Architektur: Sachliches Wohnhaus aus Hightech-Beton bei München
Da es den gewünschten Beton nicht gab, erfand ein Architekt ihn selbst und baute sein Wunschhaus – aus Infraleichtbeton
Eva Bodenmüller
25. Januar 2017
Houzz Deutschland Contributor. Freie Autorin mit Faible für Architektur und Technik, Garten und Kulinarik
Houzz Deutschland Contributor. Freie Autorin mit Faible für Architektur und Technik,... Mehr
Wenn man den Architekten Michael Thalmair fragt, was für Stichworte ihm zu Beton einfallen, sagt er: „Unvollkommen, abgenutzt“, und er schätzt diese Eigenschaften. Kein Wunder, dass er sein eigenes Haus ebenfalls aus Beton bauen wollte. Ein wenig Industriecharme sollte in den kleinen Ort nördlich von München Einzug halten. Doch bevor es soweit war, musste erst die richtige Mischung gefunden werden, denn der Sichtbetonbau sollte nicht zusätzlich gedämmt werden. Thalmair schaute sich bei Dämmbetonen um, suchte Referenzprojekte und entwickelte schließlich mithilfe eines Betontechnologen eine eigene Betonmischung. Als Zuschlagstoffe verwendete er unter anderem Blähton und Blähglas. Entstanden ist ein unter Betonexperten vielbeachtetes Haus.
Auf einen Blick
Hier wohnt: Architekt Michael Thalmair mit seiner Freundin
Auf: 155 Quadratmetern Wohnfläche plus 25 Quadratmetern Keller
In: Aiterbach bei Allershausen, nördlich von München
Besonderheit: Einfamilienhaus aus Infraleichtbeton
Experten: KPT Architekten
Das Obergeschoss des Hauses sitzt als Kubus aus einem Guss auf dem Erdgeschoss. Beide Ebenen sind aus Beton, allerdings in unterschiedlicher Zusammensetzung. „Für das Obergeschoss haben wir Dämmbeton in einer speziellen Zusammensetzung verwendet“, erklärt der Architekt. Dämmbeton ist in Deutschland noch nicht sehr verbreitet. Daher hat Thalmair in der Schweiz recherchiert und mit verschiedenen Betonherstellern gesprochen. Letztendlich hat er mit seinem Vorhaben den Betontechnologen Björn Callsen von der Heidelberger Beton GmbH dazu angeregt, einen ganz besonderen Beton zu mischen.
Der unter anderem mit aufgeschäumtem Glas und Blähton versetzte Beton erfüllt gängige Ansprüche an die Wärmedämmung moderner Gebäude und weist eine gleichmäßig poröse Oberfläche auf. In Fachkreisen ist sogar von einer neuen Betonart die Rede. „Wir haben lange probiert. Ich habe mich schließlich auf das Experiment eingelassen, mein Haus aus diesem Beton zu bauen“, sagt der Architekt. Zuvor musste er bei der Baubehörde Zustimmung im Einzelfall einholen und die Verwendbarkeit des Materials nachweisen.
Hier wohnt: Architekt Michael Thalmair mit seiner Freundin
Auf: 155 Quadratmetern Wohnfläche plus 25 Quadratmetern Keller
In: Aiterbach bei Allershausen, nördlich von München
Besonderheit: Einfamilienhaus aus Infraleichtbeton
Experten: KPT Architekten
Das Obergeschoss des Hauses sitzt als Kubus aus einem Guss auf dem Erdgeschoss. Beide Ebenen sind aus Beton, allerdings in unterschiedlicher Zusammensetzung. „Für das Obergeschoss haben wir Dämmbeton in einer speziellen Zusammensetzung verwendet“, erklärt der Architekt. Dämmbeton ist in Deutschland noch nicht sehr verbreitet. Daher hat Thalmair in der Schweiz recherchiert und mit verschiedenen Betonherstellern gesprochen. Letztendlich hat er mit seinem Vorhaben den Betontechnologen Björn Callsen von der Heidelberger Beton GmbH dazu angeregt, einen ganz besonderen Beton zu mischen.
