Architektur
Flotter Dreier an der Ostsee: So modern können Reetdächer sein!
Dieses Triumvirat sucht seinesgleichen: Möhring Architekten mischten am Darß Scheunen- und Fischerhauselemente auf überzeugende Weise
Der Darß ist leider längst kein Geheimtipp mehr, kein Ort mehr, an dem nur Ostberliner Urlaub machen. Dafür ist das Fischland einfach zu schön, ob man sich nun direkt an der Küste oder am Bodden aufhält. Am Bodden liegt Born, das wunderbar beschauliche Dorf, in dem im Sommer ein Feuerwehrfest stattfand, als wir dort Urlaub machten. Und in Born stehen auch diese drei Häuser, die sich deutlich auf die traditionelle Architektur der Ostseeküste beziehen. Ein reetgedecktes Dach war Ausschreibungsbedingung des gewerblichen Bauträgers. Möhring Architekten spielten mit dieser Vorgabe und kamen schließlich auf die Idee, nicht nur die Dächer, sondern auch die Traufseiten der Häuser mit Reet zu decken. Neben dieser gelungenen Neuinterpretation gibt es eine zweite: große Scheunentore, die dem Ensemble seinen Namen gaben. Durch sie betritt man die Häuser mit ihren je 144 Quadratmetern. Drei Familien haben sich je ein Drittel der mit dem Landesbaupreis 2014 ausgezeichneten Gruppe zum Ferienheim gemacht. Vielleicht sind es ja Ostberliner Familien.
Der Blick vom Erschließungsweg aus zeigt die namensgebenden Elemente des Scheunentrios: Große, auf Metallschienen laufende Schiebetore öffnen die Fassaden auf den Traufseiten. Die großen Glasfronten dahinter lassen Innen- und Außenräume miteinander in Beziehung treten und erzeugen im zentralen Innenraum ein Gefühl von Weite. Da es keine Unterkellerung gibt, dienen die kleinen Schuppen im Vordergrund als Lagerräume für Fahrräder und Brennholz.
Dass die Häuser giebelseitig zur Straße stehen, hat gute Gründe: so kann man den Bewohnern als Spaziergänger nicht ins Wohnzimmer gucken.
Vorgelagerte Loggien mit Terrassenplanken aus Lärche vergrößern den Wohnraum bei gutem Wetter auf beiden Seiten nach außen – um insgesamt 32 Quadratmeter.
Reet deckt nicht nur die Dächer, wie es vom Bauträger gewünscht worden war, sondern wandert auch an der Fassade hinab. Die Borner Dachdeckerei Brandenburg machte es möglich.
Reet deckt nicht nur die Dächer, wie es vom Bauträger gewünscht worden war, sondern wandert auch an der Fassade hinab. Die Borner Dachdeckerei Brandenburg machte es möglich.
Echte Handarbeit war auch für die Torkonstruktion nötig. Laufschienen und Unterkonstruktion der Torflügel wurden von einem Metallbauer speziell für dieses Projekt angefertigt.
Die Konstruktion ist massiv, ein Mauerwerk aus Kalksandstein. Eine Holzunterkonstruktion trägt die Fichtenholzschalung und das Reet. Daher scheint es auch, als würde das Haus über dem Boden schweben: Während der Sockel nämlich bündig mit dem Mauerwerk endet, ragt die Holzkonstruktion darüber hinaus.
Mehr: Wohnen mit Türen im Scheunen-Look >>
Die Konstruktion ist massiv, ein Mauerwerk aus Kalksandstein. Eine Holzunterkonstruktion trägt die Fichtenholzschalung und das Reet. Daher scheint es auch, als würde das Haus über dem Boden schweben: Während der Sockel nämlich bündig mit dem Mauerwerk endet, ragt die Holzkonstruktion darüber hinaus.
Mehr: Wohnen mit Türen im Scheunen-Look >>
Mach mal die Augen zu, Haus! Na gut, mach ich, mit meinen verschiebbaren Fensterläden, denkt sich das Haus. Dass man mit dem Gebäude in Dialog treten möchte, ist wahrscheinlich kein Zufall. Es wirkt so… menschlich, ein bisschen wie das kleine Haus im Disneyfilm „The little house“ von 1952, das im Laufe seines langen Lebens sukzessiv von Hochhäusern umzingelt wird. Dieses Schicksal kann unserem Scheunenhaus-Trio nicht blühen, nicht in Born am Darß. Hier sind die drei Häuser mit ihrem menschlichen Maßstab ganz richtig.
Und Augen auf! Na gut! Bei geöffneten Läden lässt sich einiges vom Innenraum erkennen. Zum Beispiel das Wohnzimmer unten, oder ein Ausschnitt von Bad und Schlafzimmer im ersten Stock.
