Wie können wir unser Umfeld grüner gestalten? Ideen & Ansätze
Die Sehnsucht zur Natur wächst. Expert*innen erzählen, welche Auswirkungen das auf Architektur und Gesellschaft hat
Houzz Deutschland
17. November 2020
Als Rückzugsort und „sicherer Hafen“ haben Grünflächen in Zeiten der Pandemie enorm an Bedeutung gewonnen. Und während weltweit viele Menschen kaum Grün sehen, wenn sie aus dem Fenster gucken, gelingt es manchen Ländern besser, allen Einwohnern den Zugang zu einem Minimum an Grün zu ermöglichen.
Das Thema Grün in der Stadt ist an der Schnittstelle zwischen Stadtplanung und Wohnarchitektur, zwischen öffentlichen und privaten Räumen, Wohndesign und Außenbereichen zu verorten. Dementsprechend rangieren potenzielle Lösungsansätze zwischen Kräutergärten auf der Fensterbank und umfassenden demografischen Umstrukturierungsprojekten.
Werden die Stadtbewohner künftig scharenweise aufs Land ziehen? Müssen wir mehr öffentliche Parks und Grünflächen schaffen oder mehr Kleingärten? Sind Zimmerpflanzen oder begrünte Wände die Lösung?
Werden die Stadtbewohner künftig scharenweise aufs Land ziehen? Müssen wir mehr öffentliche Parks und Grünflächen schaffen oder mehr Kleingärten? Sind Zimmerpflanzen oder begrünte Wände die Lösung?
Raus aufs Land?
Auch wenn das mobile Arbeiten immer mehr an Bedeutung gewinnt, glaubt der spanische Architekt Moisés Royo von Muka Arquitectura nicht daran, dass ein Leben auf dem Land für alle die Lösung ist. „Wenn man den Weissagungen mancher Sozialwissenschaftler so zuhört, könnte man den Eindruck gewinnen, dass wir auf eine massenhafte Abwanderung in ländliche Gebiete zusteuern, wo die neuen Landbewohner ihren Garten genießen und ganz in Einklang mit der Natur leben“, sagt Royo.
Auch wenn das mobile Arbeiten immer mehr an Bedeutung gewinnt, glaubt der spanische Architekt Moisés Royo von Muka Arquitectura nicht daran, dass ein Leben auf dem Land für alle die Lösung ist. „Wenn man den Weissagungen mancher Sozialwissenschaftler so zuhört, könnte man den Eindruck gewinnen, dass wir auf eine massenhafte Abwanderung in ländliche Gebiete zusteuern, wo die neuen Landbewohner ihren Garten genießen und ganz in Einklang mit der Natur leben“, sagt Royo.
Für den Architekten ist das eine zu romantische Vorstellung der Realität. Royo meint: „Machen wir uns nichts vor. Diese Form der Flucht aufs Land ist etwas für Menschen mit hoher Kaufkraft. Die meisten Menschen werden auch weiterhin in den Städten wohnen, ob sie wollen oder nicht. Die Gründe dafür reichen vom Arbeitsmarkt bis hin zum Dienstleistungsangebot. Viele Familien können gar nicht so ohne Weiteres die Stadt verlassen.“
Eine massenhafte Abwanderung von der Stadt aufs Land ist darüber hinaus auch gar nicht erstrebenswert. „Für eine nachhaltige Zukunft müssen wir unserem Planeten so viel freie Bodenfläche wie möglich geben. Wenn die Menschen jeden Platz auf der Erde bevölkern, ist das eher kontraproduktiv für den Umweltschutz“, betont Royo.
Eine massenhafte Abwanderung von der Stadt aufs Land ist darüber hinaus auch gar nicht erstrebenswert. „Für eine nachhaltige Zukunft müssen wir unserem Planeten so viel freie Bodenfläche wie möglich geben. Wenn die Menschen jeden Platz auf der Erde bevölkern, ist das eher kontraproduktiv für den Umweltschutz“, betont Royo.
