Buchtipp: „Africa Rising“ – ein kreativer Kontinent im Kommen
Endlich porträtiert ein Buch junge afrikanische Designer, Architekten, Künstler und ihre Projekte. Zu entdecken ist ein Kontinent im Wandel
Was wissen Sie über die kreative Szene Afrikas? Welche afrikanischen Designer oder Architekten fallen Ihnen ein? Die meisten von uns haben da nur wenige Namen und Bilder im Kopf. Ein Schlaglicht auf die allzu oft vergessene, aber überaus bunte, selbstbewusste und kreative Seite des Kontinents wirft jetzt das Buch „Africa Rising“ (erschienen bei Gestalten). Entwürfe und Projekte von jungen Mode- und Möbeldesignern, Fotografen und Architekten werden detailliert porträtiert. Das ökonomische Potential des Kontinents, das sich teils aus der Handwerkskunst entwickelt, wird thematisiert. Und nicht zuletzt wird Merkmalen eines „afrikanischen“ Designs auf den Grund gegangen, das zwischen Moderne und Tradition oszilliert und das Thema Wiederverwertung groß schreibt.
Africa Rising, Gestalten Verlag / Design Indaba
Unterteilt ist das 316 Seiten starke Buch (erschienen beim Gestalten Verlag in Zusammenarbeit mit der Plattform Design Indaba, auf Englisch) in fünf Kapitel: Neue Designs von in Afrika wohnenden oder dort verwurzelten Gestaltern werden im Kapitel „Bold New Voices“ vorgestellt. Um spannende Architektur des Kontinents geht es in „Sensitive Structures“. Anekdoten zu Erlebnissen mit dem Kontinent (samt Restaurants oder Safari-Trips) werden in „Tasteful Encounters“ erzählt, Künstlerisches und Kreatives aus der Mode findet sich in den beiden letzten Kapiteln „Beyond Idenity“ und „Global Threads“.
Stets erzählt der Band von jungem, afrikanischem Design, das eine Brücke schlägt zwischen Modernem und Traditionellem, zwischen der Vergangenheit und dem Jetzt; erzählt von einer zunehmend selbstbewussten Kreativszene, die sich daran macht, die Designwelt zu erobern. Insgesamt ist das Buch recht bildlastig (und bildgewaltig). Doch jedes Kapitel beginnt mit einer kleinen Einführung, gefolgt von zwei- bis vierseitigen Porträts einzelner Designer, Projekte oder Branchen.
Das Designstudio von Hamed Ouattara aus Burkina Faso etwa stellt Möbel aus Müll her. Hier wird gerade aus Metallschrott ein neuer Stuhl gebaut; auch kaputte Ölfässer finden Verwendung. Müll ist für Ouattara kein Abfall, sondern Rohmaterial, aus dem man Neues schaffen kann – ein Gestaltungsansatz, der sich in Europa erst langsam durchsetzt, aber zum Beispiel im Upcycling-Trend spiegelt.
Das Designstudio von Hamed Ouattara aus Burkina Faso etwa stellt Möbel aus Müll her. Hier wird gerade aus Metallschrott ein neuer Stuhl gebaut; auch kaputte Ölfässer finden Verwendung. Müll ist für Ouattara kein Abfall, sondern Rohmaterial, aus dem man Neues schaffen kann – ein Gestaltungsansatz, der sich in Europa erst langsam durchsetzt, aber zum Beispiel im Upcycling-Trend spiegelt.
Auch Designer, deren Wurzeln in Afrika liegen, die aber in anderen Ländern aufgewachsen sind oder dort leben, werden vorgestellt. Der Designer Yinka Ilori aus London verarbeitet etwa Materialien und typische Textilien aus Nigeria, dem Heimatland seiner Eltern. Für die Sitzflächen der drei Holzstühle aus der Kollektion „If chairs could talk“ hat er farbenfrohe und traditionelle Dutch-Wax-Stoffe verwendet.
„Africa rising“ spricht in all seinen Kapiteln über einen Kontinent im Wandel, man spürt die Aufbruchsstimmung beim Blättern beinahe. Natürlich kann man Kunst, Design und Kultur der 54 anerkannten Staaten Afrikas in einem Band weder erschöpfend darstellen noch erklären. Doch man kann aufmerken, sich auf Spurensuche begeben, nach Gemeinsamkeiten wie Farbenfreude, Gestaltung mit natürlichen Rohstoffen oder Wiederverwertung suchen. Und erkennen, wie junge Gestalter das reiche afrikanische Erbe weitertragen und neu interpretieren.
