Manufakturbesuch: Im Atelier einer Berliner Handweberin
Hier entstehen Stoffe, geprägt von uralter Tradition, skandinavischem Design und dem beruhigenden Rhythmus des Webstuhls
Dort, wo die Textildesignerin Christina Kleßmann arbeitet, treffen Handwerk, Kunst und Design aufs Schönste aufeinander. In ihrem Berliner Atelier, gelegen in einem alten Fabrikgebäude, webt und kreiert sie Heimtextilien, Accessoires und Stoffe für Kleidung, oftmals inspiriert von der Klarheit und Helligkeit des skandinavischen Designs. Alle Werke, die das Atelier verlassen – Gebrauchstextilien wie Teppiche, Wolldecken, Schals oder Taschen, aber auch textile Objekte und Wandbehänge – sind von Hand gefertigte Unikate. Aber nicht nur das macht sie so besonders.
Durch eine Lehre zur Schneiderin und das Textildesign-Studium an der Berliner Universität der Künste erlernte sie später ganz verschiedene Techniken zur Herstellung von Textilien. Doch es war die Weberei, die Kleßmann am stärksten faszinierte. Und so absolvierte sie, nach einigen Lehraufträgen und der Familiengründung, noch eine Ausbildung zur Handweberin. In ihrer Arbeit wollte sie modernes Design und Handwerk neu verbinden.
Seit drei Jahren arbeitet Kleßmann nun in ihrer eigenen kleinen Textilmanufaktur in Berlin, setzt freie Projekte sowie Auftragsarbeiten um und bietet auch Webkurse an.
In dem hellen Raum, nicht weit vom Schloss Charlottenburg entfernt, stehen gleich mehrere, verschieden große Webstühle unterschiedlichen Alters, jeder mit seiner eigenen Geschichte.
In dem hellen Raum, nicht weit vom Schloss Charlottenburg entfernt, stehen gleich mehrere, verschieden große Webstühle unterschiedlichen Alters, jeder mit seiner eigenen Geschichte.
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Der älteste Webstuhl, ein 250 Jahre altes Modell aus Eiche, hebt sich durch seine schwungvoll verzierten Holzbalken von den jüngeren ab. „Die grundsätzliche Bau- und Funktionsweise der Webstühle hat sich aber nicht wirklich verändert”, so Kleßmann. „Nur die Materialien sind heute leichter und es wird mehr Metall verwendet.”
Dass die 45-Jährige mehr als einen Webstuhl hat, liegt zum einen daran, dass sie auch Kurse gibt. Zum anderen kann sie so etwas effizienter arbeiten.
Dass die 45-Jährige mehr als einen Webstuhl hat, liegt zum einen daran, dass sie auch Kurse gibt. Zum anderen kann sie so etwas effizienter arbeiten.
Das Prinzip der Weberei beruht auf dem Verkreuzen eines längsgerichteten Fadensystems – den gespannten Kettfäden – mit einem quer einzuwebenden Garn – dem Schussfaden, der in einer Art kleinem Holzschiffchen liegt, das von Hand, hin und her, durch die Kettfäden „geschossen“ wird.
Das eingewebte Garn wird nach jedem „Schuss“ durch das Anschlagen mit der Weblade, in der der Webkamm sitzt, an das bereits gewebte Stück geschoben. „Bei dieser Art und Weise der Verkreuzung von Kett- und Schussfaden spricht man auch von einer Gewebebindung”, erklärt Kleßmann.
Durch die Verbindung der Schäfte mit den Trittpedalen werden die Kettfäden gehoben und gesenkt. Je nach Tretfolge entsteht dann das jeweilige Muster des Webstücks.
Weben braucht Konzentration, denn Füße sowie Hände sind gleichermaßen in Bewegung; aber auch etwas Muskelkraft (früher war die Weberei daher eher ein Männerberuf). Pianisten oder Schlagzeuger wären klar im Vorteil, da sie die gleichzeitige Koordination der Gliedmaßen schon gewohnt sind. „Hat man erst einmal den Rhythmus gefunden, setzt eine Art therapeutische Wirkung ein”, sagt Kleßmann.
Doch bevor mit dem Weben begonnen werden kann, muss ein Webstuhl zunächst eingerichtet werden, was eine recht aufwändige Arbeit ist. Sie kann schon mal mehrere Stunden bis zwei Tage dauern. Beim Einrichten des Webstuhls werden die Kettfäden – je nach Webbreite eine bestimmte Anzahl – auf den Kettbaum des Webstuhls gewickelt, durch die Schäfte eingezogen und vorne am Warenbaum angeknotet.
