Was wir von italienischem Design übers Leben lernen können
Zeig mir, wie du wohnst und ich sage dir, wer du bist: Der Kern italienischer Lebensart schlägt sich auch im Design nieder – und umgekehrt
Leonora Sartori
19. April 2016
Italiener haben den Ruf, besonders stilbewusst zu sein. Und die italienische Lebensart, wie Fellini sie 1960 in seinem Film „La Dolce Vita“ festgehalten hat – eine Mischung aus Freude am Dasein, Lust auf Genuss und einer gewissen Zügellosigkeit – ist für viele Menschen ein Traum, dem sie sich wenigstens einmal im Leben gerne hingeben würden, und sei es auch nur auf einer kurzen Reise. Aber natürlich hat der italienische Alltag mehr zu bieten, als ausgefallene Gucci-Brillen zu tragen, einen Ferrari durch die Straßen zu kutschieren und mit Blick auf das Kolloseum Spaghetti zu essen (wie es der Regisseur Paolo Sorrentino in seinem Film „La Grande Bellezza – Die große Schönheit“ von 2013 vorgeführt hat, für den er einen Oscar erhielt). Bei der Gestaltung von Möbeln, Geschirr, Haushaltsartikeln und Accessoires gehen italienische Hersteller und Designer schon immer ihren ganz eigenen Weg. Wir haben Experten für italienische Produkte nach den Hintergründen gefragt – und herausbekommen, dass es fünf Regeln gibt, die diesen besonderen Zugang ausmachen.
1. Schöne Dinge sind bessere Dinge
… oder: Was zweckdienlich ist, wird eines Tages kaputtgehen – aber was schön ist, wird immer bleiben.
„In den 1950er-Jahren traf eine Gruppe wagemutiger Produktgestalter und Hersteller die Entscheidung, in Design zu investieren. Seitdem hat das italienische Design eine Mission: Gegenstände zu schaffen, die sowohl nützlich als auch schön sind“, sagt der Architekt Giulio Cappellini, Art Director des Unternehmens Cappellini.
Schönheit kann viele Formen annehmen, und im italienischen Design gibt es viele verborgene Juwelen zu entdecken. Zum Beispiel Alessis extravaganten Korkenzieher „Anna G“ aus Metall und Kunststoff, dessen kunstvoll geschmiedete Formen an eine Märchenfee erinnern. Oder auch – wenn es noch etwas nobler sein darf – einen der barocken Kronleuchter mit Behängen aus mundgeblasenem Muranoglas, die man in Italien oft findet.
… oder: Was zweckdienlich ist, wird eines Tages kaputtgehen – aber was schön ist, wird immer bleiben.
„In den 1950er-Jahren traf eine Gruppe wagemutiger Produktgestalter und Hersteller die Entscheidung, in Design zu investieren. Seitdem hat das italienische Design eine Mission: Gegenstände zu schaffen, die sowohl nützlich als auch schön sind“, sagt der Architekt Giulio Cappellini, Art Director des Unternehmens Cappellini.
Schönheit kann viele Formen annehmen, und im italienischen Design gibt es viele verborgene Juwelen zu entdecken. Zum Beispiel Alessis extravaganten Korkenzieher „Anna G“ aus Metall und Kunststoff, dessen kunstvoll geschmiedete Formen an eine Märchenfee erinnern. Oder auch – wenn es noch etwas nobler sein darf – einen der barocken Kronleuchter mit Behängen aus mundgeblasenem Muranoglas, die man in Italien oft findet.
2. Das Leben findet in der Küche statt
… oder: Von der befreienden Kraft eines Tellers Spaghetti.
In Italien spielt sich der Alltag größtenteils in der Küche ab. Hier entsteht der vielbeschworene Kreislauf aus Essen, Plaudern und Kochen, der kein Ende zu nehmen scheint. In der Küche kommen Italiener zusammen – und hier trennen sich ihre Wege, wenn es Zeit wird, ins Bett zu gehen. In der Küche feiern Italiener ihre Geburtstage, halten ihr Schwätzchen beim Kaffee, tauschen sich über Neuigkeiten aus und schlürfen, wenn sie krank sind, ihre Hühnerbrühe.
