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Houzzbesuch: Black Box in einem Erfurter Fabrikloft
Die Räume des VEB-Bekleidungskombinats schienen perfekt als Wohnung einer Kleinfamilie – nur das mit dem fehlenden Bad war etwas kniffelig…
Eva Zimmermann
17. Januar 2015
Journalistin mit Architektur-Diplom und Vorliebe für weniger – und manchmal auch mehr.
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Er kannte die Räume der Fabrik schon vor dem Umbau in- und auswendig. Denn in der Studienzeit hatte er sie als Hauptmieter jahrelang als Arbeitsort genutzt, zusammen mit sieben Kommilitonen. Die Untermieter wechselten, Rainer Uwe Schultheiß von RUS Architekten blieb. Er mochte die Räume, und eigentlich war alles, was zur perfekten Wohnung fehlte, eine Idee: wie man ein Bad einbauen und dessen Entwässerung sichern könnte. Die ungewöhnliche Lösung: Eine innenliegende Box mit erhöhtem Boden.
Auf einen Blick
Hier wohnt: Architekt Rainer Uwe Schultheiß von RUS Architektenmit seiner Freundin und seinem Sohn
In: einem ehemaligen Fabrikgebäude des VEB-Bekleidungskombinats in der Krämpfervorstadt Erfurt
Auf: 150 Quadratmetern
Fotos: Marcel Krummrich, Erfurt
Auf einen Blick
Hier wohnt: Architekt Rainer Uwe Schultheiß von RUS Architektenmit seiner Freundin und seinem Sohn
In: einem ehemaligen Fabrikgebäude des VEB-Bekleidungskombinats in der Krämpfervorstadt Erfurt
Auf: 150 Quadratmetern
Fotos: Marcel Krummrich, Erfurt
Schultheiß plante und realisierte den Umbau selbst und lebt inzwischen mit seiner Lebensgefährtin und dem kleinen Sohn an diesem Ort der vielen Geschichten: In dem Hofkomplex der Krämpfervorstadt von Erfurt wurden zu DDR-Zeiten Kittel, Schürzen und andere Arbeitskleidung für das VEB-Bekleidungskombinat genäht. Auch Westdeutschland belieferte man, dank Quelle und Co. Es folgte ein kurzes Intermezzo mit B+B Fashion, die dort nach dem Wende-Ausverkauf zwei Jahre Kleidung produzierten. Danach kam der Leerstand, und bald darauf ein Club namens „Kantine“. Ab 1995 entstanden die ersten Lofts. Die Gestaltungsidee des Architekten dafür war so einfach wie bestechend: „Der Bestand sollte seine rauen und stumpfen Oberflächen behalten, alles neu Eingebaute sollte makellos glatt und fein werden.“
„Ich habe mich beim Innenausbau davon inspirieren lassen, dass hier früher geschneidert wurde. Das Wohnzimmerpodest ist ein Verweis auf die riesigen Schneidertische, auf denen die Näherinnen hier früher ihre Schnittmusterbögen ausbreiteten“, sagt Schultheiß. Es ist aus MDF gebaut, das an den Trittflächen schwarz durchgefärbt wurde.
Das Parkett aus Eiche gehörte zum Bestand. Es wurde lediglich ausgebessert und mit hohem Harzanteil geölt und gewachst.
„Ich habe mich beim Innenausbau davon inspirieren lassen, dass hier früher geschneidert wurde. Das Wohnzimmerpodest ist ein Verweis auf die riesigen Schneidertische, auf denen die Näherinnen hier früher ihre Schnittmusterbögen ausbreiteten“, sagt Schultheiß. Es ist aus MDF gebaut, das an den Trittflächen schwarz durchgefärbt wurde.
Das Parkett aus Eiche gehörte zum Bestand. Es wurde lediglich ausgebessert und mit hohem Harzanteil geölt und gewachst.
Zwei Inseln bilden die Küche, sie stehen frei im Raum, wodurch sie dem Ort seine Weite lassen. Beim Material orientierte sich Schultheiß, der die Küche selbst entwarf, am Parkett und wählte Eiche-Dreischichtplatten. Konzeptlos-Möbelwerkstätten bauten seinen Entwurf. Die Tischlerei befindet sich in direkter Nachbarschaft zum Architekturbüro und dem Loft in der Schlachthofstraße.
Ein schlankes Paneel mit Bohrlöchern entwarf Schultheiß zur Weinaufbewahrung. Es ist in Serie gegangen, wird ebenfalls von Konzeptlos-Möbelwerkstätten hergestellt und über Vaje Wohnen in Erfurt vertrieben.
Ein schlankes Paneel mit Bohrlöchern entwarf Schultheiß zur Weinaufbewahrung. Es ist in Serie gegangen, wird ebenfalls von Konzeptlos-Möbelwerkstätten hergestellt und über Vaje Wohnen in Erfurt vertrieben.
