Oberlichter – 12 stimmungsvolle Einschnitte in die Dachhaut

Räume von oben mit natürlichem Licht zu erhellen, ist hierzulande immer noch unüblich – wir geben mit ausgewählten Beispielen Anregung dazu

Eva Bodenmüller 31. August 2015

Houzz Deutschland Contributor. Freie Autorin mit Faible für Architektur und Technik, Garten und Kulinarik

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Werden Menschen in unseren Breiten aufgefordert, ein ganz normales Haus zu zeichnen, hat dieses Haus meist einen rechteckigen Grundriss, ein Dach, einen Schornstein, eine Tür und Fenster. Die Fenster sind an den Wänden aufgezeichnet, vielleicht hoch bis in den Giebel. An Fenster im Dach denken die meisten nicht. Sollten sie aber. Denn der Lichteinfall von oben bringt nicht nur zusätzliches Licht in die Räume, sondern kann auch ganz gezielt für Stimmung sorgen.

ARCHITEKTEN BRÜNING REIN

1. Sakral wie die Laterne in einer Kirchenkuppel
Oberlichter lassen eine kontemplative Stimmung entstehen. Ist das Fenster mittig in der Decke platziert, leuchtet es den darunter liegenden Raum diffus aus. In dieser Neubauvilla in Bochum haben die Architekten Brüning Rein den Weg für das Licht gebahnt, indem sie ein rundes Loch in das Dach und die darunter liegende Geschossdecke schnitten. So wird nicht nur der erste Stock, sondern auch der Eingangsbereich im Erdgeschoss ausgeleuchtet. Fast wie in einem Dom!

GETTO + SCHMITT Architekten

2. Leicht wie beleuchtetes Origami
Auch wenn nur punktuell Fenster in die Dachschräge eingesetzt werden: ist alles konsequent weiß gestrichen, kann das Tageslicht einen ganzen Raum hell erleuchten. Denn neben dem direkten Lichteinfall werden die Sonnenstrahlen von allen anderen Wänden reflektiert. Getto + Schmitt Architekten nutzten bei ihrem Einfamilienhaus-Projekt in Neunkirchen am Brand Dachfenster für diesen Effekt.

NIEBERG ARCHITECT atelieraxelnieberg

3. Cool wie die Moderne
Besonders folgerichtig wirken Oberlichter bei Flachdachkonstruktionen. Hier müssen sich Architekten keine Gedanken über die Verschattung der Fenster durch den Giebel machen. Das Licht kann den ganzen Tag über frei einfallen. Langgestreckte Oberlichter lassen Räume tiefer wirken und geben eine Richtung vor. Das Atelier Axel Nieberg kombiniert in diesem Wohnhausprojekt in Braunschweig kühle Materialien wie Beton, Stahl und Glas. Die Atmosphäre im Inneren ist eng an die äußeren Lichtverhältnisse gebunden.

Michael Biondo Photography

4. Bunt wie Transparentpapier
Welche Stimmung im Raum erzeugt wird, lässt sich steuern. Der Verweis auf die Umgebung fehlt, da lediglich der Blick in den Himmel gewährt wird. Eine Lösung für Heiterkeit auch bei trübem Himmel zeigen die knallorangefarbenen Platten, die das Oberlicht des Kent Contemporary House umrahmen.

5. Grafisch wie eine Zeichnung
Das Spiel mit Licht und Schatten kann durchaus subtil sein, wie diese Lichtinszenierung von DG/D Architekten zeigt. Die Staffelung entsteht durch einen Blick aus dem Erd- ins Obergeschoss, wo durch einen Lichtschacht noch eine Tiefenebene hinzukommt. In der Villa in Frankfurt am Main entsteht dadurch eine fast mystische Atmosphäre geben.

Julia Schoppe

6. Durch Holz so erdig wie ein Garten
Helligkeit bestimmt nicht nur den Wohlfühlfaktor, sondern auch, wie die Bewohner einen Raum nutzen können. Inmitten einer üppigen Natur sollten auch die Innenräume eines Hauses möglichst natürlich sein. In diese Wohnküche in Kremkau fällt das Sonnenlicht durch ein Blätterdach. Der Raum darunter wirkt dadurch wie ein Baumhaus. Dabei liegt die Wohnküche, wie der gesamte Wohnbereich, im Erdgeschoss eines Gewächshauses.

