Fensterlose Fassaden: 18 introvertierte Häuser in Deutschland und Japan
Ein Trend aus Fernost kommt nun auch nach Deutschland – geschlossene Fassaden zur Straße hin werden immer beliebter
Eva Zimmermann
3. November 2016
Journalistin mit Architektur-Diplom und Vorliebe für weniger – und manchmal auch mehr.
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My home is my castle, lautet ein englisches Sprichwort. Man könnte es auch Japanern und Deutschen in den Mund legen. Denn castle kann nicht nur Schloss bedeuten, sondern auch Burg. Häuser, die zur Straße hin wehrhaft und verschlossen sind, tauchen immer häufiger in der deutschen Architekturlandschaft auf, während sie in Japan schon lange gang und gäbe sind. Dort ist introvertiertes Bauen eine Notwendigkeit, um überhaupt Privatsphäre zu schaffen. 349 Japaner teilen sich durchschnittlich einen Quadratkilometer, während in Deutschland 232 Menschen, also 117 weniger, auf derselben Fläche leben (laut Statistischem Bundesamt, 2015). Aber auch hierzulande gehen die Schotten runter, sehen wir immer öfter glatte, fensterlose Hauswände. Hat das vielleicht mehr mit unserer Gesellschaft als mit räumlichen Bedingungen zu tun? Verschwindet in Zeiten des gläsernen Menschen das Fensterglas aus den Hauswänden? Schlecht muss das jedenfalls nicht aussehen.
Deutsche Projekte
Ein Haus ohne Fenster ist in Deutschland nicht erlaubt. Wer würde auch gerne darin leben wollen? In Wohnräumen soll die Gesamtbreite der durchsichtigen Fensterteile mindestens 55 Prozent der Breite der Fensterwand betragen, bei einer Brüstungshöhe von maximal 0,9 Metern und einer Fensteroberkante, die mindestens 2,2 Meter über dem Fußboden liegt. So will es die DIN 5034.
Heißt aber nicht, dass bestimmte Wände nicht völlig ohne Fenster auskommen können – vorzugsweise jene, die an den öffentlichen Raum grenzen. Denn wenn schon unser gesamter Alltag, unser Einkaufsverhalten, unsere Aktivitäten und unsere politische Gesinnung registriert werden, so soll zumindest die Wohnung ein geschützter Raum sein.
1. Wie sich ein Haus nach außen hin abschotten kann, macht dieser Privatbau von Architekt Axel Nieberg in Braunschweig vor. Spuren der Schalungsbretter geben dem Sichtbeton fast eine natursteinartige Struktur und Lebendigkeit.
Ein Haus ohne Fenster ist in Deutschland nicht erlaubt. Wer würde auch gerne darin leben wollen? In Wohnräumen soll die Gesamtbreite der durchsichtigen Fensterteile mindestens 55 Prozent der Breite der Fensterwand betragen, bei einer Brüstungshöhe von maximal 0,9 Metern und einer Fensteroberkante, die mindestens 2,2 Meter über dem Fußboden liegt. So will es die DIN 5034.
Heißt aber nicht, dass bestimmte Wände nicht völlig ohne Fenster auskommen können – vorzugsweise jene, die an den öffentlichen Raum grenzen. Denn wenn schon unser gesamter Alltag, unser Einkaufsverhalten, unsere Aktivitäten und unsere politische Gesinnung registriert werden, so soll zumindest die Wohnung ein geschützter Raum sein.
1. Wie sich ein Haus nach außen hin abschotten kann, macht dieser Privatbau von Architekt Axel Nieberg in Braunschweig vor. Spuren der Schalungsbretter geben dem Sichtbeton fast eine natursteinartige Struktur und Lebendigkeit.
2. Das Haus Brunner des Büros Architektur + Raum steht giebelseitig zur Straße und zeigt hier kein einziges Fenster. Holzschindeln und -bretter verkleiden den Bau.
3. In Horgau bei Augsburg baute das Büro Architekt an Bord ein Einfamilien-Energiesparhaus in Holzbauweise. Auch hier sind die Fassadendurchbrüche minimal – übrigens ist das bei der Nordseite von energieeffizient geplanten Häusern keine Seltenheit. Sonnenabgewandte Fassaden sind hier häufig geschlossen, um Wärmeverluste zu vermeiden.