Begrünung im Kleinen mit großem Potenzial – und ein paar Tücken
Wenn der Großteil von uns also in den Städten bleibt: Wie können wir unser Bedürfnis nach Grün im städtischen Umfeld befriedigen und damit sowohl uns selbst als auch der Umwelt etwas Gutes tun? „Covid-19 hat in vielen von uns den Wunsch nach einer Terrasse oder einem eigenen Garten geweckt. Ein Ort, wo wir wenigstens für ein paar Minuten pro Tag frische Luft schnappen können“, sagt Architekt Royo.
In der Tat erlebt der schon länger zu beobachtende Trend zu Zimmerpflanzen aktuell noch einmal einen kräftigen Aufschwung. Diese Form der Begrünung im Kleinen hat viele Vorteile, nicht zuletzt die Tatsache, dass die Menschen sie in ihrem Zuhause selbst umsetzen können.
Wenn der Großteil von uns also in den Städten bleibt: Wie können wir unser Bedürfnis nach Grün im städtischen Umfeld befriedigen und damit sowohl uns selbst als auch der Umwelt etwas Gutes tun? „Covid-19 hat in vielen von uns den Wunsch nach einer Terrasse oder einem eigenen Garten geweckt. Ein Ort, wo wir wenigstens für ein paar Minuten pro Tag frische Luft schnappen können“, sagt Architekt Royo.
In der Tat erlebt der schon länger zu beobachtende Trend zu Zimmerpflanzen aktuell noch einmal einen kräftigen Aufschwung. Diese Form der Begrünung im Kleinen hat viele Vorteile, nicht zuletzt die Tatsache, dass die Menschen sie in ihrem Zuhause selbst umsetzen können.
Urban Garden auf einem Dach in Berlin-Kreuzberg
„Das Klima in den Städten wird immer wärmer. Grund dafür ist der sogenannte Wärmeinsel-Effekt“, erklärt der japanische Gartenarchitekt Kazuyuki Ishihara. Dabei sorgen die vielen befestigten Oberflächen in den Städten dafür, dass die Temperaturen steigen. „Urbane Begrünung ist nicht nur schön anzusehen. Pflanzen sind auch wichtige Schattenspender. Es ist wichtig, den Anteil natürlicher Vegetation etwa durch Fassaden- und Gebäudebegrünung zu erhöhen… Das hilft dabei, den Wärmeinsel-Effekt zu reduzieren.“
„Das Klima in den Städten wird immer wärmer. Grund dafür ist der sogenannte Wärmeinsel-Effekt“, erklärt der japanische Gartenarchitekt Kazuyuki Ishihara. Dabei sorgen die vielen befestigten Oberflächen in den Städten dafür, dass die Temperaturen steigen. „Urbane Begrünung ist nicht nur schön anzusehen. Pflanzen sind auch wichtige Schattenspender. Es ist wichtig, den Anteil natürlicher Vegetation etwa durch Fassaden- und Gebäudebegrünung zu erhöhen… Das hilft dabei, den Wärmeinsel-Effekt zu reduzieren.“
Diese Art von Begrünung im Kleinen hat eine lange Geschichte. So haben tsuboniwas – kleine sorgfältig angelegte Hofgärten – in der japanischen Architektur eine lange Tradition. Sie holen nicht nur die Natur ins Haus, sondern ermöglichen auch eine optimale Querlüftung. „Mit einem Tsuboniwa im Zentrum eines Gebäudes kann man von jedem Raum aus ins Grüne blicken. Im Grunde lässt sich jeder noch so kleine ungenutzte Raum in einen Tsuboniwa verwandeln. Auch als Abgrenzung und Sichtschutz zu den Nachbarn kann ein Tsuboniwa dienen“, erklärt Ishihara.
