Patricia Urquiola im Interview: „Zeit ist für mich wahrer Luxus“
Eine der bekanntesten Designerinnen erzählt uns, wie sie bei ihrer Arbeit vorgeht und was sie beim Dekorieren beherzigt
Rafael F. Bermejo
1. April 2018
Patricia Urquiola war in den letzten zehn Jahren mit einem ganzen Dutzend neuer Designs für verschiedene Hersteller auf der internationalen Mailänder Möbelmesse Salone del Mobile präsent. Dass sie so produktiv ist, ist für sie selbstverständlich. Die 1961 geborene Urquiola stammt ursprünglich aus Oviedo, Spanien. Später studierte sie in Mailand Architektur, wo sie auch heute noch mit Mann und Kindern wohnt und mit Liebe zum Detail Tische, Stühle, Sofas, Sessel und Teppiche entwirft sowie neue Materialien und Verfahren erprobt. Inspiration dafür findet sie überall – ob bei einem Besuch im Museum oder einem guten Buch. Eine ihrer neuesten Kreationen ist der Stuhl „Nuez“ für Andreu World. Die leichte und bequeme Sitzfläche schuf sie, indem sie mit einem Blatt Papier experimentierte – ein Prozess, der insgesamt zwei Jahre gedauert hat. Wir haben die Designerin interviewt und sie zu ihrem Leben, ihrer Arbeit und ihren Inspirationsquellen befragt.
Patricia Urquiola in dem Stuhl „Nuez“ (2017), den sie für Andreu World entworfen hat
Sie sind eine erfolgreiche Designerin, die hohes Ansehen genießt. Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?
Ich möchte meine Arbeit fortführen, denn sie ist meine wahre Leidenschaft.
Was machen Sie, wenn sie gerade nicht arbeiten?
Ich gehe gern mit meiner Familie ins Kino oder ins Museum. Eigentlich ist alles, was ich mache, eine immerwährende Recherche, die ich für meine Arbeit nutze.
Sie sind eine erfolgreiche Designerin, die hohes Ansehen genießt. Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?
Ich möchte meine Arbeit fortführen, denn sie ist meine wahre Leidenschaft.
Was machen Sie, wenn sie gerade nicht arbeiten?
Ich gehe gern mit meiner Familie ins Kino oder ins Museum. Eigentlich ist alles, was ich mache, eine immerwährende Recherche, die ich für meine Arbeit nutze.
Was ist für Sie das Wichtigste beim Designen und Gestalten? Welche Tipps haben Sie für die vielen Houzz-User parat?
Das Wichtigste ist Empathie, wenn ich mich Räumen und Menschen nähere. Ich suche Inspiration immer im direkten Kontakt. Ich mag es, zuzuhören, Netzwerke zu knüpfen, Bedürfnisse zu erkennen, um dann individuelle Lösungen zu finden. Ein Zuhause hat heute eine andere Bedeutung als früher. Wir sollten versuchen, so gut wie möglich zu verstehen, was uns an den Ort, an dem wir leben, bindet. Abgesehen davon gilt: Sobald man anfängt, nach Schema F vorzugehen, hört man auf, etwas Neues zu schaffen.
Das Wichtigste ist Empathie, wenn ich mich Räumen und Menschen nähere. Ich suche Inspiration immer im direkten Kontakt. Ich mag es, zuzuhören, Netzwerke zu knüpfen, Bedürfnisse zu erkennen, um dann individuelle Lösungen zu finden. Ein Zuhause hat heute eine andere Bedeutung als früher. Wir sollten versuchen, so gut wie möglich zu verstehen, was uns an den Ort, an dem wir leben, bindet. Abgesehen davon gilt: Sobald man anfängt, nach Schema F vorzugehen, hört man auf, etwas Neues zu schaffen.
Wohntrends kommen und gehen. Sollten wir solche Trends nicht endlich ignorieren und unser Zuhause so einrichten, dass es gemütlich ist und zu unserem individuellen Lifestyle passt?
Ich glaube nicht an Trends. Wie gesagt: Ich interessiere mich vielmehr für Dinge wie Empathie oder ein Gefühl für Raum und Zeit. Jedes neue Projekt beginnt als weißes Blatt Papier. Und ich versuche, die Bedürfnisse der Menschen zu visualisieren und das Projekt auf der Grundlage der eben genannten Konzepte zu entwickeln.
Aktuell erlebt das Interior Design allerdings schwere Zeiten: Die Leute sehnen sich nach Trends, weil sie ein nostalgisches Gefühl von Wärme und Vertrautheit hervorrufen, so, wie es bei den Dingen vergangener Zeiten oft der Fall ist.