… oder: Von der befreienden Kraft eines Tellers Spaghetti.
In Italien spielt sich der Alltag größtenteils in der Küche ab. Hier entsteht der vielbeschworene Kreislauf aus Essen, Plaudern und Kochen, der kein Ende zu nehmen scheint. In der Küche kommen Italiener zusammen – und hier trennen sich ihre Wege, wenn es Zeit wird, ins Bett zu gehen. In der Küche feiern Italiener ihre Geburtstage, halten ihr Schwätzchen beim Kaffee, tauschen sich über Neuigkeiten aus und schlürfen, wenn sie krank sind, ihre Hühnerbrühe.
Es gibt einen Satz, der italienische Gastlichkeit auf den Punkt bringt. Mit ihm beginnt praktisch jedes Gespräch und jede gemeinsame Mahlzeit, und er lautet: „Setz dich hin und erzähl mir davon“ – oder „Setz dich hin und iss erst mal was.“
Deshalb steht der Stuhl im Zentrum. Und in Italien müssen es keineswegs besonders ausgefallene oder kostspielige Stühle sein, an denen man zusammen am Tisch sitzt. Es gibt eine große Schnittmenge zwischen der Einrichtung eines typischen italienischen Wohnhauses und den Möbeln in einer Trattoria, sagt Alberto Bassi, der ein Buch über anonymes Design in Italien verfasst hat. Das zeige sich zum Beispiel in dem Stuhl „Marocca“, der in vielen Trattorien zu sehen ist – ein traditionelles Sitzmöbel mit einer volkstümlichen, handwerklichen Vergangenheit. Oder im „Chiavarina“, einem mit Rattangeflecht bespannten Holzstuhl aus dem 18. Jahrhundert (im Bild). Das elegante Möbelstück verkörpert nicht nur traditionelle kunsthandwerkliche Qualität, es inspirierte auch den italienischen Designer Gio Ponti zu seinem berühmten „Leggera“-Stuhl, den er 1951 für Cassina entwarf.
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Deshalb steht der Stuhl im Zentrum. Und in Italien müssen es keineswegs besonders ausgefallene oder kostspielige Stühle sein, an denen man zusammen am Tisch sitzt. Es gibt eine große Schnittmenge zwischen der Einrichtung eines typischen italienischen Wohnhauses und den Möbeln in einer Trattoria, sagt Alberto Bassi, der ein Buch über anonymes Design in Italien verfasst hat. Das zeige sich zum Beispiel in dem Stuhl „Marocca“, der in vielen Trattorien zu sehen ist – ein traditionelles Sitzmöbel mit einer volkstümlichen, handwerklichen Vergangenheit. Oder im „Chiavarina“, einem mit Rattangeflecht bespannten Holzstuhl aus dem 18. Jahrhundert (im Bild). Das elegante Möbelstück verkörpert nicht nur traditionelle kunsthandwerkliche Qualität, es inspirierte auch den italienischen Designer Gio Ponti zu seinem berühmten „Leggera“-Stuhl, den er 1951 für Cassina entwarf.
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Die Kaffeepause
Der Espresso, den man zuhause genießt, hat in Italien einen ähnlich hohen Stellenwert wie die Tea Time, zu der man sich in Großbritannien nachmittags trifft. Ein Espresso ist weit mehr als ein einfaches Getränk – er steht für die Pause, die den Geist zur Ruhe kommen lässt. Wie für jedes andere Alltagsritual braucht man auch für den Espresso die passende Ausrüstung. Hier sind es Tassen, die Matteo Thun für Illy gestaltet hat, und das klassische Herdkännchen: die Bialetti Moka, die längst zu einem Klassiker geworden ist.
