Houzzbesuch: Jurtenleben – die Mongolei liegt in Bayern
Ein junges Paar traute sich auszusteigen. David und Nadja leben seit über drei Jahren in einer Jurte in Deutschland, genauer: in Bayern
Sie lernten sich in Oberammergau kennen; an der Staatlichen Berufsfachschule für Holzbildhauer. Dann zogen sie zusammen in eine Jurte: David Schuster und Nadja Schotthöfer. Nach einem Kurs zum Aufbau von Jurten ließ David die Idee nicht mehr los, selbst in ein solches Nomadenzelt zu ziehen. Und Nadja konnte sich schnell für die Idee erwärmen. Nach einem knappen Jahr in der Jurte kam ihr erstes Kind zur Welt; inzwischen sind sie zu viert. Fotograf Stefan Rosenboom, der in der Nähe der Jurte lebte, begann, diese Familie zu porträtieren, die den Schritt in ein einfaches Leben mit wenig Besitz gewagt hatte. Ein Traum, den viele haben, aber nur wenige realisieren. Wie es sich lebt, in einer Jurte in der bayrischen Natur, das erzählen die Bewohner und die Bilder des Fotografen in ihrem gemeinsamen Buch „Die fliegende Jurte“ (erschienen im Knesebeck Verlag) – und jetzt in Auszügen uns.
Auf einen Blick
Hier wohnen: Nadja und David mit ihren Kindern Frida und Tonda
In: einer Jurte, an wechselnden Standorten in Bayern
Auf: circa 28 Quadratmetern (die Jurte hat einen Durchmesser von sechs Metern)
Fotos: Stefan Rosenboom
Auf einen Blick
Hier wohnen: Nadja und David mit ihren Kindern Frida und Tonda
In: einer Jurte, an wechselnden Standorten in Bayern
Auf: circa 28 Quadratmetern (die Jurte hat einen Durchmesser von sechs Metern)
Fotos: Stefan Rosenboom
Die Konstruktion
Durch ein Podest, das auf Holzrundlingen steht, ist die Jurte sommers wie winters vom Erdboden getrennt und so besser gegen Witterungseinflüsse geschützt. Die Seitenwände bestehen aus einem Scherengitter, das zur Isolierung mit einer Filzschicht überzogen wird. Darüber liegt dann eine Dachplane. Im Zentrum der Jurte steht ein Ofen, um den herum sich das Leben abspielt. Nadja und David haben kaum Möbel: Ein Regal, eine Truhe, Körbe, ein Bett.
Wasser trägt David in Glasballons vom Wasserhahn des Bauernhofs, auf dem die Jurte gerade steht, herbei. Fünf bis zehn Liter Trinkwasser sind es am Tag. Der Rest ihres Bedarfs wird durch Brauchwasser abgedeckt, das mal aus einem See, mal aus einem Brunnen, mal aus einer Regentonne kommt.
Durch ein Podest, das auf Holzrundlingen steht, ist die Jurte sommers wie winters vom Erdboden getrennt und so besser gegen Witterungseinflüsse geschützt. Die Seitenwände bestehen aus einem Scherengitter, das zur Isolierung mit einer Filzschicht überzogen wird. Darüber liegt dann eine Dachplane. Im Zentrum der Jurte steht ein Ofen, um den herum sich das Leben abspielt. Nadja und David haben kaum Möbel: Ein Regal, eine Truhe, Körbe, ein Bett.
Wasser trägt David in Glasballons vom Wasserhahn des Bauernhofs, auf dem die Jurte gerade steht, herbei. Fünf bis zehn Liter Trinkwasser sind es am Tag. Der Rest ihres Bedarfs wird durch Brauchwasser abgedeckt, das mal aus einem See, mal aus einem Brunnen, mal aus einer Regentonne kommt.