Ich glaube nicht an Trends. Wie gesagt: Ich interessiere mich vielmehr für Dinge wie Empathie oder ein Gefühl für Raum und Zeit. Jedes neue Projekt beginnt als weißes Blatt Papier. Und ich versuche, die Bedürfnisse der Menschen zu visualisieren und das Projekt auf der Grundlage der eben genannten Konzepte zu entwickeln.
Aktuell erlebt das Interior Design allerdings schwere Zeiten: Die Leute sehnen sich nach Trends, weil sie ein nostalgisches Gefühl von Wärme und Vertrautheit hervorrufen, so, wie es bei den Dingen vergangener Zeiten oft der Fall ist.
Der Stuhl „Nuez“, den Sie für Andreu World entworfen haben, ist schlicht und trotzdem vielseitig. Er passt toll in den öffentliche Raum, eignet sich aber auch für zu Hause. War das Ihre Absicht? Was macht diesen Stuhl Ihrer Meinung nach so besonders?
Ich wollte eine Sitzfläche entwerfen, die aussieht wie ein gefaltetes Stück Papier. Dank der Falten und Wölbungen wirkt das Material besonders weich. „Nuez“ ist eine flexible Oberfläche, die den menschlichen Körper umschmiegt, wenn er darin Platz nimmt. Er ist umhüllend, anregend, warm und gleichzeitig technisch anspruchsvoll.
Ich wollte eine Sitzfläche entwerfen, die aussieht wie ein gefaltetes Stück Papier. Dank der Falten und Wölbungen wirkt das Material besonders weich. „Nuez“ ist eine flexible Oberfläche, die den menschlichen Körper umschmiegt, wenn er darin Platz nimmt. Er ist umhüllend, anregend, warm und gleichzeitig technisch anspruchsvoll.
Crinoline-Sessel aus Polyethylen und Manilahanf (2009) von Patricia Urquiola für B&B Italia
Sie arbeiten für nationale und internationale Marken (darunter Andreu World, Kettal, GAN, B&B Italia, Moroso und Boffi) sowie als Art Director, zum Beispiel für Cassina. Wie schaffen Sie es, so viele verschiedene Stile für so viele verschiedene Häuser zu entwerfen?
Jede Marke hat ihre eigene Geschichte und verlangt meist auch eine sehr spezielle Vorgehensweise. Ich versuche, mit jedem Kunden, mit dem ich zusammenarbeite in einen individuellen Dialog zu treten. Dabei fokussiere ich mich immer zu 100 Prozent auf das jeweilige Unternehmen. Nur so kann ich die Beziehungen zu ihren Kunden und deren Bedürfnisse verstehen und schließlich in meinen Ideen ausdrücken. Ich respektiere die Identität eines jeden Unternehmens und versuche, es in seiner Entwicklung zu unterstützen.
Sie arbeiten für nationale und internationale Marken (darunter Andreu World, Kettal, GAN, B&B Italia, Moroso und Boffi) sowie als Art Director, zum Beispiel für Cassina. Wie schaffen Sie es, so viele verschiedene Stile für so viele verschiedene Häuser zu entwerfen?
Jede Marke hat ihre eigene Geschichte und verlangt meist auch eine sehr spezielle Vorgehensweise. Ich versuche, mit jedem Kunden, mit dem ich zusammenarbeite in einen individuellen Dialog zu treten. Dabei fokussiere ich mich immer zu 100 Prozent auf das jeweilige Unternehmen. Nur so kann ich die Beziehungen zu ihren Kunden und deren Bedürfnisse verstehen und schließlich in meinen Ideen ausdrücken. Ich respektiere die Identität eines jeden Unternehmens und versuche, es in seiner Entwicklung zu unterstützen.
Stuhl „Nuez“ (2017) von Patricia Urquiola für Andreu World
Ist das Ihr „Trick“, damit die Leute sich an Ihren Designs nicht sattsehen?
Ja. Außerdem klebe ich nicht an einem bestimmen Stil. Ich höre nie auf, mein Umfeld zu beobachten. Das sind die Ressourcen, aus denen ich schöpfe. Außerdem hilft es mir dabei, zu antizipieren, was im Design als Nächstes kommt und wie ich das Ganze in meiner Arbeit adäquat ausrücken kann.
Ist das Ihr „Trick“, damit die Leute sich an Ihren Designs nicht sattsehen?
Ja. Außerdem klebe ich nicht an einem bestimmen Stil. Ich höre nie auf, mein Umfeld zu beobachten. Das sind die Ressourcen, aus denen ich schöpfe. Außerdem hilft es mir dabei, zu antizipieren, was im Design als Nächstes kommt und wie ich das Ganze in meiner Arbeit adäquat ausrücken kann.
Sie haben Wohnhäuser und Hotels weltweit eingerichtet. Was macht gutes Interior Design zu Hause aus? Was sollte eine Zuhause haben, was ein Hotel nicht hat?
