Architektur
Architektur: Modernes Allgäu! Neubau in der Nachbarschaft alter Bäume
Dieses Haus überzeugt mit Gegensätzen: Integriert und eigenständig, modern und traditionsbewusst, mit einer Fassade in Holz und Hellgrau
Ein spitzes Dreieck, leicht abschüssig – diesem Grundstück wäre mit einer Standardlösung nicht beizukommen gewesen. Doch das stand auch nie zur Debatte. Denn schon vor der Auswahl des Bauplatzes arbeitete die Bauherrenfamilie mit dem Architekturbüro Cama A zusammen. Gemeinsam wählten sie das Grundstück in einem Neubaugebiet von Bad Wörishofen im schwäbischen Landkreis Unterallgäu aus. Eine gute Entscheidung. Trotz anspruchsvoller Lage erkannten die Experten das Potenzial des Baugrundes: Heute profitiert der Neubau vom alten Baumbestand in einer definierten, weil bebauten Umgebung.
„Das Grundstück war nicht sehr begehrt. Es läuft spitz zu und ist ein wenig abschüssig“, erzählt Architekt Marc Hensel. „Aber es grenzt an die bestehende Bebauung, liegt am Rand des Neubaugebiets und profitiert von dem schönen Baumbestand.“ Er hat die Bauherren bei der Wahl des Baugrundes beraten und sie von den Vorteilen genau dieses Platzes überzeugt. Heute steht hier ein neues Haus, das nicht nur aufgrund seiner Architektur, sondern auch durch die umgebenden Grünflächen aussieht, als gehöre es einfach dorthin.
Mit kleinen Details haben die Architekten diese Integration geschafft. So zieht sich um den Neubau ein Lattenzaun. Sein Betonfundament schließt nahtlos an das des Nachbargrundstücks an. Der Zaun besteht, ebenso wie Teile der Hausfassade, aus zertifiziertem europäischem Lärchenholz. Die geölten Latten altern nicht so schnell wie unbehandeltes Holz. „Die Bauherrin fand unsere Pläne mit dem in RAL 7032 Kieselgrau gestrichenen Haus und den honigfarbenen Latten so schön, dass sie das natürliche Vergrauen des Holzes schreckte. Daher sind wir den Kompromiss eingegangen, die Latten zu ölen“, erläutert Hensel.
Hensel persönlich bevorzugt natürliche Materialien beim Bau, die mit dem Bauwerk altern. Fichtenholz etwa, das roh angebracht im Laufe der Jahre silbergrau wird und richtig eingebaut durchaus mehrere Jahrzehnte hält. „Häuser werden bewohnt. Sie erzählen Geschichten und verwachsen allmählich mit ihrer Umgebung. Wenn man ihre Geschichte dann auch lesen kann, macht es das Gebäude interessant“, so der Architekt. Sterile Neubaugebiete sind ihm daher ein Graus.
Informationen zu Holzfassaden und ihre Konstruktion
Informationen zu Holzfassaden und ihre Konstruktion
Die Ebene über der Garage ersetzt den Keller. Hier lagern Dinge wie Skier oder ausrangierte, aber noch brauchbare Gegenstände. Zu dieser Schatzkammer gelangen die Bewohner über die Garage. „Ein Keller ist in dieser Gegend ziemlich teuer. Denn der Boden besteht aus Kies und Fels und das Grundwasser ist ziemlich hoch“, erklärt Hensel. Daher hat er zu einer großen Garage mit Stauraum unterm Dach geraten.
Wo aber versteckt sich die Haustechnik, die häufig ihren Platz im Keller findet? „Wir haben sie im Spitzboden des Wohnhauses untergebracht, auf einer Betondecke, die das Gewicht der Technik trägt. Der Raum ist über eine schmale Hühnerleiter zu erreichen“, verrät Hensel.