Mehr: Eine Familie lebt im Gewächshaus >>>

RESONATOR Coop Architektur + Design

7. Ein Spotlight wie im Theater
Die Beleuchtung des Essplatzes ist ein entscheidender Faktor dafür, wie Mahlzeiten verlaufen. Ein gleichmäßig ausgeleuchteter Raum kann ungemütlich wirken. Gezielt eingesetztes Licht hingegen fokussiert auf das Geschehen im Kegel. Über dem Esstisch – wie hier in einem Wohnhausanbau in Amersfoort, Utrecht, von Resonator Coop Architektur und Design – vermittelt es den Speisenden ein Gemeinschaftsgefühl und fördert die Kommunikation. Und man isst unter dem Oberlicht fast wie unter freiem Himmel…

Heike Schley Architektin

8. Zurückhaltend wie eine Leseleuchte
Am Arbeitsplatz lässt gezielt eingesetztes Licht die Umgebung in den Hintergrund treten. Die Konzentration liegt nur auf den zu bewältigenden Aufgaben. Ein schönes Beispiel hierfür ist die Beleuchtung in der Bibliothek eines Wohnhauses von Architektin Heike Schley. Die Wände sind hier den Büchern vorbehalten, und die verglaste Balkontür am schmalen Ende des Raumes ist keineswegs als einzige Lichtquelle geeignet. Ausreichend Tageslicht fällt durch das langgezogene Oberlicht.

AMUNT Architekten

9. Kontemplativ wie eine Mönchszelle
Der Einsatz von Licht bedeutet auch immer ein Spiel mit der Dunkelheit: Die Bereiche außerhalb des direkten Lichtfokus dienen als Ruhepole. In diesem Zusammenhang sind Oberlichter von Vorteil, da sie keinen direkten Blick auf die Umgebung erlauben. Und dass Oberlichter nicht nur bei Tag nützlich sind, zeigen AMUNT Architekten Martenson und Nagel Theissen in diesem Kinderzimmer: Mit dem Bett auf der Galerie steht dem Blick in den Sternenhimmel höchstens eine Wolkendecke im Weg.

designcubed

10. Hell wie im Südsee-Ambiente
Das Wetter und die geografische Lage spielen bei der Entscheidung für Oberlichter allgemein eine wichtige Rolle. Im Süden ist das Licht generell stärker. Mithin können die Fenster kleiner sein. Zudem ist direkte Sonneneinstrahlung in den Wohnraum immer auch mit Wärme verbunden. Bei hohen Außentemperaturen schützen Mauern vor Hitze in den Innenräumen. Oberlichter sind hier nur mit entsprechender Sonnenschutzvorrichtung sinnvoll.

So wäre das Hofhaus im Süden Londons kaum für wirklich südliche Gefilde geeignet, auch wenn es den Anschein erweckt. Die Verbindung zwischen Innen und Außen verschmilzt, die Tür wird zur Lichtquelle – insofern könnte es auch in Andalusien stehen. Doch diese traditionelle Art der Tageslichtbeleuchtung haben die Architekten von Designcubed mit einem Oberlicht direkt über dem Essplatz kombiniert. Unter südlicher Sonne müsste dann zumindest für die Sommermonate noch eine Verschattung eingebaut werden. Doch für das kühle London ist es eine optimale Lösung.

Möhring Architekten

11. Charmant wie in alten Industriebauten
In unseren Breiten, mit relativ dunklen Wintertagen und meist verhangenem Himmel, sind Oberlichter eine willkommene zusätzliche Lichtquelle. Der Lichteinfall unterliegt allerdings starken saisonalen Schwankungen. Das wiederum ist auch eine Chance. Wie Möhring Architekten im Projektbericht zu ihrem Hofhaus im Boddendorf Born sagen, sollten Innen- und Außenräume noch stärker verschmelzen und die jahreszeitlichen Stimmungen mit dem Wohnraum verbunden werden. Daher haben die Architekten die Küche und den Wohnraum mit einem durchgehenden Oberlicht versehen.

Leicht Küchen AG

12. Inszenierend wie in einer Kunstgalerie
Licht in Räumen kann aus unterschiedlichsten Quellen kommen. Möglichst viel Tageslicht zu nutzen, erscheint im Sinne ökologischen Wirtschaftens sinnvoll und zeitgemäß. Daher sind Oberlichter auf jeden Fall eine Ergänzung zu gängigen Lichtkonzepten. Besonders schön, wenn der Lichteinfall vom Dach durch den Glasboden des Obergeschosses bis in das Erdgeschoss reicht, wie es in diesem Schweizer Wohnhaus der Fall ist.

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midmodfan

Superschöne Beispiele. Fensterbänder gefallen mir ganz besonders.

Dagegen kommt mir das 80x80 cm große Flachdach-Oberlicht in meinem Bad geradezu popelig vor. Aber immerhin lässt es sich per Fernbedienung öffnen, und es verhilft dem kleinen, vorher fensterlosen Raum zu einer luftig-lichten Atmosphäre, so dass ich jeden Tag froh bin, dass wir es haben einbauen lassen.

1 „Gefällt mir“ 31. August 2015 um 21:38