Houzzbesuch: Apart in Prag – Wohnen im Gründerzeit-Update

Unsaniert und unberührt war das Apartment vor der Renovierung. Kleine Eingriffe machen es nun zum modernen Heim eines jungen Ehepaars

11. April 2015
Journalistin mit Architektur-Diplom und Vorliebe für weniger – und manchmal auch mehr.
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Letna ist das Trendviertel Prags, zwischen zwei Parks, Burg und Stadtzentrum gelegen. Die Häuser stammen aus der Zeit zwischen 1910 und 1930. Cafés reihen sich aneinander, Startups geben sich die Klinke in die Hand. Der perfekte Ort, sagt auch Innenarchitektin Pavla Kosova, wenn man in Tschechiens Hauptstadt urban leben will.

Ihr Bruder Antonin, 33 Jahre alt und Ökonom, war derselben Meinung und kaufte gemeinsam mit seiner Frau Tereza, 30 Jahre alt und Redakteurin, eine Wohnung im angesagten Bezirk. In den Siebzigerjahren zuletzt renoviert, war noch fast alles aus der Erbauungszeit erhalten. Ein Juwel des schlichten Jugendstils. Und wer hätte sich besser der Innenräume annehmen können als seine Schwester?

Auf einen Blick
Hier wohnen: Antonin, Ökonom, und Tereza, Redakteurin
Auf: 105 Quadratmetern, im zweiten Stock
In: Prag Letna, einem Szeneviertel der Stadt
Expertin: Pavla Kosova von Studio 29
Klassisch Flur by studio 29
studio 29
Manchmal ist Stillstand ein Segen. Weitaus mehr Altes bleibt erhalten, wenn das Geld fehlt, um Innenräume alle zehn Jahre an die Moden der Zeit anzupassen. „Die Wohnung sah kaum anders als zur Erbauungszeit in den 1910er Jahren aus“, sagt Kosova. „Es hatte in den Siebzigerjahren eine Renovierung gegeben, bei der Linoleum-Böden und hässliche Fliesen verlegt worden waren, aber ansonsten war hier die Zeit stehengeblieben: Die alten Fenster, Böden, der Deckenstuck und sogar die Türbeschläge waren noch da.“

Mit so viel hochwertiger Substanz konfrontiert, war Kosovas Gestaltungsmaxime schnell definiert. „Ich wollte modernen Lebensstil mit Respekt und Liebe zur Tradition und der Bausubstanz aus dem frühen 20. Jahrhundert kombinieren.“

Zementfliesen über Luxusni Dlazba; Spiegel: Vintage; Art-déco-Deckenleuchte: bei einer Auktion ersteigert; Stuhl: Victoria Ghost, Philippe Starck
Klassisch Wohnzimmer by studio 29
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Da das alte Eichenparkett unter dem Linoleum-Belag sehr gelitten hatte, musste es ersetzt werden. Der neue Boden gleiche dem alten aber wie ein Ei dem anderen, versichert Kosova. Die feinen Stuckarbeiten an den Decken im Wohnzimmer und in der Küche waren unter etlichen Farbschichten verschwunden. Antonin und Tereza legten sie in mühevoller Handarbeit wieder frei. „Über 100 Stunden verbrachten mein Bruder und seine Frau mit nassen Schwämmen auf einem Schrank hockend und trugen die alte Farbe ab“, erzählt Kosova.