„Der erste Prototyp dieser Kaffeemaschine kam 1933 auf den Markt“, erzählt Autor Alberto Bassi. „Ihren durchschlagenden Erfolg hatte die Moka allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg, und das lag an der Werbung und ihrem Markenzeichen, einem kleinen Mann mit Schnurrbart.“
Zu der Form des weltbekannten Geräts weiß die Designexpertin Chiara Alessi, Autorin des Buchs „Design Without a Designer“, zu berichten, dass ihr Großvater Carlo Alessi mit Germana Bialetti verheiratet war – der Tochter von Alfonso Bialetti, dem Erfinder und Designer des Espressokochers. „Wenn die beiden miteinander diskutierten“, erzählt Chiara Alessi, „hatte immer mein Großvater das letzte Wort. Er sagte zu seiner Frau: ‚Es gibt keinen Zweifel – du bist eine Bialetti!‘“ Um seine Frau zu beeindrucken, trat Carlo Alessi in die Fußstapfen seines berühmten Schwiegervaters und entwarf ein Kaffee- und Teeservice. Es kam 1945 unter dem Namen „Bombé“ auf den Markt und sorgte mit seinen geschwungenen Linien für Aufsehen. Vielleicht hatte der Designer unterbewusst das damalige Ideal einer guten Ehefrau im Kopf, als er das Geschirr entwarf? Seine Frau Germana jedenfalls war das glatte Gegenteil: eine kantige Erscheinung, ganz wie der Moka-Espressokocher – und ein freier, unabhängiger Geist, wie sich Alessi erinnert.
Noch heute ist die Bialetti Moka unerreicht – sie ist einfach eine Designlegende. Immer wenn eine Abwandlung davon herauskam, war sie dazu verdammt, als schlechte Kopie angesehen zu werden.
Ein Barista gibt Tipps für besten Kaffeegenuss >>>
Der Espresso, den man zuhause genießt, hat in Italien einen ähnlich hohen Stellenwert wie die Tea Time, zu der man sich in Großbritannien nachmittags trifft. Ein Espresso ist weit mehr als ein einfaches Getränk – er steht für die Pause, die den Geist zur Ruhe kommen lässt. Wie für jedes andere Alltagsritual braucht man auch für den Espresso die passende Ausrüstung. Hier sind es Tassen, die Matteo Thun für Illy gestaltet hat, und das klassische Herdkännchen: die Bialetti Moka, die längst zu einem Klassiker geworden ist.
„Der erste Prototyp dieser Kaffeemaschine kam 1933 auf den Markt“, erzählt Autor Alberto Bassi. „Ihren durchschlagenden Erfolg hatte die Moka allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg, und das lag an der Werbung und ihrem Markenzeichen, einem kleinen Mann mit Schnurrbart.“
Zu der Form des weltbekannten Geräts weiß die Designexpertin Chiara Alessi, Autorin des Buchs „Design Without a Designer“, zu berichten, dass ihr Großvater Carlo Alessi mit Germana Bialetti verheiratet war – der Tochter von Alfonso Bialetti, dem Erfinder und Designer des Espressokochers. „Wenn die beiden miteinander diskutierten“, erzählt Chiara Alessi, „hatte immer mein Großvater das letzte Wort. Er sagte zu seiner Frau: ‚Es gibt keinen Zweifel – du bist eine Bialetti!‘“ Um seine Frau zu beeindrucken, trat Carlo Alessi in die Fußstapfen seines berühmten Schwiegervaters und entwarf ein Kaffee- und Teeservice. Es kam 1945 unter dem Namen „Bombé“ auf den Markt und sorgte mit seinen geschwungenen Linien für Aufsehen. Vielleicht hatte der Designer unterbewusst das damalige Ideal einer guten Ehefrau im Kopf, als er das Geschirr entwarf? Seine Frau Germana jedenfalls war das glatte Gegenteil: eine kantige Erscheinung, ganz wie der Moka-Espressokocher – und ein freier, unabhängiger Geist, wie sich Alessi erinnert.
Noch heute ist die Bialetti Moka unerreicht – sie ist einfach eine Designlegende. Immer wenn eine Abwandlung davon herauskam, war sie dazu verdammt, als schlechte Kopie angesehen zu werden.
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Nicht vergessen: Feiern!
„In den 1930er-Jahren kamen bei jeder Familie zu besonderen Anlässen die weiß-goldenen Ginori-Teller auf den Tisch“, erzählt Bassi. Mit ihrer einfachen, aber eleganten Erscheinung setzen diese Teller die festlichen Mahlzeiten vom Alltag ab. „Sie werden nicht mehr hergestellt, deshalb muss man sie auf Flohmärkten suchen“, sagt Bassi.