Im Bild: Bunte Körbe von Designer Stephen Burks, die nach senegalesischer Tradition geflochten wurden.
Im Bild: Bunte Körbe von Designer Stephen Burks, die nach senegalesischer Tradition geflochten wurden.
Um was es in „Africa Rising“ auch geht? Identität! Um die jedes Einzelnen, aber auch um die des Kontinents. Essays der Künstler, Fotografen oder Architekten in jedem Kapitel setzen den vielen bunten Bildern etwas inhaltliche Tiefe entgegen, und zeigen auf, wie wichtig Kunst und Design für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Kontinentes sind.
Ein Beispiel ist das Projekt von Le NDomo aus Mali. Die Mitarbeiter (im Bild) färben nach der westafrikanischen Färbetechnik Bogolan Baumwolltücher mit natürlichen Materialien (unter anderem Schlamm). Das Projekt wurde 2008 gegründet, um dem Problem der Arbeitslosigkeit zu begegnen und jungen Maliern ohne Schulabschluss eine Chance auf Weiterbildung zu geben.
Ein Beispiel ist das Projekt von Le NDomo aus Mali. Die Mitarbeiter (im Bild) färben nach der westafrikanischen Färbetechnik Bogolan Baumwolltücher mit natürlichen Materialien (unter anderem Schlamm). Das Projekt wurde 2008 gegründet, um dem Problem der Arbeitslosigkeit zu begegnen und jungen Maliern ohne Schulabschluss eine Chance auf Weiterbildung zu geben.
Neben bunten, coolen und traditionsreichen Möbelentwürfen zeigt der Band auch moderne sowie experimentelle Architektur aus Afrika. Darunter das Pilotprojekt „Floating School“ des Architekten Kunlé Adeyemi vom nigerianischen Studio NLÉ. Die Idee dahinter ist, im von Fluten geschädigten Gebiet von Makoko, Lagos, einen dauerhaften Schulbetrieb gewährleisten zu können. Gleichzeitig will Adeyemi auch demonstrieren, dass Architektur Bildung und Klimaschutz fördern kann.
Ein Prototyp der „Floating School“ war bis zu seiner Zerstörung drei Jahre lang in Gebrauch, ein neuer Entwurf wurde dieses Jahr auf der Architekturbiennale in Venedig gezeigt.
Ein Prototyp der „Floating School“ war bis zu seiner Zerstörung drei Jahre lang in Gebrauch, ein neuer Entwurf wurde dieses Jahr auf der Architekturbiennale in Venedig gezeigt.
Auch Camps und Luxus-Lodges prägen das Design. Eines der Projekte aus dem Kapitel „Tasteful Encounters“ ist die &Beyond – Sandibe Okavango Safari Lodge. Natürliche Baumaterialien, die organische Form und die geöffnete Fassade stehen für die starke Verbindung zwischen junger afrikanischer Architektur und der umliegenden Natur (und wer bekommt da nicht Lust auf einen Urlaub in Afrika?).
Die letzten beiden Kapitel thematisieren die junge Kunstbewegung in Afrika, unter anderem geprägt durch Modedesigner und Fotografen.
Dieses Bild einer Serie hat Fotografin Nobukho Nqaba gemacht: Ein Zuhause komplett bezogen mit Umaskhenkethe – die karierten Plastikbeutel sind für sie zu einem Symbol von Migration geworden. In Südafrika werden sie täglich gebraucht – in ihnen werden Lebensmittel oder Kleider transportiert. Für Ngaba sind sie zu einem Symbol für ein Zuhause geworden, das sie überall hin mitnehmen kann, an jeden Ort der Welt.
Dieses Bild einer Serie hat Fotografin Nobukho Nqaba gemacht: Ein Zuhause komplett bezogen mit Umaskhenkethe – die karierten Plastikbeutel sind für sie zu einem Symbol von Migration geworden. In Südafrika werden sie täglich gebraucht – in ihnen werden Lebensmittel oder Kleider transportiert. Für Ngaba sind sie zu einem Symbol für ein Zuhause geworden, das sie überall hin mitnehmen kann, an jeden Ort der Welt.
Das junge, kreative Afrika steht mit ganz eigenen Ausdrucksformen in den Startlöchern. Lernen Sie einen Ausschnitt davon in „Africa Rising“ kennen – es ist ein packender, inspirierender Band über Gestaltungsansätze, von denen gerade das „weit entwickelte” Europa viel lernen kann.
Im Bild: Feminine, starke Entwürfe von Designerin Marianne Fassler, inspiriert durch den Stil südafrikanischer Frauen.
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