Houzzbesuch: Ein Pilsstüberl wird zum Multifunktions-Wohnwunder
Was lange eine Kneipe war, machte ein Innenarchitektenpaar zum zeitgemäßen Wohnstudio. So trifft in München nun Gründerzeit auf Modernes
Der Fall war klassisch: Ein Investor kauft und saniert ein Haus, um dann die einzelnen Wohneinheiten gewinnbringend weiterzuverkaufen. Nur hatte er hier die Rechnung ohne den Wirt gemacht, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn das Erdgeschoss, in dem sich lange Zeit ein Bierstüberl befunden hatte, wollte und wollte keinen Käufer finden. Bis die Innenarchitekten Anke Lorber und Fabian Diehr zur Besichtigung kamen und dessen Potential erkannten. Mit zwei multifunktionalen Wohnboxen gliederten sie den großen Raum und setzten einen Akzent in warmen Holztönen. Auf der einen Box schläft das Paar sogar – und kraxelt dafür nachts eine grüne Stahlleiter hinauf.
Auf einen Blick
Hier wohnen: die Innenarchitekten Anke Lorber von Studio Lot und Fabian Diehr von Wortundform und ihre drei Kinder
Auf: 140 Quadratmetern, davon 80 Quadratmeter als offener Wohnbereich
Im: Münchner Stadtteil Haidhausen
Auf einen Blick
Hier wohnen: die Innenarchitekten Anke Lorber von Studio Lot und Fabian Diehr von Wortundform und ihre drei Kinder
Auf: 140 Quadratmetern, davon 80 Quadratmeter als offener Wohnbereich
Im: Münchner Stadtteil Haidhausen
VORHER: Die Geschichte der Mietskaserne aus der Zeit um 1900, gelegen in Haidhausen, dem sogenannten Franzosenviertel von München, ist bewegt: „Zunächst gab es hier im Erdgeschoss wohl eine Bäckerei. Ein alter Ofen steht jedenfalls immer noch im Keller“, erzählt Anke Lorber. „Dann, nach dem Krieg, wurde das gesamte Gebäude vollkommen verändert. Man baute es um und vermietete die Zimmer einzeln. Es haben zeitweise wohl über 70 Menschen hier gelebt.“ In den Sechzigerjahren kam das eigentliche ästhetische Fiasko: „Ein Pilsstüberl zog ein. Und die haben den Altbestand ziemlich verhunzt“, sagt Lorber. Die ursprüngliche Fassadengliederung zerstörend, wurden zwei große Fenster in die Front gebrezelt und eine kleine, finstere Tür eingebaut. Zum Hof hin dunkelte man alles ab. „Eine unwirtliche Spelunke“, fasst Lorber zusammen.
NACHHER: Heute zeigt sich die Fassade modern und mit Respekt vor der alten Substanz.
Da die historische Fassade auf der Straßenseite beim Umbau zur Kneipe vollkommen zerstört worden war, entwarfen Lorber und Diehr in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalbehörde eine neue Fassadengestaltung, mit Bogenfenstern, in deren Mitte sich ein breites Holzpaneel befindet, so dass Passanten von der Straße her keinen Einblick in die Wohnung bekommen. Außerdem stellten sie den Blickbezug von der Straße zum Hof wieder her.
Da die historische Fassade auf der Straßenseite beim Umbau zur Kneipe vollkommen zerstört worden war, entwarfen Lorber und Diehr in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalbehörde eine neue Fassadengestaltung, mit Bogenfenstern, in deren Mitte sich ein breites Holzpaneel befindet, so dass Passanten von der Straße her keinen Einblick in die Wohnung bekommen. Außerdem stellten sie den Blickbezug von der Straße zum Hof wieder her.
Auch innen ist vom alten Bierstüberl nichts mehr übrig. Zwei große, langgestreckte Boxen erfüllen nun nahezu alle Funktionen, die eine Wohnung zu erfüllen hat. Hier im Bild ist der kleinere Raumkörper zu sehen, in dem Garderobe, WC und Dusche untergebracht sind. Mit Maßen von 1,40 Meter Breite, 4,80 Metern Länge und 2,24 Metern Höhe trennt er gleichzeitig den 80 Quadratmeter großen Wohnraum von den Kinderzimmern ab.