Wer heute ein besonderes Geschirr sucht, kann etwa zu den Tellern von Fornasetti (im Bild) greifen. In ihrer nicht ganz ernst gemeinten Eleganz treffen sie genau das doppeldeutige Wesen italienischer Gestaltung, chic und lässig zu sein.
„In den 1930er-Jahren kamen bei jeder Familie zu besonderen Anlässen die weiß-goldenen Ginori-Teller auf den Tisch“, erzählt Bassi. Mit ihrer einfachen, aber eleganten Erscheinung setzen diese Teller die festlichen Mahlzeiten vom Alltag ab. „Sie werden nicht mehr hergestellt, deshalb muss man sie auf Flohmärkten suchen“, sagt Bassi.
Wer heute ein besonderes Geschirr sucht, kann etwa zu den Tellern von Fornasetti (im Bild) greifen. In ihrer nicht ganz ernst gemeinten Eleganz treffen sie genau das doppeldeutige Wesen italienischer Gestaltung, chic und lässig zu sein.
3. Im Mittelpunkt steht die Familie
… oder: Man braucht nicht gleich ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen – es genügt völlig, wenn man eine große Familie hat, die sich ständig einmischt!
Sei immer du selbst. Denk daran, wer du bist und woher du kommst. Diese beiden Maximen sind für die italienische Lebensart von höchster Bedeutung. „In guten wie in schlechten Zeiten: Die Familie ist einer der Grundpfeiler, auf denen italienisches Design beruht“, sagt Chiara Alessi. „Der hohe Stellenwert der Familie ist eine italienische Spezialität. Sie führt dazu, dass Design sich in erster Linie mit einer Geschichte beschäftigt, in der verschiedene Personen eine Rolle spielen. Der Gegenstand wird zu einem Instrument, das es den Personen erlaubt, miteinander zu kommunzieren.“
… oder: Man braucht nicht gleich ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen – es genügt völlig, wenn man eine große Familie hat, die sich ständig einmischt!
Sei immer du selbst. Denk daran, wer du bist und woher du kommst. Diese beiden Maximen sind für die italienische Lebensart von höchster Bedeutung. „In guten wie in schlechten Zeiten: Die Familie ist einer der Grundpfeiler, auf denen italienisches Design beruht“, sagt Chiara Alessi. „Der hohe Stellenwert der Familie ist eine italienische Spezialität. Sie führt dazu, dass Design sich in erster Linie mit einer Geschichte beschäftigt, in der verschiedene Personen eine Rolle spielen. Der Gegenstand wird zu einem Instrument, das es den Personen erlaubt, miteinander zu kommunzieren.“
Das Gästebett
Für Gäste muss immer Platz sein. Virginio Briatore ist Designphilosoph und Berater mehrerer Unternehmen, darunter Lago und Lavazza. Es gibt ein italienisches Produkt, das sein Leben verändert hat: der Pouf „Pisolò“ – ein Hocker, der eine aufblasbare Matratze enthält. Entworfen hat ihn Denis Santachiara für Campeggi. „Er leistet mir schon seit acht Jahren in meiner kleinen Mailänder Wohnung gute Dienste“, sagt Briatore. „Diese ausgeklügelte Version eines aufblasbaren Gästebetts ist ein ausgezeichnetes Beispiel für das Konzept des ‚nomadischen‘ Produkts: Es verschwindet, wenn es nicht in Gebrauch ist, und es erlaubt dir, im Handumdrehen ein behelfsmäßiges, aber bequemes Bett aufzustellen. In jedem Haushalt, der etwas auf sich hält, sollte ein Bett für Freunde vorhanden sein. Auf meinem haben schon mindestens 50 Gäste übernachtet.“
Ein anderes platzsparendes Produkt, das ebenfalls einen doppelten Verwendungszweck hat, ist der raffinierte Sessel „Huggy“ von Lago, den Brit Leissler im Studio-Workshop des Möbelherstellers 2009 entworfen hat. „Huggy“ (im Bild) ist ein Sessel, der sich bei Bedarf in ein Bett verwandeln lässt.
