Architektur
Innenausbau
Architektur: Ein fast 200 Jahre alter Bauernhof wird neu belebt
Tradition trifft Moderne, das Ergebnis: ein Bilderbuch-Bauernhof, der in seinem Inneren eine Luxusvilla beherbergt
Am Anfang dieses Renovierungsprojekts stand die Liebe. Die Liebe eines Paares zu einem Bauernhof aus dem Jahr 1826 in den französischen Alpen. Die Holzfassade, das Schieferdach und die kunstvoll gearbeitete Balkonbrüstung – der bäuerliche Charme zog das Paar in den Bann. Der traditionellen Architektur wollten sie dennoch etwas Modernes entgegensetzen. Doch erst nach dem Kauf stellten sie fest, dass die Gemeinde das Gebäude als „erhaltenswertes Baudenkmal“ klassifiziert hatte und ihren Umbauplänen damit relativ enge Grenzen gesetzt waren. Die wichtigste Frage lautete also: Wie kann man das Gefühl, das man beim Betreten alter Bauernhäuser hat, bewahren und gleichzeitig neu beleben?
Auf einen Blick
Hier urlaubt: ein Paar, das gern Freunde und Familie einlädt. In dem Ferienhaus finden bis zu 16 Personen Platz
In: Pied de la Plagne, Frankreich
Auf: 620 Quadratmetern
Budget: eine Million Euro (inkl. Möblierung)
Architekt: Jérémie Koempgen (JKA), unterstützt von den Designern Jérôme Aich und Magdalena Recordon (FUGA)
Fotos: Julien Lanoo und Jérôme Aich
Auf einen Blick
Hier urlaubt: ein Paar, das gern Freunde und Familie einlädt. In dem Ferienhaus finden bis zu 16 Personen Platz
In: Pied de la Plagne, Frankreich
Auf: 620 Quadratmetern
Budget: eine Million Euro (inkl. Möblierung)
Architekt: Jérémie Koempgen (JKA), unterstützt von den Designern Jérôme Aich und Magdalena Recordon (FUGA)
Fotos: Julien Lanoo und Jérôme Aich
Als Hommage an die traditionelle Architektur der Region und ihre kunstvoll gearbeiteten Holz-Balkonbrüstungen hat der Architekt das Haus von außen mit einer lamellenartigen Holzverkleidung versehen. Auf diese Weise hat er ein wunderbares Spiel mit Öffnung und Verhüllung geschaffen, bei dem die hinter der Fassade versteckten Fenster jede Menge Tageslicht ins Haus lassen.
„Die alte Latten-Fassade des ehemaligen Heubodens wurde durch eine optisch durchbrochene Holzverkleidung ausgetauscht, die ein Maximum an Tageslicht ins Innere lässt. Auf diese Weise konnte der schlichte und robuste Charme des großen, äußerst komplex geschnittenen Gebäudes vollends erhalten bleiben. Die Fassade verbirgt die dahinter liegenden Fenster, während die Öffnungen so konzipiert sind, dass sie Sonnenlicht filtern. Die Lamellen sind aus regionalem, sägerauem Fichtenholz und betonen die Flächenhaftigkeit der Original-Architektur“, so der Architekt.
Über Holzfassaden und ihre Konstruktionsarten
Über Holzfassaden und ihre Konstruktionsarten
Anders als die klassisch symmetrischen, repetitiven Motive der traditionellen Balkonbrüstungen in der Gegend, wirken die graphischen Elemente hier beinahe wie zufällig. Um die passende Position und Ausrichtung für die Lamellen und die dahinter liegenden Fenster zu finden und sicherzugehen, dass zu jeder Tageszeit optimale Lichtverhältnisse im Inneren herrschen, hat Koempgen sich lange mit den Lichtverhältnissen des Grundstücks befasst. Ausgehend von den Schattenwürfen der umliegenden Gebäude und dem Verlauf der Sonne, ist die gesamte Außenhülle so ausgerichtet, dass die Sonnenstrahlen zu jeder Tageszeit ihren Weg ins Innere des Hauses finden. Dieser Detailverliebtheit hat das Bauernhaus auch seinen heutigen Namen zu verdanken: „Sonnenvilla“.
