Dieses Haus schrumpft & wächst mit den Jahreszeiten
Im Sommer schwirren wir aus, im Winter igeln wir uns ein. Ein Scheunen-Umbau adaptiert dieses Prinzip aus Kostengründen
Catherine Hug
30. September 2022
Houzz-Contributor. Kreative Einrichtungsberaterin. Bloggerin, Baumarkt-Stammkundin und DIY-Expertin. Mutter zweier Töchter und stolze Besitzerin eines sehr alten Wohnwagens mit Vorliebe für Schlichtes, Schönes und Skandinavien.
Houzz-Contributor. Kreative Einrichtungsberaterin. Bloggerin, Baumarkt-Stammkundin... Mehr
Schon einmal hatten die Architekten Barth und Breker für die Familie gearbeitet und ein Dachgeschoss in Berlin in ein neues Zuhause verwandelt. Nun sollte ein Haus auf dem Land dazu kommen. Ein Ensemble alter Gebäude mitten in der Uckermark, einer beliebten Region in Brandenburg, war bereits ausgemacht. Doch noch nichts unterschrieben, als das Architektenduo erneut ins Spiel kam – mit der ungewöhnlichen Idee, die alte Scheune in zwei Klimazonen aufzuteilen. Die Trennung von Sommerhaus und einem kleinen, isolierten Haus für die ganzjährige Nutzung ist von außen nicht auszumachen. Sie birgt jedoch etliche Vorteile.
Auf einen Blick
Hier wohnt: eine vierköpfige Familie
In: einer umgebauten Scheune in der Uckermark
Auf: 150 Quadratmetern
Expertise von: Barth und Breker Architekten
Budget: 350.000 Euro
Fotos: Ringo Paulusch
Hier wohnt: eine vierköpfige Familie
In: einer umgebauten Scheune in der Uckermark
Auf: 150 Quadratmetern
Expertise von: Barth und Breker Architekten
Budget: 350.000 Euro
Fotos: Ringo Paulusch
„Eine traditionelle Hofstelle, mit Wohnhaus, großer Scheune und Stallgebäude stand zum Verkauf. Zwei befreundete Familien aus Berlin interessierten sich dafür“, erzählt Petr Barth, der mit seinem Partner Taras Breker bereits früh in das Projekt eingebunden wurde und den Prozess von der Kaufentscheidung über die Bauvoranfrage bis zur Realisierung begleitete.
Während das kleinere Wohnhaus in seiner Struktur überschaubar und einschätzbar war, wurde die Scheune zum eigentlichen Star: Der freie Blick und die große Grundfläche überzeugte die Familie letztendlich. Hinter den alten Backsteinmauern machten die beiden Architekten bei ihrer ersten Besichtigung dann einige interessante Entdeckungen. Denn die Scheune wurde über die Jahrzehnte nicht nur als Materiallager für alles Mögliche genutzt: „Die Vorbesitzer waren Jäger. Zumindest stand in einem der Räume ein Kessel, in dem Geweihe ausgekocht und präpariert wurden“, so Barth.
Um die Diskussion mit den Bauherren ins Rollen zu bringen, erarbeiteten die beiden Architekten gleich mehrere Varianten, wie man mit dem Gebäude verfahren könnte. „Anfangs geht es immer darum, verschiedene Ideen grob zu skizzieren“, erläutert Breker. Mit dem Feedback der Kunden gehe es dann weiter in die nächste Runde. „Das Ganze ist ein Annäherungsprozess. In Kombination mit dem Budget erarbeiten wir dann ein, zwei oder drei in sich konsistente Varianten.“
Während das kleinere Wohnhaus in seiner Struktur überschaubar und einschätzbar war, wurde die Scheune zum eigentlichen Star: Der freie Blick und die große Grundfläche überzeugte die Familie letztendlich. Hinter den alten Backsteinmauern machten die beiden Architekten bei ihrer ersten Besichtigung dann einige interessante Entdeckungen. Denn die Scheune wurde über die Jahrzehnte nicht nur als Materiallager für alles Mögliche genutzt: „Die Vorbesitzer waren Jäger. Zumindest stand in einem der Räume ein Kessel, in dem Geweihe ausgekocht und präpariert wurden“, so Barth.