Im Schlafbereich steht ein Bett von Ikea. Nachdem Schultheiß jetzt mit seiner Kleinfamilie das Loft bewohnt, ist eine Erweitung der Räume in Planung. Der ehemalige Sanitärtrakt der Fabrik soll zu einem Schlafzimmer umgebaut werden. Das Apartment würde sich dann von 150 auf 200 Quadratmeter vergrößern.
Es ist also ein Zwischenstand, aber zur Zeit wohnt es sich immer noch schön in dem Raum, der überall Spuren der Vergangenheit trägt: Der Sicherungskasten links ist ein Überbleibsel der ehemaligen Telefonanlage. Der Kamin war früher unter Faserzementplatten verborgen und kam in diesem rohen Zustand zutage, als man die Platten herausriss. „Ich habe das alles so gelassen. Nur die Steine wurden gereinigt“, sagt Schultheiß, der auch Gitarre spielt, wenn er gerade nicht als Architekt arbeitet.
Die großen Hängeleuchten in Glühbirnenform bezog Schultheiß günstig von einem No-Name-Hersteller online.
Es ist also ein Zwischenstand, aber zur Zeit wohnt es sich immer noch schön in dem Raum, der überall Spuren der Vergangenheit trägt: Der Sicherungskasten links ist ein Überbleibsel der ehemaligen Telefonanlage. Der Kamin war früher unter Faserzementplatten verborgen und kam in diesem rohen Zustand zutage, als man die Platten herausriss. „Ich habe das alles so gelassen. Nur die Steine wurden gereinigt“, sagt Schultheiß, der auch Gitarre spielt, wenn er gerade nicht als Architekt arbeitet.
Die großen Hängeleuchten in Glühbirnenform bezog Schultheiß günstig von einem No-Name-Hersteller online.
Das Bad wurde als Box in den großen Raum gestellt und liegt 30 Zentimeter über Bodenniveau. „Das hat ganz einfache Gründe: Die Entwässerung musste irgendwo hin.“ Von zwei Seiten zugänglich, ist die Box ein glatter Körper unter den rauen Decken und Wänden des Lofts, die Schultheiß, ohne Unebenheiten auszugleichen, weiß streichen ließ. „Die Sanitärbox ist ein Holzrahmenbau mit Trockenbauelementen. Das heißt, auf der Vorlegeplatte liegt eine Trockenbauplatte aus Gips, die mehrere Male geschliffen wurde, bis sie absolut fein und glatt war.“
Im Inneren ließ Schultheiß eine sogennannte Lichtvoute samt LED-Band einbauen, so dass die indirekte Beleuchtung einfallendes Tageslicht simuliert. Auch der Rest der Badgestaltung ist wohldurchdacht. Die rückwärtige Wand wurde in Reminiszenz an das Fabrikfließband in Schiefer gekleidet. Die Bodenfugen laufen darauf zu, aber der Boden und die anderen Wände bestehen nicht aus Schiefer, sondern aus Fliesen von Mosa.
Wanne: Kaldewei Classic Duo oval; Waschbecken: Alape; Armaturen: Steinberg, Serie 120; Fliesen: Terra Maastricht, Mosa.
Wanne: Kaldewei Classic Duo oval; Waschbecken: Alape; Armaturen: Steinberg, Serie 120; Fliesen: Terra Maastricht, Mosa.
Was Sie hier sehen, ist die Badewanne. Durch eine riesige, mit Stoff bespannte Schiebetür kann das Bad auch vom Wohnzimmer her betreten werden, wirkt bühnenartig inszeniert. „Die Inspiration zur großen Tür kam aus der japanischen Architektur, die so gekonnt mit Licht und Schatten umgeht“, sagt Schultheiß. „Wenn im Wohnraum und im Bad Licht eingeschaltet ist, kann man durch die Stoffbahn nicht hindurchschauen. Wenn allerdings nur im Bad das Licht eingeschaltet ist, wird die Stoffhaut fast durchsichtig.“
Die Schiebetür hat einen Rahmen aus weiß lackiertem MDF. In geschlossenem Zustand zeichnet sich im Badezimmerlicht die Wanne immer noch schemenhaft ab.
Das Loft, hier oben im Grundriss und unten im Schnitt zu sehen, hat Schultheiß nicht durch Wände unterteilt. Lediglich die eingebaute Badbox (oben links, schwarz hinterlegt) bildet ein abgeschlossenes Zimmer, und der Wohnbereich hebt sich durch ein Podest (rechts unten im Bild, ebenfalls schwarz hinterlegt) vom Rest des Apartments ab. Rechts neben dem Bad liegt die Küche und links neben dem Wohnzimmerpodest befindet sich der Schlafbereich.
Entdecken Sie weitere Lofts und Räume im Industrial-Look auf Houzz>>>
Spicken Sie mal rein – mit unseren Houzzbesuchen in Loft-Wohnungen in aller Welt >>>
Würden Sie gerne in einem Loft leben? Und warum (nicht)? Erzählen Sie es uns in den Kommentaren!
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