4. Hier ein Beispiel für Flexibilität: Dunkel gestrichen und verschlossen, so sieht die Fichtenholz-Fassade dieses Teils des Scheunentrios in Born am Darß von Möhring Architekten aus, wenn die Fensterpaneele zugeschoben sind…
…sie lassen sich aber auch öffnen und geben dann den Blick in einen hellen Innenraum frei.
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5. Für einen Single bauten Fabi Architekten dieses kleine Haus in Wenzenbach bei Regensburg direkt an eine Hangkante mit Blick auf das Schloss Schönberg. Zur Straße hin ist es völlig fensterlos und dunkel, mit einer Fassade aus schwarzem Putz und einer Dachhaut aus Bitumen. Zur Landschaft hin öffnet es sich mit weiten Panoramafenstern.
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6. Haus B in Offenbach ist ein ganzes Stück größer, aber nicht weniger verschlossen. Das Architekturbüro KHBT baute den Bau von 1977 völlig um und ersetzte die alte Holzfassade durch eine moderne: Eine wasserdichte Isolationsschicht in Schwarz bildet den Hintergrund für unregelmäßig angeordnete, vertikal verlaufende Holzlatten. Wer braucht noch Fenster, bei so viel schöner Textur?
7. Auch bei der Gestaltung des Depositums der Kunststiftung Im Tal sind die Architekten von Quartier Vier sehr sparsam mit Fensteröffnungen umgegangen. Zwei Kilometer vom Ort Weyerbusch im Westerwald entfernt gelegen, empfängt das als Schaulager konzipierte Gebäude seine Besucher mit einer geschlossenen Fassade aus horizontal gegliederten, langen Aluminiumbahnen. Für die ausgestellte Kunst brauchte es viel Wandfläche.
8. Architektin Anna Philipp baute in Frankfurt am Main das Haus von Stein. Zur Straße, wie in allen hier gezeigten Projekten, gibt es sich verschlossen, mit einer weiß verputzten Fassade. „Auf einem leicht abfallenden Eckgrundstück in einer gewachsenen Siedlung bei Frankfurt am Main sollte ein Wohnhaus entstehen, das der Bauherrenfamilie sowohl ein Maximum an Privatsphäre als auch ein Höchstmaß an Offenheit bietet“, erklärt Philipp dazu in der Projektbeschreibung. Einzig Haustür und Garagentor öffnen die Fassade, tun das aber sehr diskret in Weiß.
Japanische Projekte
Traditionelle Privathäuser in Japan haben häufig einen kleinen Innenhof, der durch eine hohe Mauer von der Straße abgeschottet ist. Oft kann man noch nicht einmal in Restaurants von außen hineinspicken – entweder es gibt keine Fenster zur Straße, oder Holzgitter und -lamellen versperren die Sicht. Die fensterlosen Fassaden vieler moderner japanischen Wohnhäuser führen diese Eigenart konsequent fort – mit äußerst schlichten, grafischen Silhouetten.
9. Die Architekten von MA-Style aus Japan gestalteten diese Fassade als Stülpschalung aus Sperrholz, das weiß lackiert wurde. Innen behält das Material seinen Holzton und zieht den Betrachter förmlich ins Haus hinein.
Traditionelle Privathäuser in Japan haben häufig einen kleinen Innenhof, der durch eine hohe Mauer von der Straße abgeschottet ist. Oft kann man noch nicht einmal in Restaurants von außen hineinspicken – entweder es gibt keine Fenster zur Straße, oder Holzgitter und -lamellen versperren die Sicht. Die fensterlosen Fassaden vieler moderner japanischen Wohnhäuser führen diese Eigenart konsequent fort – mit äußerst schlichten, grafischen Silhouetten.
9. Die Architekten von MA-Style aus Japan gestalteten diese Fassade als Stülpschalung aus Sperrholz, das weiß lackiert wurde. Innen behält das Material seinen Holzton und zieht den Betrachter förmlich ins Haus hinein.
11. Ähnlich gestaffelt wie das Ripple House ist auch dieses Gebäude mit dem Namen Sunomata. Beide sind verputzt und wirken durch ihre fensterlosen Fassaden so abstrakt, dass sie fast etwas Surreales bekommen.
12. Weißes Wellblech bildet die Hülle dieses Gebäudes, das, in eine Lücke zwischen zwei bestehenden Häusern gebaut, zwingend zu seinem Form und seinem Namen kam: Flathouse.
13. Schmale Fensterschlitze sind in der Fassade dieses Entwurfes von Koichi Kimura erkennbar, wenn man genau hinsieht. Alles in allem zeigt aber auch dieses Haus, das sich aus verschiedenen geometrischen Grundformen zusammensetzt, zur Straße hin größtenteils glatte Mauern.
