Darf ich mein Grundstück eigentlich komplett zubauen?
Das Baurecht sieht Abstandsflächen vor, die eingehalten werden müssen – aber auch ausgereizt werden können
Eva Bodenmüller
20. Februar 2020
Houzz Deutschland Contributor. Freie Autorin mit Faible für Architektur und Technik, Garten und Kulinarik
Houzz Deutschland Contributor. Freie Autorin mit Faible für Architektur und Technik,... Mehr
Abstandsflächen müssen sein. Sie garantieren Licht in den Räumen, Luftaustausch und dienen zudem dem Brandschutz. Außerdem erfüllen sie auch den sozialen Zweck, dem Nachbarn nicht zu dicht auf die Pelle zu rücken. So weit, so einleuchtend. Doch immer wieder steht die unbebaubare Fläche dem Wunsch nach individuellem Wohnraum entgegen. Wir zeigen, wie Architekten kreativ – und ganz legal – mit den Vorgaben zu Abstandsflächen umgegangen sind.
Was sind Abstandsflächen?
Sowohl zur Grundstücksgrenze als auch zur Nachbarbebauung muss ein bestimmter Abstand eingehalten werden. Wie groß die Abstandsfläche mindestens sein muss, regelt das Bauordnungsrecht. Da dies Ländersache ist, gibt es hier Unterschiede in den einzelnen Bundesländern. Grundsätzlich wird für die Berechnung die Höhe des Hauses herangezogen. Die Dachfläche wird anteilig hinzugerechnet, je nach Dachneigung. Die daraus ermittelte Höhe wird mit einem bestimmten Faktor multipliziert, der von Bundesland zu Bundesland und je nach Baugebietskategorie variiert. Diese Fläche sollte also nicht bebaut werden. Aber es gibt Ausnahmen…
In den öffentlichen Raum ausdehnen
Wenngleich Abstandsflächen auf dem eigenen Grundstück liegen müssen, gibt es Ausnahmen. Öffentliche Straßen, Wege und Grünflächen dürfen hinzugerechnet werden. Steht auf der anderen Seite des öffentlichen Grundes allerdings auch ein Gebäude, zählt der freie Raum dazwischen je zur Hälfte zum einen und zur Hälfte zum anderen Gebäudeabstand.
Niedriger bauen
Abstandsflächen bemessen sich nach der Höhe des Gebäudes. Warum hier also nicht flexibel sein? Wer breit statt hoch baut, kann näher an die eigenen Grundstücksgrenzen gehen und dennoch die Abstandsflächen einhalten.
Sowohl zur Grundstücksgrenze als auch zur Nachbarbebauung muss ein bestimmter Abstand eingehalten werden. Wie groß die Abstandsfläche mindestens sein muss, regelt das Bauordnungsrecht. Da dies Ländersache ist, gibt es hier Unterschiede in den einzelnen Bundesländern. Grundsätzlich wird für die Berechnung die Höhe des Hauses herangezogen. Die Dachfläche wird anteilig hinzugerechnet, je nach Dachneigung. Die daraus ermittelte Höhe wird mit einem bestimmten Faktor multipliziert, der von Bundesland zu Bundesland und je nach Baugebietskategorie variiert. Diese Fläche sollte also nicht bebaut werden. Aber es gibt Ausnahmen…
In den öffentlichen Raum ausdehnen
Wenngleich Abstandsflächen auf dem eigenen Grundstück liegen müssen, gibt es Ausnahmen. Öffentliche Straßen, Wege und Grünflächen dürfen hinzugerechnet werden. Steht auf der anderen Seite des öffentlichen Grundes allerdings auch ein Gebäude, zählt der freie Raum dazwischen je zur Hälfte zum einen und zur Hälfte zum anderen Gebäudeabstand.
Niedriger bauen
Abstandsflächen bemessen sich nach der Höhe des Gebäudes. Warum hier also nicht flexibel sein? Wer breit statt hoch baut, kann näher an die eigenen Grundstücksgrenzen gehen und dennoch die Abstandsflächen einhalten.
