Vorher-Nachher: Schiefe Hülle neu belebt
Eine Mühle von 1818 wird zweihundert Jahre später zum Wohnhaus für eine Familie
Eva Bodenmüller
6. Juli 2023
Houzz Deutschland Contributor. Freie Autorin mit Faible für Architektur und Technik, Garten und Kulinarik
Houzz Deutschland Contributor. Freie Autorin mit Faible für Architektur und Technik,... Mehr
Das Hofensemble, zu dem die Mühle gehört, ist seit mehr als vierhundert Jahren in Familienbesitz. Die meisten der alten Gebäude stehen unter Denkmalschutz und werden dennoch bis heute genutzt. Obwohl nicht mehr in ihrer ursprünglichen Funktion, war auch die Mühle noch aktiver Bestandteil der landwirtschaftlichen Nutzung. Sie diente mit dem 1900 hinzugekommenen Anbau als Unterstand für einen Teil des Fuhrparks. Nun hatte sich die Tochter der Familie entschlossen, hier mit Mann und Kindern zu wohnen. Für den Umbau holte sich die Baufamilie Hilfe von Gröne Architektur, die bereits in dritter Generation in der Gegend denkmalgeschützte Gebäude sanieren und ihnen durch Umnutzung wieder Leben einhauchen.
Auf einen Blick
Hier wohnt: die Tochter der Hofbesitzerfamilie mit ihrem Mann und den beiden kleinen Kindern
Auf: 160 Quadratmetern
Im: Delbrücker Land bei Paderborn
Bauweise: Fachwerk mit Ziegelmauerwerk außen, Holzständerbauweise mit Stahlträgern innen
Umbaukosten: rund 450.000 Euro bei viel Eigenleistung
Projektejahr: 2018
Expertise von: Gröne Architektur
Fotos: David Keuer
Hier wohnt: die Tochter der Hofbesitzerfamilie mit ihrem Mann und den beiden kleinen Kindern
Auf: 160 Quadratmetern
Im: Delbrücker Land bei Paderborn
Bauweise: Fachwerk mit Ziegelmauerwerk außen, Holzständerbauweise mit Stahlträgern innen
Umbaukosten: rund 450.000 Euro bei viel Eigenleistung
Projektejahr: 2018
Expertise von: Gröne Architektur
Fotos: David Keuer
Ein Teil des Ganzen. Die Mühle gehört zu einem Hofensemble, dessen Gebäude bis heute fast unverändert genutzt werden. Dabei wurden immer wieder einzelne Gebäude denkmalgerecht saniert. Teilweise, wie beim alten Kornspeicher, von der Besitzerfamilie in Eigenregie und in enger Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde.
„Die Familie hat eine hohe Wertschätzung für den Gebäudebestand. Selbst bei den Stallungen geht Erhalten vor Abreißen“, erklärt Architekt David Keuer, Projektleiter bei Gröne Architektur. Die Eltern der Bauherrin und ihr Bruder, der den Hof bewirtschaftet, wohnen in einem ebenfalls sanierten Vierständerhaus.
„Die Familie hat eine hohe Wertschätzung für den Gebäudebestand. Selbst bei den Stallungen geht Erhalten vor Abreißen“, erklärt Architekt David Keuer, Projektleiter bei Gröne Architektur. Die Eltern der Bauherrin und ihr Bruder, der den Hof bewirtschaftet, wohnen in einem ebenfalls sanierten Vierständerhaus.
VORHER: Die Scheune bestand aus einem großen Raum. Ihr großzügiger Charakter sollte erhalten bleiben.
Innen wohnen, außen Denkmal. „Das Credo bei diesem Projekt war, so wenig wie möglich einzugreifen“, erklärt der Architekt. Der Charakter des bis unter den First offenen Gebäudes sollte erhalten bleiben. Da es sich um ein Baudenkmal handelt, lag dies auch im Sinne des Denkmalschutzes. Im Prinzip wurde ein Haus-im-Haus-Konzept umgesetzt. Dafür wurde nicht die gesamte Fläche des Gebäudes benötigt. „Der Bedarf war nicht da, die gesamte Fläche auszubauen. Dadurch konnten wir die Kosten senken. Zudem sind das Fachwerk und das Dachgestühl in den nicht beheizten Räumen erlebbar“, so Keuer.
Länglich und etwas windschief. Die alte Mühle ist nicht ganz im Lot, nicht jede Wand gerade. Doch daran sollte nichts geändert werden. „Wir haben nichts begradigt und korrigiert. Außen sieht die Mühle immer noch aus wie vor der Sanierung“, so der Architekt. Allerdings wurden die umlaufenden Schwellen insgesamt ausgetauscht. Der Rest der Bausubstanz war noch einwandfrei erhalten.
