Beseelte Böden: Ein Restaurator belebt antikes Parkett wieder neu
Antike Parkettböden sind stumme Zeugen der Geschichte – Thomas Reiner restauriert sie behutsam und erweckt sie zu neuem alten Leben
Er gilt als einer der renommiertesten Restauratoren für Parkettböden und Möbel in Europa: Thomas Reiner sammelt, rettet und restauriert historisches Gut – und das mit einem Feinsinn, der seinesgleichen sucht. In seinem Portfolio reiht sich ein Superlativ an den nächsten, schon Schloss Ludwigsburg bei Stuttgart, dem Leipziger Hauptbahnhof und dem Wiener Rathauskeller verhalf er mit der Restaurierung historischer Holzböden zu neuem Glanz. Antike Holzobjekte faszinierten ihn schon immer, weil sie voll von erlebter Geschichte sind, der er mit größtem Respekt begegnet. Aus dieser Leidenschaft heraus gründete der gelernte Möbelrestaurator 2007 sein Unternehmen Antique Parquet und erweckt seither prächtige Böden aus Zeiten der großen Kaiser, Fürsten und Könige wieder zu neuem Leben.
Wie ein Schatzjäger geht Reiner auf Spurensuche, entdeckt Parkette per Glücksfall oder findet alte, abgenutzte Böden in Palais, Schlössern und Repräsentationsbauten vor – oder überall dort, wo exklusiv gewohnt wurde und wird. Mit Erfolg: „Mittlerweile habe ich sicherlich das größte Portfolio von historischen Tafelparkettböden, die ich in restauriertem Zustand wieder in Umlauf bringe“, sagt Reiner. Sein bislang schönster Fund war ein Parkett aus dem Jahre 1745 mit eingelegten Intarsien aus Eiche, Ahorn, Nussbaum, Mahagoni und Palisander. Gefunden hat er es in einem Privathaus, ursprünglich war es in den Kabinetträumen auf Schloss Hetzendorf in Wien verlegt, dem einstigen Alterssitz von Kaiserin Maria Theresia. „Als im Zweiten Weltkrieg Bomben auf das Schloss fielen und die Russen einmarschierten, wurden die Böden hastig von einem Antiquitätenhändler aus- und dann in seinem eigenen Haus eingebaut. Spätere Besitzer des Hauses konnten dem alten Boden nichts mehr abgewinnen – und so ist er bei mir gelandet. Eines der schönsten Erlebnisse meiner Laufbahn als Restaurator“, erzählt Reiner.
Seine Schatzkammer ist ein altes Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert in Kitzbühel – hier lagert er seine große Sammlung an originalen und antiken Parkett- und Dielenböden. Auch in seinem Atelier in Wien findet man viele Böden mit unvergleichlichem Flair.
Seine Schatzkammer ist ein altes Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert in Kitzbühel – hier lagert er seine große Sammlung an originalen und antiken Parkett- und Dielenböden. Auch in seinem Atelier in Wien findet man viele Böden mit unvergleichlichem Flair.
An den meisten Projekten arbeitet Reiner eigenhändig mit. Bei größeren Objekten greifen ihm freie Mitarbeiter unter die Arme – die wurden vom Meister persönlich ausgebildet, um die Finesse seiner Arbeit zu verstehen. Denn Wissen und Können spielt beim Restaurieren der antiken Parkette eine ganz entscheidende Rolle.
„Nachdem wir einen Boden gefunden haben oder im Glücksfall selbst ausbauen können, dokumentieren wir den meist sehr jämmerliche Zustand und erforschen die geschichtlichen Hintergründe“, sagt Reiner.
Im Bild: Historisches Parkett – Eiche massiv, Hofburg Innsbruck
„Nachdem wir einen Boden gefunden haben oder im Glücksfall selbst ausbauen können, dokumentieren wir den meist sehr jämmerliche Zustand und erforschen die geschichtlichen Hintergründe“, sagt Reiner.