Da der Prozess so aufwändig ist, richtet Kleßmann ihre Webstühle mit besonders langen Kettfäden ein, so dass gleich mehrere Webstücke hintereinander darauf gewebt werden können. Außerdem richtet sie jeden ihrer Webstühle für eine andere Produktart ein, so dass auf dem einen mehrere Wolldecken, auf dem anderen Handtücher oder Schals gewebt werden können.
Da der Prozess so aufwändig ist, richtet Kleßmann ihre Webstühle mit besonders langen Kettfäden ein, so dass gleich mehrere Webstücke hintereinander darauf gewebt werden können. Außerdem richtet sie jeden ihrer Webstühle für eine andere Produktart ein, so dass auf dem einen mehrere Wolldecken, auf dem anderen Handtücher oder Schals gewebt werden können.
Sie arbeitet größtenteils mit Naturmaterialien wie Wolle, Seide, Leinen und Baumwolle. Diese bezieht sie unter anderem aus Norwegen, Schottland und Italien; aber auch aus Marokko hat sie sich schon Garne mitgebracht. Als besonderen Hingucker ergänzt sie die Naturfasern manchmal mit synthetischen Effektgarnen, beispielsweise Glitzergarn.
Die Kombination verschiedener Materialien fasziniert sie: „Die Freiheit des Materialumgangs, die Möglichkeit innerhalb eines Produkts von dickeren zu dünneren Garnen zu wechseln und so einen Verlauf in der Struktur und Haptik zu schaffen, Muster individuell zu ändern oder aufzulösen oder durch das Färben besondere Akzente zu setzten – das ist einer der entscheidenen Vorteile der Handweberei, im Gegensatz zu industriell hergestellten Textilien”, so Kleßmann
Die Kombination verschiedener Materialien fasziniert sie: „Die Freiheit des Materialumgangs, die Möglichkeit innerhalb eines Produkts von dickeren zu dünneren Garnen zu wechseln und so einen Verlauf in der Struktur und Haptik zu schaffen, Muster individuell zu ändern oder aufzulösen oder durch das Färben besondere Akzente zu setzten – das ist einer der entscheidenen Vorteile der Handweberei, im Gegensatz zu industriell hergestellten Textilien”, so Kleßmann
„Für mich hat das Weben auch etwas Künstlerisches, da viel mit Farbmischung gearbeitet wird, ähnlich wie bei der Malerei“, so Kleßmann. Gefärbt werden kann einerseits das Garn selber, oder aber der fertig gewebte Stoff.
Spannend beim Prozess des Färbens mit Pflanzenfarbstoffen ist zum einen dessen Einfachheit, zum anderen die große Palette der möglichen Färbemittel, die von Goldrute und Salbei über Holunder bis hin zu Tee oder der Wurzel der Krapppflanze, einer traditionellen Färbepflanze, reicht.
„Vor kurzem habe ich in Schweden, wo ich mit meiner Familie ein Sommerhaus mit einem weiterem Atelier habe, viel Goldrute gepflückt, die ich nun trockne und später im Winter zum Färben nutzen werde“, erzählt Kleßmann. Die getrockneten oder frischen Färbepflanzen werden zunächst aufgekocht und dann in einem Tuch ausgedrückt, so dass die gefärbte Flüssigkeit im Topf zurückbleibt. Dort hinein wird dann das Färbegut getaucht. Die Färbeflüssigkeit kann jeweils mehrere Male verwendet werden, wobei die Farbintensität immer etwas schwächer wird, so dass sich das Ergebnis recht gut steuern lässt.
„Vor kurzem habe ich in Schweden, wo ich mit meiner Familie ein Sommerhaus mit einem weiterem Atelier habe, viel Goldrute gepflückt, die ich nun trockne und später im Winter zum Färben nutzen werde“, erzählt Kleßmann. Die getrockneten oder frischen Färbepflanzen werden zunächst aufgekocht und dann in einem Tuch ausgedrückt, so dass die gefärbte Flüssigkeit im Topf zurückbleibt. Dort hinein wird dann das Färbegut getaucht. Die Färbeflüssigkeit kann jeweils mehrere Male verwendet werden, wobei die Farbintensität immer etwas schwächer wird, so dass sich das Ergebnis recht gut steuern lässt.
Ein Farbverlauf kann erzeugt werden, indem nur ein Teil des Textils in den Sud gehängt wird, so dass die Färbeflüssigkeit sich eigenständig den Stoff hinaufzieht und nach oben hin weniger intensiv wird.
Auch beim Färben der Garne sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. So können ganze Konen (Spulen) mit Garn in die Flüssigkeit gehalten werden, oder aber das Garn kann zu einem Strang gewickelt und an einigen Stellen eng abgebunden werden, so dass auch später beim Verweben ganz besondere Farbeffekte entstehen.