Der unter anderem mit aufgeschäumtem Glas und Blähton versetzte Beton erfüllt gängige Ansprüche an die Wärmedämmung moderner Gebäude und weist eine gleichmäßig poröse Oberfläche auf. In Fachkreisen ist sogar von einer neuen Betonart die Rede. „Wir haben lange probiert. Ich habe mich schließlich auf das Experiment eingelassen, mein Haus aus diesem Beton zu bauen“, sagt der Architekt. Zuvor musste er bei der Baubehörde Zustimmung im Einzelfall einholen und die Verwendbarkeit des Materials nachweisen.
Die Außenwände des Obergeschosses sind durch Hydrophobierung, also eine chemische Imprägnierung, vor dem Eindringen von Feuchtigkeit geschützt. Der Beton stößt nun Wasser ab, bleibt aber atmungsaktiv. Eine zusätzliche Lasur lässt die Oberfläche gleichmäßig aussehen.
Das Erdgeschoss, aus herkömmlichem Beton gebaut, ist mit schwarz lasierten, sägerauen Latten verkleidet. „Ich bin in diesem Dorf aufgewachsen. Meine Eltern haben hier eine Landwirtschaft. Da ist es üblich, selbst handwerklich auf dem Bau zu arbeiten. Also habe ich mit meinem Vater die Lattung im Erdgeschoss angebracht“, erzählt Thalmair. Die Latten verkleiden nicht nur den Beton. Aus ihnen bestehen auch die Klappläden für die bodentiefen Fenster der beiden im Erdgeschoss liegenden Kinderzimmer.
VORHER: Eine Verschalung aus sieben jeweils zwei Meter siebzig hohen Schaltafeln wurde für die Seitenwände des Obergeschosses aufgebaut und mit rund dreißig Betonkübeln ausgegossen.
Das Haus liegt an einem kleinen Hang. Die Eingangstür befindet sich unten, gleich neben den Kinderzimmern. Dahinter, also tiefer im Hang, liegen die Kellerräume mit der Wärmepumpe, über die das Haus beheizt wird. Die Treppe mit Holzstufen führt in den oberen Wohnbereich hinauf.
Am oberen Ende der Treppe liegt der offene Wohnbereich mit Essplatz, Sofa und Küche. Reduzierte Farbgebung und Materialwahl fallen sofort ins Auge, aber auch die zurückhaltenden, stilvollen Möbel. „Mir gefällt die Kombination aus Imperfektem mit einer schönen Ausstattung“, sagt der Architekt. Als Kontrast zum Grau des Betons hat er für den Fußboden weiß geölte Eichendielen gewählt. Und auch die Beleuchtung hat er gezielt gesucht. „Ich wollte unbedingt ganz schwarze Leuchten, kein Anthrazit oder Grau. Daher habe ich mich für Leuchten von Kreon entschieden. Das waren einige der wenigen wirklich schwarzen“, erzählt Thalmair.
Ihm gefällt der Charme alter Industriehallen mit filigranen Stahlrahmenfenstern. Das Abgenutzte, nicht ganz Perfekte übt auf den Architekten eine besondere Anziehung aus. „Sichtbeton ist mit seinen Einschlüssen immer ein Unikat und immer überraschend“, findet Thalmair. Da braucht er auch keine Bilder an den Wänden. Die Schüttlagen des Betons wirken selbst wie moderne Kunst.
Das große Sofa steht neben dem Essbereich – selbstverständlich mit Blick auf den Garten. Ein Sessel ist allerdings auch dem Küchenbereich zugewandt, direkt neben dem Kamin. „Der Kamin heizt den Wohnraum richtig gut“, sagt Thalmair. Zusätzlich gibt es allerdings auch eine Fußbodenheizung, die per Luftwärmepumpe betrieben wird. Durch die großen Fenster scheint spätestens ab elf Uhr morgens die Sonne herein, bis sie untergeht. Damit die Räume auch im Sommer nicht überhitzen, ist außen ein transluzenter Sonnenschutz angebracht. Doch auch der Beton selbst hat durch seine spezielle Mischung gute Wärmedämmeigenschaften.
Am Kamin vorbei führt ein Flur in das Schlafzimmer mit Ankleide. „Die Ankleide gehört eigentlich noch zum Flur“, verrät Thalmair. Mit Schiebetüren hat er hier eine leichte Abtrennung geschaffen.