Wären Tsuboniwas auch außerhalb von Japan denkbar? „Ich glaube, wir sollten aufhören, in den Kategorien ‚westlich‘ oder ‚japanisch‘ zu denken“, so Ishihara . „Tsuboniwas sind einfach eine tolle Möglichkeit, kleine ungenutzte Räume sinnvoll zu gestalten. Dafür braucht man keine typisch japanischen Pflanzen, sondern kann auf regionale Arten zurückgreifen.“
Wären Tsuboniwas auch außerhalb von Japan denkbar? „Ich glaube, wir sollten aufhören, in den Kategorien ‚westlich‘ oder ‚japanisch‘ zu denken“, so Ishihara . „Tsuboniwas sind einfach eine tolle Möglichkeit, kleine ungenutzte Räume sinnvoll zu gestalten. Dafür braucht man keine typisch japanischen Pflanzen, sondern kann auf regionale Arten zurückgreifen.“
Begrünter Innenhof eines Mehrfamilienhauses bei Düsseldorf
In der Tat haben begrünte Innenhöfe auch in vielen anderen Ländern Tradition. Laut Ishihara ist diese Art der Hortitecture eine tolle Möglichkeit, moderne Städte zu begrünen. „Tendenziell sind Gebäude und Räume in Städten kleiner als auf dem Land. Dank mobiler Gärten, etwa in großen Pflanzgefäßen, können Stadtbewohner ihre Umgebung grüner gestalten, auch in Mietwohnungen“, erklärt er. „Auch wenn die einzelnen Grünflächen nicht groß sind, erhöhen Tsuboniwa-Gärten den Anteil sichtbaren Grüns im öffentlichen Raum.“
Hortitecture ist der architektonische Versuch vor allem in urbanen, verdichteten Wohnverhältnissen mehr Grünflächen beispielsweise an Außen- und Innenwänden in öffentlichen und privaten Lebensräumen zu schaffen, auch auf Hochhäusern.
In der Tat haben begrünte Innenhöfe auch in vielen anderen Ländern Tradition. Laut Ishihara ist diese Art der Hortitecture eine tolle Möglichkeit, moderne Städte zu begrünen. „Tendenziell sind Gebäude und Räume in Städten kleiner als auf dem Land. Dank mobiler Gärten, etwa in großen Pflanzgefäßen, können Stadtbewohner ihre Umgebung grüner gestalten, auch in Mietwohnungen“, erklärt er. „Auch wenn die einzelnen Grünflächen nicht groß sind, erhöhen Tsuboniwa-Gärten den Anteil sichtbaren Grüns im öffentlichen Raum.“
Hortitecture ist der architektonische Versuch vor allem in urbanen, verdichteten Wohnverhältnissen mehr Grünflächen beispielsweise an Außen- und Innenwänden in öffentlichen und privaten Lebensräumen zu schaffen, auch auf Hochhäusern.
Zu den weiteren Möglichkeiten der Begrünung auf kleinem Raum gehören die immer beliebter werdende Wandbegrünung sowie Dachgärten und die Fassadenbegrünung bei Hochhäusern. Richtig umgesetzt, bieten diese Ansätze viele Vorteile. Begrünte Dächer etwa sind eine weitere traditionelle Form der Begrünung, die schon seit der Jungsteinzeit überall auf der Welt praktiziert wird. Sie tragen zur Artenvielfalt im städtischen Raum bei und können den CO2-Abdruck eines Gebäudes deutlich reduzieren, indem sie die Wärmeisolierung verbessern.
Allerdings haben viele Strategien für urbane Begrünung einen Haken und sind trotz ihrer vielen potenziellen Vorteile kein Allheilmittel.
Allerdings haben viele Strategien für urbane Begrünung einen Haken und sind trotz ihrer vielen potenziellen Vorteile kein Allheilmittel.