Für Gäste muss immer Platz sein. Virginio Briatore ist Designphilosoph und Berater mehrerer Unternehmen, darunter Lago und Lavazza. Es gibt ein italienisches Produkt, das sein Leben verändert hat: der Pouf „Pisolò“ – ein Hocker, der eine aufblasbare Matratze enthält. Entworfen hat ihn Denis Santachiara für Campeggi. „Er leistet mir schon seit acht Jahren in meiner kleinen Mailänder Wohnung gute Dienste“, sagt Briatore. „Diese ausgeklügelte Version eines aufblasbaren Gästebetts ist ein ausgezeichnetes Beispiel für das Konzept des ‚nomadischen‘ Produkts: Es verschwindet, wenn es nicht in Gebrauch ist, und es erlaubt dir, im Handumdrehen ein behelfsmäßiges, aber bequemes Bett aufzustellen. In jedem Haushalt, der etwas auf sich hält, sollte ein Bett für Freunde vorhanden sein. Auf meinem haben schon mindestens 50 Gäste übernachtet.“
Ein anderes platzsparendes Produkt, das ebenfalls einen doppelten Verwendungszweck hat, ist der raffinierte Sessel „Huggy“ von Lago, den Brit Leissler im Studio-Workshop des Möbelherstellers 2009 entworfen hat. „Huggy“ (im Bild) ist ein Sessel, der sich bei Bedarf in ein Bett verwandeln lässt.
4. Mit einem Lächeln geht alles besser
… oder: Wie wir ein Leben lang Kinder bleiben können.
Angefangen mit dem Mezzadro-Hocker, den Achille Castiglioni 1957 für Zanotta entworfen hat, „haben Italiener den Einrichtungen ihrer Häuser immer einen ironischen Dreh gegeben“, sagt der Architekt Andrea Marcante vom Büro UdA.
In Marcantes Projekten gibt es immer unerwartete Momente – zum Beispiel, wenn neben einem Sofa in normaler Größe eine riesige Leuchte steht oder antike Möbel direkt neben zeitgenössischen Platz finden. „Ich nähere mich einem Raum am liebsten so wie einem der surrealen Gemälde von Giorgio de Chiricio: Ich möchte eine ausgewogene Mischung aus Vertrautem und Befremdlichem schaffen. Das verleiht dem Ganzen eine Faszination.“
… oder: Wie wir ein Leben lang Kinder bleiben können.
Angefangen mit dem Mezzadro-Hocker, den Achille Castiglioni 1957 für Zanotta entworfen hat, „haben Italiener den Einrichtungen ihrer Häuser immer einen ironischen Dreh gegeben“, sagt der Architekt Andrea Marcante vom Büro UdA.
In Marcantes Projekten gibt es immer unerwartete Momente – zum Beispiel, wenn neben einem Sofa in normaler Größe eine riesige Leuchte steht oder antike Möbel direkt neben zeitgenössischen Platz finden. „Ich nähere mich einem Raum am liebsten so wie einem der surrealen Gemälde von Giorgio de Chiricio: Ich möchte eine ausgewogene Mischung aus Vertrautem und Befremdlichem schaffen. Das verleiht dem Ganzen eine Faszination.“
Glaubt man dem Designunternehmer Cappellini, erzählen italienische Einrichtungsgegenstände immer eine Geschichte. Sie dürfen nicht nur Funktionalität zu bieten haben, sie sollen Menschen auch zum Lächeln bringen.
Meisterdesigner wie Ettore Sottsass und Achille Castiglioni haben genau das getan. Ihre Entwürfe haben etwas Überraschendes, sie enthalten Details, die den Betrachter zum Lachen bringen können und dafür sorgen, dass es Spaß macht, die Produkte zu benutzen. Auf dem Bild ist die Leuchte „Toio“ zu sehen, die Achille und Pier Giacomo Castiglioni 1962 für Flos entworfen haben. Für den Prototyp montierten sie einen Autoscheinwerfer auf eine Angelrute.
„Vor dem Hintergrund dieses großartigen Erbes ist es natürlich heute für aufstrebende junge Designer nicht einfach, neue Formen zu schaffen. Aber das Anliegen, überraschende Elemente einzubauen, kann sich auf viele verschiedene Arten ausdrücken – von neuen Technologien bis zu den erstaunlichen Materialien, über die wir heute verfügen“, sagt Cappellini.
