Ein biederer Berliner Klinkerbau wird umgebaut
Wände raus, Licht rein! In Berlin-Biesdorf bekommt ein Vorstadthaus aus den Neunzigern einen völlig neuen Look verpasst
Alles begann mit einer jungen dreiköpfigen Familie und einem großen Vorhaben. Die beiden frischgebackenen Eltern entschieden sich, ein Fertighaus aus den Neunzigerjahren als neuen Wohnsitz zu beziehen. Doch um den Klinkerbau in einen modernen Familienwohnsitz zu verwandeln, bedurfte es einer Generalüberholung. Die Architektin Charlotte Wiessner nahm diese Herausforderung gerne an. Decken und Wände wichen einer neuen Raumaufteilung, Farben und Materialien veränderten sich ebenso wie das Lichtkonzept.
Auf einen Blick
Hier wohnt: eine dreiköpfige Familie
Auf: etwa 200 Quadratmetern
In: Berlin-Biesdorf
Kosten: circa 240.000 Euro
Architektin: Charlotte Wiessner, Carlo Berlin – Architektur & Interior Design
Auf einen Blick
Hier wohnt: eine dreiköpfige Familie
Auf: etwa 200 Quadratmetern
In: Berlin-Biesdorf
Kosten: circa 240.000 Euro
Architektin: Charlotte Wiessner, Carlo Berlin – Architektur & Interior Design
Schwarz mit hölzernen Fenstern steht es da, als hätte es nie anders ausgesehen. Charlotte Wiessner erinnert sich an andere Zeiten – genauer gesagt, an die erste Besichtigung. „Die Ausgangssituation war, ehrlich gesagt, ziemlich erschütternd“, so die Architektin.
„Beim ersten Vor-Ort-Termin waren wir wirklich etwas schockiert. Nach dem Kennenlernen der Bauherren hatten wir definitiv kein Einfamilien-Fertighaus aus den Neunzigern mit schmiedeeisernen Geländerelementen, einer Klinkerfassade in Beige und einem Fliesenboden in Marmoroptik erwartet. Der Innenraum war, wie auch das Äußere, sehr bieder und alles andere als großzügig. Beim Betreten des Hauses kam man zunächst in eine Art Windfang mit Zugang zum WC, zur Treppe und zu einem zweiten Flur – sehr dunkel, sehr klein und nicht gerade einladend. Das Beste am ganzen Haus waren der Pool und der Standard der wärmetechnischen Installationen. Wir fühlten uns von dieser Ausgangssituation herausgefordert und wollten für unsere Bauherren ein tolles Projekt realisieren“, so Wiessner.
Das Haus sollte sowohl optisch als auch räumlich den Anforderungen einer jungen und modernen Familie gerecht werden. „Das Viertel, in dem es sich befindet, liegt etwas außerhalb des Berliner Zentrums, in Berlin-Biesdorf. Auf den ersten Blick eine eher untypische Lage für eine so junge und urbane Familie. Gerade deshalb stellt dieser Wohnsitz einen schönen Gegenpol zu dem schnelllebigen Alltag der beiden Eltern dar“, sagt die Architektin.
Zu Beginn unternahmen Charlotte Wiessner und ihre Kollegen die üblichen Untersuchungen, um sich ein Bild von der Ausstattung, dem Zustand und der Konstruktionsweise des Hauses zu machen. „Um das Gebäude besser kennenzulernen, haben wir auch mit dem Ingenieur gesprochen, der diesen Fertighaustypus gebaut hat. Was die gestalterische Seite anbelangt, haben wir zunächst mit Moodboards gearbeitet, um eine gemeinsame Linie in Sachen Wohnkonzept, Stil, Farben und Materialien zu finden. Uns war wichtig, das Beste aus dem Haus herauszuholen, ohne dabei die Substanz auszutauschen“, erklärt Wiessner.
„Schon aus Budgetgründen, aber auch aufgrund des erfreulichen Standards der Ausstattung haben wir hier einen schonenden Umbau realisiert. Das ist auch für das Erscheinungsbild im Zusammenhang mit der Nachbarbebauung die richtige Wahl. Man denke nur an das Durcheinander aus Bauhausstil, Toskanahäuschen und Landhausvilla, das in so mancher Einfamilienhaussiedlung herrscht“, sagt Wiessner.
Das Innere des Hauses erhielt eine neue Raumaufteilung. Der Grundriss zeigt, was sich verändert hat: Gelb steht für abgerissene, Rot für neugebaute Elemente. Eine der ersten raumschaffenden Maßnahmen war die Öffnung der Eingangs- und Treppensituation.
