Houzzbesuch
Houzzbesuch: Eine Hamburger Villa in perfekter Harmonie
Beim Umbau einer alten Villa wurden Architektur und Handwerkskunst zu einem spektakulären Ganzen verbunden
Die herrschaftliche Villa in Hamburg-Uhlenhorst hat schon viel mitgemacht. Im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bomben Ober- und Dachgeschoss, danach bekam das Haus ein Satteldach, das in den Siebzigerjahren ausgebaut wurde. Die neuen Besitzer wünschten sich nun zeitgemäßen Wohnkomfort. Ein Umbau war fällig, mit dem die Bauherren das Büro Cornehl beauftragten. Das Ergebnis vereint meisterhaftes Handwerk und moderne Gestaltung.
VORHER: Eine geschwungene Treppe führte direkt zum Eingang. Das Satteldach mit seinen Dachschrägen wich einem modernen Obergeschoss mit geraden Wänden.
NACHHER: „Wir haben den Schwung der Treppe neu interpretiert. Sie ist ein wenig vorgezogen und mündet oben in eine Loggia, die an das Nachbargebäude grenzt“, sagt Cornehl.
Er hat das Satteldach durch einen modernen Quader ersetzt. So konnte er den Wohnraum im Dachgeschoss großzügiger gestalten und Platz für die Dachterrasse schaffen.
Er hat das Satteldach durch einen modernen Quader ersetzt. So konnte er den Wohnraum im Dachgeschoss großzügiger gestalten und Platz für die Dachterrasse schaffen.
Eine Wendeltreppe dominiert die Diele, die sich an den Windfang hinter der Eingangstür anschließt. Sie verbindet alle Geschosse und ist zugleich sehr skulptural. „Es gab hier bereits eine in die Wand eingemauerte Wendeltreppe. Wir wollten den Schwung nach oben fortführen und so den Charakter der Treppe erhalten. Treppen sind architekturgeschichtlich eines der bedeutendsten gestalterischen Elemente. Hier haben wir versucht, ein besonderes Raumgefühl zu erzielen“, erklärt Cornehl.
Die Stahltreppe wurde in vier Teilen geliefert und beim Einbau verschweißt, verspachtelt, geschliffen – und wieder gespachtelt, damit das Ergebnis wie aus einem Guss wirkte. Die Unterbahn wurde aus Kunststoff gefertigt. Das transluzente Material hat Cornehl geschickt mit der Beleuchtung kombiniert. Nun kann die Treppe in verschiedenen Lichtvarianten angestrahlt werden, was ihren skulpturalen Charakter betont. Neben der Treppe gibt es noch einen Aufzug.
Die deckenhohen, flächenbündigen und scheinbar zargenlosen Türen fertigten Eber-Designtüren. „Es ging uns um Fläche, die entweder offen oder geschlossen ist. Die Türen sollten auf ihre Schließfunktion reduziert werden. Daher mussten sie raumhoch sein. Da sie aus lackiertem Holz gefertigt sind, können sie sich verziehen. Es gibt nicht viele Handwerker, die sich da rantrauen. Die Tischler haben wirklich sehr gut gearbeitet“, sagt Cornehl.
Esszimmer und Küche im Erdgeschoss wurden durch eine Schiebetür verbunden. Sie endet an einem Wandstück aus Beton. Der Farbton entspricht dem der Fassadenplatten im Obergeschoss.
Esszimmer und Küche im Erdgeschoss wurden durch eine Schiebetür verbunden. Sie endet an einem Wandstück aus Beton. Der Farbton entspricht dem der Fassadenplatten im Obergeschoss.
Der Spalt zwischen Betonwand und Fenstern wurde mit einer Glasscheibe geschlossen. So ist die Küche vom Esszimmer bei Bedarf komplett abtrennbar.
„Wir haben den Tresen mit seiner dramatischen Stärke wie ein Küchenbrett gestaltet, das zum Benutzen auffordert. Hier soll etwas passieren, Gemeinschaft stattfinden“, sagt Cornehl. Kühlen Betonfußboden wählte er als Kontrast zu den warmen Eichenholzrahmen der Fenster, die den Blick über die Terrasse in den Garten freigeben.
„Es ist eine ganz normale Küche aus lackierten MDF-Platten. Standardhängeschränke. Nur die Aufhängung ist anders. Und dadurch wirkt die Küche gleich außergewöhnlicher“, sagt der Architekt. Die 30 Zentimeter tiefen Hängeschränke hat er in drei Reihen übereinander angeordnet. So erinnern sie ein wenig an die Werke des amerikanischen Künstlers Donald Judd. Der Backofen wurde teils in die Wand eingelassen und schließt so bündig mit den Hängeschränken ab.
Das Esszimmer liegt gleich neben der Küche und überrascht durch seine Höhe: Hier hat Cornehl die Decke zum Obergeschoss geöffnet und einen hallenartigen Raum geschaffen. Die Rückwand hatte vor dem Umbau zahlreiche Vor- und Rücksprünge, die der Architekt begradigen ließ. Links hinter dem Esstisch, wo die Wandverkleidung rund 50 Zentimeter tief ist, hat er drei Nischen übereinander einbauen lassen. „Einzelne Boxen wirken eleganter. Hier können die Bauherren Holz für den Kamin lagern“, sagt er.
