Von den Großen lernen: Das Haus Lemke in Alt-Hohenschönhausen
Mies van der Rohes letztes Wohnhaus in Deutschland verknüpft bescheiden Innen- & Außenraum mit viel Platz zur Besinnung
Eva Bodenmüller
15. Mai 2022
Houzz Deutschland Contributor. Freie Autorin mit Faible für Architektur und Technik, Garten und Kulinarik
Houzz Deutschland Contributor. Freie Autorin mit Faible für Architektur und Technik,... Mehr
Das Ehepaar Martha und Karl Lemke wünschte sich ein bescheidenes und doch repräsentatives Wohnhaus. Der damals schon bekannte Architekt Ludwig Mies van der Rohe sollte den Bau am Obersee in Berlin-Hohenschönhausen realisieren. Allerdings setzte der Geschäftsmann Lemke dem Stararchitekten einen auch für damalige Verhältnisse engen Budgetrahmen.
Mit dem Haus Lemke entwarf Mies van der Rohe sein letztes Wohnhaus in Deutschland, bevor er 1938 emigrieren musste. Über die Jahre seines Bestehens hatte das Haus viel gesehen, beherbergte viele unterschiedliche Nutzungen, bevor es 1990 unter kommunale Trägerschaft des damaligen Berliner Bezirks Hohenschönhausen kam. Von 2000 bis 2002 wurden schließlich Haus und Garten nach historischen Plänen wieder instand gesetzt. Heute ist das Gebäude unter dem Namen Mies-van-der-Rohe-Haus als Ausstellungsort und Museum für die Öffentlichkeit zugänglich. Was können wir von einer Architektur, die so viel erlebt hat, für heutige und künftige Bauten lernen?
Mit dem Haus Lemke entwarf Mies van der Rohe sein letztes Wohnhaus in Deutschland, bevor er 1938 emigrieren musste. Über die Jahre seines Bestehens hatte das Haus viel gesehen, beherbergte viele unterschiedliche Nutzungen, bevor es 1990 unter kommunale Trägerschaft des damaligen Berliner Bezirks Hohenschönhausen kam. Von 2000 bis 2002 wurden schließlich Haus und Garten nach historischen Plänen wieder instand gesetzt. Heute ist das Gebäude unter dem Namen Mies-van-der-Rohe-Haus als Ausstellungsort und Museum für die Öffentlichkeit zugänglich. Was können wir von einer Architektur, die so viel erlebt hat, für heutige und künftige Bauten lernen?
Auf einen Blick
Hier wohnten: Martha und Karl Lemke
Auf: 160 Quadratmetern
In: Berlin-Alt-Hohenschönhausen
Bauweise: doppelwandiges Ziegelmauerwerk
Baukosten: 16.000 Reichsmark (umgerechnet heute etwa 75.000 Euro)
Experte: Mies van der Rohe
Fotos: René Müller
Enges Budget trifft Stararchitekt. Zwei Grundstücke am Obersee hatten die Lemkes 1932 gekauft. Eines für den Bau ihres Hauses, eines als Wertanlage – immerhin lag der Börsencrash von 1929 noch nicht allzu lange zurück. Dem damals am Bauhaus als Direktor tätigen Mies van der Rohe setzte der Geschäftsmann Lemke einen sehr engen Budgetrahmen. 16.000 Reichsmark, was heute in etwa 75.000 Euro entspricht, war auch für damalige Verhältnisse sehr wenig Geld für ein Einfamilienhaus. „Mies van der Rohe hat sich auf das konzentriert, was der Bauherr wollte. Das Haus ist ein ‚Konzentrat der Moderne‘, das die Wünsche des Bauherrn auf den Punkt bringt“, erzählt Dr. Wita Noack, die das Mies-van-der-Rohe-Haus leitet. Das knappe Budget konnte auch durch die Verwendung einfacher Materialien wie Ziegel und industriell gefertigte Stahlsprossenfenster eingehalten werden.