Für ein Atriumhaus in Regensburg haben Fabi Architekten beide Möglichkeiten kombiniert. Das Haus profitiert als Eckgrundstück gleich auf zwei Seiten davon, seine Abstandsflächen in den öffentlichen Raum ausdehnen zu können. Zusätzlich sind die Gebäudeteile niedriger, die näher bei den Nachbarhäusern stehen.
Nutzen Sie das Know-how von Architekten. Sie können hier einen Profi für Ihr Bauvorhaben finden
Den Nachbarn fragen
Mit dem Einverständnis des Nachbarn lässt sich auch ganz ohne öffentliche Fläche die Abstandsfläche über das eigene Grundstück hinaus ausdehnen. Dafür muss auf dem Nachbargrundstück ausreichend freie Fläche vorhanden sein. Der Nachbar muss dann eine Abstandsflächenübernahmeerklärung oder auch Abstandsflächenbaulast unterzeichnen, die im Baulastenverzeichnis eingetragen wird. Weil dies den Wert des Grundstücks mindern kann und der Nachbar eventuell dann sein eigenes Haus nicht mehr erweitern darf, sind derartige nachbarschaftliche Regelungen sehr schwer zu erreichen – auch wenn damit meist eine finanzielle Entschädigung verbunden ist.
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Den Nachbarn fragen
Mit dem Einverständnis des Nachbarn lässt sich auch ganz ohne öffentliche Fläche die Abstandsfläche über das eigene Grundstück hinaus ausdehnen. Dafür muss auf dem Nachbargrundstück ausreichend freie Fläche vorhanden sein. Der Nachbar muss dann eine Abstandsflächenübernahmeerklärung oder auch Abstandsflächenbaulast unterzeichnen, die im Baulastenverzeichnis eingetragen wird. Weil dies den Wert des Grundstücks mindern kann und der Nachbar eventuell dann sein eigenes Haus nicht mehr erweitern darf, sind derartige nachbarschaftliche Regelungen sehr schwer zu erreichen – auch wenn damit meist eine finanzielle Entschädigung verbunden ist.
Architekt Markus Ewen musste bei der Bebauung eines Hinterhofgrundstücks in Köln-Sülz gleich bei drei Nachbarn anfragen. Um das schmale Grundstück maximal nutzen zu können, strebte er eine Grenzbebauung auf drei Seiten an. Die Antworten der Nachbarn fielen unterschiedlich aus. So konnte er im Norden an das Nachbargebäude anbauen, im Osten durfte das Haus ebenfalls auf die Grenze gebaut werden, allerdings mit geringerer Höhe, und im Westen musste der Mindestabstand von drei Metern eingehalten werden.
Auf die Grenze bauen
Der Bebauungsplan kann aber auch eine geschlossene Bebauung vorsehen, dann muss auf die Grenze gebaut werden. Im Gegensatz zur offenen Bebauung entfällt damit der Grenzabstand. Ein Beispiel dafür sind Reihenhäuser. Mindestens eine Seite steht hier auf der Grundstücksgrenze, bei Reihenmittelhäusern sogar zwei. Ein Ausnahmefall der Grenzbebauung sind Garagen und Geräteschuppen. Die meisten Landesbauordnungen erlauben es, diese Nutzgebäude ohne Abstandsflächen auf die Grenze zu bauen. Allerdings dürfen sie dann auch nur als solche genutzt werden. Findet eine Umnutzung statt, müssen auch die Abstandsflächen neu geregelt werden.