Der geschlossene Windfang wich einem offenen Eingangsbereich mit Galerie. Um den Raum auch nach oben zu öffnen, wurde die Decke über dem Eingangsbereich (im Grundriss gelb schraffiert) entfernt; so entstand eine Galeriesituation. Die Treppe wurde mit Eichenparkett belegt. Als Lichtinstallation dienen frei hängende Glaskörper, die direkt in der Dachschräge befestigt wurden. Das Geländer ist das Werk eines Schlossers.
Das gesamte Erdgeschoss wurde mit Sichtestrich ausgestattet. Hell, homogen und matt – der Bodenbelag gibt dem Ganzen ein sehr sanftes Erscheinungsbild. Als Erweiterung wurde eine Türöffnung zum Wohnzimmer geschaffen. Eine filigrane Stahl-Glas-Tür schafft beim Betreten des Hauses einen Durchblick bis in den Wohnbereich. Auch sie wurde von einem Schlosser angefertigt.
Ein weiterer Raum im Erdgeschoss bekam eine neue Funktion. Die ehemalige Küche wurde in zwei offene Teilbereiche gegliedert.
Sie wurde zum Eingangsbereich geöffnet, wo ein Teil des Raums jetzt als Garderobe dient. Ein Gäste-WC schließt sich daran an.
Wandleuchte: Lampe Gras, DCW; Wandfarbe: Dix Blue, Farrow & Ball
Wandleuchte: Lampe Gras, DCW; Wandfarbe: Dix Blue, Farrow & Ball
Umgekehrt entstand die neue Küche der Familie dort, wo ursprünglich das Bad lag. Ein ehemaliges Durchgangszimmer und das sich anschließende Wohnzimmer waren einzeln abgetrennte Räume. Einige Wände wurden entfernt, und es entstand ein offener, großer Koch- und Essbereich mit Wohnzimmer, der einen Durchblick bis zum Garten gewährt.
Mit dem neuen Raum ist die Familie bestens auf das tägliche Chaos vorbereitet. Der Hausherr, der als Musikjournalist und Radiomoderator arbeitet, stellte schon in der Entstehungsphase die existenziellsten Fragen. „Interessanterweise war er oft derjenige, der die berühmte und durchaus berechtigte Frage stellte, wie man diese oder jene Ecke putzen soll“, erinnert sich Charlotte Wiessner.
Von der umfassenden, aber behutsamen Modernisierung des Hauses zeugt die Gestaltung der Fenster. „Da wir uns weitestgehend an die Position der Fensteröffnungen halten wollten, haben wir über eine Möglichkeit nachgedacht, das doch sehr unscheinbare Haus durch klare, dekorative Elemente zu ergänzen. Die Möglichkeit raumgreifender Fenster, die im Inneren als Sitzbank und nach außen als erweiterte Fensterkonstruktion wirken, gefiel uns sehr gut“, berichtet die Architektin. „Auch die übrigen Fenster haben wir mit kastenförmigen, tiefen Holzrahmen versehen, um den Look zu vereinheitlichen und durch die Materialität und den Schattenwurf auch die Fassade zu beleben“, so die Architektin.
Die Fenster wurden aus ökologischen, aber auch praktischen Gründen aus Lärchenholz gefertigt. Dieses einheimische Nadelholz ist sehr feuchtigkeitsbeständig. Durch seine typische warme Farbe und Maserung bildet es einen angenehmen Kontrast zu der anthrazitfarbenen Fassade und lässt das Haus lebendiger und weniger streng erscheinen.
Die Kücheninsel wurde mit einem Kochfeld von Bora ausgerüstet, das über einen integrierten Abzug verfügt. Als Arbeitsfläche wählte Wiessner einen unauffälligen Mineralwerkstoff, und für Helligkeit sorgen verstellbare Leuchten. „In Koch- und Essbereich haben wir einen kontrastreichen, industriellen Stil gewählt. Er passt gut zur Funktionalität der Räume“, sagt sie.
Leuchten über der Kücheninsel: Gras, DCW; Leuchten über dem Esstisch: Acrobat, DCW; Wandfarbe hinter dem Esstisch: „Light Blue“, Farrow & Ball
Die Fenster wurden aus ökologischen, aber auch praktischen Gründen aus Lärchenholz gefertigt. Dieses einheimische Nadelholz ist sehr feuchtigkeitsbeständig. Durch seine typische warme Farbe und Maserung bildet es einen angenehmen Kontrast zu der anthrazitfarbenen Fassade und lässt das Haus lebendiger und weniger streng erscheinen.
Die Kücheninsel wurde mit einem Kochfeld von Bora ausgerüstet, das über einen integrierten Abzug verfügt. Als Arbeitsfläche wählte Wiessner einen unauffälligen Mineralwerkstoff, und für Helligkeit sorgen verstellbare Leuchten. „In Koch- und Essbereich haben wir einen kontrastreichen, industriellen Stil gewählt. Er passt gut zur Funktionalität der Räume“, sagt sie.