Im Bild: Historisches Parkett – Eiche massiv, Hofburg Innsbruck
Doch wie schaut man den alten Böden ihren kunsthistorischen Hintergrund ab? „Oftmals sind die Schlösser, Villen oder Repräsentationsbauten bekannt, aus denen diese Böden stammen, und somit kann man auch die geschichtlichen Hintergründe herausfiltern“, sagt Reiner. Ein weiterer Informationsträger ist der technische Aufbau sowie die vorgefundene Oberfläche. „Hier kann man sehr schön den Werdegang, oft aber leider auch den respektlosen Umgang mit den Böden erkennen“, bedauert Reiner. „So gibt es Böden, die noch Spuren von Kriegshandlungen, Bränden, Umbauten oder Zweitverwendungen aufweisen. Wenn es nach mir ginge, würde ich all diese Hinweise erhalten, aber darüber entscheidet der Auftraggeber. Und wenn ein Boden dann wieder hergestellt ist, obliegt es natürlich jedem Kunden selbst, ihn anschließend gut zu behandeln“, sagt Reiner.
Restaurierung bedeutet für Reiner nicht „neu machen“. Denkmalpflegerischen Gesichtspunkten folgend, respektiert er bei seiner Arbeit die natürlich gewachsene Patina des Bodens und arbeitet mit ruhiger Hand an dessen größtmöglicher Erhaltung und Regenerierung. „Die Kenntnis über traditionelle Fertigungsmethoden, aber auch das Wissen über alte Materialien und Werkstoffe sind dabei von entscheidender Bedeutung“, sagt er.
Maschinenarbeit würde für den Restaurator niemals in Frage kommen. Schmuckparkette aus Eiche, Nussbaum oder anderen Massivhölzern, manche davon sogar mit eingelassenen Intarsien, können nur durch sensible Handarbeit wieder hergestellt werden. Statt mit einer Schleifmaschine geht Reiner hier mit Schleifwolle ans Werk, um die Oberfläche der eingelassenen Sternintarsie nicht zu zerstören. Gibt es Risse oder Dellen im Parkett, werden diese in Fleißarbeit mit Weichwachs wieder aufgefüllt.
„In mühevoller Kleinarbeit werden die Böden konservatorisch und technisch restauriert, um sie an Ort und Stelle oder bei Liebhabern aus aller Welt wieder fachgerecht zu verlegen“, sagt Reiner. „Wir bieten den Einbau nach der Restaurierung immer mit an, da bei der Bewahrung historischer Oberflächen die normale Parkettleger-Praxis oftmals schnell an ihre Grenzen stößt.“
Verlegt werden die aufgearbeiteten Parkettböden nicht nur dort, wo Reiner sie gefunden hat. Viele alte Böden finden ihr neues Zuhause auch in Neubauten – und das überall auf der Welt. So zieren Reiners antike Parkettböden mittlerweile Residenzen in Nizza und London. Auch in Paris, Dubai oder New York arbeiten Architekten mit dem historischen Gut. „In vielen Shops in Österreich liegt überarbeitetes Parkett von mir aus, wie etwa in dieser Modeboutique in Wien“, sagt Reiner. „Meiner Meinung nach vertragen nicht nur Altbauten einen historischen Boden, auch Neubauten können durch antikes Parkett geadelt werden. Viele meiner Parkette liegen in Apartments und Lofts.“
Antique Parquet konzentriert sich zwar hauptsächlich auf das fachgerechte Restaurieren antiker Parkettböden – zu den Leistungen in seinem Portfolio zählt Reiner aber auch die Werterhaltung historischer Möbel. Auf Schloss Lichtenstein hat er bereits einige Teile des Inventars behutsam restauriert, genauso wie auf Schloss Köpenick. Auch die historische Substanz der geschnitzen Paramentenschränken aus Eichenholz in der Sakristrei im Münster Obermarchtal wurde unter seinen Händen gepflegt – und neu beseelt.
Sehen Sie noch mehr restauriertes Parkett und Einblicke in die Arbeit von Thomas Reiner – in seinem Profil >>>
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Auch aus ressourcenschonender Sicht ist antikes Parkett ein Gut mit Mehrwert. „Altparkett besteht aus Holz, das nicht maschinell schnell getrocknet und verarbeitet wurde. Durch seine jahrelange Lagerung und entsprechenden Bearbeitung hat es sich zu einem der hochwertigsten und werthaltigsten Werkstoffe entwickelt“, sagt Reiner.
Seine Liebe zum Subjet offenbart sich auch anhand der folgenden Betrachtungsweise: „Antike Holzböden sehe ich als historische Flachmöbel an: Möbel auf denen man nicht sitzt, sondern läuft.“