Auf die Grenze bauen
Der Bebauungsplan kann aber auch eine geschlossene Bebauung vorsehen, dann muss auf die Grenze gebaut werden. Im Gegensatz zur offenen Bebauung entfällt damit der Grenzabstand. Ein Beispiel dafür sind Reihenhäuser. Mindestens eine Seite steht hier auf der Grundstücksgrenze, bei Reihenmittelhäusern sogar zwei. Ein Ausnahmefall der Grenzbebauung sind Garagen und Geräteschuppen. Die meisten Landesbauordnungen erlauben es, diese Nutzgebäude ohne Abstandsflächen auf die Grenze zu bauen. Allerdings dürfen sie dann auch nur als solche genutzt werden. Findet eine Umnutzung statt, müssen auch die Abstandsflächen neu geregelt werden.
Weber & Partner Architekten haben auf einem Grundstück ein Doppelhaus realisiert, das wie ein Einfamilienhaus wirkt. Doch bei dieser kleinsten Form eines Reihenhauses sitzen beide Hälften auf der Grundstücksgrenze.
Bauteile überstehen lassen
Bei der Berechnung der Abstandsflächen bleiben sogenannte untergeordnete Bauteile außer Betracht. Das sind beispielsweise Gesimse, aber auch hervorstehende Fenster, Erker und Balkone bis zu einer bestimmten Höhe oder Breite. Der Wohnraum lässt sich damit durchaus ausdehnen, was sich vor allem bei schmalen Grundstücken lohnt. Zumal, wenn die Abstandsflächen weder in den öffentlichen Raum noch auf das Nachbargrundstück ausgedehnt werden können.
Bauteile überstehen lassen
Bei der Berechnung der Abstandsflächen bleiben sogenannte untergeordnete Bauteile außer Betracht. Das sind beispielsweise Gesimse, aber auch hervorstehende Fenster, Erker und Balkone bis zu einer bestimmten Höhe oder Breite. Der Wohnraum lässt sich damit durchaus ausdehnen, was sich vor allem bei schmalen Grundstücken lohnt. Zumal, wenn die Abstandsflächen weder in den öffentlichen Raum noch auf das Nachbargrundstück ausgedehnt werden können.
Für ein Haus am Bodensee standen Architekt Robert Geckeler lediglich fünfeinhalb Meter in der Breite zur Verfügung, da er die Abstandsflächen auf keine Seite erweitern konnte. Das Treppenhaus hat er als Erker aus dem Gebäude geschoben, den er mit einer zwar teuren, dafür aber nur vier Zentimeter starken Vakuumdämmung unter den Eternitplatten ummantelt hat.
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Sie haben weitere Beispiele, wo das Baurecht clever ausgenutzt wurde? Teilen Sie sie bitte in den Kommentaren!
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Sehr gute Zusammenfassung zum Thema. Dabei wird deutlich, dass der Entwurf oft nicht so frei ist, wie die Bauherren denken. Die Kunst ist es, alles unter einen Hut mit gestalterischen Anspruch zu bekommen. Die Beispiele haben das vorbildlich geschafft.
Liebe Frau Nofretete,
die zulässige Ausnutzung für bauliche Anlagen auf einem Grundstück richtet sich nach vielfältigen Vorgaben und somit nach dem Einzelfall. HOUZZ wäre daher völlig überfordert, so etwas abschließend darzustellen. Im Zweifelsfall besuchen nämlich gern Rechtsanwälte die Bauaufsichtsämter...
Bevor übrigens jemand ein Baugrundstück erwirbt, kann man nur dringend empfehlen, sich vorher über alle entsprechenden Möglichkeiten und Belastungen zu informieren.
(Fortsetzung, der Text ist abgehauen...)
Wenn in diesem Fall möglicherweise Makler irgendwas vom Pferd erzählen, um den Preis zu treiben, wäre es ratsam, ein Fachanwalt für Planungsrecht zu konsultieren. Man kann auch einen Architekten mit der Grundlagenermittlung beauftragen und erhält dann eine entsprechende, verbindliche Dokumentation der Möglichkeiten und Einschränkungen.
Die Sache mit der Versickerung ist nicht unbedingt ein Hindernis für die bauliche Ausnutzung, da gibt es alternative, technische Möglichkeiten - aber, wie gesagt, immer im Einzelfall.