Leuchten über der Kücheninsel: Gras, DCW; Leuchten über dem Esstisch: Acrobat, DCW; Wandfarbe hinter dem Esstisch: „Light Blue“, Farrow & Ball
Bei dem Neunzigerjahrebau wurde in Holzständerbauweise errichtet. Durch seine Konstruktionsachsen war der Handlungsspielraum der Architekten eingeschränkt, „da jede Veränderung der tragenden Konstruktion relativ kostspielige Ausgleichskonstruktionen erfordert“, sagt Charlotte Wiessner „Daher haben wir bei den Fensteröffnungen nur die zwei Sitzfenster in der Breite verändert, indem wir bestehende Fensteröffnungen zusammengelegt haben. Sonst haben wir uns innerhalb der bestehenden Konstruktion bewegt. Im Eingangsbereich haben wir einen Deckendurchbruch bis in den Giebel realisiert, wodurch sich eine sehr großzügige Galeriesituation ergibt. So haben wir eine gute Balance zwischen größtmöglicher räumlicher Qualität und einem schonenden Umgang mit dem Budget der Bauherren gefunden.“
Spritzschutz hinter der Küchenzeile: Fliesen, Golem
Spritzschutz hinter der Küchenzeile: Fliesen, Golem
So fand die Innenarchitektin das Wohnzimmer vor: Diagonal verlegte Fliesen schaffen Unruhe, dunkle Rahmen lassen den seitlichen Wintergarten wenig großzügig erscheinen.
Die Bodenfliesen wichen hellgrauem Sichtestrich, und die dunkelbraunen Rahmen des seitlichen Wintergartens sind jetzt weiß. Das Wohnzimmer wirkt heute hell und offen. Nicht zuletzt die spärliche Möblierung trägt zu dieser Ausstrahlung bei.
Ein Vintage-Teppich aus Dänemark definiert die Sitzecke, in der das Sofa „Osaka“ von BoConcept für Farbe sorgt. Wie im ganzen Haus wurde auch in diesem Raum viel Wert auf die passende Beleuchtung gelegt. „Für das Lichtkonzept haben wir uns von Anfang an etwas Ausdrucksstarkes, Unorthodoxes vorgestellt. Der Modernität der reinen Form des Hauses nach dem Umbau wollten wir eine originelle Komponente geben. So kam es auch zur Entscheidung, im Wohnbereich die wunderbare Bambuslampe mit Kaschmir-Behang von Ay Illuminate einzusetzen“, sagt Wiessner.
Wandfarbe rechts: „Light Blue“, Farrow & Ball
Ein Vintage-Teppich aus Dänemark definiert die Sitzecke, in der das Sofa „Osaka“ von BoConcept für Farbe sorgt. Wie im ganzen Haus wurde auch in diesem Raum viel Wert auf die passende Beleuchtung gelegt. „Für das Lichtkonzept haben wir uns von Anfang an etwas Ausdrucksstarkes, Unorthodoxes vorgestellt. Der Modernität der reinen Form des Hauses nach dem Umbau wollten wir eine originelle Komponente geben. So kam es auch zur Entscheidung, im Wohnbereich die wunderbare Bambuslampe mit Kaschmir-Behang von Ay Illuminate einzusetzen“, sagt Wiessner.
Wandfarbe rechts: „Light Blue“, Farrow & Ball
Vom Wohnzimmer führt eine Stahl-Glas-Tür, ähnlich der im Eingangsbereich, ins Musikzimmer. Sie ist nicht nur dekorativ, sondern bringt durch eine effektive Dichtung auch die passende Schallschutzwirkung mit.
Der größere Wintergarten, der zum Pool hinausgeht, wurde auf das Bodenniveau des Wohnbereiches angehoben und mit einer Fußbodenheizung versehen. Hier wurden die dunklen Rahmen durch solche aus Lärchenholz ersetzt.
Außerdem wurde der Durchgang verbreitert, und die vorherigen Schwingflügeltüren wurden durch Schiebetüren ersetzt. Auch nach draußen, zum Pool und in den Garten geht es durch Schiebetüren.
Hier laden ein Vintagesessel (der „Safari Chair“ von Kaare Klint) und ein Wollteppich zu Ruhepausen ein.
Leuchten: „Bird’s Nest“, Ay Illuminate; Kissen: Cushini
Leuchten: „Bird’s Nest“, Ay Illuminate; Kissen: Cushini
Auch ein Tisch mit Stühlen findet in dem weitläufigen Wintergarten Platz – als Gelegenheit für familiäre Zusammenkünfte oder als Alternative zum Esstisch im Küchenbereich.
