Comeback für ein Siedlungshaus aus den Siebzigern
Wie sich Großmutters Eigenheim in einen modernen Familienwohnsitz verwandelt? Mit Ideen und clever genutztem Baurecht
Wenn Enkel das Wohnhaus ihrer Großeltern übernehmen, ist in der Regel ein völlig neues Wohnkonzept gefragt. Das weiß auch Jürgen Lehmeier, der ein solches Projekt für ein befreundetes Bauherrenpaar umsetzte. Ein typisches Siedlungshaus aus den 1970er-Jahren sollte den Anforderungen einer jungen Familie mit drei Kindern gerecht werden. Gemeinsam mit den neuen Eigentümern und durch klug genutztes Baurecht gelang es dem Architekten, die Innenräume zu öffnen und dem Äußeren ein modernes Erscheinungsbild zu geben.
Auf einen Blick
Hier wohnt: eine junge Familie mit drei Kindern
In: Dillingen an der Donau, im bayrischen Schwaben
Auf: rund 200 Quadratmetern
Experte: Jürgen Lehmeier vom Büro für Bauform
Fotos: Markus Vogt, Eddie Klotz, Jürgen Lehmeier
Auf einen Blick
Hier wohnt: eine junge Familie mit drei Kindern
In: Dillingen an der Donau, im bayrischen Schwaben
Auf: rund 200 Quadratmetern
Experte: Jürgen Lehmeier vom Büro für Bauform
Fotos: Markus Vogt, Eddie Klotz, Jürgen Lehmeier
„In diesem Fall gab es einen Bebauungsplan und ein Haus, das schlichtweg zu klein für die Ansprüche der jungen Familie war. Das Dachgeschoss war nicht ausgebaut. Der Bebauungsplan sah aber ein gleiches Haus an gleicher Stelle vor. Ein Abriss und Neubau hätte also keine wesentliche Verbesserung gebracht. So entschieden wir uns, mit dem Bestand zu arbeiten“, erklärt der Architekt.
„Die neue Hülle, die das Bestandshaus bekam, ergab sich aus dem Wunsch, ein dauerhaft nachhaltiges Haus zu bauen, frei von Polystyrol als Dämmstoff und möglichst ohne Änderung der Statik des Dachstuhls. Dessen Tragfähigkeit war begrenzt, und mit dem Umbau wäre sie überschritten worden“, sagt Lehmeier.
„Die neue Hülle, die das Bestandshaus bekam, ergab sich aus dem Wunsch, ein dauerhaft nachhaltiges Haus zu bauen, frei von Polystyrol als Dämmstoff und möglichst ohne Änderung der Statik des Dachstuhls. Dessen Tragfähigkeit war begrenzt, und mit dem Umbau wäre sie überschritten worden“, sagt Lehmeier.
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Um den benötigten Wohnraum zu erhalten, machte Lehmeier auf konsequente Weise Gebrauch vom Baurecht. Denn die Möglichkeiten einer Erweiterung waren begrenzt. Eine Lücke zeigte sich schließlich in der Dachgaubenregelung. „Es war zulässig, Gauben bis zu einem Drittel der Dachfläche zu bauen. Zusammen mit der geänderten Nutzung ergaben sich zwei große Einschübe aus Holz, die alle Anforderungen an Gauben gemäß Regelwerk erfüllen“, erklärt er.
Um den benötigten Wohnraum zu erhalten, machte Lehmeier auf konsequente Weise Gebrauch vom Baurecht. Denn die Möglichkeiten einer Erweiterung waren begrenzt. Eine Lücke zeigte sich schließlich in der Dachgaubenregelung. „Es war zulässig, Gauben bis zu einem Drittel der Dachfläche zu bauen. Zusammen mit der geänderten Nutzung ergaben sich zwei große Einschübe aus Holz, die alle Anforderungen an Gauben gemäß Regelwerk erfüllen“, erklärt er.
„Die Gesamtbreite der Gauben war auf ein Drittel der Hauslänge begrenzt. Gauben, die auf der Außenwand sitzen, sogenannte giebelständige Gauben, waren nicht explizit ausgeschlossen. Erkerhafte Vorbauten bis 50 Zentimeter waren wiederum ohne Genehmigung erlaubt. Die großen Holzkörper sind also, rechtlich gesehen, zwei nachträgliche Erker im Erdgeschoss. Und auf sie wurden zwei aufgesetzte, giebelständige Gauben gesetzt. Die Einschübe mit Holzfassade sind heute für jedermann als hinzugefügte Elemente sichtbar. Das war uns sehr wichtig. Ein Haus darf auch immer eine Geschichte erzählen“, erläutert der Architekt.
