folgt die Erlösung. Und was für eine. Anne Dérian hatte nach ihrem Architekturstudium in verschiedenen Pariser Architekturbüros gearbeitet und fühlte sich irgendwie betrogen. Kreativität, wie sie während des Studiums im Fokus gestanden hatte, machte einen Bruchteil ihres beruflichen Alltags aus. Die Unzufriedenheit wuchs, bis sie eines Tages auf die Arbeit der Mosaizistin Mathilde Jonquiere stieß. Ein Moment, der ihr Leben verändern sollte.
Danach war die Richtung klar. Weg von der Architektur, hin zur Kunst am Bau – mit Mustern, die so subtil wie modern, so filigran wie flächig, so kräftig wie zart sein können. Dérian verwendet für ihre Mosaike herkömmliche Keramikfliesen des Herstellers Cinca aus Portugal.
Die Entwürfe zeichnet sie, ganz wie es sich für eine Architektin gehört, im CAD-Programm und stellt sie in ihrem Atelier verlegefertig her. Sie werden mit dem Fliesenschneider oder, bei filigraneren Stücken, mit einer Zange gebrochen und im korrekten Abstand und Arrangement auf feines Gitternetz geklebt. Mit einer Zeichnung und einem Montageplan gehen die Teile dann an den Fliesenleger, der die Arbeit vor Ort an Wand oder Boden bringt. Das hier gezeigte Mosaik entwarf sie für Privatkunden aus der Normandie.
Gerne arbeitet Dérian eng mit Architekten zusammen, aber auch mit Interior-Designern wie Sandra Pauquet. Für dieses Berliner Bad bekam sie von Pauquet Zeichnungen mit den Maßen der Nische und Wanne und entwickelt nach den Vorgaben mehrere Entwürfe, aus denen die Bauherrschaft ihren Favoriten wählte. „Die Kunden entscheiden, welche Farbe es am Ende wird. Schließlich müssen sie damit leben. Ich selbst mag alle Farben und habe da keine speziellen Präferenzen. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit besteht darin, die Entwürfe an die Wünsche der Bauherren anzupassen und zu personalisieren“, sagt Dérian.
In der Badezimmernische des Apartments in Berlin-Prenzlauer Berg wächst das Muster aus einer Umgebung genormter Fliesen heraus. Akzentuierungen wie diese sind effektvoll und dezent zugleich, und, indem ein Großteil der Fläche aus normalen Fliesen besteht, gar nicht mal so teuer. 400 Euro pro Quadratmeter kostete die Mosaikintervention.
Auch das Badmosaik entwarf Dérian im CAD-Programm, wo die Mosaikidee mit den entsprechenden Farben bereits eine erstaunliche Lebendigkeit entwickelte.
Für das Kreuzberger Restaurant Karloff entwarf Dérian dieses abstrakte Porträt des legendären Frankensteindarstellers und Namensgebers Boris Karloff. Es setzt sich, simpel wie genial, aus halbierten Standardfliesen zusammen und kostete 4000 Euro, 200 pro Quadratmeter. 4 x 5 Meter misst das Fliesenbild.
Je nach Tageszeit und Lichtquelle verändert sich die Wirkung des Mosaiks und gibt dem Raum stets eine edle Prägung. Kein Wunder bei einer Kunst, die fast so alt ist wie die Menschheit selbst.
BÉRYL
Das zweifarbige Muster „Béryl“ erinnert in seiner Zartheit an geklöppelte Spitze.
Flächendeckende Muster entwickelt Dérian immer aus den Standardformaten heraus. So können normale Fiesen mit ihren Mosaiken kombiniert werden. Das ist weniger kostenintensiv. Bei einer Größe von 20 x 20 Zentimetern kostet ein Dérian-Element ab 50 Euro.
Flächendeckende Muster entwickelt Dérian immer aus den Standardformaten heraus. So können normale Fiesen mit ihren Mosaiken kombiniert werden. Das ist weniger kostenintensiv. Bei einer Größe von 20 x 20 Zentimetern kostet ein Dérian-Element ab 50 Euro.
Damaia
Das „Damaia“-Muster ist Teil von Dérians neuster Kollektion. Es setzt sich aus matten und glänzenden Stücken zusammen. Ein Gestaltungsmittel, dessen sich die Mosaizistin gerne bedient: „Je nach Blickwinkel entsteht so im Muster ein zweites Muster.“ 600 Euro kostet Damaia pro Quadratmeter.
Das Muster „Cobalt“ ist von sogenannten Azulejos inspiriert. Dabei handelt es sich um Bilder aus kunstvoll in Blau bemalten Keramikfliesen, wie sie in Spanien und Portugal in der Renaissance weit verbreitet waren. Ein niederländisches Pendant bilden die berühmten Delfter Fliesen.
Auch an diesem Beispiel zeigt sich, wie Dérians Mosaike leicht mit Standardfliesen kombiniert werden können.
Auch an diesem Beispiel zeigt sich, wie Dérians Mosaike leicht mit Standardfliesen kombiniert werden können.
Von Art-Déco-Vorbildern der Zwanzigerjahre ist das „Or-Mosaik“ inspiriert.
Dérian setzt es aus tiefschwarzen und grauen Stücken zusammen und akzentuiert das Muster durch quadratische Fliesen mit einer Oberfläche aus 24-karätigem Gold.
Für ihr Mosaik „Quasiperio” nahm sich Dérian die Struktur aperiodischer Kristalle zum Vorbild – das sind Kristalle, die sich nicht in drei Dimensionen beschreiben lassen, sondern zur vollständigen Beschreibung mehr Dimensionen benötigen. Dérian spricht hier selbst von einer Art organisiertem Chaos, das einen zeitgenössischen Look entfaltet.
Ob sie nun Mosaike in moderner oder klassischer Prägung legt, Dérian hat ihren kreativen Platz in der Welt gefunden. „Ich liebe diese Arbeit“, sagt die Künstlerin. „Ich liebe den Kontakt zu den Menschen, der dabei entsteht. Zurzeit stelle ich das Mosaik für den Boden einer Brüsseler Wohnung her. Er ist das Geschenk einer Tochter an ihre Mutter. Eine Zeichnung des Enkels ist zur Grundlage meines Entwurfs geworden. Auf diese Weise vernetzt sich meine Arbeit mit all diesen Menschen, was mir unglaublich viel Spaß macht und mein Leben bereichert.“
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Die Kunst des Mosaiklegens entdeckte die Architektin eher zufällig; und diese Entdeckung kam wie gerufen in einer Zeit, in der Dérian neue Wege suchte. „Als Architekt zu arbeiten, ist etwas ganz anderes, als Architektur zu studieren. Das Berufsleben war für mich wie die dunkle Seite der Macht. Kreativität machte vielleicht zehn Prozent des Alltags aus. In dieser Phase der Unzufriedenheit stieß ich auf Arbeiten der Mosaikkünstlerin Mathilde Jonquiere. Ich hatte vorher nie gedacht, dass Mosaike Kunst sein könnten“, sagt Dérian. „Für mich waren sie Basteleien von Kindern und Senioren. Meine Meinung änderte sich schlagartig. Ich begriff, welche Möglichkeiten in dem Medium stecken und nahm spontan zwei Wochen frei, um einen Kurs zu besuchen, in dem ich die Technik erlernte.“