Jetzt fragen Sie sich sicherlich: Warum „Villa“ und nicht „Chalet“? Auch darüber hat sich der Architekt seine Gedanken gemacht: „Die Frage ist: Was will ein Haus sein? Unter einem Chalet verstand man ursprünglich ein kleines Haus in den Bergen, das den Schäfern als Refugium diente, oder eine Almhütte, in der Käse hergestellt wurde. Heute ist der Begriff richtiggehend zum Marketing-Label geworden, um Ferienhäuser zu verkaufen. Im Grunde braucht es nur eine Holzfassade und ein paar traditionelle Deko-Elemente – fertig ist das ‚Chalet‘. Klischees à la Kuckucksuhr und Co. wollten wir auf jeden Fall vermeiden. Es ging uns vielmehr darum, eine Antwort auf die grundlegende Frage zu finden, wie sich traditionelle Architektur und modernes Wohnen in Einklang bringen lassen. Wie können wir das Gefühl, das man beim Betreten alter Bauernhäuser hat, bewahren und gleichzeitig neu beleben?“
„Das Haus ist also mehr ein moderner Versuch, ganz im Einklang mit der Natur und den Elementen zu leben.“
„Um den Bewohnern ein ganz neues Wohnerlebnis zu ermöglichen, haben wir von der Raumaufteilung bis zur Möblierung alles bis ins letzte Detail durchgeplant. Das Ganze ist viel mehr als eine einfache Renovierung, es ist ein umfassendes Designprojekt. Als Architekt lagen meine Prioritäten auf der Strukturierung des Raums. Aber schnell wurde mir klar, dass ich für die weiteren Schritte das Know-how von erfahrenen Designern brauchen würde, und so holte ich Jérôme Aich und Magdalena Recordon von FUGA ist Boot, die mich bei den gesamten Projekt unterstützt haben: vom Lamellensystem für die Fassade, über die Treppen und Einbaumöbel bis hin zu den Vorhängen und Sofabezügen.“
„Zusammen mit dem Eigentümer Patrice habe ich zehn verschiedene Sägewerke besichtigt, um das passende Holz für die Außenfassade zu finden. Der Zimmermann, den wir schließlich beauftragt haben, hat ein Jahr lang für uns das beste Rundholz seiner Bestände gesammelt. Ganz zu schweigen von den Abdeckleisten: Dafür brauchten wir mindestens 250 Latten mit einer Größe von 0,28 mal sieben Metern! Wir haben nur mit den besten Handwerkern der Region zusammengearbeitet“, erzählt der Architekt.
Um die Raumaufteilung zu verstehen, schauen wir uns am besten den Grundriss an: Bei der Neustrukturierung des Raums ging Koempgen nach dem sogenannten „Raumplan“ von Adolf Loos vor, das heißt, er betrachtete das Gebäude in seinen drei Dimensionen und nicht als zweidimensionales Gebilde. Das Ergebnis ist ein Layout in verschiedenen Ebenen, die den Raum strukturieren und ordnen. „Die Idee war, die alpine Landschaft im Inneren des Hauses nachzuempfinden“, so der Architekt. Außerdem ist sein Entwurf eine Hommage an die japanische Architektur und ihre Vorliebe für Holz sowie die Split-Level-Bauweise.
Im Untergeschoss befindet sich der Technikraum für die Heizungsanlage (das Haus wird durch eine Erdwärmepumpe beheizt), sowie ein drei mal vier Meter großer Pool. Das Erdgeschoss beherbergt zwei getrennte Eingangsbereiche, eine große Garage, einen Ski-Raum und ein Billard-Zimmer.