Herausforderungen
Ist das komfortabel genug? Für Nadja und David auf alle Fälle. Auf dem Bild sieht man Nadja mit Frida im Arm auf dem Bett sitzen. Sicherlich, wenn im Winter die Temperaturen unter minus zehn Grad fallen, wird es in der Jurte etwas kälter als gemütlich – und nach draußen zu gehen, weil man auf die Toilette muss, fällt schwer. „Klassiker wie die Schlafmütze und der Nachttopf erleben durch uns ein Revival und sind wieder wichtiger Bestandteil unseres Nachtlebens“, sagt David. Sie besitzen übrigens eine Komposttoilette, die sie in fußläufiger Entfernung von der Jurte aufstellen. Und sich waschen geht so: „Ich breite ein Handtuch aus, stelle darauf eine mit heißem Wasser gefüllte Schüssel und wasche mich in der Nähe des Ofens mit einem Waschlappen.“
Ist das komfortabel genug? Für Nadja und David auf alle Fälle. Auf dem Bild sieht man Nadja mit Frida im Arm auf dem Bett sitzen. Sicherlich, wenn im Winter die Temperaturen unter minus zehn Grad fallen, wird es in der Jurte etwas kälter als gemütlich – und nach draußen zu gehen, weil man auf die Toilette muss, fällt schwer. „Klassiker wie die Schlafmütze und der Nachttopf erleben durch uns ein Revival und sind wieder wichtiger Bestandteil unseres Nachtlebens“, sagt David. Sie besitzen übrigens eine Komposttoilette, die sie in fußläufiger Entfernung von der Jurte aufstellen. Und sich waschen geht so: „Ich breite ein Handtuch aus, stelle darauf eine mit heißem Wasser gefüllte Schüssel und wasche mich in der Nähe des Ofens mit einem Waschlappen.“
Freiheit
Es gibt einige Belange, in denen Nadja und David von der Infrastruktur der meist nahen Bauernhöfe abhängig sind. Eine Waschmaschine benutzen zu können, finden beide schön. Immer Zugang zu Trinkwasser zu haben, auch. Ansonsten sind sie Selbstversorger. Sie betreiben Ackerbau wie in alten Zeiten, mit einer vor den Pflug gespannten Kaltblutstute (das Pferd gehört einem Freund). 500 Quadratmeter, zur Hälfte mit Kartoffeln bepflanzt, zur anderen Hälfte mit allem anderen: Zwiebeln, Rüben, Radieschen, Salat, Rote Bete, Mangold, Kohl, Zucchini, Gurken. Die Fruchtfolge der Jahreszeiten hindurch. Ihre Erträge lagern sie in einem gemieteten Keller. Vieles wird eingemacht. Chutney, Sauerkraut, Zwiebelzöpfe entstehen. Zeit zum Basteln bleibt auch: Zwischen trocknender Wäsche hängt hier der „Schnürlkasperl David“, den Nadja gebastelt hat.
Es gibt einige Belange, in denen Nadja und David von der Infrastruktur der meist nahen Bauernhöfe abhängig sind. Eine Waschmaschine benutzen zu können, finden beide schön. Immer Zugang zu Trinkwasser zu haben, auch. Ansonsten sind sie Selbstversorger. Sie betreiben Ackerbau wie in alten Zeiten, mit einer vor den Pflug gespannten Kaltblutstute (das Pferd gehört einem Freund). 500 Quadratmeter, zur Hälfte mit Kartoffeln bepflanzt, zur anderen Hälfte mit allem anderen: Zwiebeln, Rüben, Radieschen, Salat, Rote Bete, Mangold, Kohl, Zucchini, Gurken. Die Fruchtfolge der Jahreszeiten hindurch. Ihre Erträge lagern sie in einem gemieteten Keller. Vieles wird eingemacht. Chutney, Sauerkraut, Zwiebelzöpfe entstehen. Zeit zum Basteln bleibt auch: Zwischen trocknender Wäsche hängt hier der „Schnürlkasperl David“, den Nadja gebastelt hat.
Material
„Wohl am intensivsten prägt der alles umhüllende Filz die Atmosphäre der Jurte. Am schönsten finden wir den von uns selbst hergestellten“, sagt David. Hier sieht man ihn im grünen T-Shirt bei der Arbeit.
„Wohl am intensivsten prägt der alles umhüllende Filz die Atmosphäre der Jurte. Am schönsten finden wir den von uns selbst hergestellten“, sagt David. Hier sieht man ihn im grünen T-Shirt bei der Arbeit.
Vorsintflutlich?
„Wir haben keinen Fernseher. Nur einen winzigen Laptop. Auf ihm können wir DVDs anschauen, was allerdings eine echte Beleidigung für Auge und Ohr darstellt, weshalb das kaum vorkommt. Der Internetzugang funktioniert nicht immer, und unser Handy ist vorsintflutlich“, sagt David. Statt TV zu glotzen, spielt er lieber Akkordeon. Eine Zeit als fahrender Musiker liegt hinter ihm, Musik ist Teil seines Lebens.
Seit mehr als drei Jahren lebt die kleine Familie in der Jurte, zwei Jahre nach Frida kam der kleine Tonda zur Welt. Viermal zogen sie um: „Alle Holzteile, wie Scherengitter, Tür und Dachstangen, passen in meinem VW-Bus, der Holzboden auf einen Anhänger, und für die Einrichtung müssen wir noch einmal extra fahren“, sagt David.
„Wir haben keinen Fernseher. Nur einen winzigen Laptop. Auf ihm können wir DVDs anschauen, was allerdings eine echte Beleidigung für Auge und Ohr darstellt, weshalb das kaum vorkommt. Der Internetzugang funktioniert nicht immer, und unser Handy ist vorsintflutlich“, sagt David. Statt TV zu glotzen, spielt er lieber Akkordeon. Eine Zeit als fahrender Musiker liegt hinter ihm, Musik ist Teil seines Lebens.