In einen Pufferspeicher fließt unter anderem das Warmwasser, das über eine solarthermische Anlage auf dem Dach produziert wird. Deren Kapazität deckt auch im Winter den Bedarf der Fußbodenheizung. Vor allem aber wird das Haus über einen Holzofen mit Wasserregister beheizt. Das heißt, die Wärme des Ofens erhitzt in Heizschlangen fließendes Wasser. Auch dieses Wasser wird in den Pufferspeicher eingespeist. Eine intelligente Heizungssteuerung regelt die Wasserabnahme, sodass aus dem Pufferspeicher immer dort Wasser entnommen wird, wo die beim Verbrauch gewünschte Temperatur herrscht. „Im Grunde würde es reichen, den Kachelofen zwei bis drei Stunden pro Tag zu beheizen, um ausreichend Warmwasser zu haben“, erläutert Hensel. Die ebenfalls im Dachboden untergebrachte Gastherme schaltet sich nur in sehr langen Kälteperioden zu.
In einen Pufferspeicher fließt unter anderem das Warmwasser, das über eine solarthermische Anlage auf dem Dach produziert wird. Deren Kapazität deckt auch im Winter den Bedarf der Fußbodenheizung. Vor allem aber wird das Haus über einen Holzofen mit Wasserregister beheizt. Das heißt, die Wärme des Ofens erhitzt in Heizschlangen fließendes Wasser. Auch dieses Wasser wird in den Pufferspeicher eingespeist. Eine intelligente Heizungssteuerung regelt die Wasserabnahme, sodass aus dem Pufferspeicher immer dort Wasser entnommen wird, wo die beim Verbrauch gewünschte Temperatur herrscht. „Im Grunde würde es reichen, den Kachelofen zwei bis drei Stunden pro Tag zu beheizen, um ausreichend Warmwasser zu haben“, erläutert Hensel. Die ebenfalls im Dachboden untergebrachte Gastherme schaltet sich nur in sehr langen Kälteperioden zu.
Der Eingang liegt im Zwischenraum von Wohnhaus und Garagentrakt. Eine große, zweiflüglige Tür führt in den Flur zwischen den beiden Gebäudeteilen. Von hier sind alle Räume erreichbar, und auch der Garten.
Wenn die Eingangstür und die ihr gegenüberliegende Tür am Ende des Flures offen stehen, sind Blick und Weg in den Garten frei.
Handwerker aus der Region für die teilweise ausgefallenen Ideen zu gewinnen, war nicht immer einfach. Bei den raumhohen Türen musste Hensel sogar gänzlich darauf verzichten und einen Tischler aus Brandenburg engagieren. „Die lichte Raumhöhe beträgt im Haus drei Meter. Die Türen sollten flächenbündig eingebaut werden, als ob sie Möbel wären. Wir haben verschiedene Tischler in der Region gefragt, doch keiner konnte oder wollte sie bauen. So haben wir kurzerhand einen Tischler aus Potsdam beauftragt, mit dem wir schon mehrere Projekte durchgeführt hatten“, erzählt er.
Handwerker aus der Region für die teilweise ausgefallenen Ideen zu gewinnen, war nicht immer einfach. Bei den raumhohen Türen musste Hensel sogar gänzlich darauf verzichten und einen Tischler aus Brandenburg engagieren. „Die lichte Raumhöhe beträgt im Haus drei Meter. Die Türen sollten flächenbündig eingebaut werden, als ob sie Möbel wären. Wir haben verschiedene Tischler in der Region gefragt, doch keiner konnte oder wollte sie bauen. So haben wir kurzerhand einen Tischler aus Potsdam beauftragt, mit dem wir schon mehrere Projekte durchgeführt hatten“, erzählt er.
Sämtliche Innentüren sowie alle nach Entwürfen von Cama A gefertigten Einbaumöbel sind Maßanfertigungen. „Architektur verstehen wir als Komplettlösung, einschließlich der Möbel. Zumal Einbaumöbel mit der Architektur verwachsen sind und den Raum optimal ausnutzen können“, so Hensel. Deutlich wird dies bei der Treppe ins Obergeschoss. Regale, Schubfächer und Schränke bieten Stauraum im Flur, der am Gästezimmer vorbei in den offenen Wohnbereich führt. Vom Wohnzimmer aus gibt es einen Geschirrschrank sowie Zugang zum Raum unter der Treppe. Hier sind der Sicherungskasten und die Telekommunikationszentrale des Hauses mit Router und Server untergebracht.
