Designikonen: Dieter Rams – der große Aufräumer
Der deutsche Industriedesigner hatte schon in den Fifties nur einen Wunsch: Mit seinen reduzierten Entwürfen die Welt aufzuräumen
Wer heute einen iPod in der Hand hält, weiß wahrscheinlich nicht, dass Dieter Rams’ Transistorradio Braun T3 aus dem Jahr 1958 für dessen Design Pate stand. Denn Apple-Chefdesigner Jonathan Ive ist ein wahrer Rams-Fan, und zwar seit Kindertagen. Was sich Dieter Rams seit den fünfziger Jahren gestalterisch einfallen ließ, während er „Leiter der Formgebung“ für Braun war, hat bis heute nicht an Schönheit eingebüßt – vielleicht, weil sein Credo immer lautete: So wenig Design wie möglich. Dieser Ansatz führte zu Produkten und Möbeln von solcher ästhetischer Größe, dass man sie bis heute bewundert.
Doch fangen wir am Anfang an: Den größten Teil seiner Schaffenskraft widmete Rams dem klassischen Produktdesign. Von 1955 bis 1995 war er für den Elektrogeräte-Hersteller Braun tätig. In diesen vierzig Jahren entwarf er vom Rasierapparat bis hin zum Wasserkocher alles, was man an eine Steckdose anschließen konnte. Einer seiner ersten Entwürfe für Braun (gemeinsam mit Hans Gugelot) gilt noch heute als ein Meisterwerk des Produktdesigns: Der „Schneewittchensarg“ aus dem Jahr 1956, oder offiziell: die „Radio-Plattenspieler-Kombination SK4“ aus weiß lackiertem Blech mit Wangen aus hellem Holz und einer Abdeckhaube aus Acrylglas.
Einzigartig war dieses Gerät nicht nur aus technischer Sicht (bis dato hatte es noch keine derartigen Musik-Kombigeräte gegeben), sondern auch wegen seiner radikal reduzierten Formensprache. Rams wollte die „undurchschaubare Verwirrung von Formen, Farben und Geräuschen“ in der Welt beseitigen. Diesen Anspruch setzte er in all seinen Entwürfen um. Anregungen dazu fand er in der japanischen Architektur mit ihrer schnörkellosen Klarheit.
Einzigartig war dieses Gerät nicht nur aus technischer Sicht (bis dato hatte es noch keine derartigen Musik-Kombigeräte gegeben), sondern auch wegen seiner radikal reduzierten Formensprache. Rams wollte die „undurchschaubare Verwirrung von Formen, Farben und Geräuschen“ in der Welt beseitigen. Diesen Anspruch setzte er in all seinen Entwürfen um. Anregungen dazu fand er in der japanischen Architektur mit ihrer schnörkellosen Klarheit.
Mitte der siebziger Jahre begann Rams, seine Gedanken zu gutem Design auszuformulieren. Er entwickelte die mittlerweile in Fachkreisen als „zehn Gebote“ bezeichneten Thesen zu gutem Design.
Die zehn Thesen hielt er zur Orientierung für sich selbst – aber auch für andere Designer – wie folgt fest:
1. Gutes Design ist innovativ.
2. Gutes Design macht ein Produkt brauchbar.
3. Gutes Design ist ästhetisch.
4. Gutes Design macht ein Produkt verständlich.
5. Gutes Design ist unaufdringlich.
6. Gutes Design ist ehrlich.
7. Gutes Design ist langlebig.
8. Gutes Design ist konsequent bis ins letzte Detail.
9. Gutes Design ist umweltfreundlich.
10. Gutes Design ist so wenig Design wie möglich.
Die zehn Thesen hielt er zur Orientierung für sich selbst – aber auch für andere Designer – wie folgt fest:
1. Gutes Design ist innovativ.
2. Gutes Design macht ein Produkt brauchbar.
3. Gutes Design ist ästhetisch.
4. Gutes Design macht ein Produkt verständlich.
5. Gutes Design ist unaufdringlich.
6. Gutes Design ist ehrlich.
7. Gutes Design ist langlebig.
8. Gutes Design ist konsequent bis ins letzte Detail.
9. Gutes Design ist umweltfreundlich.
10. Gutes Design ist so wenig Design wie möglich.
Sein oberstes Ziel, die Klarheit der Form, setzte er natürlich auch in seinen Möbelentwürfen um. Rams’ Möbel orientieren sich an klassischen geometrischen Formen, sind farblich unauffällig und zweckmäßig. Alles Überflüssige wird weggelassen, denn Möbel sollen dem Besitzer von Nutzen sein, nicht dekorieren.
Zu den wohl bekanntesten Möbelstücken gehören das „Regalsystem 606“, der „Beistelltisch 621“ und das „Sesselprogramm 620“ (selbst den Namen merkt man eine gewisse Vorliebe für Effizienz an).
Zum Möbeldesigner wurde Rams eher zufällig, als nämlich der Geschäftsführer von Braun ein Regal passend zu den von Rams gestalteten Audiogeräten haben wollte und Nils Vitsœ beim Anblick der Entwürfe sagte: „Ich kann dir das auch bauen.“ So entstand zuerst das Regalsystem und danach, in den systemverliebten sechziger Jahren der Sessel, das Couchsystem und der Beistelltisch.