Auch beim Färben der Garne sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. So können ganze Konen (Spulen) mit Garn in die Flüssigkeit gehalten werden, oder aber das Garn kann zu einem Strang gewickelt und an einigen Stellen eng abgebunden werden, so dass auch später beim Verweben ganz besondere Farbeffekte entstehen.
Neben den ökologischen Pflanzenfarbstoffen gibt es natürlich auch chemische Farbstoffe, deren Vorteile meist in ihrer Farbechtheit liegen, was bedeutet, dass die Farbe sich nicht mehr verändert. Bei einigen der pflanzlichen Farbstoffe kann sich die Farbintensität bei Sonneneinstrahlung verändern.
Für viele Produkte legt Kleßmann zunächst anhand von Buntstift-Skizzen Proportionen und Farbauswahl fest. „Bekomme ich einen neuen Auftrag, empfange ich den Kunden oder die Kundin zunächst gerne bei mir im Atelier, um Wünsche und Ideen zu besprechen, Material und Farben zusammenzustellen oder auch eine Skizze anzufertigen“, erklärt Kleßmann.
Die Mustersammlung mit kleinen gewebten Stoffstücken und einigen Notizen kann dem Kunden dabei exemplarisch verschiedene Webmuster zeigen.
Außerdem hält Kleßmann auf Karopapier stets alle Informationen zur Tretfolge, Einrichtung des Webstuhls und der Garndichte fest, welche sie für das Nachweben eines Musters benötigt. Für den Laien bleiben diese Notizen eher rätselhaft, aber lässt man sich von Christina Kleßmann in einem ihrer Kurse in die Kunst und das Handwerk des Webens einführen, lernt man diese zu verstehen und aus der Kombination schwarzer und weißer Kästchen und Kreuze die tollsten Webmuster abzulesen.
Alte Bindungsbücher, teils um 1850 verfasst, in denen viele dieser Kombinationen für verschiedene Muster aufgezeichnet wurden, gehören ebenso zu Kleßmanns Inspirationsquellen wie das Reisen oder Besuche in Textilarchiven und Museen.
Alte Bindungsbücher, teils um 1850 verfasst, in denen viele dieser Kombinationen für verschiedene Muster aufgezeichnet wurden, gehören ebenso zu Kleßmanns Inspirationsquellen wie das Reisen oder Besuche in Textilarchiven und Museen.
Häufig arbeitet Kleßmann mit Firmen aus dem Interior- oder Fashion-Bereich zusammen, wie etwa mit der befreundeten Modedesignerin Florentine Krieß, welche die handgewebten Stoffe beispielsweise zu Pullovern (im Bild) weiterverarbeitet. Die meisten Aufträge kommen jedoch von Privatpersonen.
Die Preise für die gewebten Produkte variieren je nach Material und Größe. Ein Schal kostet meist 80 bis 100 Euro, eine Wolldecke 350 bis 400 Euro und Teppiche 300 bis 800 Euro. Die handgewebten Produkte von Christina Kleßmann gibt es auch im eigenen Online-Shop zu kaufen.
Tipp: Alle, die Lust haben sich auch im Weben auszuprobieren, finden in Christina Kleßmanns Buch „Alles selbst gewebt“ (aus der Reihe Topp, Frech Verlag) Tipps und Anleitungen für das Nachweben ausgewählter Produkte auf einem selbst hergestellten Webrahmen aus Karton.
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Tipp: Alle, die Lust haben sich auch im Weben auszuprobieren, finden in Christina Kleßmanns Buch „Alles selbst gewebt“ (aus der Reihe Topp, Frech Verlag) Tipps und Anleitungen für das Nachweben ausgewählter Produkte auf einem selbst hergestellten Webrahmen aus Karton.
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Hier arbeitet: Textildesignerin und Handweberin Christina Kleßmann (45)
In: Berlin-Charlottenburg
Fotos: Maike Wagner Fotografie
Mit der Handweberei beherrscht Christina Kleßmann ein jahrhundertealtes Handwerk, das heutzutage nicht mehr sehr verbreitet ist. Wobei ja, immerhin, momentan etwas von einer Rückbesinnung auf das Handwerk als solches zu vernehmen sei, so Christina Kleßmann. Ihr eigenes Interesse an Handarbeit und Textilien entwickelte die Tochter einer Deutschen und eines Norwegers schon in ihrer Kindheit: „Meine norwegischen Tanten haben mir das Stricken beigebracht. Und meine Großmutter, die Schneidermeisterin an der Deutschen Oper in Berlin war, hat mich oft zu den Anproben mitgenommen.“