Wohnen neu gedacht: Todd Brachers „Haus" auf der imm cologne 2017
Wie viele Möbel brauchen wir? Wie viele unterschiedliche Räume? Auf der Möbelmesse gab ein US-Amerikaner neue Antworten
Wenn man wollte, könnte man Todd Brachers Haus als Antithese zu der Möbelmesse verstehen, auf der es steht. Denn es sind kaum Möbel darin zu sehen. Der Ansatz ist viel konzeptioneller, zielt auf eine „exploration in meaningful living” (in etwa: Eine Erforschung des sinnvollen Lebens und Wohnens). Vor allem anderen stellt der Designer Todd Bracher erst einmal Fragen. Warum wohnen wir, wie wir wohnen? Und muss das so sein? Passt die klassische Raumabfolge noch zu unserem Leben? Und welche Dinge sind wirklich wichtig?
Seine Skizzen und Renderings haben eine japanische, fast tempelartige Anmutung. Zwei Kuben, leicht schräg zueinander, ein schwebendes Dach, eine leuchtende Kugel – minimalistisch schon von außen. Dick Spierenburg, Creative Director der Messe, schreibt, es sei „mehr wie ein Traum von einem Haus als ein reelles Gebäude”. Man könnte auch sagen: Es ist wie die Idee eines Hauses.
Schade nur, dass die Leichtigkeit des Entwurfes in der dunklen, engen Messehalle etwas untergeht, das schwebende schwarze Segeldach wird optisch von der ebenfalls schwarzen Hallendecke verschluckt. Dieses Haus müsste draußen stehen, auf einem offenen Platz. man mag es sich auf einer Lichtung vorstellen.
Schade nur, dass die Leichtigkeit des Entwurfes in der dunklen, engen Messehalle etwas untergeht, das schwebende schwarze Segeldach wird optisch von der ebenfalls schwarzen Hallendecke verschluckt. Dieses Haus müsste draußen stehen, auf einem offenen Platz. man mag es sich auf einer Lichtung vorstellen.
Wer ist denn dieser Todd Bracher, fragten sich viele im Vorhinein – auch Designer und andere Experten, denn er war bisher keiner aus der Promi-Riege im Scheinwerferlicht. Aber einer, dessen Kundenliste sich nicht minder illuster liest als die der anderen – von Cappellini bis Zanotta, von Georg Jensen (als Art Director) über Kvadrat zu Fritz Hansen und Mater, von 3M bis Jaguar.
Entscheidender aber ist wohl, wie der 42-Jährige sein Geschäft versteht, das er seit 2007 von New York aus führt – nach Studien und Stationen in Kopenhagen, Mailand, Reims, Paris, London. Denn ihm geht es immer weniger um die Form, als um die Idee dahinter. Um die Herausforderung, Vorhandenes neu zu denken, auch strategisch. Nur folgerichtig dass er, statt ein Schaustück in Interior-Gestaltung abzuliefern, erstmal eine grundlegende Frage stellt: „Do I live how I want to live?” (Lebe ich, wie ich leben will?).
Entscheidender aber ist wohl, wie der 42-Jährige sein Geschäft versteht, das er seit 2007 von New York aus führt – nach Studien und Stationen in Kopenhagen, Mailand, Reims, Paris, London. Denn ihm geht es immer weniger um die Form, als um die Idee dahinter. Um die Herausforderung, Vorhandenes neu zu denken, auch strategisch. Nur folgerichtig dass er, statt ein Schaustück in Interior-Gestaltung abzuliefern, erstmal eine grundlegende Frage stellt: „Do I live how I want to live?” (Lebe ich, wie ich leben will?).
„Zuerst sollte man fragen, was für uns von Bedeutung ist. Dann sollte man die Architektur danach ausrichten”, sagt er. Und weist darauf hin, dass die meisten Häuser für ein ganz anderes Leben gebaut wurden, als wir es heute führen. Unser Leben hat sich geändert. Wir brauchen eine neue Architektur, eine neue Idee des Wohnens, so die These. „Man hat ein Esszimmer, das man nicht mehr braucht. Aber es ist nun einmal da, also stellt man einen Tisch und Stühle hinein. Wir leben, wie die Architektur uns vorgibt zu leben”, so Bracher. „Bei ‘Das Haus’ haben wir uns gefragt, wie ein Zuhause aussehen könnte, das unseren jetzigen kulturellen Bedürfnissen entspricht.”
Schon in den letzten 20, 30 Jahren sind unsere Grundrisse offener geworden. Funktionszonen beginnen zu verschwimmen, und die offene Wohnküche ist nur ein Beispiel dafür. Bracher will noch weiter gehen und richtet sein Konzept nach drei Grundbedürfnissen aus: sustenance, rest, hygiene (Nahrung/Versorgung, Ruhe/Erholung, Reinigung/Hygiene). Sein „Haus” ist kein konkreter Wohnvorschlag – aber eine Einladung, darüber nachzudenken, wie wir wohnen wollen.