Der Kamin steht im Übergang zum Wohnzimmer. Er ist mit Betonplatten verkleidet. Gegenüber liegt der Aufzugschacht aus rohem Sichtbeton.
Der Kamin steht im Übergang zum Wohnzimmer. Er ist mit Betonplatten verkleidet. Gegenüber liegt der Aufzugschacht aus rohem Sichtbeton.
Zur Terrasse hin endet das Esszimmer mit einer Rundung. Cornehl wollte die Terrasse vor der Küche mit jener vor dem Esszimmer verbinden. „Die Gestaltung hat sich aus den baulichen Erfordernissen ergeben“, sagt Cornehl. Er hat für die Fenster im Esszimmer Metallrahmen gewählt. Darin sind sowohl gebogene als auch gerade Scheiben eingesetzt. Weil die Glasrezeptur jeder Glashütte etwas anders ist, passt nicht jedes Glas zu jedem – daher war es wichtig, alle Scheiben aus einer Hand zu beziehen. „Wir mussten die Glashütte überzeugen, nicht nur die gebogenen, sondern auch die geraden Scheiben zu fertigen“, erzählt der Architekt. Die oberen Scheiben sind im Querformat angeordnet.
Ein Erker mit einem Fensterband ragt in den hallenartigen Raum des Esszimmers. Er gehört zu einem der beiden Kinderzimmer. „Die Kinderzimmer sollten nicht zu groß werden. Wir haben den Raum verkleinert, indem wir die Decke des Esszimmers geöffnet haben“, sagt der Architekt. Nun kragt eines der Kinderzimmer ins Esszimmer aus.
Auf diesem Bild ist der gebogene Fensterschlitz des Erkers zu sehen. Er versorgt das Kinderzimmer dahinter mit zusätzlichem Licht.
Im Kinderzimmer ist der Erker als Sitzecke eingerichtet. Das Fensterband kann mit Kissen verdunkelt werden. Die Decke wurde abgehängt, um die Lüftungsanlage zu verbergen. Zugleich entstand dadurch Raum für Deckenspots.
Auch das Kinderbad hat ein Fensterband zum Esszimmer. „Die Kinder haben ihren Bereich zur Gartenseite hin. Das Kinderbad liegt eigentlich innen. Doch mit dem Fensterband ist ein Blick in den Garten möglich. So fühlt man sich in der Badewanne nicht so beengt“, erklärt Cornehl. Zudem lässt der weiße Fußboden aus Polyurethan den Raum großzügig und hell wirken. Das strahlend weiße Material wurde auch im Untergeschoss gegossen. Der Waschtisch ist aus Beton gefertigt, ebenso die Verkleidung der Badewanne.
Die Eltern haben ihre Räume zur Straßenseite hin. Sie haben sich für zwei aufgesetzte Waschbecken auf dem Waschtisch aus poliertem Beton entschieden. Das Bad ist nicht nur über den Flur, sondern auch über die Ankleide und das Elternschlafzimmer erreichbar.
Das Elternschlafzimmer liegt neben der Wendeltreppe, die mit einem Oberlicht abschließt. Die Diele davor führt in die Kinderzimmer, das Kinderbad, die Ankleide der Eltern und zu einem Flur, der zwischen Ankleide und Elternbad liegt. Auch der Aufzug ist von der Diele zugänglich, verborgen hinter einer Zimmertür. „Der Aufzug hat ein Oberlicht. So heben wir die Enge etwas auf. Es ist, als würde man geradezu in das Blau des Himmels fahren“, beschreibt der Architekt.
Ein Oberlicht versorgt die Treppe mit Tageslicht.
Cornehl musste mit der Baubehörde lange verhandeln, bis die Dachterrasse genehmigt wurde. Man sah das einheitliche Gesamtbild der Bebauung an der Außenalster bedroht. Der Architekt hat die Terrasse komplett gestaltet. Ohne die Zustimmung der Behörde darf nichts verändert werden. Der Aufzug etwa wurde mit einer runden Hülle umgeben, damit keine Markise daran angebracht werden kann. Das Podest für das Sofa ist unverrückbar, die Brüstung gemauert.
Die Pflanzenbeete wurden in Cortenstahl gefasst. Sie verbergen die Solarkollektoren und sorgen für optische Distanz zu den Nachbarn. Die Fassadenansicht bleibt auf diese Weise erhalten.
„Bei diesem Haus ist alles im Einklang“, sagt der Architekt.
„Bei diesem Haus ist alles im Einklang“, sagt der Architekt.
Hier wohnt: eine Familie mit zwei Kindern
In: Hamburg-Uhlenhorst
Experten: Cornehl | Atelier für Architektur
Fotos: Wolfgang Egberts
Nach dem Umbau ist nur wenig von der historischen Substanz der Villa übrig. Die Wünsche der neuen Besitzer hatten Vorrang. Architekt Ulrich Cornehl verband sie mit architektonischen Gestaltungselementen, die auch die Geschichte des Hauses nachzeichnen. Bei der Ausführung setzte er auf sehr gute Handwerker.
Die geschwungene Treppe führt ins Erdgeschoss, eigentlich ein Hochparterre. Sie täuscht ein wenig darüber hinweg, dass auch im Untergeschoss mehr als nur Kellerräume untergebracht sind. Neben Garage und Technik gibt es hier einen großzügigen Wellnessbereich, ein Gäste- und zwei Arbeitszimmer, letztere mit direktem Zugang zum Garten.