Dämmung ohne Folie. „Die Konstruktion von Fachwerkhäusern macht es unmöglich, eine Folie als Dampfbremse zu verwenden. Wir haben daher auf Lehm gesetzt, der die Feuchtigkeit speichert und diffusionsoffen ist“, erklärt der Architekt. Für die Innendämmung wurde eine Lehmtrockenschüttung verwendet, die Pflanzgranulat gleicht. Ein ideales Material, wenn die Hohlräume nicht überall gleichmäßig sind. Denn diese flexible Dämmmasse füllt die Hohlräume zwischen den vorhandenen Außenwänden und dem neu errichteten inneren Haus aus. Dieses Haus im Haus wurde in Holzständerbauweise errichtet und mit Hanfplatten beplankt, die an den äußeren Wänden zugleich als „verlorene Schalung“ für die Lehmschüttung dienen, da sie nicht – wie bei Schalungen sonst üblich – zurückgebaut werden.
Keine neuen Öffnungen. Die Hülle blieb weitestgehend erhalten, es wurden keine zusätzlichen Öffnungen eingeschnitten – auch nicht für Dachflächenfenster oder Gauben. „Wir haben Fenster und Türen in die vorhandenen Öffnungen eingesetzt. Zusätzlich haben wir auch Fenster hinter das Fachwerk gesetzt, die größer als die eigentliche Öffnung sind. Dadurch geht der Blick auf das Mauerwerk“, erklärt Keuer. Dieser Effekt ist beispielsweise in der Küche sichtbar, wo ein Teil der Ausfachungen herausgenommen und eine Glasscheibe innen vor die gesamte Fläche gesetzt wurde. Die Fenster sitzen nun innen bündig.
VORHER: Wo früher Türen in die Scheune führten und kleine Fenster wenig Licht in den Innenraum brachten, liegt heute die Küche.
Zwei Geschosse mit viel Luftraum. Das Raumprogramm ist genau auf die Bedürfnisse der Familie zugeschnitten. Weder wurde die gesamte Innenfläche als Wohnraum umgebaut, noch der Wohnraum insgesamt über zwei Geschosse angelegt. Vielmehr gibt es über Küche und Essplatz einen fast acht Meter hohen Luftraum. „Es war einfach nicht notwendig, hier eine komplette Ebene einzuziehen“, so der Architekt.
Grundriss Obergeschoss. Ganz klassisch mutet das Raumkonzept an. Im Obergeschoss liegen Kinderzimmer, Bad und Gästezimmer sowie eine Galerie zum Luftraum über dem Wohnbereich im Erdgeschoss.
Grundriss Erdgeschoss. Im Erdgeschoss sind das Elternschlafzimmer, ein Arbeitszimmer und ein Bad sowie der offene Wohn-, Koch- und Essbereich untergebracht. Im nicht beheizten, aber überdachten Hausteil ist zusätzlicher Platz für größere Feiern.
Wiederverwendbar. Ein Teil der verwendeten Materialien war bereits vorhanden. Die Holzdielen etwa, die für die Küchenfronten und die Treppenstufen genutzt wurden, lagerten schon länger auf einem Stapel. Alte Stahlfenster wurden aufgearbeitet. Hinzu kam unbehandelter, geölter Stahl beispielsweise als Unterzug bei der Treppe und als Rahmen für die riesige Glasscheibe im Treppenraum. Das Holz hingegen stammt aus dem eigenen Wald der Baufamilie. „Die Bauweise ist ganz im Sinne des Denkmalschutzes. Denn alles kann auch rückstandslos wieder zurückgebaut werden“, erläutert der Architekt.
Eigenleistung senkt die Kosten. Von der ersten Skizze bis zum Einzug sind ganze drei Jahre vergangen. Doch pünktlich zum zweihundertjährigen Jubiläum des Hauses konnte die Baufamilie einziehen. Zuvor stand viel Arbeit an, bei der die Baufamilie kräftig selbst mit angepackt hat. So griff sie zu Hammer und Spaten, um den Boden auszukoffern, damit ein neues Fundament gegossen werden konnte. Auch die Stahlfenster baute sie selbst aus, bürstete und ölte sie sorgfältig. Dieses Engagement senkte die Baukosten.
Noch mehr aber konnte gespart werden, weil eben nicht das gesamte Gebäude über zwei Ebenen ausgebaut werden musste. „Es gab einfach keinen Grund, noch mehr Fläche auszubauen“, erklärt der Architekt, der immer auch den Kostenrahmen im Blick hatte.
Noch mehr aber konnte gespart werden, weil eben nicht das gesamte Gebäude über zwei Ebenen ausgebaut werden musste. „Es gab einfach keinen Grund, noch mehr Fläche auszubauen“, erklärt der Architekt, der immer auch den Kostenrahmen im Blick hatte.
Von außen alles beim Alten. Wer heute an der alten Mühle vorbeigeht, wird kaum eine Veränderung feststellen. Und das ist genau das, was alle Beteiligten wollten. „Der Baufamilie war es nicht so wichtig, wie das Haus außen aussieht. Sie haben das Konzept der Sanierung und Umnutzung verstanden“, freut sich Keuer. Besonders reizvoll ist es, wenn durch die Lattung des Giebels das Sonnenlicht in den Innenraum fällt – oder nachts das Licht aus dem Innenraum durch die Ritzen dringt.
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wow, super toll gemacht, den Charakter des Gebäudes erhalten und sehr geschmackvoll ausgebaut und gestaltet, farblich harmonisch und modern.
Wünsche viel Spaß....