Architektur
Eine Bauhaus-Ikone wird fortgeführt: Das Projekt „Neues Bauen Am Horn“
Nach Vorbild einer nie verwirklichten Bauhaus-Siedlung entstand in Weimar ein lebendiges Stadtquartier, das der klassischen Moderne huldigt
Es ist 1996 und Weimar bereitet sich auf Großes vor. In drei Jahren wird die Stadt, in der Goethe und Schiller lebten und in der sich 1919 das Bauhaus gründete, Kulturhauptstadt Europas sein. Ein architektonisches Kleinod aus Zeiten der klassischen Moderne, das erste und einzige hier gebaute Bauhaus-Gebäude „Haus Am Horn“ (gebaut 1923), wird bald vom Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar saniert werden. Sprecher des begleitenden Fachbeirates ist Professor Bernd Rudolf, der den Lehrstuhl für Bauformenlehre innehat und damals außerdem Vorsitzender des Freundeskreises ist. Unter Kollegen entsteht an der Universität die Idee, die in den zwanziger Jahren gescheiterten Pläne einer Bauhaus-Siedlung wiederaufleben zu lassen, denn das einst dafür vorgesehene Gebiet, bis 1992 als Kasernen-Areal russischer Truppen genutzt, liegt brach. Ob ein solches Projekt gelingen kann?
Krischanitz’ Regeln für die Bebauung:
Um die Qualität der einzelnen Gebäude zu überwachen, wird ein Baubeirat gegründet, dem Adolf Krischanitz selbst und Vertreter der LEG, der Bauhaus-Universität Weimar, des Stadtplanungsamtes und des Landesverwaltungsamtes angehören.
- begrüntes Flachdach
- nur rechte Winkel
- immer in Fortsetzung der Bauflucht
- das Erdgeschoss darf nicht mehr als 50 Zentimeter vom Terrain abweichen.
Um die Qualität der einzelnen Gebäude zu überwachen, wird ein Baubeirat gegründet, dem Adolf Krischanitz selbst und Vertreter der LEG, der Bauhaus-Universität Weimar, des Stadtplanungsamtes und des Landesverwaltungsamtes angehören.
Als 1996 die Idee entsteht, möchte man das Projekt bis zur Eröffnung des Kulturhauptstadt-Jahres fertiggestellt haben – doch 1999 wird der Bebauungsplan gerade erst durch den Stadtrat verabschiedet. Nach den Erschließungsarbeiten im Jahr 2000 steht der Bautätigkeit nichts mehr im Weg.
Das Areal zieht schnell Bauherren an. Unter ihnen auch Professor Bernd Rudolf, der 1999 das Vorbild „Haus Am Horn“ sanierte.
Lesen Sie mehr über das „Haus Am Horn“ >>>
Rudolf hat die Entwicklung des Stadtquartiers seit den Anfängen begleitet. Von 2001 bis 2002 baut er selbst auf dem Areal für seine Familie und sich das Haus, vor dem er hier steht. „Auch ich musste meinen Entwurf dem Baubeirat vorlegen. Als frühzeitig mit dem Projekt Vertrauter habe ich diese Arbeitsweise als sehr positiv und stimulierend empfunden. Trotz des strengen und herausfordernden Regelwerkes hat sich das Gebiet schnell gefüllt“, sagt Rudolf. Bis etwa 2006 waren alle Baugrundstücke vergeben und etwa 70 Prozent bereits bebaut.
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Rudolf hat die Entwicklung des Stadtquartiers seit den Anfängen begleitet. Von 2001 bis 2002 baut er selbst auf dem Areal für seine Familie und sich das Haus, vor dem er hier steht. „Auch ich musste meinen Entwurf dem Baubeirat vorlegen. Als frühzeitig mit dem Projekt Vertrauter habe ich diese Arbeitsweise als sehr positiv und stimulierend empfunden. Trotz des strengen und herausfordernden Regelwerkes hat sich das Gebiet schnell gefüllt“, sagt Rudolf. Bis etwa 2006 waren alle Baugrundstücke vergeben und etwa 70 Prozent bereits bebaut.
„Als ich mich für das Grundstück interessierte, stand hier noch ein kleines Wäldchen und ich dachte, ich baue im Wald“, erzählt Rudolf.
Da die Siedlung sich aber auf ehemaligem Kasernengelände befindet, war das Erdreich kontaminiert und musste bis auf vier Meter Tiefe abgetragen und ausgetauscht werden.
Heute hat die Siedlung den Villencharakter einer Vorstadt. Die Körnung ist kleinteiliger geworden als Krischanitz es in seinem Plan vorgesehen hatte. Es sind fast ausschließlich Einfamilienhäuser entstanden, die Grünräume umschließen, von ihnen durchzogen werden und miteinander verkettet sind.