Um die Diskussion mit den Bauherren ins Rollen zu bringen, erarbeiteten die beiden Architekten gleich mehrere Varianten, wie man mit dem Gebäude verfahren könnte. „Anfangs geht es immer darum, verschiedene Ideen grob zu skizzieren“, erläutert Breker. Mit dem Feedback der Kunden gehe es dann weiter in die nächste Runde. „Das Ganze ist ein Annäherungsprozess. In Kombination mit dem Budget erarbeiten wir dann ein, zwei oder drei in sich konsistente Varianten.“
Der Budgetrahmen, der in diesem Fall etwa 300.000 Euro betragen sollte, gab schließlich den Ausschlag für eine ungewöhnliche Idee: Die klimatische Unterteilung der Scheune in ein isoliertes „Winterhaus“ (links in der Zeichnung) und ein luftiges „Sommerhaus“. Denn das gesamte Gebäude komplett zu isolieren, hätte das Budget gesprengt.
Außerdem sollte der ursprüngliche Scheunencharakter erhalten bleiben. Der Vorschlag der Architekten: ein großzügiges Raumerlebnis in den warmen Sommermonaten und einen gut isolierten Rückzugsort für den Winter, quasi als Herz der Scheune zu schaffen – entsprechend der ursprünglichen Grundkonstruktion.
Außerdem sollte der ursprüngliche Scheunencharakter erhalten bleiben. Der Vorschlag der Architekten: ein großzügiges Raumerlebnis in den warmen Sommermonaten und einen gut isolierten Rückzugsort für den Winter, quasi als Herz der Scheune zu schaffen – entsprechend der ursprünglichen Grundkonstruktion.
So weit die Grundidee, mit der die Architekten überzeugten. Doch längst nicht alles ließ sich im Vorfeld so exakt planen. „Wir stellen immer wieder fest, dass noch viel im Bauen zu Ende gedacht und geplant werden muss, weil sich viele Notwendigkeiten erst im Bau ergeben“, erklärt Barth, der nicht nur aus diesem Grund sehr viel Zeit auf der Baustelle verbringt. Ein wichtiger Teil des Prozesses sei aber, die Dinge kommen zu lassen, anstatt sie bis ins letzte Detail durchzuplanen. „Es geht darum, eine Verbindung zu schaffen.“
Steht die Anfangsidee und das Budget, umfasst die weitere Planung vor Baubeginn etwa 70 Prozent. „Der Rest ergibt sich erst in der Ausbauphase“, so Barth, dessen Arbeitsweise das Zutrauen seitens der Bauleute erfordert, „damit es irgendwann mal ein Ende hat oder eine Form bekommt.“
Steht die Anfangsidee und das Budget, umfasst die weitere Planung vor Baubeginn etwa 70 Prozent. „Der Rest ergibt sich erst in der Ausbauphase“, so Barth, dessen Arbeitsweise das Zutrauen seitens der Bauleute erfordert, „damit es irgendwann mal ein Ende hat oder eine Form bekommt.“
Das versteckte Potenzial wurde beim Betreten des in die Jahre gekommenen Gebäudes ebenfalls schnell sichtbar: „Diese Halle hat eine Höhe von neun Metern und eine Grundfläche von 150 Quadratmetern. Das ist ein gewaltiges Volumen. In drei Etagen wären das insgesamt 450 Quadratmeter“, so Barth über die Dimensionen, in denen sich ihre Planung abspielen sollte.
„Das ist ein Holztragwerk, fast wie Zeltstangen aufgebaut. Auf denen liegt das Dach. Die Wände sind an das Tragwerk angehängt. Das ganze Ding ist eigentlich schon wie ein Shelter, ein Schutz vor Wind und Wetter“, erläutert Barth das Konzept. „Der Spaß war, dass man diese Hülle wieder benutzt, dieses Thema ausbaut.“
„Das ist ein Holztragwerk, fast wie Zeltstangen aufgebaut. Auf denen liegt das Dach. Die Wände sind an das Tragwerk angehängt. Das ganze Ding ist eigentlich schon wie ein Shelter, ein Schutz vor Wind und Wetter“, erläutert Barth das Konzept. „Der Spaß war, dass man diese Hülle wieder benutzt, dieses Thema ausbaut.“
Ein neues Dach leitete die gut anderthalbjährige Bauphase ein. Die eingesetzten Dachfenster erhellen das Innere der Scheune und sorgen für eine freundliche Atmosphäre im Innern des alten Mauerwerks, von der jede einzelne Fuge erneuert wurde. „Damit das Gemäuer eine Grunddichtigkeit bekommt und sich zusammen mit der Dämmung keine Feuchtigkeit niederschlägt“, erklärt Breker die notwendigen Arbeiten, die die Grundlage für den gelungenen Scheunenausbau bildeten.