Der Kubus des Hauses verdankt seine besondere Wirkung auch der Fassadenverkleidung. „Indem wir das leichte Material Aluminium als Dachhaut einsetzten, konnten wir größere statische Eingriffe vermeiden. Ich halte eine vorgehängte hinterlüftete Fassade für die beste Fassade überhaupt. Sie ist am wenigsten schadensanfällig, verzeiht die meisten Fehler, und alle Bestandteile lassen sich bei Bedarf wieder sauber voneinander trennen“, sagt Lehmeier.
Der Architekt und sein Team übernahmen auch die Innenraumgestaltung. „Wenn von den Bauherren bereits Möbel vorhanden sind, dann versuchen wir diese natürlich mit einzubinden. Aber die Gestaltung der Räume ist uns sehr wichtig“, erklärt er.
„Mir war es wichtig, dass die Räume einen Zusammenhang bilden und als Einheit wahrgenommen werden. Das schafft Weite und damit auch mehr Aufenthaltsqualität. Architektur nur von der Hülle her zu betrachten, ist mir zu wenig. Ein Gebäude hat ja meistens eine gestalterische Logik. Einen Entwurfsgedanken, der in der Regel die Zweifel – nehme ich dies oder nehme ich das? – beseitigen kann. Wenn man diese Entwurfsidee berücksichtigt, bleiben von vielen denkbaren Optionen nur noch die passenden übrig, und das ist ungemein hilfreich. Das führt letztendlich auch zu einer durchgängigen Gestaltung“, so Lehmeier.
Das ursprünglich recht kleinteilige Erdgeschoss mit seinen begrenzten Räumlichkeiten wurde in einen offenen Wohnbereich umgewandelt. Wohn-, Ess- und Küchenbereich gehen fließend ineinander über. „Wir haben das Haus fast vollständig entkernt und im Erdgeschoss kaum etwas hinzugefügt. Seinen Charakter sollte das Haus behalten und auch zeigen“, beschreibt Lehmeier die Aufteilung.
Das Haus wirkt in seinem Inneren offen und puristisch, was nicht zuletzt an dem Materialmix liegt. Der Boden ist ein roh belassener Betonestrich, und die Holzelemente bestehen aus Verpackungssperrholz.
Das Haus wirkt in seinem Inneren offen und puristisch, was nicht zuletzt an dem Materialmix liegt. Der Boden ist ein roh belassener Betonestrich, und die Holzelemente bestehen aus Verpackungssperrholz.
Der Esstisch „Bridge“ von Bert Plantagie ist ausziehbar. Die Pendelleuchten „Wan S“ über dem Esstisch stammen von Flos, die Deckenstrahler „Big Theo“ von SLV. Gemeinsam sorgen sie für eine funktionale, stimmungsvolle Atmosphäre.
„Die Küche haben wir selbst entworfen und bei einem regionalen Schreiner anfertigen lassen. Das ist für uns oft der übliche Weg, um ein durchgängiges Konzept umzusetzen“, beschreibt Lehmeier seine Vorgehensweise, mit der er zu individuellen Lösungen gelangt. „Man kann schließlich nicht in ein Küchenstudio gehen und fragen, wo denn die Küchen aus Verpackungssperrholz stehen.“
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Im Obergeschoss befinden sich heute drei Kinderzimmer, ein Bad und ein Büro. „Die Anbauten waren notwendig, um hier im Dachgeschoss mehr Platz zu schaffen. Einen Kniestock gab es nicht, er wäre auch nicht zulässig gewesen. In der ursprünglichen Form hätten wir das Raumprogramm im Obergeschoss kaum umsetzen können“, so Lehmeier.
Seinen gestalterischen Einheitsgedanken setzte der Architekt auch im Badezimmer fort. „Es ist nur konsequent, dass der Fußboden bis in die Dusche gezogen wird und nur noch ein kleiner Ablauf im Boden übrig bleibt. Die Wände sind entweder nur gestrichen oder mit einem Werkstoff verkleidet, der zum Beispiel auch für Spinde im Schwimmbad verwendet wird: eine sogenannte Kompaktplatte. Die Waschtischplatte ist aus dem gleichen Material. Es ist relativ dünn und lässt dadurch eine ganz eigene, leichte Ästhetik entstehen“, sagt der Architekt.
Was gefällt Ihnen an diesem Umbau? Haben Sie auch schon mal eine baurechtliche Hürde gemeistert?
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In dem Wohnhaus hatte die Großmutter der Bauherrin gelebt. Der Plan sah vor, das Gebäude den Bedürfnissen einer jungen Familie mit drei Kindern anzupassen. „Die Bauherren und ich kennen uns schon lange. Das heißt zwar nicht zwangsweise, dass man dann auch miteinander baut. Aber die Chemie passte gut und auch die Vorstellung, wo die Reise hingehen könnte“, erinnert sich Lehmeier.