Am Kamin vorbei führt ein Flur in das Schlafzimmer mit Ankleide. „Die Ankleide gehört eigentlich noch zum Flur“, verrät Thalmair. Mit Schiebetüren hat er hier eine leichte Abtrennung geschaffen.
Das Schlafzimmer kragt etwas über das Erdgeschoss aus. Es liegt gen Osten. Die großen, bodentiefen Fenster ziehen sich über die gesamte Breite und lassen die erste Morgensonne herein. „Die Absturzsicherung vor der Fenstertür wird noch angebracht. Es wird aber eine ganz leichte, unauffällige Konstruktion werden“, so der Architekt.
Vom schmalen Flur gehen ein Babyzimmer und das Bad ab. Die aussteifenden Innenwände, auch die zur Treppe, sind aus normalem Beton. Die übrigen, in denen sich auch die Installationen befinden, wurden in Trockenbauweise errichtet. „Dämmbeton kostet viermal so viel wie normaler Beton“, erklärt Thalmair. So hat er ihn nur dort verwendet, wo es unbedingt notwendig und immer sichtbar war. Ausnahme sind die Bereiche, in denen er flächenbündige Einbauschränke vom Schreiner fertigen ließ.
VORHER: Die Holzbalkenkonstruktion der Decke ist zwischen den Balken mit Steinwolle gedämmt, mit Gipskartonplatten verkleidet und weiß gestrichen. Nach oben hin ist sie zusätzlich mit einer Dämmschüttung versehen.
VORHER: Im Innern dienen normale Betonwände der Aussteifung. Zusätzliche Wände, in denen sich auch die Installationen befinden, sind in Trockenbauweise errichtet.
Wie schon bei der Haustür greift Thalmair auch im Bad zu Goldoptik. Hier sind es die Fliesen, die den edlen Glanz verbreiten. „Ein bisschen kitschig darf es schon sein“, schmunzelt der Architekt. Allerdings gilt das nur für die Wand und einzelne Dekoartikel wie die goldene Roboterfigur. Die Inspiration dazu hat Thalmair aus Kopenhagen.
Breite Fenstersimse gibt es trotz einer Mauerstärke von fünfzig Zentimetern nicht. „Wir haben die Fenster außen komplett abgedichtet und dann Rahmen vorgesetzt“, erklärt Thalmair. Ein zusätzlicher Schutz vor Wasser
VORHER: Das Fenster ist in seine Öffnung eingebaut und von außen abgedichtet. Anschließend wird der schwarze Stahlrahmen vorgesetzt. Diese Konstruktionsweise kam bei allen Fenstern des Hauses zum Einsatz, auch bei den bodentiefen im Schlafzimmer und im Wohnbereich.
Das Terrassendeck schwebt fünfzig Zentimeter über dem Erdboden. Darunter saugt die Luftwärmepumpe Luft an und gibt sie wieder ab. Daher auch der Abstand. Und der schwarze Rahmen vor der Terrasse? Auch er hat einen ganz konkreten Zweck, wie Thalmair verrät: „Wir haben keine Fenster, über die wir unsere Betten zum Auslüften hängen könnten. Daher haben wir diese Konstruktion aufgestellt.“
Im Überblick
Im Untergeschoss befinden sich zwei Kinderzimmer, eine Sauna sowie der Technik-, Wasch- und Trockenraum.
Im Untergeschoss befinden sich zwei Kinderzimmer, eine Sauna sowie der Technik-, Wasch- und Trockenraum.
Im Erdgeschoss liegen Schlafzimmer und Ankleide, Babyzimmer, Bad und der offene Wohnbereich mit Küche.
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Ganz bestimmt ein tolles Wohnklima mit den Blähtonwänden und Holzbalkendecke. Einen ähnlichen ultraleichten Blähton Leichtbeton verwenden wir in Fertigteilbauweise. Dicken bis 49 cm.
Liebe auf den ersten Blick. Ein fantastisches Haus. Das Industrielle hat einfach was.
Vielen vielen Dank!
Es bewährt sich, ich würde tatsächlich nichts anders machen! :-)