Das „Regalsystem 606“ aus dem Jahr 1960 ist ein Musterbeispiel für zeitlose Aufbewahrungsmöbel. Der Klassiker lässt sich durch verschiedene Module, die man je nach Belieben zusammenstellen kann, an jeden Wohnraum anpassen. Es wird getragen von Aluminium-Profilen, die direkt mit der Wand verschraubt werden, die Böden hängt man dann einfach ein.
Zu den wohl bekanntesten Möbelstücken gehören das „Regalsystem 606“, der „Beistelltisch 621“ und das „Sesselprogramm 620“ (selbst den Namen merkt man eine gewisse Vorliebe für Effizienz an).
Zum Möbeldesigner wurde Rams eher zufällig, als nämlich der Geschäftsführer von Braun ein Regal passend zu den von Rams gestalteten Audiogeräten haben wollte und Nils Vitsœ beim Anblick der Entwürfe sagte: „Ich kann dir das auch bauen.“ So entstand zuerst das Regalsystem und danach, in den systemverliebten sechziger Jahren der Sessel, das Couchsystem und der Beistelltisch.
Das „Regalsystem 606“ aus dem Jahr 1960 ist ein Musterbeispiel für zeitlose Aufbewahrungsmöbel. Der Klassiker lässt sich durch verschiedene Module, die man je nach Belieben zusammenstellen kann, an jeden Wohnraum anpassen. Es wird getragen von Aluminium-Profilen, die direkt mit der Wand verschraubt werden, die Böden hängt man dann einfach ein.
1962 entwickelte Rams für Vitsœ einen Sessel, besser gesagt ein Programm an Sesseln. Auch hier war der Leitgedanke die Benutzbarkeit. Entweder als Einzelstück im Raum oder als Sofalandschaft. Einfach die Armlehne abnehmen, ein, zwei oder drei weitere Sitzmodule anfügen, zusammenschrauben, und fertig ist die individuelle Sitzreihe. Es gibt sogar Drehscheiben und Rollen für die einzelnen Stücke.
Seit dem 1. Januar 2013 hat Vitsœ die weltweite Exklusivlizenz für die Herstellung aller Rams Original-Möbelentwürfe, eine Entscheidung die von Rams selbst ausging.
Seit dem 1. Januar 2013 hat Vitsœ die weltweite Exklusivlizenz für die Herstellung aller Rams Original-Möbelentwürfe, eine Entscheidung die von Rams selbst ausging.
Rams’ reduzierte Formsprache lässt sich besonders schön an dem 1962 entworfenen Beistelltisch 621 ablesen; der 2014 neu aufgelegt wurde. Durch sein schlichtes Design und die Farbgebung (nur in Grauweiß und Schwarz erhältlich) lässt er sich in allen Wohnbereichen einsetzen. Ob als Nacht- oder Beistelltisch – immer gern gesehen in seiner Unauffälligkeit.
Der Tisch ist in zwei Höhen erhältlich: 45 oder 36 Zentimeter, die höhere Variante lässt sich mittig über das Sofa schieben (voriges Bild), wodurch eine praktische Ablagefläche entsteht, wie man sie sonst nur vom Flugzeug gewöhnt ist. Apropos praktisch: Die Füße sind nun endlich höhenverstellbar, und in die Vertiefung passt, sinnigerweise: Ein Macbook.
Der Tisch ist in zwei Höhen erhältlich: 45 oder 36 Zentimeter, die höhere Variante lässt sich mittig über das Sofa schieben (voriges Bild), wodurch eine praktische Ablagefläche entsteht, wie man sie sonst nur vom Flugzeug gewöhnt ist. Apropos praktisch: Die Füße sind nun endlich höhenverstellbar, und in die Vertiefung passt, sinnigerweise: Ein Macbook.
Wer sich die Originale einmal in der Realität ansehen oder sie gar erstehen möchte, der kann dies bei spezialisierten Vintage-Händlern tun. Zum Beispiel bei Tilmann Appel in Berlin. Der Möbelsammler und Galerist hat Rams in seiner Appel Design Gallery in der Torstraße sogar schon eine Einzelausstellung gewidmet und nutzt auch privat dessen Möbel. „Rams ist für mich einer der wichtigsten Produktdesigner unserer Zeit“, sagt Appel. Es hat einige Jahre gedauert, bis Appel die zusammenhängende Sammlung des Original-Stuhlprogramms 601/602 zusammen hatte. „Aber es hat sich gelohnt. Denn das Erstaunliche am Design von Dieter Rams ist, dass es selbst nach fast sechzig Jahren nichts von seiner Modernität verloren hat und unübertroffen geblieben ist.“
Rams Entwürfe stehen aber auch im Kanzleramt in Berlin, im Museum of Modern Art in New York oder dem Museum für Angewandte Kunst Frankfurt, wo man mittlerweile eine Dauerausstellung eingerichtet hat. Rams ist heute 84 Jahre alt und lebt in Kronberg im Taunus. Das Haus des Verdienstkreuz-Trägers ist mit seinen Entwürfen eingerichtet. Vielleicht sitzt er just in diesem Moment mit runder Brille und weißem, gescheiteltem Haar auf seinem Sessel 620?