Das Obergeschoss bildet den Lebensmittelpunkt des Hauses. Es wurde so geplant, dass hier bis zu vier Familien in geselliger Runde ihren Winterurlaub genießen können, ohne auf Privatsphäre verzichten zu müssen. Dafür wurde die Etage in vier individuelle „Suiten“ aufgeteilt (grau dargestellt), die um einen zentralen, kreuzförmigen Gemeinschaftsbereich herum angeordnet sind. Für mehr Flexibilität brachte der Architekt eine Reihe von schweren Filz-Vorhängen ins Spiel, die über Automatik-Antriebe hin- und hergeschoben werden können. Auf diese Weise können Teile des Gemeinschaftsbereichs abgetrennt und den einzelnen Suiten zugeordnet werden. Das Ergebnis ist eine 3-D-Landschaft, die je nach Bedarf unterschiedliche Formen annehmen kann.
Bis auf zwei Steinwände und den Dachstuhl, der angehoben und gerichtet werden musste, wurde bei diesem Gebäude alles erneuert, inklusive der Fundamente. Damit der Innenraum nichts von seiner kathedralen Wirkung einbüßt, wurde das Dach von außen mit Holzwolle isoliert. Der so entstandene Raum bildet das Herzstück des Hauses und beherbergt, genau wie in alten Zeiten, den zentralen Wohnraum. Der Kamin „Filiofocus“ von Focus mit massivem Sockel nimmt das Bergthema wieder auf.
Auch die Sitzecke selbst ist Ausdruck dieser Nähe zu Natur: Die schlichten Sofas und Sessel von Ikea wurden mit groben Wollstoffen bezogen, die die Stylistin Florinda Donga maßgefertigt hat. Der gesteppte Stoff nimmt die Ästhetik der Fassade wieder auf.
Die gemütliche Sofaecke wird von einem Podest gerahmt, so als würde man sich im Gebirge zwischen Felsen niederlassen, um gemütlich am Feuer zu sitzen. „Das Arrangement weckt Assoziationen an ein Camping unter freiem Himmel. Ganz nah an der Natur und doch gut geschützt unter dem Balkendach – das ist unsere Idee von gelebter Rustikalität“, erklärt der Architekt.
„Die Inspiration dafür lieferte ein Happening des Künstlers Joseph Beuys, der sich, nur mit Filz umwickelt, mit einem Koyoten einsperren ließ. In den Bergen ist man den Elementen ausgesetzt, und das Haus ist ein heimeliges Refugium.“
„Die Inspiration dafür lieferte ein Happening des Künstlers Joseph Beuys, der sich, nur mit Filz umwickelt, mit einem Koyoten einsperren ließ. In den Bergen ist man den Elementen ausgesetzt, und das Haus ist ein heimeliges Refugium.“
Direkt neben der Sitzecke befindet sich der Essbereich. Zusammen bilden sie das Zentrum des Hauses. Nach einem Tag auf der Piste können hier bis zu 16 Personen zusammen essen. Die Hängeleuchte über dem Esstisch ist eine Maßanfertigung und stellt eine optische Verbindung zum Kaminsockel im Wohnbereich her.
Tisch: Bigfoot, e15; Stühle: Alki
Tisch: Bigfoot, e15; Stühle: Alki
Beiderseits des Wohn- und Essbereichs hat der Architekt zwei weitere Sitzecken geschaffen: einen für die Erwachsenen, ausgestattet mit gemütlichen Sofas, und einen für die Kinder mit Sitzkissen. Die Sitzecken liegen leicht erhöht und sind jeweils über drei Stufen erreichbar. Bei Bedarf können diese Bereiche mithilfe der Filzvorhänge abgetrennt und so den angrenzenden Suiten zugeordnet werden (dazu gleich mehr).
Die schweren Filzvorhänge wirken wärmedämmend, vor allem nachts, wenn es hier wirklich eisig werden kann.
Etwas abgetrennt vom Wohnraum befindet sich die Küche. Mit ihrer hellen Farbpalette, die einen schönen Kontrast zu dem in Anthrazit gestalteten Gemeinschaftsbereich bildet, bietet sie bereits einen Vorgeschmack auf die privaten Räume.
Genau wie der Kamin wirkt der Küchentresen massiv und leicht zugleich und passt zu den alten Holzbalken.