Seit mehr als drei Jahren lebt die kleine Familie in der Jurte, zwei Jahre nach Frida kam der kleine Tonda zur Welt. Viermal zogen sie um: „Alle Holzteile, wie Scherengitter, Tür und Dachstangen, passen in meinem VW-Bus, der Holzboden auf einen Anhänger, und für die Einrichtung müssen wir noch einmal extra fahren“, sagt David.
Zum Haarewaschen benutzen Nadja und David Brauchwasser. Bei diesem Waschgang kam es aus einem Weiher ganz in der Nähe.
David hat übrigens viele Berufe – als Holzbildhauer schnitzt er Bögen und verkauft sie auf Kunsthandwerksmärkten. Gleichzeitig arbeitet er als Wildnispädagoge und inzwischen auch als professioneller Jurtenbauer. Von sich selbst sagt er: „Manchmal glaube ich, ich bin einfach ein bisschen wie ein Fossil, das aus dieser früheren Zeit übrig geblieben ist.“
Flöhe oder Läuse in der Jurte? Selbst als Nadja und David einmal zwei Wochen die Abdeckplane probehalber wegließen, war Ungeziefer kein Problem. Eher schon das Eichhörnchen, das, genau wie der eine oder andere Vogel, Wolle klaute.
David hat übrigens viele Berufe – als Holzbildhauer schnitzt er Bögen und verkauft sie auf Kunsthandwerksmärkten. Gleichzeitig arbeitet er als Wildnispädagoge und inzwischen auch als professioneller Jurtenbauer. Von sich selbst sagt er: „Manchmal glaube ich, ich bin einfach ein bisschen wie ein Fossil, das aus dieser früheren Zeit übrig geblieben ist.“
Flöhe oder Läuse in der Jurte? Selbst als Nadja und David einmal zwei Wochen die Abdeckplane probehalber wegließen, war Ungeziefer kein Problem. Eher schon das Eichhörnchen, das, genau wie der eine oder andere Vogel, Wolle klaute.
Zukunftsmusik
Und was wird später? Wenn Frida und Tonda einmal in die Schule müssen? David möchte nicht, dass sich seine Kinder irgendwann komisch fühlen, weil sie in einer Jurte aufgewachsen sind. Gleichzeitig kann er sich die Rückkehr in ein herkömmliches Haus nicht vorstellen. „Ich glaube, dass es für unsere Kinder wichtig sein wird, wenn auch andere Menschen in ihrer Umgebung eine Jurte für das Normalste auf der Welt halten und sie sich nicht so als Exoten fühlen müssen“, sagt er. „Und natürlich brauchen sie vor allem andere Kinder, die auch in einer Jurte leben.“ In Gemeinschaft mit anderen – genau so leben die vier inzwischen, in einem Jurtendorf mit zwei anderen Familien. Und David sagt: „So kann es klappen.“
Und was wird später? Wenn Frida und Tonda einmal in die Schule müssen? David möchte nicht, dass sich seine Kinder irgendwann komisch fühlen, weil sie in einer Jurte aufgewachsen sind. Gleichzeitig kann er sich die Rückkehr in ein herkömmliches Haus nicht vorstellen. „Ich glaube, dass es für unsere Kinder wichtig sein wird, wenn auch andere Menschen in ihrer Umgebung eine Jurte für das Normalste auf der Welt halten und sie sich nicht so als Exoten fühlen müssen“, sagt er. „Und natürlich brauchen sie vor allem andere Kinder, die auch in einer Jurte leben.“ In Gemeinschaft mit anderen – genau so leben die vier inzwischen, in einem Jurtendorf mit zwei anderen Familien. Und David sagt: „So kann es klappen.“
„Die fliegende Jurte“
Noch mehr über das Leben der Familie erfahren Sie auf den 160 Seiten des Buchs „Die fliegende Jurte. Vom Glück einfach zu leben“, erschienen im Knesebeck Verlag. Fotograf Stefan Rosenboom hat die Familie bei ihrem Leben in der Jurte begleitet und viele Alltagsszenen in farbigen und schwarz-weißen Fotografien festgehalten; David und Nadja erzählen in eigenen Texten vom Alltag in der Jurte.
In ausgefallenen Häusern wohnen
In ausgefallenen Häusern wohnen
„Ein wichtiger Auslöser war wohl mein Wunsch nach Lebendigkeit, nach einem Leben in der Natur, mit der Natur“, erzählt David Schuster. Kurz nach seinem Kurs zum Jurten-Aufbau konnte er die Holzkonstruktion und Dachplane einer gebrauchten Jurte günstig kaufen. „Von Schafbauern bekamen wir Berge von Wolle, aus denen wir uns die fehlende Isolierung selber filzten.“
Mit seiner Freundin, Nadja Schotthöfer, zog er in die Jurte ein. Nach zehn Monaten kam eine weitere Jurten-Bewohnerin zur Welt: die kleine Frida, hier auf den Armen von Silja, der Tochter des Fotografen Stefan Rosenboom.