Eine Wohnung muss zu den täglichen Bedürfnissen passen. Manchmal geht es nur darum, die unterschiedlichen Bedürfnisse in Einklang zu bringen. Bei einem Hotel dagegen überlege ich, was die Leute brauchen, wenn sie nicht zu Hause sind. Auch der genius loci ist sehr wichtig für mich. Bei einem Hotel etwa versuche ich, durch die Wahl der Farben und Materialien den Ort selbst sprechen zu lassen, sodass sich die Gäste während ihres Aufenthaltes rundum wohl fühlen.
Eine Wohnung muss zu den täglichen Bedürfnissen passen. Manchmal geht es nur darum, die unterschiedlichen Bedürfnisse in Einklang zu bringen. Bei einem Hotel dagegen überlege ich, was die Leute brauchen, wenn sie nicht zu Hause sind. Auch der genius loci ist sehr wichtig für mich. Bei einem Hotel etwa versuche ich, durch die Wahl der Farben und Materialien den Ort selbst sprechen zu lassen, sodass sich die Gäste während ihres Aufenthaltes rundum wohl fühlen.
Sofa „Tufty-Time“ (2005): Patricia Urquiola für B&B Italia
Farben bestimmen Ihr Design. Wie setzen Sie sie in Ihrer Arbeit ein?
Farben können ungemein hilfreich sein. In manchen Projekten stehen die Farben im Mittelpunkt. Das ist aber nicht immer so und hängt vom jeweiligen Projekt ab. Beim Sereno Hotel am Comer See zum Beispiel waren die Farben der umliegenden Landschaft Ausgangspunkt des Designs.
Farben bestimmen Ihr Design. Wie setzen Sie sie in Ihrer Arbeit ein?
Farben können ungemein hilfreich sein. In manchen Projekten stehen die Farben im Mittelpunkt. Das ist aber nicht immer so und hängt vom jeweiligen Projekt ab. Beim Sereno Hotel am Comer See zum Beispiel waren die Farben der umliegenden Landschaft Ausgangspunkt des Designs.
Sessel „Husk“ aus hochdichtem Polyurethan-Kunstharz (2012) von Patricia Urquiola für B&B Italia
Für Designer Miguel Milá ist Komfort der größte Luxus. Was ist für Sie der größte Luxus, wenn es um Möbeldesign geht?
Für mich ist der wahre Luxus Zeit, genauer: frei über die Zeit bestimmen zu können, anstatt sich von ihr kontrollieren zu lassen.
Für Designer Miguel Milá ist Komfort der größte Luxus. Was ist für Sie der größte Luxus, wenn es um Möbeldesign geht?
Für mich ist der wahre Luxus Zeit, genauer: frei über die Zeit bestimmen zu können, anstatt sich von ihr kontrollieren zu lassen.
Wie sieht es bei Ihnen zu Hause aus?
Mein Zuhause ist sehr praktisch eingerichtet, und es verändert sich ständig. Ich baue nichts selbst, und ich bin auch keine Sammlerin. Die meisten Dinge bei mir zu Hause sind Teil irgendeines Projekts, sie kommen und gehen. Das heißt nicht, dass ich sie unbedingt wieder loswerden will, sondern nur, dass ich sie durch neue ersetze. Außerdem finden viele meiner Prototypen ihren Weg zu mir nach Hause, während Dinge aus dem Haus irgendwann im Studio landen. Mein größter Antrieb ist meine Neugier, und mein Zuhause ist im ständigen Wandel.
Mein Zuhause ist sehr praktisch eingerichtet, und es verändert sich ständig. Ich baue nichts selbst, und ich bin auch keine Sammlerin. Die meisten Dinge bei mir zu Hause sind Teil irgendeines Projekts, sie kommen und gehen. Das heißt nicht, dass ich sie unbedingt wieder loswerden will, sondern nur, dass ich sie durch neue ersetze. Außerdem finden viele meiner Prototypen ihren Weg zu mir nach Hause, während Dinge aus dem Haus irgendwann im Studio landen. Mein größter Antrieb ist meine Neugier, und mein Zuhause ist im ständigen Wandel.
Worauf könnten Sie zu Hause nicht verzichten?
Auf Bücher, ich bin nämlich unentwegt am Lesen und Recherchieren.
Mehr Einrichtungstipps im Magazin entdecken
Auf Bücher, ich bin nämlich unentwegt am Lesen und Recherchieren.
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Es passiert mir nicht oft, aber in diesem Fall schon:
Ich bin ein großer Fan ihrer Designsprache - und gehe absolut d'accord mit der Definition von Luxus. Ihre Herangehensweise bezüglich Emphatie, weißer Blätter und der individuellen Einzelstellung jedes Kunden sowie der immerwährenden Recherche deckt sich ebenfalls 100% mit meiner Vorstellung. Wie gesagt; ein großer Fan..