Der offene Bereich in der Mitte, in den zu früheren Zeiten die Traktoren auf der einen Seite durch das große Scheunentor hinein und auf der anderen Seite wieder hinaus fuhren, wurde mit einer Fußbodenheizung zur wohltemperierten Zwischenzone. Im Sommer dient sie als zusätzlicher Wohnraum. Wenn das gläserne „Scheunentor“ weit geöffnet ist, trifft sich hier alles am langen Gesindetisch. Gekocht wird dann in der zu beiden Seiten hin offenen Küche.
Im Sommer bleiben die rund vier Meter hohen Falttüren meist geöffnet.
Nicht so im Winter, wenn die schwarze Küchenzeile nur vom Inneren des Winterhauses aus bespielt wird. Eine Fensterfront aus gut isolierten Faltelementen trennt dann beide Bereiche voneinander ab. Die vollwertige Fassade, die bis unter den Giebel verglast ist, macht das Winterhaus im Innern der Scheune zu einem kleinen Kokon.
Als in sich geschlossene Einheit erstreckt sich das Winterhaus über drei Etagen. Mit offener Wohnküche im Erdgeschoss, Elternschlafzimmer, Kinderzimmer und Bad bietet es genug Platz für die vierköpfige Familie, um auch während der kühleren Jahreszeit das Landleben zu genießen. Dank großzügiger Fensterfronten bleibt im Innern die Großzügigkeit erhalten.
Eine Umbauung des Kopfendes aus einfachen Theaterlatten schirmt den Schlafbereich der Eltern vor allzu tiefen Einblicken ab. „Das haben wir nachgeführt, weil es den Bauherren einen Tick zu offen war, nachdem sie die ersten Male dort übernachtet hatten“, erzählt Petr Barth. Das günstige Material leicht gegeneinander versetzt löst das Problem, ohne das Raumgefühl zu beeinträchtigen. Auch der Ausblick in die Landschaft bleibt dank tiefer gelegter Dachfenster erhalten.
Das Kinderzimmer unter dem Dachgiebel wirkt gemütlich und bietet ebenfalls einen schönen Blick in die Natur.
Das Familienbad mit einer Mischung aus rauem, ursprünglichem Charme, traditionellen Elementen und Modernem.
Viel Freiheit hatten die beiden Architekten im Fall der alten Scheune, auch bei der Suche nach passenden Baumaterialien. Ein Beispiel: Die alte Holztreppe, die von einem Händler antiker Baumaterialien aus dem Schwarzwald stammt und die wirkt, als sei sie eigens für diesen Zweck gemacht.
„Natürlich kann man auch Zeichnungen von irgendwelchen Treppen präsentieren“, so Breker. Aber das entspräche eben nicht ihrer Herangehensweise an solche Projekte und führe auch nicht zu dem gewünschten Ergebnis, führt Barth aus. Denn, so der Architekt, „dabei geht es um Seele, um eine Verbindung. Allein der Suchprozess verbindet uns und die Bauleute mit der Aufgabe.“
Aber es sind nicht nur wiederverwendete alte Baumaterialien, die den einzigartigen Charakter ihrer Projekte kennzeichnen, auch zweckentfremdete Bauteile fügten sich in dem Bauwerk nach und nach zu einem harmonischen Ganzen zusammen.
„Natürlich kann man auch Zeichnungen von irgendwelchen Treppen präsentieren“, so Breker. Aber das entspräche eben nicht ihrer Herangehensweise an solche Projekte und führe auch nicht zu dem gewünschten Ergebnis, führt Barth aus. Denn, so der Architekt, „dabei geht es um Seele, um eine Verbindung. Allein der Suchprozess verbindet uns und die Bauleute mit der Aufgabe.“
Aber es sind nicht nur wiederverwendete alte Baumaterialien, die den einzigartigen Charakter ihrer Projekte kennzeichnen, auch zweckentfremdete Bauteile fügten sich in dem Bauwerk nach und nach zu einem harmonischen Ganzen zusammen.
So wurde eines der Gästezimmer nicht mit den üblichen Rigipsplatten verkleidet, sondern mit schwarz lasierten Seekieferplatten, die mit schwankenden Temperaturen und Raumfeuchtigkeiten besser umgehen können.
Erst auf den zweiten Blick sichtbar werden die metallenen Fugen zwischen den Platten: Einfache Stahlstäbe, die Barth zufällig im Baumarkt entdeckte und mit auf die Baustelle brachte. „Die rosten ganz leicht und bringen sich ihre Patina selber mit. Das sieht sehr speziell aus“, so der Architekt über die gelungene Komposition, zu der auch eine alte Tür aus Eiche und die Stufen aus Reststücken des Deckensystems gehören.