So befriedigen Topfpflanzen zwar unseren Wunsch nach mehr Nähe zur Natur und sind ohne Frage gut für unsere mentale Gesundheit, tragen aber letztlich wenig dazu bei, Umweltprobleme in größerem Maßstab zu lösen. „Sich um Pflanzen zu kümmern und ihnen dabei zuzusehen, wie sie wachsen und gedeihen, ist durchaus eine wirksame Maßnahme gegen verschiedene Umweltprobleme. Allerdings sind Zimmerpflanzen natürlich nicht die Antwort auf größere Themen wie Umweltverschmutzung und globale Erderwärmung“, so die Gründerin und Geschäftsführerin von Underleaf Julia Schoenfeld jüngst in einem Houzz-Artikel.
Dasselbe gilt für die Wandbegrünung. Auch wenn viele der im Handel erhältlichen grünen Wände tatsächlich eine dämmende Wirkung haben, Biodiversität fördern und dem urbanen Wärmeinsel-Effekt entgegenwirken, können sie recht pflegeintensiv und kostspielig sein. Das benötigte Bewässerungssystem verbraucht oft große Mengen an Strom und Wasser. Außerdem müssen viele der verwendeten Pflanzen schon nach einem Jahr ausgetauscht werden. Und nicht zuletzt sind die Pflanzen in der Regel recht hitze- und kälteempfindlich.
Auch die – lange als bahnbrechend gefeierte – Fassadenbegrünung von Wohnhäusern hat ihre Tücken. „Denken Sie nur an das Gewicht des jeweiligen Gebäudes. Für die Bepflanzung braucht man Erde von mindestens einem Meter Tiefe. Haben Sie eine Ahnung, was ein Kubikmeter Erde wiegt? Fast so viel wie Beton! Und wenn die Erde feucht ist, wiegt sie sogar noch mehr“, so Royo. „Es ist doch absurd, Gebäude zu bauen, die so hohe Kosten für den Bau und die Materialien verschlingen, damit sie ihr Eigengewischt tragen können. Kein Baum, den wir pflanzen, kann jemals den ökologischen Fußabdruck dieses Baus wieder gut machen.“
Auch die – lange als bahnbrechend gefeierte – Fassadenbegrünung von Wohnhäusern hat ihre Tücken. „Denken Sie nur an das Gewicht des jeweiligen Gebäudes. Für die Bepflanzung braucht man Erde von mindestens einem Meter Tiefe. Haben Sie eine Ahnung, was ein Kubikmeter Erde wiegt? Fast so viel wie Beton! Und wenn die Erde feucht ist, wiegt sie sogar noch mehr“, so Royo. „Es ist doch absurd, Gebäude zu bauen, die so hohe Kosten für den Bau und die Materialien verschlingen, damit sie ihr Eigengewischt tragen können. Kein Baum, den wir pflanzen, kann jemals den ökologischen Fußabdruck dieses Baus wieder gut machen.“
Dabei ist es durchaus möglich, diese Arten der Begrünung so anzupassen, dass sie unser Leben besser machen und gleichzeitig umweltfreundlich sind. Man muss nur nachhaltig denken. Der russische Architekt Gleb Kalyuzhnyuk von OOO GeogGraffiti weist zum Beispiel darauf hin, dass es sehr wohl verträglichere Formen von grünen Wänden gibt, indem man etwa regionale Pflanzen verwendet und die Gegebenheiten vor Ort einbezieht.