Wunderbar zeigt die Fassade aus schwarz gestrichenem Fichtenholz, wie die Etagen aufgeteilt sind. Im ersten Obergeschoss gibt es zwei Zimmer mit Ensuite-Bädern und darüber, auf dem Spitzboden, sind noch einmal zwei Zimmer untergebracht. Die lichte Raumhöhe im Erdgeschoss und auf der ersten Etage liegt, trotz der kompakten Bauweise, bei 2,45 Metern.
Übrigens, für alle, die des Reetdachdeckens nicht so kundig sind: bei dem Kantholz ganz oben am First handelt es sich um ein sogenanntes Windbrett. Da das Reet nämlich dort mit einem Wulst endet, braucht dieser Bereich einen besonderen Abschluss. Traditionell werden Windbretter zusätzlich mit geschnitzten Motiven verziert.
Mehr: Alles Schwarzseher? Warum Architekten jetzt finstere Fassaden gestalten >>>
Wunderbar zeigt die Fassade aus schwarz gestrichenem Fichtenholz, wie die Etagen aufgeteilt sind. Im ersten Obergeschoss gibt es zwei Zimmer mit Ensuite-Bädern und darüber, auf dem Spitzboden, sind noch einmal zwei Zimmer untergebracht. Die lichte Raumhöhe im Erdgeschoss und auf der ersten Etage liegt, trotz der kompakten Bauweise, bei 2,45 Metern.
Übrigens, für alle, die des Reetdachdeckens nicht so kundig sind: bei dem Kantholz ganz oben am First handelt es sich um ein sogenanntes Windbrett. Da das Reet nämlich dort mit einem Wulst endet, braucht dieser Bereich einen besonderen Abschluss. Traditionell werden Windbretter zusätzlich mit geschnitzten Motiven verziert.
Mehr: Alles Schwarzseher? Warum Architekten jetzt finstere Fassaden gestalten >>>
Außen dunkel, innen? Hell! Klein oder eng ist dieser Innenraum wahrlich nicht. Dabei waren die Grundstücke genau das: klein. Hinzu kam noch, dass eine eingeschossige Bauweise vorgeschrieben wurde, die nun durch geschickte Innenaufteilung das Erdgeschoss, die erste Etage und einen Spitzboden umfasst. Was wir hier sehen, ist der Blick aus dem Wohnbereich in den zentralen Raum des Hauses, das Esszimmer. Hinten links liegt die Küchen, rechts befindet sich der Durchgang zum Bad.
Die Treppe ist für den Innenraum, was das Reet und die Tore für den Außenraum sind: formgebend. Möhring Architekten gestalteten sie, dem kleinen Hausvolumen angemessen, so filigran wie möglich.
Und das ging so: Trittstufen aus Eiche wurden auf schmale Stahlwangen geschraubt. Teile des Treppengeländers, das aus dünnen Stahlstäben besteht, verschweißte man erst vor Ort.
Und das ging so: Trittstufen aus Eiche wurden auf schmale Stahlwangen geschraubt. Teile des Treppengeländers, das aus dünnen Stahlstäben besteht, verschweißte man erst vor Ort.
Die Jury des Landesbaupreises fühlte sich beim Anblick der Treppe an M.C. Escher erinnert. Beim Anblick von Treppen geht das ja sehr vielen Menschen so. Der Unterschied zu den unmöglichen Treppen des Künstlers ist: Diese sind möglich und funktionieren sogar sehr gut – und führen nicht kafkaesk ins Nirgendwo, sondern hier: nach oben.
Oben, also im ersten Geschoss, liegen die Schlafzimmer mit angeschlossenem Bad. Schön, wie alle möglichen Menschenkombinationen im Entwurf mitgedacht wurden. Hier können Familien, Paare oder auch Freunde Urlaub machen. Dass es nun ausgerechnet drei Familien geworden sind, die zugeschlagen und sich eins der Häuser gekauft haben, muss nicht heißen, dass nicht auch in anderen Konstellationen hier gelebt werden kann und vielleicht auch wird.
Auf dem Spitzboden, direkt unterm Dach, gibt es zwei Räume, die über einen Steg miteinander verbunden sind. Sie haben keine Bäder, sind aber trotzdem die Krönung, besonders für Kinder, die ja nichts lieber mögen als ihr eigenes Reich, und wenn’s auch klein sein mag. Auf die Toilette kann man dann bei Mama und Papa, neben dem Schlafzimmer, gehen, falls man nicht schlafen kann, weil hier alles so aufregend ist. Ferien auf dem Darß, ihr könnt kommen!
Mehr Projekte von Möhring Architekten im Experten-Profil auf Houzz >>>
Mehr Projekte von Möhring Architekten im Experten-Profil auf Houzz >>>