Zu den Schlafzimmern gelangt man jeweils über eine kleine Treppe. Die Stufen können auch als spontane Sitzgelegenheit genutzt werden – so wie man sich beim Wandern in den Bergen auch mal auf einem Stein niederlässt, um Rast zu machen. Durch dieses Spiel mit verschiedenen Ebenen hat der Architekt das Bergthema buchstäblich „auf die Spitze getrieben“. Hinzu kommt die Verwendung von lokalen Hölzern und mineralischen Farben. Die Trockenbauwände wurden mit einem eingefärbten Putz auf Basis von Kiefernrinde und Sand versehen. Die in kleine Nischen integrierte, direkte Beleuchtung komplettiert den natürlichen Look.
Wenn den Urlaubern der Trubel im offenen Wohnraum zu viel wird, können sie sich in die Suiten zurückziehen, die wie kleine Cocons eingerichtet sind. Jede der vier individuell eingerichteten Einheiten ist nach einem der vier Gipfel benannt, die vom Haus aus sichtbar sind. Für maximale Flexibilität können sie bei Bedarf erweitert werden, indem mittels der Filzvorhänge eine Sitzecke vom Gemeinschaftsbereich abgezwackt wird.
Die Wohneinheiten bestehen jeweils aus einem Schlafzimmer, einem großen Ankleidezimmer sowie einem Badezimmer und WC. Die bunten Armaturen sind von Vola.
Für Gäste mit eingeschränkter Mobilität wurde eine der Suiten behindertengerecht eingerichtet. Sie verfügt über ein barrierefreies Schlafzimmer, eine Küche, einen eigenen Eingangsbereich und ist über einen Fahrstuhl zugänglich, der zugleich in den Gemeinschaftsbereich mit Gemeinschaftsküche und Dusche plus behindertengerechtem WC führt.
Das Mini-Apartment ist vor allem auf Gäste mit eingeschränkter Mobilität zugeschnitten, aber die Eigentümer nutzen es auch selbst gern, wenn sie nur zu zweit in ihrem Ferienhaus sind.
Das Mini-Apartment ist vor allem auf Gäste mit eingeschränkter Mobilität zugeschnitten, aber die Eigentümer nutzen es auch selbst gern, wenn sie nur zu zweit in ihrem Ferienhaus sind.
Im Untergeschoss gibt es einen drei mal vier Meter großen Warmwasser-Pool und eine große Dusche. Auch hier blieb der Architekt seinem ökologischen Ansatz treu. Für den Fußboden im Poolbereich etwa wurden die Schieferplatten des alten Daches wiederverwendet. Nachdem sie als Dachbelag nichts mehr taugten, weil sie zu porös waren, fanden sie hier ihre neue Bestimmung. (Für das neue Dach wählte der Architekt Schindeln aus gespaltenem Red Cedar-Holz). Auf diese Weise wurden überall im Haus alte Original-Baumaterialien wiederverwendet. So wurde zum Beispiel die alte Fassadenverkleidung als Innenverkleidung unter dem Dach verwendet.
Genau wie die Eigentümer es sich gewünscht haben, bringt das Haus modernes Wohnen und ländliche Traditionen zusammen. Jeder, der hier einmal seine Ferien verbracht hat, will nie mehr weg: „In den Privatsuiten fühlt man sich wie zu Hause, und der große Gemeinschaftsbereich bietet beinahe ein richtiges Outdoor-Feeling. Da kann man schon mal vergessen, das Haus zu verlassen“, lacht Koempgen.
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Zunächst stand die Idee im Raum, mit Oberlichtern zu arbeiten, aber die wurde rasch wieder verworfen, um das wunderschöne Dachgebälk nicht zu zerstören. Die ausschlaggebende Inspiration lieferte schließlich die traditionelle Holzfassade des Bauernhauses, die typisch für die Gegend ist. Die Idee: eine Art Hülle um das Gebäude zu legen, eine „zweite Haut“, die das Licht filtert und gezielt ins Innere des Hauses lenkt.