Bei einem Panel im Rahmen der International Competition of Urban Landscape Design „Flower Jam“ im Jahr 2019 schlug er eine Begrünung von Wänden mithilfe eines Bewässerungssystems vor, bei dem gesammeltes Regenwasser zum Einsatz kommt. Und er plädierte für die Verwendung von einheimischen Moosen, die das kalte russische Klima besser vertragen als importierte Weinpflanzen. „Wände werden mit der Zeit von ganz allein grün, auf ganz natürliche Weise“, sagt er. „Wir könnten ja mal ein Experiment wagen, indem wir Paneele verwenden, die mit Moossamen und einem wachstumfördernden Substrat bestückt sind.“
Bei einem Panel im Rahmen der International Competition of Urban Landscape Design „Flower Jam“ im Jahr 2019 schlug er eine Begrünung von Wänden mithilfe eines Bewässerungssystems vor, bei dem gesammeltes Regenwasser zum Einsatz kommt. Und er plädierte für die Verwendung von einheimischen Moosen, die das kalte russische Klima besser vertragen als importierte Weinpflanzen. „Wände werden mit der Zeit von ganz allein grün, auf ganz natürliche Weise“, sagt er. „Wir könnten ja mal ein Experiment wagen, indem wir Paneele verwenden, die mit Moossamen und einem wachstumfördernden Substrat bestückt sind.“
Dieses skulpturale Betonhaus in Miami Beach, gestaltet von Studio Wassmann, ist umgeben von berankten Glaselementen, hochgewachsenen Palmen im Garten und einer grünen Dachterrasse.
Was wir brauchen, ist eine Revolution
Auch wenn diese Modelle eine Antwort auf unseren Ruf nach Begrünung sein können, glaubt Moisés Royo, dass langfristig ein größeres Umdenken nötig ist. „Wir müssen uns vorstellen, dass die Stadt der Zukunft vertikal sein wird. Die Gebäude dieser Stadt werden Communitys mit allen möglichen Dienstleistungsangeboten sein; sie werden verschiedensten Zwecken dienen und unterschiedliche Funktionen haben. Die Stadt von morgen muss von Grund auf neu gedacht werden, denn es reicht einfach nicht, wenn jede und jeder auf dem eigenen Balkon nur Bio-Tomaten pflanzt. Wir brauchen eine Revolution, die die Menschheit so noch nie erlebt hat.“
Für Royo sind diese hortitektonischen Modelle nur ein erster Schritt, ein „Weckruf an die Gesellschaft“, und weniger die finale Lösung für die Stadtökologie der Zukunft.
Hinzu kommt, dass bei jeder Überlegung, wie Pflanzen in den urbanen Raum integriert werden können, auch soziale Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen. „Besonders bevölkerungsreiche Städte, etwa in China, lösen das Problem ja auch nicht“, so Royo. „Man kann noch so viele Hochhäuser mit Wohnzellen bauen, aber wenn es keine Community mit einer eigenen Identität und Kultur gibt, nützt das nichts.“
Was wir brauchen, ist eine Revolution
Auch wenn diese Modelle eine Antwort auf unseren Ruf nach Begrünung sein können, glaubt Moisés Royo, dass langfristig ein größeres Umdenken nötig ist. „Wir müssen uns vorstellen, dass die Stadt der Zukunft vertikal sein wird. Die Gebäude dieser Stadt werden Communitys mit allen möglichen Dienstleistungsangeboten sein; sie werden verschiedensten Zwecken dienen und unterschiedliche Funktionen haben. Die Stadt von morgen muss von Grund auf neu gedacht werden, denn es reicht einfach nicht, wenn jede und jeder auf dem eigenen Balkon nur Bio-Tomaten pflanzt. Wir brauchen eine Revolution, die die Menschheit so noch nie erlebt hat.“
Für Royo sind diese hortitektonischen Modelle nur ein erster Schritt, ein „Weckruf an die Gesellschaft“, und weniger die finale Lösung für die Stadtökologie der Zukunft.