„Es war unser Glück, dass die Räume so ruppig aussahen und keiner die Einheit haben wollte“, sagt Lorber. Die Innenarchitekten räumten das Stüberl aus und brachten alles wieder auf ein einheitliches Bodenniveau; vorher hatte es vier verschiedene gegeben. Ansonsten ließen sie den Raum einfach Raum sein. Mit einer luxuriösen Deckenhöhe von 3,75 Metern. Genau das war der Ansatz des gesamten Projektes: „Wir wollten den Bestand so lassen, wie er ist und den großen Raum sinnvoll unterteilen“, sagt Lorber.
Während der Korpus der Multifunktionsbox aus Kistensperrholz besteht, sind die schwarzen Bereiche mit Starkschichtstoff (15 Zentimeter dicke Platten aus in Melaminharz getränktem Papier) ausgekleidet. Die Scheiben bestehen aus zwei Lagen Verbundsicherheitsglas mit einer Mattfolie in der Mitte, die blickdicht ist.
Während der Korpus der Multifunktionsbox aus Kistensperrholz besteht, sind die schwarzen Bereiche mit Starkschichtstoff (15 Zentimeter dicke Platten aus in Melaminharz getränktem Papier) ausgekleidet. Die Scheiben bestehen aus zwei Lagen Verbundsicherheitsglas mit einer Mattfolie in der Mitte, die blickdicht ist.
Seekiefer-Kistensperrholz trifft Schwarz. Im Bad der Holzbox arbeiteten die beiden Architekten mit starken Farb- und Material-Kontrasten. Spartanisch, praktisch, gut.
Im Durchgang sieht man hier schon den zweiten Raumkörper, der noch mehr kann als Nummer eins. Wie im Bad wurde das Kistensperrholz hier mit schwarzem Schichtstoff ausgekleidet.
Und auf der anderen Seite breitet sich der Wohnraum aus. „Wir lieben Altes, Erb- oder Fundstücke“, erzählt Anke Lorber. „Vieles in unserer Wohnung ist uns einfach so über den Weg gelaufen.“ Beispielsweise das Kajak aus Fiberglas auf der Box im Hintergrund. „Wir haben eine Klemmlampe hineingesteckt, die das ganze Boot zur Leuchte werden lässt“, sagt Lorber.
In der Raumbox Nummer zwei verbirgt sich die Küche. Auf der Rückseite gibt es, mit einer Holzklappe abgedeckt, eine schwarz emaillierte Badewanne, daneben Büroarbeitsplätze und obenauf, von einer Metallleiter erreichbar, haben sich Anke Lorber und Fabian Diehr ihren Schlafplatz eingerichtet. Hinter der Säule ragt die Box noch weiter in den Raum hinein. Insgesamt ist sie 9 Meter lang, 2,70 Meter hoch und 1,60 Meter breit.
„Die meisten Möbel sind Erb- oder Fundstücke“, sagt Lorber. Den Esstisch beispielsweise haben sie geerbt. „Die Eiermann-Klappstühle (einer davon ist rechts im Bild zu sehen) fanden wir irgendwann ausrangiert vor einer Schulmensa. Wir fragten nach und durften sie mitnehmen.“
„Die meisten Möbel sind Erb- oder Fundstücke“, sagt Lorber. Den Esstisch beispielsweise haben sie geerbt. „Die Eiermann-Klappstühle (einer davon ist rechts im Bild zu sehen) fanden wir irgendwann ausrangiert vor einer Schulmensa. Wir fragten nach und durften sie mitnehmen.“
Die Lampe über dem Esstisch stammt von Lorbers Eltern aus den Siebzigerjahren.