Vintage-Tisch: Eiermann-Gestell; Stühle: Hay (mit Stoffbezug von Kvadrat)
Vintage-Tisch: Eiermann-Gestell; Stühle: Hay (mit Stoffbezug von Kvadrat)
Durch die Öffnung des Dachraums bis zu den Giebeln ergab sich auch im Obergeschoss eine neue räumliche Qualität und Offenheit. Von den ungeahnten Raumqualitäten profitiert jetzt insbesondere das elterliche Schlafzimmer.
Die Dachschräge wird als begehbarer Kleiderschrank genutzt und ist gleichzeitig der Zugang zum Hauptbad. Die schräg verlaufenden Vorhänge sind Anfertigungen vom Raumausstatter und lassen sich über ein Schleuderzug-System auf- und zuziehen.
Die vorgehängte Balkontür wurde ausgetauscht, die Fläche bis unter den Giebel verglast. Der Balkon wurde ebenfalls vollständig saniert: Erneuert wurden die Aufdachdämmung, die Abdichtung, die Entwässerung sowie der Bodenbelag und die Glasbrüstung.
Die vorgehängte Balkontür wurde ausgetauscht, die Fläche bis unter den Giebel verglast. Der Balkon wurde ebenfalls vollständig saniert: Erneuert wurden die Aufdachdämmung, die Abdichtung, die Entwässerung sowie der Bodenbelag und die Glasbrüstung.
Auch dieser Bereich des Hauses zeichnet sich durch Offenheit und raffiniertes Mobiliar aus.
„Uns gefällt die Gesamtwirkung des Hauses. Es ist sehr originell, aber zugleich kein bisschen abgehoben und passt perfekt zu seinen Bewohnern“, so Charlotte Wiessner.
„Uns gefällt die Gesamtwirkung des Hauses. Es ist sehr originell, aber zugleich kein bisschen abgehoben und passt perfekt zu seinen Bewohnern“, so Charlotte Wiessner.
Im Obergeschoss befinden sich neben dem Kinderzimmer und dem Elternschlafzimmer auch noch ein Arbeitsraum und zwei Bäder. Das Familienbad mit Badewanne ist nur über den Schlafbereich der Eltern zugänglich.
Das gesamte Obergeschoss wurde (bis auf die Bäder) mit Eichenparkett ausgestattet.
Fliesen und Wanddekor adé! In den zwei Familienbädern im Obergeschoss wurde kräftig modernisiert. Im elterlichen Bad lässt ein wandfüllender Spiegel den Raum deutlich größer wirken, und die Spiegelleuchten mit Chromfassung sorgen für genügend Licht.
Durch die Metrofliesen in dunklem Türkis und den Sichtestrich als Bodenbelag zieht auch ins Bad ein Hauch von Industrial Style ein.
Armaturen: Dornbracht
Armaturen: Dornbracht
Der hausbackene Fliesenspiegel im kleinen Familienbad ist Geschichte.
Metro-Fliesen in hellen Wasserfarben kleiden jetzt den Raum und bilden einen schönen Materialkontrast zu den Holzelementen. Die Waschtischplatten und die dazugehörigen Unterschränke in Eiche sind Maßanfertigungen eines Tischlers.
Metro-Fliesen: Golem
Tischler und Schreiner in Ihrer Nähe
Metro-Fliesen: Golem
Tischler und Schreiner in Ihrer Nähe
Auch das Kinderzimmer wurde mit demselben lockeren Vintage-Charme wie der Rest der Räume bedacht. Die Tapete mit rosafarbenem Farbverlauf nennt sich „Pink Ombre“ und stammt von Cafelab in Rom.
Inspirationen zu Kinderzimmern
Inspirationen zu Kinderzimmern
„Das Haus hatte bereits vor dem Umbau einen Pool, und die Eigentümer wünschten sich, dass man bei den sommerlichen Partys von der Küche aus ohne Umwege bis zum Wasserbecken gelangen kann. Mit der abgestuften Poolterrasse und dem offenen Grundriss sind wir diesem Wunsch nachgekommen.
Heute umfasst eine Stufenterrasse in Lärche den Pool. Dadurch wurde die Terrasse größer und besser nutzbar“, erklärt die Architektin.
Heute umfasst eine Stufenterrasse in Lärche den Pool. Dadurch wurde die Terrasse größer und besser nutzbar“, erklärt die Architektin.
Die erste große Poolparty nach der Fertigstellung im Sommer war ein großer Erfolg. „Wir waren auch eingeladen!“, freut sich Charlotte Wiessner.
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