Schon in den letzten 20, 30 Jahren sind unsere Grundrisse offener geworden. Funktionszonen beginnen zu verschwimmen, und die offene Wohnküche ist nur ein Beispiel dafür. Bracher will noch weiter gehen und richtet sein Konzept nach drei Grundbedürfnissen aus: sustenance, rest, hygiene (Nahrung/Versorgung, Ruhe/Erholung, Reinigung/Hygiene). Sein „Haus” ist kein konkreter Wohnvorschlag – aber eine Einladung, darüber nachzudenken, wie wir wohnen wollen.
Der Hauptraum ist dem Thema sustenance, Nahrung, gewidmet. Dabei bezieht sich Bracher nicht nur auf Kochen und Essen, sondern auch auf geistige Nahrung. Eine große Arbeitsfläche dient als Erfahrungs- und Arbeitsfeld. Man könnte diesen großen, zentralen Raum auch einen Aktivitätsraum nennen, den Ort, an dem sich der Alltag abspielt.
Leuchten: Dome; Design Todd Bracher für Mater
Leuchten: Dome; Design Todd Bracher für Mater
In den haushohen Regalen zu beiden Seiten sind – symbolhaft nur – die passenden Utensilien platziert, Nahrung für Körper und Geist. Also nicht nur Lebensmittel und Gewürze samt zugehörigen Kochutensilien, sondern auch Spielzeuge, wundersame Sammlerstücke und Werkzeuge. „Viele denken, ich wäre ein Minimalist. Aber ich muss widersprechen: Ich bin ein Essentialist”, sagt Bracher.
„Es sind alles Objekte, die Teil des Lebens sind, keine Dekoration”, sagt Bracher und spricht davon, wie wichtig es sei, die echten Dinge zum Anfassen zurückzuholen, statt nur zweidimensionale Erfahrungen aus dritter Hand zu sammeln. Sein Alltagsbeispiel dazu ist das eines Kindes, das Vögel nur aus Büchern kenne, aber nicht wisse, wie groß sie sind oder wie sie sich anhören. Was er hier als Gegenentwurf imaginiert, ist eine Bibliothek der Dinge.
Welche Dinge also, müsste man sich für diesen Ansatz fragen, haben wirklich Bedeutung für uns, für jeden Einzelnen? Möbel sind das eben nicht unbedingt.
Vom Hauptraum in hellem Douglasienholz gelangt man in einen weit kleineren, nachtdunklen Raum – die Zone rest. „Ich glaube nicht, dass man sich ausruhen kann und will, wo man konsumiert, daher gibt es diesen Bereich”, sagt Bracher. „Aber vielleicht brauche ich heute kein Schlafzimmer mehr, sondern einen Ruheraum, in dem ich den Tag verarbeiten kann?” Einen Raum zum Nachdenken, Träumen, Meditieren, Schlafen.
„Für mich liegt etwas sehr Schönes darin, komplett vom Rest der Welt abgeschnitten zu sein – allein“, sagt Bracher. Sehr dunkel ist es hier, ein paar Liegen und Möbel, aparte Decken von Création Baumann. Über allem schwebt eine riesige Kugelleuchte, als wäre der Mond im Haus gelandet. Ein Objekt für Poesie und Meditation, das auch nach außen strahlt – wie ein Versprechen.
Die textile Außenhülle ist halbtransparent.
Den Ort der Hygiene – eine einfache Dusche – hat Bracher nach draußen verlegt. Sicher keine praktische Lösung für alle Klimazonen, aber darum geht es dem us-amerikanischen Designer hier ja auch nicht. Vielmehr ist diese Nasszone ein Symbol. Dafür, dass er uns durch die Architektur auch das echte Erleben zurückschenken will. Wie durch den Mond, den er uns ins Haus geholt hat.
So sah „Das Haus” 2016 aus– gestaltet von Sebastian Herkner
Die Installation „Das Haus” ist noch bis einschließlich Sonntag, 22.1. auf der imm cologne 2017 in Halle 2.2 zu sehen. Und wenn Sie da sind – besuchen sie auch uns an unserem Houzz-Messestand, den der Münchner Architekt Philipp Moeller gestaltet hat – in der Passage zwischen Halle 4 und 5 der Living Kitchen, direkt bei der Cooktainment-Area.
So sah „Das Haus” 2016 aus– gestaltet von Sebastian Herkner
Die Installation „Das Haus” ist noch bis einschließlich Sonntag, 22.1. auf der imm cologne 2017 in Halle 2.2 zu sehen. Und wenn Sie da sind – besuchen sie auch uns an unserem Houzz-Messestand, den der Münchner Architekt Philipp Moeller gestaltet hat – in der Passage zwischen Halle 4 und 5 der Living Kitchen, direkt bei der Cooktainment-Area.
Diesmal durfte ein US-Amerikaner ran. Und der Designer Todd Bracher machte einiges anders. Denn sein Haus ist irgendwie – leer.