Meisterdesigner wie Ettore Sottsass und Achille Castiglioni haben genau das getan. Ihre Entwürfe haben etwas Überraschendes, sie enthalten Details, die den Betrachter zum Lachen bringen können und dafür sorgen, dass es Spaß macht, die Produkte zu benutzen. Auf dem Bild ist die Leuchte „Toio“ zu sehen, die Achille und Pier Giacomo Castiglioni 1962 für Flos entworfen haben. Für den Prototyp montierten sie einen Autoscheinwerfer auf eine Angelrute.
„Vor dem Hintergrund dieses großartigen Erbes ist es natürlich heute für aufstrebende junge Designer nicht einfach, neue Formen zu schaffen. Aber das Anliegen, überraschende Elemente einzubauen, kann sich auf viele verschiedene Arten ausdrücken – von neuen Technologien bis zu den erstaunlichen Materialien, über die wir heute verfügen“, sagt Cappellini.
Foto: mit freundlicher Genehmigung des Verlags Corraini Edizioni
Kindliche Unbeschwertheit wachhalten
„Bruno Munari, ein vielseitiger italienischer Künstler und Designer, hat einmal gesagt: Die Grundlage von Kreativität ist die Fähigkeit, neue Beziehungen zu knüpfen – die Fähigkeit, Gegenstände und Situationen anders anzuordnen, als wir es gewohnt sind“, erklärt Laura Traldi, die für D, die Kulturbeilage der Tageszeitung La Repubblica, über Design schreibt. Von Munari (1907–1998) stammen die Bauklötze, die hier zu sehen sind.
Dieses Kreativitätskonzept haben Giulio Iacchetti, der Gründer des Designlabels Interno Italiano,
und seine Frau Silvia, auf ihre Wohnräume in Mailand übertragen, wo sie mit ihren drei Kindern leben. „Wir haben keine Kindermöbel gekauft“, sagt Iaccetti. „Stattdessen haben wir Möbel ausgewählt, die für die Kinder auch Objekte zum Spielen sein können, die zu Häusern, Burgen, Inseln werden können. Ein Wohnzimmer wird nicht zu einem Spielplatz, indem man es einfach mit Plüschtieren vollstopft.“
„Die Spiele der Kinder sind […] nichts als die Äußerung ernster Tätigkeiten«, schrieb der Pädagoge und Schriftsteller Jean Paul – in Italien scheint man das auch so zu sehen.
Kindliche Unbeschwertheit wachhalten
„Bruno Munari, ein vielseitiger italienischer Künstler und Designer, hat einmal gesagt: Die Grundlage von Kreativität ist die Fähigkeit, neue Beziehungen zu knüpfen – die Fähigkeit, Gegenstände und Situationen anders anzuordnen, als wir es gewohnt sind“, erklärt Laura Traldi, die für D, die Kulturbeilage der Tageszeitung La Repubblica, über Design schreibt. Von Munari (1907–1998) stammen die Bauklötze, die hier zu sehen sind.
Dieses Kreativitätskonzept haben Giulio Iacchetti, der Gründer des Designlabels Interno Italiano,
und seine Frau Silvia, auf ihre Wohnräume in Mailand übertragen, wo sie mit ihren drei Kindern leben. „Wir haben keine Kindermöbel gekauft“, sagt Iaccetti. „Stattdessen haben wir Möbel ausgewählt, die für die Kinder auch Objekte zum Spielen sein können, die zu Häusern, Burgen, Inseln werden können. Ein Wohnzimmer wird nicht zu einem Spielplatz, indem man es einfach mit Plüschtieren vollstopft.“
„Die Spiele der Kinder sind […] nichts als die Äußerung ernster Tätigkeiten«, schrieb der Pädagoge und Schriftsteller Jean Paul – in Italien scheint man das auch so zu sehen.
5. Nicht alles ist so, wie es scheint
… oder: Es gibt nicht nur eine Wahrheit.
