Architektur
Abstrakt in Berlin – neues Apartmenthaus im alten Zentrum
Da, wo Berlin am ältesten ist, ragt nun ein Baukörper weiß in den Himmel: Architekt Sohrab Zafari hat hier das Mittelalter neu interpretiert
Es steht da, wo Berlin einst aus dem märkischen Urschlamm kroch. Entlang der gegenüberliegenden Straßenseite zieht sich ein letzter Rest der mittelalterlichen Stadtmauer, hundert Meter weiter liegt die Ruine des Grauen Klosters, das vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg als wichtigstes gotisches Bauwerk der Stadt galt. Die Tabula rasa der Kriegszerstörung hat dafür gesorgt, dass sich dort, wo Berlin einmal entstand, heute ein zerfasertes Straßenbild bietet und es in Laufnähe zum Alexanderplatz vereinzelt immer noch freie Bauplätze gibt. So wie diesen, den ein Projektentwickler mit dem Architekten Sohrab Zafari in ein Apartmenthaus verwandelte, das wie ein abstraktes Faltspiel die Leerstelle füllt.
Vis-à-vis der historischen Stadtmauer steht heute das von Zafari entworfene Wohnhaus, das hofseitig von einem sechsstöckigen Gewerbehof begrenzt wird. In nordöstlicher Richtung die Straße hinauf befindet sich die Parochialkirche der Evangelischen Kirchengemeinde Marien, westlich liegt die Ruine des Grauen Klosters.
„Das Grundstück ist so geschnitten, dass ein großer Teil der Fassade Brandwand sein musste. Mir war es deshalb wichtig, bei der Gestaltung zu vermeiden, was man in Berlin sehr häufig sieht: ungeplante riesige Wandflächen. Die Brandwände sind daher bewusster Teil der Architektur. Das Monolithische ist zum Gestaltungsthema geworden“, sagt Zafari bei der Grundstücksbegehung.
Das Gebäude entwickelt sich aus einem massiven Block unten zu einer Struktur, die sich in den oberen Stockwerken immer weiter auflöst. Für den Investor war es essenziell, die nutzbare Wohnfläche zu maximieren. In Fläche und Höhe hat Zafari deshalb alles ausgeschöpft, was der Bebauungsplan hergab. Die Rücksprünge auf der Hofseite entsprechen diesen Vorgaben.
Zafari war es trotz dieser maximalen Raumnutzung wichtig, ein Gefühl von Durchlässigkeit zu erzeugen und eine Architektur zu schaffen, die immer wieder neue und überraschende Blickbezüge entstehen lässt. Insgesamt acht Wohneinheiten hat der Bau. Darunter sind zwei Townhouses, eines mit fünf und eines mit drei Stockwerken, eine Maisonette rechts oben in dem turmartig aufragenden Gebäudeteil und mehrere Geschosswohnungen.
Zafari war es trotz dieser maximalen Raumnutzung wichtig, ein Gefühl von Durchlässigkeit zu erzeugen und eine Architektur zu schaffen, die immer wieder neue und überraschende Blickbezüge entstehen lässt. Insgesamt acht Wohneinheiten hat der Bau. Darunter sind zwei Townhouses, eines mit fünf und eines mit drei Stockwerken, eine Maisonette rechts oben in dem turmartig aufragenden Gebäudeteil und mehrere Geschosswohnungen.
„Ich wollte den Link zur klassischen Moderne, der bei einer weiß verputzten Fassade und flachem Dach schnell entstehen kann, von vornherein verhindern. Das, was hier passiert, in den Außenräumen und zwischen den Etagen, ist etwas anderes, Vielfältigeres“, erläutert Zafari.
Hofseitig entsteht durch die Fassadenrücksprünge fast der Eindruck vieler kleiner Häuser an einem Hang. Das Weiß der Fassade tut sein Übriges dazu, um sich an warme Länder, Sonne und Wüste erinnert zu fühlen – genauer: an die Lehmhochhäuser von Schibam im Jemen. Hier sind die Assoziation des Betrachters mit den Intentionen des Architekten recht deckungsgleich. Zafari sagt, er habe an diesem historischen und stark mittelalterlich geprägten Ort eine Neuinterpretation der mittelalterlichen Stadt mit ihrer Dichte und ihren sich überlagernden Elementen im Sinn gehabt.
Hofseitig entsteht durch die Fassadenrücksprünge fast der Eindruck vieler kleiner Häuser an einem Hang. Das Weiß der Fassade tut sein Übriges dazu, um sich an warme Länder, Sonne und Wüste erinnert zu fühlen – genauer: an die Lehmhochhäuser von Schibam im Jemen. Hier sind die Assoziation des Betrachters mit den Intentionen des Architekten recht deckungsgleich. Zafari sagt, er habe an diesem historischen und stark mittelalterlich geprägten Ort eine Neuinterpretation der mittelalterlichen Stadt mit ihrer Dichte und ihren sich überlagernden Elementen im Sinn gehabt.
Man betritt das Wohnhaus von der Waisenstraße aus. Die Apartments werden vom Erdgeschoss über einen Aufzug und ein Treppenhaus erschlossen. Neun Autos können in der Tiefgarage abgestellt werden. Auch der Aufzug des fünfgeschossigen Townhouses befindet sich hier. Die Hofhäuser sind zusätzlich durch einen Innenhof im ersten Obergeschoss erschlossen. Die hier sichtbare Treppe führt von der Straße zu besagtem Hof hinauf.