Hier wohnten: Martha und Karl Lemke
Auf: 160 Quadratmetern
In: Berlin-Alt-Hohenschönhausen
Bauweise: doppelwandiges Ziegelmauerwerk
Baukosten: 16.000 Reichsmark (umgerechnet heute etwa 75.000 Euro)
Experte: Mies van der Rohe
Fotos: René Müller
Enges Budget trifft Stararchitekt. Zwei Grundstücke am Obersee hatten die Lemkes 1932 gekauft. Eines für den Bau ihres Hauses, eines als Wertanlage – immerhin lag der Börsencrash von 1929 noch nicht allzu lange zurück. Dem damals am Bauhaus als Direktor tätigen Mies van der Rohe setzte der Geschäftsmann Lemke einen sehr engen Budgetrahmen. 16.000 Reichsmark, was heute in etwa 75.000 Euro entspricht, war auch für damalige Verhältnisse sehr wenig Geld für ein Einfamilienhaus. „Mies van der Rohe hat sich auf das konzentriert, was der Bauherr wollte. Das Haus ist ein ‚Konzentrat der Moderne‘, das die Wünsche des Bauherrn auf den Punkt bringt“, erzählt Dr. Wita Noack, die das Mies-van-der-Rohe-Haus leitet. Das knappe Budget konnte auch durch die Verwendung einfacher Materialien wie Ziegel und industriell gefertigte Stahlsprossenfenster eingehalten werden.
- Was wir daraus lernen: einfach bauen. Das bezieht sich sowohl auf Kubatur und Raumfolge, als auch auf die verwendeten Materialien.
Zwei Räume über Eck. Die rund 160 Quadratmeter Grundfläche verteilen sich auf zwei über Eck liegende Flügel. „Einen für die Frau, einen für den Mann“, wie Noack erklärt. So geht es vom kleinen Flur hinter dem Eingang, der im Norden liegt, geradeaus ins Wohn- und Esszimmer sowie in die Küche. Nach links liegen das Büro des Hausherrn und das Schlafzimmer des Ehepaars. Tatsächlich verzichteten die Lemkes auf Hauspersonal, was zusätzliche Räume überflüssig machte, für die Zeit aber doch ungewöhnlich war. „Das war eine Frage des Lebenskonzepts. Die beiden waren stark aufeinander bezogen und wollten nicht gestört werden“, weiß die Expertin.
- Was wir daraus lernen: Ein Haus spiegelt das Leben wider, das darin stattfindet. Ein einfacher Grundriss ist die beste Ausgangslage, sich auf die eignen Wohnbedürfnisse zu konzentrieren.
In die Landschaft geschmiegt. „Karl Lemke wünschte sich ein Haus, das stark mit dem Garten verbunden ist“, erzählt Noack. Die Winkelform ermöglichte eine Wohnterrasse, die einem Gartenzimmer gleicht. Stufenlos geht es weiter in den Garten. Auch die rotbunt changierende Ziegelfassade trägt zum sanften Übergang vom Wohnraum in die Natur bei. Der eingeschossige Flachdachbau passt sich förmlich in die Landschaft ein. Die querformatigen Fenster geben einen Panoramablick frei, mit einer Fernsicht auf den See.
- Was wir daraus lernen: Der Außenraum sollte Teil des Wohnraums sein. Mit einem stufenlosen Übergang von innen nach außen erweitert sich der Wohnraum fast von selbst, die Nutzung des Gartens wird selbstverständlich, und der Innenraum kann kleiner sein.
Ausrichtung nach Süd-Westen. „Das Haus ist ein Lichtfänger“, erklärt Noack. Mehr noch: „Die Räume sind nur so tief, dass die Sonne bis ganz hinten eindringen kann.“ Mit raumhohen Verglasungen, die sich fast über die gesamte Breite des Innenwinkels erstrecken, zeigt sich auch in diesem Haus der von Mies van der Rohe stark betonte Dreiklang aus Luft, Licht und Bewegung. Durch die großzügigen Öffnungen in Süd-West-Ausrichtung ist von Mittag bis in die Abendstunden in den Haupträumen der größte Sonnen- und Lichteintrag zu erwarten.
- Was wir daraus lernen: Weniger tiefe Räume werden besser durch natürliches Licht erhellt. Für Licht bis in den hintersten Winkel bedarf es großer Fenster, aber auch das Verhältnis zur Raumtiefe muss ausgewogen sein.