Viele der auffallend schönen alten Möbel ließen die vorherigen Besitzer einfach zurück, weil sie in ihren Augen wertlos waren. Andere Stücke kamen von Antik-Händlern. „Die Möbel stammen alle aus den Dreißiger- und Vierzigerjahren, sind also etwas jünger als das Gebäude und fügen sich doch sehr harmonisch ein“, sagt Kosova.
Klassisch Wohnbereich by studio 29
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Die Bücherwand entwarf Pavla Kosova selbst. Sie wurde aus lackiertem MDF hergestellt. Den Sessel – ein tschechischer Design-Klassiker von Jindrich Halabala – schenkten sie und ihr Mann dem Brautpaar zur Hochzeit. Sie hatten ihn auf dem Sperrmüll gefunden und restaurieren lassen.
Klassisch Wohnbereich by studio 29
studio 29
Das Sofa aus den Dreißigerjahren wurde neu gepolstert und sieht jetzt wieder aus wie frisch vom Möbelbauer. Das Bild über dem Sofa malte Lucie Skrivankova. Die Skulpturen auf dem Schrank schuf Jan Honza. Er ist Maler und Holzkünstler – und außerdem der Onkel von Pavla und Antonin.
Vorher-Foto
Klassisch by studio 29
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VORHER: Linoleum und vergilbte Wände – so sah die Wohnung beim Kauf aus. Die Küche befand sich in einem der beiden kleineren Räume, die heute als Schlafzimmer genutzt werden und auf der Nordseite zum Innenhof hin gelegen sind. „Es schien mir nur logisch, sie in das große, sonnendurchflutete Südzimmer zu verlegen, da in der Küche so viel Leben stattfindet“, sagt Kosova.
Klassisch Esszimmer by studio 29
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NACHHER: Pavla Kosova entwarf die Einbauküche und ließ sie aus lackiertem MDF fertigen. Herd und Dunstabzug stammen von Mora. Leuchten unter den Hängeschränken tauchen den hellgrauen Fliesenspiegel (Keramikfliesen von Rako) bei Benutzung in grünes Licht. Alle Wände im Wohnzimmer und in der Küche ließ Kosova in hellem Grau streichen, um die weißen, stuckverzierten Decken zu betonen.
Klassisch Küche by studio 29
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Die Arbeitsplatte der Einbauküche besteht aus High Pressure Laminate (HPL), das hier so edel aussieht wie Mahagoni. Auf der Staffelei steht ein Bild, das Jan Honza malte. In der Erkernische hat Kosova, gut von Tageslicht beleuchtet, den Esstisch platziert.
Klassisch Esszimmer by studio 29
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Der skulpturale Tisch mit den geschwungenen Beinen rechts ist ein Werk von Jindrich Halabala, genau wie der Sessel im Wohnzimmer. Der tschechische Möbelbauer und spätere Chefdesigner von UP (United Woodcraft Manufacturers Brno) entwarf zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts Stühle vor allem aus Bugholz, die mit den Arbeiten Finn Juhls vergleichbar sind. Die Narren-Skulptur darauf stammt wiederum von Jan Honza.
Klassisch by studio 29
studio 29
Lucky finders! In der Wohnung aus den 1910er Jahren war so wenig verändert worden, dass es selbst die alten Messingtürgriffe noch gab. Kosova ließ sie restaurieren und dann wieder einbauen.
Klassisch Badezimmer by studio 29
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Fürs Bad, das von der Toilette abgetrennt ist, so, wie es damals oft üblich war, entwarf Kosova den Waschtisch. Er besteht aus High Pressure Laminate, genau wie die Küchenarbeitsplatte. Bei den Fliesen handelt es sich auch um dasselbe Model wie in der Küche, Keramik von Rako.

Waschtisch: Ideal Standard; Armaturen: Hansgrohe; Spiegel: Laufen
Klassisch Gästetoilette by studio 29
studio 29
Das besondere Gimmick der Toilette ist ein eingebautes Regal. „Die Nische stammt noch aus der Erbauungszeit“, erklärt Kosova. „Damals war es üblich, über ein zweites Fenster Tageslicht in die Toilette zu lassen.“

Waschbecken und Toilette: Ideal Standard
Klassisch by studio 29
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Diese Sammlerstücke, die Vase von 1911 und die Zuckerdose von 1912, entwarf Pavel Janak in der Zeit des tschechischen Kubismus. „Sie waren Hochzeitsgeschenke“, sagt Kosova.

Bei so viel geballtem Familiengeschmack ist es kein Wunder, dass diese Einrichtung gelungen ist!
Klassisch Grundriss by studio 29
studio 29
Der Grundriss veranschaulicht noch einmal die neue alte Raumaufteilung. Nach vorne heraus sind die repräsentativeren Räume wie Wohnzimmer und Küche gelegen. Nach hinten raus Kinder- und Schlafzimmer.

MEHR
Altbausanierung, Teil 1: Über schützenswerte Epochen
Hoch lebe das Design des 19. Jahrhunderts: Zementfliesen sind zurück!
Houzzbesuch: Fischgrätparkett trifft nackte Glühbirnen in Budapest
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Kommentare (2)
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mallefitzo
Toller Bericht, aber warum nicht einfach mal schreiben WIEVIEL das alles gekostet hat. DAS wäre mal interessant. Von der Wohnung, über die Renovierung, hin zu den Möbeln. So ist es halt yet another re design.
   
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PRO
Karen Bofinger
Lieber Mallefitzo, wann immer möglich versuchen wir, auch Infos zum Budget zu geben, um zumindest einen groben Anhaltspunkt zu geben (auch wenn die Kosten ja immer sehr individuell sind, je nach Region, Bausubstanz, Anteil Eigenleistung etc.pp.). Häufig möchten jedoch die privaten Bauherren solche Details nicht mit der Öffentlichkeit teilen, und da respektieren wir selbstredend die Privatsphäre. Interessiert ein Projekt besonders, gibt der umsetzende Experte vielleicht in einer privaten Nachricht eine Preisspanne, in jedem Experten-Profil gibt es Kontaktfunktionen. Aber das anschauen macht hoffentlich auch Spaß!
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