Im Erdgeschoss empfängt eine polierte und mit LED-Bändern beleuchtete Betonwand die Bewohner und Besucher. Dahinter befindet sich die Rampe zur Tiefgarage.
Patios auf verschiedenen Ebenen ergänzen den zentralen Innenhof. Zwischen den Ausschnitten entstehen immer wieder spannende Blickbezüge.
Der Pool im dritten Geschoss gehört zum größeren Townhouse.
Die letzten Wohneinheiten wurden erst verkauft, als der Rohbau bereits fertig war, da sich potentielle Käufer unsicher waren, ob ihre Apartments genug Sonne haben würden. „Ich habe den Entwurf in etlichen Lichtstudien untersucht und wusste, dass die Räume viel Tageslicht bekommen würden“, sagt Zafari – er hat natürlich Recht behalten.
Für einige der Wohneinheiten plante Zafari auch die Innenräume. Das fünfgeschossige Penthouse war eine davon. Die schwarzen Holzrahmenfenster eröffnen am Eingang des großen Townhouses weite Ausblicke über zwei Stockwerke. Die weißen Böden bestehen aus Epoxidharz.
Die Anfertigung der Küche nach Maß übernahm die Firma Paxmann aus Bonn.
Stühle: Superleggera, Cassina; Tisch: Gregor Jenkin, in Kapstadt, Südafrika, ansässiger Künstler
Stühle: Superleggera, Cassina; Tisch: Gregor Jenkin, in Kapstadt, Südafrika, ansässiger Künstler
Auch für den Innenausbau der Maisonette-Wohnung zeichnet der Architekt verantwortlich. Die Dielen kommen von Dinesen.
Aus den Panoramafenstern der Küche der Maisonettewohnung ist die Sicht auf Turm und Kuppel des Alten Stadthauses frei, das ab 1902 zur Entlastung des Roten Rathauses erbaut wurde und heute die Senatsverwaltung für Inneres beherbergt.
Superleggera-Stühle von Gio Ponti fügen sich dezent in den clean gestalteten Raum ein. Die Küche wurde mit Fronten und -arbeitsplatte aus italienischem Marmor („Perlino Bianco“) ausgestattet.
Stühle: Superleggera, Cassina; Tisch: Gregor Jenkin, in Kapstadt, Südafrika, ansässiger Künstler
Stühle: Superleggera, Cassina; Tisch: Gregor Jenkin, in Kapstadt, Südafrika, ansässiger Künstler
Die Treppe ist mit Einbauschränken versehen, die viel Stauraum bieten.
Mehr Ideen für Stauraum rund um die Treppe
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ÜBERBLICK
In den Grundrissplänen offenbart sich noch einmal die Komplexität und Vielschichtigkeit des Entwurfes. Statt den altbekannten Berliner Wohnblock zu bauen, hat Zafari auf Dichte und Gleichzeitigkeit gesetzt. Und zwar sehr erfolgreich: „Das Interesse am Projekt ist international sehr groß. Aus Deutschland und Italien kommen viele Anfragen dazu. Was mich etwas überrascht hat, war die große Aufmerksamkeit dafür in Südkorea“, erzählt er.
In den Grundrissplänen offenbart sich noch einmal die Komplexität und Vielschichtigkeit des Entwurfes. Statt den altbekannten Berliner Wohnblock zu bauen, hat Zafari auf Dichte und Gleichzeitigkeit gesetzt. Und zwar sehr erfolgreich: „Das Interesse am Projekt ist international sehr groß. Aus Deutschland und Italien kommen viele Anfragen dazu. Was mich etwas überrascht hat, war die große Aufmerksamkeit dafür in Südkorea“, erzählt er.
Das gesamte Projekt zeugt davon: Zafari, der im kommenden Jahr eine Gastprofessur in Erfurt übernehmen wird, mag es, Grenzen zu verschieben. Die Straßenfassade, hier im milden Abendlicht, stellt das zum Abschluss einmal mehr unter Beweis: „Eine Loggia ist das eine. Sie ist ja im Grunde nichts anderes als ein in das Gebäude zurückversetzter Balkon. Was ich bei dieser Fassade getan habe, war der Versuch, dieses Element zu erweitern und aufzulösen, indem ich die Einschnitte miteinander verbunden habe. Wann man nun auf einem dieser Balkone steht, hat man nicht nur den Blick nach vorn, sondern auch nach oben oder unten entwickeln sich interessante neue Räume und Blickbezüge. Das finde ich spannend.“
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Hier wohnen: die Eigentümer von insgesamt acht Wohneinheiten, darunter zwei Townhouses und eine Maisonette
Auf: insgesamt 1060 Quadratmetern Wohnfläche
In: der Waisenstraße, Berlin-Mitte
Projektjahr: 2014
Architekt: Sohrab Zafari von Atelier Zafari
Es ist bei weitem nicht das erste, aber das erste große Projekt des 43-jährigen Architekten Sohrab Zafari. Über eine Empfehlung wurde der Projektentwickler des Grundstückes in der Waisenstraße auf den deutschen Architekten mit iranischen Wurzeln aufmerksam. Das Unternehmen hatte zuvor mehrere Büros zum Wettbewerb geladen und sich dann, unzufrieden mit den Ergebnissen, neu orientiert. Zafari bekam nach einigen Vorentwürfen den Zuschlag.