Vorher-Nachher: Wohnen in einer Sandsteinscheune von 1843
Eine ehemals als Lagerraum genutzte Scheune hat sich eine Familie zum Zuhause umgebaut – mit Farbkonzept von Corbusier
In der Oberpfalz entdeckte eine junge Familie auf der Suche nach Wohnraum eine alte Sandsteinscheune, die sie gerne zu ihrem neuen Zuhause umgestalten wollte. Aber würde das gehen? Vor dem Kauf bat sie das Team von Fabi Architekten um eine Einschätzung. Die Profis waren ebenfalls begeistert und standen der Familie beim Entwurf und der Planung, der Zusammenarbeit mit der Denkmalschutzbehörde und während des Umwandlungsprozesses beratend zur Seite.
Eine alte Lagerscheune am Bach. Die Sandsteinscheune gehört zu einem Dreiseithof und wurde überwiegend als Lager genutzt. Darauf weisen vor allem die erhöhten Bereiche hin, die Getreide vor Hochwasser aus dem benachbarten Bach schützen sollten. Aufgrund ihrer Nutzung hatte die Scheune einen hallenartigen Charakter und eignete sich damit gut für einen Ausbau. Allerdings steht sie unter Denkmalschutz, was bei allen Baumaßnahmen eine enge Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde erforderte.
Gute Rohbausubstanz. „Über achtzig Prozent der Gebäudesubstanz waren erhaltenswert“, erklärt Architektin Nina Fabi. An der statischen Grundstruktur musste nichts verändert werden. Ein angrenzender Schuppen war dagegen in keinem guten Zustand. Er durfte abgerissen und durch einen neuen ersetzt werden. Der dient jetzt als Kellerersatz. Denn die Sandsteinscheune ist nur in einem kleinen Bereich unterkellert, der heute die Haustechnik beherbergt.
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Vorhandene Öffnungen nutzen. Zu den Vorteilen der Scheunenstruktur gehören auch die großen Öffnungen auf drei Seiten. „In den 1970er-Jahren vorgenommene Veränderungen haben wir wieder zurückgebaut und damit geheilt“, erklärt die Architektin. Heute führt eines der Tore vor dem Essplatz hinunter in den Garten, eines schenkt dem Wohnzimmer einen ebenerdigen Zugang ins Freie und das dritte verbirgt die Eingangstür.
„Das Scheunentor steht eigentlich immer offen. Die Eingangstür dahinter haben wir eingesetzt, um den Wärmeschutzanforderungen gerecht zu werden“, so Fabi. Die Zugänge auf unterschiedlichen Ebenen verweisen auch auf den Höhenversprung im Inneren des Gebäudes.
VORHER: In den 1970er-Jahren wurden einige Öffnungen verändert. Im Zuge des Umbaus wurde der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt.
Weitere Öffnungen in der Fassade sind die kleinen Lüftungsschlitze. Sie wurden durch bündig an der Innenwand sitzende Fenster verschlossen. „Die blaue Farbe der Fensterrahmen kam wie von selbst. Die Baufamilie wollte keine braunen oder schwarzen Fensterrahmen“, erinnert sich die Architektin. Ein Glücksfall waren die Gauben, die erst in den 1970er-Jahren hinzugekommen waren. Anders als die Öffnungen im Erdgeschoss wurden sie erhalten, genießen auch aus denkmalpflegerischer Sicht Bestandsschutz.
Viel erhalten, sichtbar ergänzen. Zu den Erhaltungsmaßnahmen gehörte vor allem, die Fassade auszubessern, Risse zu reparieren und Steine auszutauschen. Innen war es das erhöhte Plateau, dessen maroder Zustand eine Erneuerung erforderte. Heute ist es in Beton ausgeführt. „Wie der Stauraum darunter genutzt werden soll, hat die Familie noch nicht ganz entschieden“, verrät Fabi, die sich hier auch Schränke vorstellen könnte. „Die Baufamilie ist sehr eigenständig.“
VORHER: Der um einen Meter erhöhte Boden des hinteren Scheunenteils war marode und wurde durch ein neues Podest ersetzt.
Was neu ist, sollte sich vom Alten abheben. Ins Auge fällt hier die schwarze Stahltreppe, die durch ihre leichte, moderne Konstruktion die alte Struktur aufbricht. Auch marode Stahl- und Holzträger wurden ersetzt. Der von Schädlingen befallene Dachstuhl konnte nach einer Thermobehandlung erhalten bleiben, ganz ohne den Einsatz von Chemie.
„Ich finde es immer schön, wenn alte Elemente erhalten werden können“, freut sich Fabi. Manches blieb auch nur in Bruchstücken erhalten, wie die Ziegelwand, die die Küche rahmt. Dazu gehört auch das kleine Fenster, das Küche und Wohnzimmer verbindet.
Farbkonzept nach Le Corbusier. Wie sich bei der Farbwahl der Fenster oder bei der Gestaltung der Küche zeigt, legte die Baufamilie auch auf ein passendes Farbkonzept Wert. Es basiert auf der Polychromie von Le Corbusier. „Die gedeckte Farbpalette passt hervorragend in einen Altbau“, erklärt Fabi.
Raumprogramm ordnet sich Bestand unter. „Der Bauherr hat großen Respekt vor der Substanz bewiesen und zugestimmt, die Nutzung der Konstruktion unterzuordnen. Dadurch konnten wir beispielsweise die zusätzlich vorhandene diagonale Aussteifung im Dachstuhl erhalten“, berichtet die Architektin.
VORHER: Die filigrane Holzkonstruktion ragt in den Raum hinein. Dennoch konnte sie erhalten werden. Die Raumnutzung ordnet sich unter.
An anderer Stelle lag der Kompromiss darin, den Lagerhallencharakter etwas zurückzunehmen, um mehr Räume zu erhalten. Dennoch wird immer wieder die Großzügigkeit des Gebäudes betont. Etwa durch den bis in die zentrale Gaube offenen Luftraum über dem Essplatz. Auch die Treppe öffnet sich zu diesem Luftraum und profitiert durch eine an dieser Stelle filigrane Absturzsicherung vom einfallenden Licht.
Energetisch verbessert. „Das Gebäude energetisch in den Griff zu bekommen, war nicht ganz einfach. Denn die Fassade musste erhalten bleiben“, erzählt Fabi. Kompromisse waren notwendig. So wurde innen ein Wärmedämmputz aufgetragen, teilweise gibt es Wandheizungen auf den Sandsteinmauern und eine Fußbodenheizung. Eine Dämmung von unten war nicht möglich. Geheizt wird über eine Luftwärmepumpe, der Holzofen dient als Ergänzung. Die neuen Versorgungsstränge führen auf kurzen Wegen in den teilunterkellerten Bereich, in dem die Haustechnik untergebracht ist.
Eigenleistung reduziert Kosten. Die Investitionen in dieses Projekt waren nicht gering, wie die Architektin erklärt: „Das Baupaar hat viel selbst gemacht, unter anderem die ganzen Balken abgeschliffen und lasiert. Es steckt viel Eigenleistung in diesem Projekt.“ Mit dem Kauf der Sandsteinscheune hat die Baufamilie quasi einen Rohbau erworben und konnte so eine Menge CO₂ einsparen, die beim Bauen immer anfällt. So ist nicht nur neuer, sondern obendrein nachhaltiger Wohnraum entstanden.
Hier wohnt: eine junge Familie mit einem Kind
Auf: 227 Quadratmetern
In: Kemnath in der Oberpfalz
Bauweise: Sandsteinmauerwerk
Expertise von: Fabi Architekten
Fotos: Herbert Stolz