Viel unterschiedliches Holz. Manche Besucher:innen werden überrascht sein, dass vor allem Holz die Innenräume prägt. „Mies van der Rohe hat sich sehr für Materialität interessiert, gleich ob Holz oder Stahlrohr, blankpolierten Onyx oder Backstein“, erzählt Noack. In jedem Raum wurde eine andere Holzart verwendet, stets mit der Absicht, eine komfortable Wohnatmosphäre zu schaffen. Zitronenholz wurde etwa für Schrank und Bett im Schlafzimmer verwendet, aus fein gestreiftem Makassar-Ebenholz wurden Bücherschrank, Schreibtisch und ein quadratischer Tisch im Arbeitszimmer gefertigt. Die Möbel hatte Mies van der Rohe gemeinsam mit der Designerin Lilly Reich entworfen, mit der er unter anderem auch bei der Villa Tugendhat und dem Barcelona-Pavillon gearbeitet hatte. Die Möbel sind heute im Kunstgewerbemuseum Berlin zu sehen. Ein paar Möbelstücke hatte das Paar auch aus seiner vorherigen Wohnung mitgebracht.
- Was wir daraus lernen: Material prägt Räume. Oberflächen haben eine optische und eine haptische Wirkung. Beides sollte bei der Einrichtung beachtet werden.
Farbe durch Materialität. Statt mit farbigen Wänden zu arbeiten, wirkten im Haus Lemke überwiegend die Materialien selbst. Die roten Teppiche harmonierten mit dem gelben Schweinslederpergament, mit dem die Stühle bespannt waren. Hinzu kamen die Brauntöne des Eichenparketts und der jeweils unterschiedlichen Holzarten der Einbauten. „Durch die richtige Behandlung des Materials entstand eine Schönheit, die nicht vergeht“, schwärmt Noack.
- Was wir daraus lernen:
- Bei Farbigkeit und Material auf das Prinzip „less is more“ setzen. Mies van der Rohe hat immer wieder das Weniger-ist-mehr betont. Wer unterschiedliche Materialien nutzt, sollte bei der Farbe zurückhaltender sein, die Materialien für sich wirken lassen.
Klimatechnisch schwierig. Im Keller bollerte zu Lemkes Zeiten eine Kohleheizung, die ihre Wärme über gusseiserne Radiatoren im Haus verteilte. Die doppelt gemauerten, achtunddreißig Zentimeter dicken Wände nehmen die Sonnenwärme auch im Winter auf und geben sie nach Innen weiter. Eine Wärmedämmung gibt es nicht. Die Wärme geht durch die Wände, vor allem aber über die in Stahl gefassten Fenster verloren. So meint Noack: „Im Winter ist es zu kalt, im Sommer zu warm. Aber an einem sonnigen Wintertag ist es einfach wunderschön.“ Wo einst ein Walnussbaum auf der Terrasse die Räume vor zu großer Erhitzung im Sommer schützte und im Winter die kahlen Zweige die Sonnenstrahlen hindurch ließen, wurde ein neuer Baum gepflanzt. „Der Baum ist noch klein, wird aber die gleiche Funktion übernehmen“, versichert Noack.
- Was wir daraus lernen: Verschattung mit Laubbäumen wirkt. Dämmung und Energiequelle sind in diesem Haus sicher nicht auf dem Stand der Zeit. Doch Laubbäume sind immer noch gute Schattenspender, mit etlichen positiven Zusatznutzen wie besseres Stadtklima, bessere Luftqualität, Lebensraum für Insekten etc. Also gerne Bäume pflanzen!
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Interessant wäre ein Grundriss gewesen.
Finden konnte ich dank "midmofan" zumindest ein schlecht zu lesendes Foto des Originals:
https://www.miesvanderrohehaus.de/architektur/geschichte/
schade, kann keine Fotos finden von innen
Hallo, da hilft eben nur ein Besuch beim nächsten Berlin-Ausflug. Das ist das Fotomaterial, was uns zur Verfügung gestellt werden konnte im Rahmen der Veröffentlichung.