Hinzu kommt, dass bei jeder Überlegung, wie Pflanzen in den urbanen Raum integriert werden können, auch soziale Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen. „Besonders bevölkerungsreiche Städte, etwa in China, lösen das Problem ja auch nicht“, so Royo. „Man kann noch so viele Hochhäuser mit Wohnzellen bauen, aber wenn es keine Community mit einer eigenen Identität und Kultur gibt, nützt das nichts.“
Renaturierung von ehemaligen Industrieflächen in der Zeche Zollverein in Essen
Itai Palti, Geschäftsführer bei Hume, einem Unternehmen für verhaltens- und neurowissenschaftsbasierte Architektur, konzentriert sich vermehrt auf die sozialen Aspekte. Für ihn ist der Wunsch nach mehr Grün im urbanen Raum ein Symptom für ein viel größeres Problem. „Covid-19 hat viele bereits bestehende Phänomene, mit denen die Bewohnerinnen und Bewohner in den Städten zu kämpfen haben, noch verschlimmert, zum Beispiel Einsamkeit sowie einen Mangel an sozialem Zusammenhalt, Widerstandskraft und Bewegung. Daher sollte eine Begrünung, die das soziale Miteinander und gesellschaftliche Aktivitäten fördert, bei der Gestaltung urbaner Landschaften unbedingt mitberücksichtigt werden.“
„Entscheidend ist die Erreichbarkeit und der Umfang von Grünflächen. Wir müssen weg von der gängigen Idee, einen Park isoliert anzulegen. Was wir brauchen, ist ein integrativer Ansatz. Die Menschen sollen nicht denken, sie müssten mal wieder Zeit in der Natur verbringen, sondern das Naturerlebnis muss Teil ihres Alltags werden“, erklärt Palti. „Die Idee, dass die Natur integraler Bestandteil der Stadt ist, ergibt viel mehr Sinn als die Vorstellung, die Natur sei lediglich ein Ausflugsziel. Viele Parks in den Städten werden nur selten oder gar nicht genutzt, weil sie schlecht erreichbar sind. Sie wurden einfach nicht gut in die Stadt integriert, sodass sie in unserem täglichen Leben kaum eine Rolle spielen.“
Itai Palti, Geschäftsführer bei Hume, einem Unternehmen für verhaltens- und neurowissenschaftsbasierte Architektur, konzentriert sich vermehrt auf die sozialen Aspekte. Für ihn ist der Wunsch nach mehr Grün im urbanen Raum ein Symptom für ein viel größeres Problem. „Covid-19 hat viele bereits bestehende Phänomene, mit denen die Bewohnerinnen und Bewohner in den Städten zu kämpfen haben, noch verschlimmert, zum Beispiel Einsamkeit sowie einen Mangel an sozialem Zusammenhalt, Widerstandskraft und Bewegung. Daher sollte eine Begrünung, die das soziale Miteinander und gesellschaftliche Aktivitäten fördert, bei der Gestaltung urbaner Landschaften unbedingt mitberücksichtigt werden.“
„Entscheidend ist die Erreichbarkeit und der Umfang von Grünflächen. Wir müssen weg von der gängigen Idee, einen Park isoliert anzulegen. Was wir brauchen, ist ein integrativer Ansatz. Die Menschen sollen nicht denken, sie müssten mal wieder Zeit in der Natur verbringen, sondern das Naturerlebnis muss Teil ihres Alltags werden“, erklärt Palti. „Die Idee, dass die Natur integraler Bestandteil der Stadt ist, ergibt viel mehr Sinn als die Vorstellung, die Natur sei lediglich ein Ausflugsziel. Viele Parks in den Städten werden nur selten oder gar nicht genutzt, weil sie schlecht erreichbar sind. Sie wurden einfach nicht gut in die Stadt integriert, sodass sie in unserem täglichen Leben kaum eine Rolle spielen.“
Ein öffentlicher Bereich im Queen Elizabeth Olympic Park
Was diese integrative Art der Begrünung bewirken kann, zeigt der Queen Elizabeth Olympic Park in London, Großbritannien. Hier wurde das Olympische Dorf der Olympischen Spiele von 2012 in das East Village verwandelt, einem Wohnkomplex mit 2 818 Wohnungen, von denen 49 Prozent geförderter Wohnraum sind. In dem neuen Wohngebiet gibt es sogar eine Schule, ein Krankenhaus, Ableger des University College London sowie kulturelle Einrichtungen wie das Victoria and Albert Museum und das Sadler’s Wells Theatre.