Rams umgibt sich gerne mit seinen eigenen Möbeln. Zum einen, weil er natürlich nur Möbel entwirft, die er auch selbst nutzen will, zum anderen, weil so im täglichen Gebrauch Ideen für deren Verbesserung entstehen.
Ob er ein iPhone besitzt – man weiß es nicht. Klar ist aber, dass das heutige Design der Apple-Produkte die Thesen des Designers widerspiegelt. Rams erzählte in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ einmal, dass Apple-Chefdesigner Jonathan Ive ihm einst einen iPod samt Brief geschickt hätte, worin stand, dass Ive schon als Kind von den Braun-Geräten seiner Eltern fasziniert war und dass er ein großer Bewunderer von Rams Arbeit und seinen Thesen sei, die ihn in seinem späteren Werken beeinflusst hätten. Diese Nähe zu Rams’ Design lässt sich schnell feststellen, wenn man etwa das Transistorradio Braun T3 (1958) neben einen alten iPod legt: dieselbe Schlichtheit, eine frappierend ähnliche, kreisrunde Bedienoberfläche, das kantige Design…!
Rams empfindet die Ähnlichkeit übrigens als Kompliment (und hat dem Apple-Hauptsitz auch längst schon einen Besuch abgestattet). Denn letztlich wollte er ja mit seinen Entwürfen die Welt ein Stück weit aufräumen. Wenn ihm das andere nachtun, ist er seinem Ziel also ein Stück näher.
Ob er ein iPhone besitzt – man weiß es nicht. Klar ist aber, dass das heutige Design der Apple-Produkte die Thesen des Designers widerspiegelt. Rams erzählte in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ einmal, dass Apple-Chefdesigner Jonathan Ive ihm einst einen iPod samt Brief geschickt hätte, worin stand, dass Ive schon als Kind von den Braun-Geräten seiner Eltern fasziniert war und dass er ein großer Bewunderer von Rams Arbeit und seinen Thesen sei, die ihn in seinem späteren Werken beeinflusst hätten. Diese Nähe zu Rams’ Design lässt sich schnell feststellen, wenn man etwa das Transistorradio Braun T3 (1958) neben einen alten iPod legt: dieselbe Schlichtheit, eine frappierend ähnliche, kreisrunde Bedienoberfläche, das kantige Design…!
Rams empfindet die Ähnlichkeit übrigens als Kompliment (und hat dem Apple-Hauptsitz auch längst schon einen Besuch abgestattet). Denn letztlich wollte er ja mit seinen Entwürfen die Welt ein Stück weit aufräumen. Wenn ihm das andere nachtun, ist er seinem Ziel also ein Stück näher.
Weniger, aber besser
Zum Weiterlesen:
Über Dieter Rams wurde viel geschrieben. Wir empfehlen zwei Monografien besonders: „Weniger, aber besser – Less is More“ (Gestalten Verlag) ist die Wiederauflage eines lange vergriffenen Standardwerks, das die Dieter Rams Stiftung – und somit der Meister persönlich – herausgegeben hat. Hier begibt man sich vor allem auf die Spuren der Methoden, Kriterien und Ideen hinter Rams’ gestalterischem Schaffen.
Über Dieter Rams wurde viel geschrieben. Wir empfehlen zwei Monografien besonders: „Weniger, aber besser – Less is More“ (Gestalten Verlag) ist die Wiederauflage eines lange vergriffenen Standardwerks, das die Dieter Rams Stiftung – und somit der Meister persönlich – herausgegeben hat. Hier begibt man sich vor allem auf die Spuren der Methoden, Kriterien und Ideen hinter Rams’ gestalterischem Schaffen.
Dieter Rams
Das Buch „So wenig Design wie möglich“ (Edel Verlag) ist ein umfassendes Standardwerk zu Rams und seinem Schaffen.
Es zeigt Objekte aus den Archiven von Braun, viele Skizzen sowie exklusive Fotografien seines Hauses – und bietet so einen Einblick in die bisher verschlossene, umfassendste Sammlung von Dieter Rams’ Design-Gegenständen.
Es zeigt Objekte aus den Archiven von Braun, viele Skizzen sowie exklusive Fotografien seines Hauses – und bietet so einen Einblick in die bisher verschlossene, umfassendste Sammlung von Dieter Rams’ Design-Gegenständen.
Geboren wurde der deutsche Industriedesigner am 20. Mai 1932 in Wiesbaden, 1953 schloss er sein Studium der Architektur und Innenarchitektur in der Heimatstadt ab. Obwohl er immer davon geträumt hatte Architekt zu werden, unterbrach er das Studium für eine Tischlerausbildung und schuf damit die Grundlage für seine elaborierten Möbelentwürfe, die ab Ende der fünfziger Jahre für die Firma Vitsœ, gegründet von dem in Deutschland lebenden Dänen Niels Vitsœ, entstanden.