„Uns Italienern liegt nichts ferner, als absolute Gewissheiten zu verkünden“, meint Giulio Iaccetti. Ob diese Einstellung eine Schwäche darstellt, kommt wohl auf dem Standpunkt an. „Unsere Spezialität ist die Fähigkeit, Dinge im Gegenlicht zu betrachten, eine Sichtweise kaleidoskopfartig aufzufächern – die Realität durch eine Linse zu betrachten, die alles verzerrt. Dadurch erhalten die Gegenstände oft einen besonderen Twist ins Ironische oder Märchenhafte.“
„Wir stellen die übliche Wahrnehmung in Frage. Wir zeigen dem Betrachter, dass ein Gegenstand mehr als eine Funktion haben kann, und dass nicht alles genau das ist, was es zu sein scheint“, sagt Iacchetti. „Dabei verändert sich zwar auch die Form, aber vor allem die Auffassung, die wir von dem Gegenstand haben. Die Ironie, die unsere Gewissheiten zerstört und die Wahrnehmung brüchig macht, hat auch etwas Befreiendes.“
… oder: Es gibt nicht nur eine Wahrheit.
„Uns Italienern liegt nichts ferner, als absolute Gewissheiten zu verkünden“, meint Giulio Iaccetti. Ob diese Einstellung eine Schwäche darstellt, kommt wohl auf dem Standpunkt an. „Unsere Spezialität ist die Fähigkeit, Dinge im Gegenlicht zu betrachten, eine Sichtweise kaleidoskopfartig aufzufächern – die Realität durch eine Linse zu betrachten, die alles verzerrt. Dadurch erhalten die Gegenstände oft einen besonderen Twist ins Ironische oder Märchenhafte.“
„Wir stellen die übliche Wahrnehmung in Frage. Wir zeigen dem Betrachter, dass ein Gegenstand mehr als eine Funktion haben kann, und dass nicht alles genau das ist, was es zu sein scheint“, sagt Iacchetti. „Dabei verändert sich zwar auch die Form, aber vor allem die Auffassung, die wir von dem Gegenstand haben. Die Ironie, die unsere Gewissheiten zerstört und die Wahrnehmung brüchig macht, hat auch etwas Befreiendes.“
Im Zweifelsfall: Räder dranschrauben …
„Von zwei Dingen habe ich eine Menge über den schöpferischen Prozess – und das Leben im Allgemeinen – gelernt: Von der Schreibmaschine „Valentine“, einem Entwurf von Ettore Sottsass, und von dem Tisch mit Rädern, den Gae Aulenti für FontanaArte gestaltet hat“ (im Bild), sagt Designer Odo Fioravanti, der für Unternehmen wie Casamania, FontanaArte und Foscarini arbeitet.
„Jedem, der während eines kreativen Prozesses in Schwierigkeiten gerät, kann ich zwei simple Überlegungen empfehlen. Frag dich einfach: Habe ich schon ausprobiert, Räder dranzuschrauben? Und wie sähe das Ganze aus, wenn es einen Griff hätte? Das sind zwei Fragen, die dir helfen, noch mal neu zu überdenken, was du gerade zu gestalten versuchst. Sie können dir den Weg zeigen, der aus der Sackgasse führt.“
Was finden Sie am interessantesten an italienischer Lebensart und Gestaltung?
„Von zwei Dingen habe ich eine Menge über den schöpferischen Prozess – und das Leben im Allgemeinen – gelernt: Von der Schreibmaschine „Valentine“, einem Entwurf von Ettore Sottsass, und von dem Tisch mit Rädern, den Gae Aulenti für FontanaArte gestaltet hat“ (im Bild), sagt Designer Odo Fioravanti, der für Unternehmen wie Casamania, FontanaArte und Foscarini arbeitet.
„Jedem, der während eines kreativen Prozesses in Schwierigkeiten gerät, kann ich zwei simple Überlegungen empfehlen. Frag dich einfach: Habe ich schon ausprobiert, Räder dranzuschrauben? Und wie sähe das Ganze aus, wenn es einen Griff hätte? Das sind zwei Fragen, die dir helfen, noch mal neu zu überdenken, was du gerade zu gestalten versuchst. Sie können dir den Weg zeigen, der aus der Sackgasse führt.“
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