Sowohl die Wohnhäuser als auch die öffentlichen Gebäude sind von diversen Grünflächen umgeben, darunter dekorative Gärten und Feuchtbiotope mit einer großen Biodiversität. Die Landschaftsarchitektin Charlotte Harris sagte dazu in ihrem Beitrag auf der diesjährigen Gartenshow RHS Chelsea Flower Show: „Das Schöne an dem neuen Wohngebiet ist, dass die kleinen fantastischen grünen Oasen durchweg erhalten werden konnten. Die Verantwortlichen haben verstanden, dass Flora und Fauna allen Bewohnerinnen und Bewohnern unglaublich guttun.“
Auch wenn weiter darüber diskutiert wird, wie sich diese neue Entwicklung auf die Gesellschaft auswirkt, zeigt sie doch: Man kann einen Ort grün gestalten und gleichzeitig gesellschaftliches Leben fördern.
Was diese integrative Art der Begrünung bewirken kann, zeigt der Queen Elizabeth Olympic Park in London, Großbritannien. Hier wurde das Olympische Dorf der Olympischen Spiele von 2012 in das East Village verwandelt, einem Wohnkomplex mit 2 818 Wohnungen, von denen 49 Prozent geförderter Wohnraum sind. In dem neuen Wohngebiet gibt es sogar eine Schule, ein Krankenhaus, Ableger des University College London sowie kulturelle Einrichtungen wie das Victoria and Albert Museum und das Sadler’s Wells Theatre.
Sowohl die Wohnhäuser als auch die öffentlichen Gebäude sind von diversen Grünflächen umgeben, darunter dekorative Gärten und Feuchtbiotope mit einer großen Biodiversität. Die Landschaftsarchitektin Charlotte Harris sagte dazu in ihrem Beitrag auf der diesjährigen Gartenshow RHS Chelsea Flower Show: „Das Schöne an dem neuen Wohngebiet ist, dass die kleinen fantastischen grünen Oasen durchweg erhalten werden konnten. Die Verantwortlichen haben verstanden, dass Flora und Fauna allen Bewohnerinnen und Bewohnern unglaublich guttun.“
Auch wenn weiter darüber diskutiert wird, wie sich diese neue Entwicklung auf die Gesellschaft auswirkt, zeigt sie doch: Man kann einen Ort grün gestalten und gleichzeitig gesellschaftliches Leben fördern.
Troll Kaptajn Nalle von Thomas Dambos Folk Festival Project The Journey to the Giant Troll. Foto: Thomas Dambo
In anderen Städten wurden die Bewohnerinnen und Bewohner an die bereits bestehenden Grünflächen erinnert, etwa im Rahmen des Projekts The Journey to the Giant Troll Folk Festival des Künstlers Thomas Dambo. Hier bedient sich Dambo recycelter Materialien und baut daraus riesige Skulpturen dieses Fabelwesens. Diese stellt er dann an weniger bekannte Ort rund um Kopenhagen, aber auch anderswo in Dänemark und außerhalb des Landes auf.
Bei dem als Schnitzeljagd konzipierten Projekt sollen die Menschen grüne Orte nahe ihres Wohnortes entdecken, die sie bisher noch nicht kannten. „Es ist eine Art Schatzsuche, ein Geschenk an die Familien in Dänemark… Die Trolle sollen uns daran erinnern, dass es wunderschöne Orte gibt, und zwar quasi direkt vor der Haustür“, so Dambo in einem Interview mit dem National Geographic.
In anderen Städten wurden die Bewohnerinnen und Bewohner an die bereits bestehenden Grünflächen erinnert, etwa im Rahmen des Projekts The Journey to the Giant Troll Folk Festival des Künstlers Thomas Dambo. Hier bedient sich Dambo recycelter Materialien und baut daraus riesige Skulpturen dieses Fabelwesens. Diese stellt er dann an weniger bekannte Ort rund um Kopenhagen, aber auch anderswo in Dänemark und außerhalb des Landes auf.