„Beim Fußboden entschieden wir uns für Sichtestrich. Und weil es das Erdgeschoss ist, liegt darunter eine Fußbodenheizung. De facto handelt es sich um einen Zementestrich, der imprägniert und gewachst wurde.“
Die Wände tünchten Lorber und Diehr weiß und besserten lediglich das Ziegelsteinmauerwerk dort aus, wo es über die Jahre schadhaft geworden war. Durch diese Kombination aus zurückhaltenden Farben und Materialien entstand der Wunsch, für die Einbaukörper einen Baustoff zu verwenden, der einen warmen Akzent setzt. So fiel die Wahl schlussendlich auf das Seekiefer-Kistensperrholz.
„Beim Fußboden entschieden wir uns für Sichtestrich. Und weil es das Erdgeschoss ist, liegt darunter eine Fußbodenheizung. De facto handelt es sich um einen Zementestrich, der imprägniert und gewachst wurde.“
Die Wände tünchten Lorber und Diehr weiß und besserten lediglich das Ziegelsteinmauerwerk dort aus, wo es über die Jahre schadhaft geworden war. Durch diese Kombination aus zurückhaltenden Farben und Materialien entstand der Wunsch, für die Einbaukörper einen Baustoff zu verwenden, der einen warmen Akzent setzt. So fiel die Wahl schlussendlich auf das Seekiefer-Kistensperrholz.
Wie das Waschbecken im kleinen Bad ist auch das Spülbecken der Küchenzeile eckig. Die Armaturen setzten Lorber und Diehr nach oben, „damit es am Beckenrand nicht immer diese unschönen Tropfränder gibt. Der Schlauch ist ein Provisorium, funktioniert aber sehr gut; mit ihm kann man in dem großen Waschbecken alle Bereiche gut erreichen“, sagt Lorber.
Außerdem sollte die Box nicht beim ersten Hinsehen als Küche zu erkennen sein. Auch deshalb kam der Wasserhahn an die Decke.
Außerdem sollte die Box nicht beim ersten Hinsehen als Küche zu erkennen sein. Auch deshalb kam der Wasserhahn an die Decke.
Seekiefer-Kistensperrholz und schwarzen Schichtstoff kombinierten Anke Lorber und Fabian Diehr auch bei der Wanne auf der Rückseite der Küche. Das Modell von Bette ist schwarz emailliert. Und wenn gerade niemand badet, verschwindet das gute Stück unter einer Klappe.
Büroarbeitsplätze und der Zugang zur Schlafempore finden sich ebenfalls auf der Rückseite des Küchenmoduls.
Da Fabian Diehr ein schwarzes Ledersofa aus den Sechzigerjahren geerbt hatte, entwarf das Paar passend dazu diese ausziehbare Bank mit Lederkissen. Auf dem Bild stapeln sich dort Bücher, aber die Einbaubox im Hohlraum lässt sich auch am Boden der Box verstauen. „Davon machen wir häufig Gebrauch, wenn wir mehr Platz brauchen“, sagt Lorber.
Auch hier sieht man wieder die Rundbogenfenster, die mittig durch ein breites Holzpaneel unterteilt sind, und so vor neugierigen Blicken schützen.
„Das funktioniert sehr gut“, sagt Lorber. „Bis heute haben wir keine Gardinen.“
Auf die gelungene Umsetzung des Innenarchitektenpaars könnte man glatt mit einem Bier anstoßen …
MEHR
Raum im Raum: Ein Kokon aus Holz in einem Berliner Loft
Altbausanierung, Teil 3: Der gute Draht zum Denkmalamt
Houzzbesuch: Maßarbeit in einem Münchner Altbau
Auch hier sieht man wieder die Rundbogenfenster, die mittig durch ein breites Holzpaneel unterteilt sind, und so vor neugierigen Blicken schützen.
„Das funktioniert sehr gut“, sagt Lorber. „Bis heute haben wir keine Gardinen.“
Auf die gelungene Umsetzung des Innenarchitektenpaars könnte man glatt mit einem Bier anstoßen …
MEHR
Raum im Raum: Ein Kokon aus Holz in einem Berliner Loft
Altbausanierung, Teil 3: Der gute Draht zum Denkmalamt
Houzzbesuch: Maßarbeit in einem Münchner Altbau