14. Überlappend angeordnete Aluminiumbahnen bilden die Außenhaut dieses zweigliedrigen Hausentwurfes. Zwei schmale Fensterschlitze deuten dezent auf das Leben der Bewohner hin.
15. Akihide Hanya entschied sich ebenfalls für eine geschlossene Metallfassade. In ihrer Kleinteiligkeit erinnert sie an Ziegelmauerwerk – das übrigens in einem anderen Teil des Hauses tatsächlich zum Einsatz kam.
16. Haus Mor von Architekt Ito Kengo ist mit rostrot gefärbten Metall-Scharen verkleidet, und zwar vom Dach bis zum Sockel. Die einzige, messerscharf ausgeschnittene Öffnung an dieser Giebelseite bildet die Tür, die als Verkleinerung der Hausform ausgebildet ist.
17. Das Architektenduo von MA-Style baute auch dieses Haus, das wie der berühmte Karton aus der Comedy-Serie Extratour vom Himmel gefallen zu sein scheint. Die mittig platzierte Eingangstür vermittelt ein Gefühl für die Größe der ansonsten völlig abstrakten Form. Auch diese Fassade ist mit Metall-Scharen verkleidet.
Alles Schwarzseher? Warum Architekten jetzt finstere Fassaden gestalten
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18. Priya Design bauten einen Klotz mit kleinem Vorklotz in Kitashirakawa. Das größere Volumen wurde grau verputzt, das kleinere mit Holz verkleidet. Mit fensterloser Fassade auf Seiten der Straßenkreuzung, öffnet sich das Haus zur Rückseite hin. Wie alle diese Gebäude. Denn ganz ohne Fenster will dann doch niemand leben.
Wie stehen Sie zu introvertierter Architektur? Zu verschlossen oder genau richtig?
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Mein Haus soll einlandend und nicht abschreckend wirken. Wir haben ein gastfreundliches Haus und jeder ist willkommen. Sichtbare Fenster müssen sein.
Aus Feng Shui-Sicht versucht der Mensch mit dieser introvertierten Architektur der auslaugenden Energie unserer Zeit zu entfliehen.
Überall herrscht Hektik, Unsicherheit, Stress und Aggressivität. Es ist eine Zeit des Cocooning.
Bei nach vorne geschlossenen Häusern benötigt man zur Lichtzufuhr auf der Rückseite große Fensteröffnungen. Diese bedingen, dass sich das Leben in allen aktiven und passiven Bereichen hier abspielt. Die Vorderseite beherbergt dem entsprechend eher untergeordnete Räume.
Nach Feng Shui ist diese Anordnung nicht vorteilhaft. Denn die für das Wohlbefinden erforderliche Stabilität eines Hauses kommt von einem geschlossenen, beschützenden „Rücken“ genannt Schildkröte. Hier liegen die ruhigen Bereiche die zur Regeneration benötigt werden.
Die aktiven Bereiche wie Küche und Arbeitszimmer sollten im vorderen Bereich des Hauses sein. Hier kommt auch die meiste Energie an, die wir für Aktivitäten brauchen. Gleichzeitig verleiht der Blick von innen nach außen den Bewohnern die erforderliche Perspektive.
Das Problem bei solchen, nach vorne geschlossenen Häusern ist, dass hier keine Aktivität stattfinden kann.
Zusätzlich entweicht durch die großen Fensterflächen im Rücken die Energie sehr schnell und das ist der Regeneration nicht zuträglich.
Die Lösung für das Dilemma mit der aggressiven zeitlichen Energie liegt nicht darin, die offene Architektur mit verglasten Wohnräumen, durch einer vollkommenen Abschottung zu ersetzen. Das Yin und Yang sollte im Haus ausgewogen und an der richtigen Position sein: Ausreichende Transparenz zum aktiven Leben vorne, aber auch abgeschlossene Nischen und Bereiche zum Rückzug und der Regeneration hinten. Nur so werden die Voraussetzungen geschaffen, um uns mit allen Bedürfnissen wohl fühlen zu können.
Kommt darauf an, ob man mit architektonischen Mittel (Oberlichter, etc..) noch genügend Tageslicht in den Innenbereich bekommt. Generell finde ich es schön, wenn das Haus zur Straße hin einen geschlossenen Eindruck erzeugt.
...... und meistens fällt das ein zu pflegender Vorgarten weg (HURRA!!!)