Da die Siedlung sich aber auf ehemaligem Kasernengelände befindet, war das Erdreich kontaminiert und musste bis auf vier Meter Tiefe abgetragen und ausgetauscht werden.
Heute hat die Siedlung den Villencharakter einer Vorstadt. Die Körnung ist kleinteiliger geworden als Krischanitz es in seinem Plan vorgesehen hatte. Es sind fast ausschließlich Einfamilienhäuser entstanden, die Grünräume umschließen, von ihnen durchzogen werden und miteinander verkettet sind.
Inzwischen sind 75 Parzellen vermarktet. „Der Anger ist heute das gelebte Zentrum des Quartiers”, sagt Rudolf. Hier sehen wir die Häuserflucht auf der Westseite des Platzes. „Einmal im Jahr finden hier unsere Angerfeste statt.“ Inzwischen ist das „Neue Bauen Am Horn“ auch nicht mehr als Architektenhügel verschrien. „Am Anfang hat das Quartier tatsächlich viele Architekten angezogen. Inzwischen leben hier aber wohl mehr Musiker als Architekten“, so Rudolf. Ein echter Kiez ist entstanden, in dem Stabilität durch Nachbarschaft herrscht.
Natürlich gibt es auch Wermutstropfen. Die Grundregel des Bebauungsplans, eine geschlossene Gebäudeflucht bauen zu müssen, hat hier und da zu eigenwilligen Interpretationen geführt. „Henkelhäuser“ nennt Bernd Rudolf sie.
Gestalterisch erinnern viele der Häuser an Bauten aus der Zeit der klassischen Moderne, man denkt unwillkürlich an das Bauhaus Dessau oder sogar an Gropius‘ Wohnhäuser in den USA. „Viele haben sich beeindrucken lassen von ihrem Bild der klassischen Moderne“, sagt Rudolf. „Muss die Moderne beispielsweise weiß sein? Meine ist es nicht. Ich hätte mir insgesamt etwas mehr Mut zum Experiment gewünscht. Warum nicht eine Moderne 2.0 wagen?“
Dem konventionell finanzierten Baugebiet fehlten vermutlich Anreize und Förderungen für eine Weiterentwicklung der Ideengeschichte der Moderne.
Dennoch: „Die Siedlung wird in Fachkreisen nach wie vor als Erfolgsgeschichte wahrgenommen“, sagt Rudolf.
Gestalterisch erinnern viele der Häuser an Bauten aus der Zeit der klassischen Moderne, man denkt unwillkürlich an das Bauhaus Dessau oder sogar an Gropius‘ Wohnhäuser in den USA. „Viele haben sich beeindrucken lassen von ihrem Bild der klassischen Moderne“, sagt Rudolf. „Muss die Moderne beispielsweise weiß sein? Meine ist es nicht. Ich hätte mir insgesamt etwas mehr Mut zum Experiment gewünscht. Warum nicht eine Moderne 2.0 wagen?“
Dem konventionell finanzierten Baugebiet fehlten vermutlich Anreize und Förderungen für eine Weiterentwicklung der Ideengeschichte der Moderne.
Dennoch: „Die Siedlung wird in Fachkreisen nach wie vor als Erfolgsgeschichte wahrgenommen“, sagt Rudolf.
1923 hatten die Gründer einer avantgardistischen Hochschule, von der damals niemand ahnte, wie einflussreich sie einmal werden würde, den Bau eines Campus im Sinn. Diese Siedlungsidee ist, ganz anders und doch bezugnehmend auf die einstigen Überlegungen, mit etwa 80 Jahren Verzögerung Realität geworden. Vielleicht ist das Quartier nicht an allen Ecken und Enden gelungen, aber insgesamt verleihen wir das Prädikat: Bauhaus 2.0.
Und was sagen Sie dazu?
Und was sagen Sie dazu?
Er überträgt die Idee eines Angerdorfes auf das Gelände. Um einen länglichen Platz herum soll die Bebauung die größte Dichte haben, während auf den umliegenden Clustern mehr Grün hindurchfließt. Es ist die Vision einer zeitgenössischen Gartenstadt. Krischanitz wird mit der Entwicklung eines Bebauungsplanes für das fünf Hektar große Areal beauftragt.
Statt Bebauungsformen klar vorzugeben, zieht er es vor, eine eigene Bebauungssprache im Sinne einer Grammatik für das Gebiet zu entwickeln: „Die Regeln sollten so sein, dass sie sich nicht direkt abbilden, sondern so ähnlich wie in der Sprache sollten sie gewissermaßen eine Hintergrundregelung sein, die nicht explizit sichtbar ist, aber wie so ein unsichtbarer Faden durch das Ganze durchgeht“, sagt er 2005 auf Deutschlandradio Kultur.