Das Eichenholzparkett im Erdgeschoss ist im englischen Verband verlegt. Ebenfalls aus Eiche sind der Handlauf und die Treppe, die ins Obergeschoss führen. So entsteht ein stimmiges Gesamtbild.
Die Einbauten, hier ein Schrank auf dem oberen Treppenabsatz, sind aus MDF und Stabsperrholz gefertigt, die in gebrochenem Weiß matt lackiert wurden. Dadurch entsteht im ganzen Haus eine zurückhaltende, helle Atmosphäre.
Vom oberen Treppenpodest geht es rechts über einen kleinen Flur zu zwei spiegelsymmetrischen Kinderzimmern.
Auf der anderen Seite der Treppe liegt das Elternschlafzimmer, das über die Ankleide zu erreichen ist. Von dort führt auch eine Tür direkt ins Bad.
Im Bad überzeugt die Architektur ein weiteres Mal. Die Möbel samt großer Spiegelfläche sind maßgefertigt. Die fugenlos verbaute Glaswand zwischen Dusche und Toilette bietet ausreichend Spritzschutz. Die Glastür hat sich der Bauherr gewünscht.
„Innovatives Wohnen gibt es in dieser Gegend höchst selten“, betont Hensel. „Selbst mit unseren 3D-Plänen konnten wir die Bauherren nicht immer für außergewöhnliche Ideen gewinnen.“ Gelegentlich erweist es sich als schwierig, Kostenbewusstsein, Stil und modernes, natürliches Bauen unter einen Hut zu bringen. Doch gemeinsam haben Bauherren und Architekten stets einen Weg gefunden, optimal mit den Ressourcen umzugehen und Kompromisse zu finden. Das Fischgrätparkett aus Eichenholz im Obergeschoss war nicht die erste Wahl Hensels, doch ein langjähriger Traum des Bauherrn.
Bei aller Rücksichtnahme auf die Kosten waren sich Bauherren und Architekten einig, möglichst natürliche Baustoffe zu verwenden und keine Verbundsysteme. Die Wände wurden daher mit Poroton-T9-Ziegeln (gedämmte Hochlochziegel 36,5 cm) gemauert. Eine zusätzliche Dämmung ist so nicht nötig. Die Ziegelbauweise
beeinflusst das Raumklima positiv, da sie die Luftfeuchtigkeit auf natürliche Weise reguliert und das Mauerwerk die Wärme sehr gut speichert.
beeinflusst das Raumklima positiv, da sie die Luftfeuchtigkeit auf natürliche Weise reguliert und das Mauerwerk die Wärme sehr gut speichert.
„Gerne hätten wir noch besser dämmende Ziegel verwendet, die aber auch wesentlich teurer gewesen wären. Doch auch mit den jetzt verbauten Ziegeln haben wir eine Förderung der KfW-Bank für Niedrigenergiehäuser erhalten“, so Hensel. Auf diese Weise rechnet sich dann auch bei kostenbewussten Bauherren der Einsatz natürlicher Materialien.
Die Treppe aus dem Obergeschoss endet im Flur des Erdgeschosses, direkt gegenüber der Tür zum Garagentrakt.
Neben der bereits erwähnten Doppelgarage und dem Stauraum unterm Dach sind im Garagentrakt auch ein Gästebad und ein Hauswirtschaftsraum sowie Garderobenschränke untergebracht. Im hinteren Teil befindet sich zudem die Werkbank des Hausherrn. Auch ein Lager für Hunde- und Katzenfutter gibt es hier – die Hausherrin betreibt einen kleinen Handel mit Tierfutter.
Von seiner Idee des modernen Wohnens, von Architektur, die überrascht, konnte Hensel die Bauherren überzeugen. Und die positive Resonanz der Passanten auf den für Allgäuer Verhältnisse ungewöhnlichen Bau belohnt den Mut der Bauherren zusätzlich, etwas Neues gewagt zu haben.
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Hier wohnt: eine Familie mit zwei Kindern
In: Bad Wörishofen
Auf: 344 Quadratmetern
Projektzeitraum: 2014 bis 2015
Experten: Cama A
Fotos: Hiepler Brunier