Bei dem als Schnitzeljagd konzipierten Projekt sollen die Menschen grüne Orte nahe ihres Wohnortes entdecken, die sie bisher noch nicht kannten. „Es ist eine Art Schatzsuche, ein Geschenk an die Familien in Dänemark… Die Trolle sollen uns daran erinnern, dass es wunderschöne Orte gibt, und zwar quasi direkt vor der Haustür“, so Dambo in einem Interview mit dem National Geographic.
Offenbar haben wir endlich verstanden, die Natur um ihrer selbst willen zu lieben; dass es toll ist, Kartoffeln vom heimischen Balkon zu ernten oder in die Geschichte eines angelnden Trolls an einem Fluss einzutauchen, der schon immer da war, nur nicht direkt in unserem gewöhnlichen Blickfeld.
„In meiner idealen Stadt dreht sich nicht alles um Effizienz. Vielmehr wird ‚meine Stadt‘ den menschlichen Bedürfnissen gerecht, jenseits von Produktivität. Wenn wir die Natur in die Städte integrieren, kann sie Teil einer neuen urbanen Erfahrung werden“, so Palti. „Wir haben unsere Straßen rein pragmatisch konzipiert und nur geschaut, wie sie uns im Alltag am besten nutzen. Und genau das ist der Grund dafür, dass wir aus der Stadt fliehen wollen, denn wir wollen immer wieder Neues entdecken. Wir wollen erforschen und über den Tellerrand schauen.“
„In meiner idealen Stadt dreht sich nicht alles um Effizienz. Vielmehr wird ‚meine Stadt‘ den menschlichen Bedürfnissen gerecht, jenseits von Produktivität. Wenn wir die Natur in die Städte integrieren, kann sie Teil einer neuen urbanen Erfahrung werden“, so Palti. „Wir haben unsere Straßen rein pragmatisch konzipiert und nur geschaut, wie sie uns im Alltag am besten nutzen. Und genau das ist der Grund dafür, dass wir aus der Stadt fliehen wollen, denn wir wollen immer wieder Neues entdecken. Wir wollen erforschen und über den Tellerrand schauen.“
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Und doch passiert i.d.R. das Gegenteil. Wenn man in Großstädte schaut, dann sieht man, wie der Zuzug und die daraus folgende Schaffung von Wohnraum langsam immer mehr Grün vernichtet. In meiner Heimatstadt Hamburg habe ich in den letzten Jahren verfolgt, dass Kleingärten Wohnblocks weichen müssen, man in größere Höfe mit uralten Bäumen Geschosswohnungen zwängt, wichtige Windschneisen zugebaut und selbst Teile von Landschaftsschutzgebieten geopfert werden. Die Ideen und Ansätze für ein grüneres Umfeld sind gut und sicher weitgehend anerkannt, aber in Konkurrenz mit anderen Dingen dann doch nicht so wichtig.
Die Umwelt sollte im Leben eine viel größere Rolle spielen. Städte sollten mit der Natur arbeiten und nicht dagegen. Weniger Platz für Autos und mehr Platz für Grünflächen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es für Städte schwierig ist, mehr Platz für Mensch und Natur gleichzeitig zu schaffen. Dennoch glaube ich ebenfalls, dass Mut und Innovation fehlt und zu sehr gegen die Natur als mit der Natur gearbeitet wird. Ein toller Artikel auf jeden Fall.
Ein paar Töpfe, ein fehlender Stein und die Bereitschaft, der Natur freien Lauf zu lassen ist in südlichen Gefilden genau das, was vielen Menschen gefällt, aber auch genau das, was sie hier zu verbieten suchen. Natur gehört geregelt und soll sich gefälligst auch daran halten, wo kämen wir denn sonst hin?!