Erst auf den zweiten Blick sichtbar werden die metallenen Fugen zwischen den Platten: Einfache Stahlstäbe, die Barth zufällig im Baumarkt entdeckte und mit auf die Baustelle brachte. „Die rosten ganz leicht und bringen sich ihre Patina selber mit. Das sieht sehr speziell aus“, so der Architekt über die gelungene Komposition, zu der auch eine alte Tür aus Eiche und die Stufen aus Reststücken des Deckensystems gehören.
Für einen stimmigen Eindruck ließen Barth und Breker die schweren Holzbalken (Lignatur) ebenfalls schwarz lasieren.
Auch in das zweite Gästezimmer, gelangt man durch eine alte Eichentür.
Das Holzständerwerk ließen die Architekten auch in den beiden Gästezimmern offen sichtbar. Zur Dämmung der Wände wurde mit einer Innendämmung aus Holzweichfaserplatten und Schlämmkreide gearbeitet. „Das ist eine schöne, natürliche Farbe. Mit dem gleichen Putz haben wir auch das Mauerwerk in der Halle geschlämmt“, erklärt Barth.
Der Dachboden vor dem Ausbau.
Das Podest auf den beiden Gästezimmer bietet zusätzlich Platz. Über die Brüstung aus Netz, „eine Duchamp-Geschichte“, wie Barth seine Idee liebevoll bezeichnet, blickt man direkt auf den Gesindetisch in der Mitte der Halle – und in das Winterhaus gegenüber.
Blick vom Podest ins verglaste „Winterhaus“
Ähnliche Artikel
Deutschland
Vorher-Nachher: Von wandernden Küchen und mutigen Wänden
Von Aline van Hoorn
Altbau-Charme hat Tücken. Hier wurden sie mit Einfallsreichtum und geschickten Eingriffen in den Grundriss überwunden
Zum Artikel
Dachgeschoss einrichten
Vorher-Nachher: Hoch und niedrig im Dachgeschoss
Von Eva Bodenmüller
Ein Münchner Dachgeschoss wird zum kuscheligen und doch hellen und luftigen Wohnraum
Zum Artikel
Wohnen auf dem Land
Liebevoll aufgefrischt: Gründerzeit-Villa in der Uckermark
Von Aline van Hoorn
Der Traum vom stilvollen Landurlaub – in dieser respektvoll renovierten Villa in Alleinlage kann er wahr werden.
Zum Artikel
Wohnen auf dem Land
Vorher-Nachher: Schiefe Hülle neu belebt
Von Eva Bodenmüller
Eine Mühle von 1818 wird zweihundert Jahre später zum Wohnhaus für eine Familie
Zum Artikel
Küchentour
Eine 13-qm-Altbauküche bekommt ein Scandi-Update
Von Nicola Enderle
Bei der Umgestaltung einer Mietküche waren viele Kompromisse nötig – die man dem kleinen Raum aber nicht ansieht
Zum Artikel
Houzzbesuch
Adrette Maisonette – hier wohnt die Interior Designerin selbst
Von Aline van Hoorn
Berufliches und Privates trennen? Besser nicht! Und wie in diesem Fall die Expertise auch für das eigene Zuhause nutzen
Zum Artikel
Umbau
Gebrauchte Architektur: 4 Hürden Ladenlokale in Wohnraum umzubauen
Von Eva Bodenmüller
Wohnen wie im Einrichtungshaus? Nicht ganz. Aber Kneipen und Co. können zu ganz besonderem Wohnraum werden
Zum Artikel
Schöne Gärten
Vorher-Nachher: Ein artenreicher, nachhaltiger Garten in Madrid
Wo früher nur Rasen war, verwandelt ein Gartenprofi einen Garten in eine artenreiche Oase mit Gemüsegarten und Naturpool
Zum Artikel
Wohnen in der Stadt
Vorher-Nachher: Dachausbau mit Cabrio-Feeling
Von Eva Bodenmüller
Trockenboden plus kleine Dachgeschosswohnung werden zur hellen Maisonette mit spektakulärer Dachöffnung
Zum Artikel
Raumgestaltung
Wand eingezogen, Raum gewonnen: 5 Beispiele für mehr Privatsphäre
Von Thomas Helbing
Gründe gibt es reichlich, sich räumlich zu verändern. Adäquaten Wohnraum oft nicht. Die Lösung: Räume teilen!
Zum Artikel
Sehr gelungen!
Ein insgesamt sehr schlüssiges Konzept, feinfühlig realisiert. Respekt!
Was mich irritiert: eine Fußbodenheizung im 9 m hohen, ungedämmten Mittelteil ist doch Energieverschwendung pur! Dann lieber ein paar Heizdecken auf die Stühle legen…
Unglaublich gelungen!